@Diago
Lassen wir einmal die ersten Artikel, in denen es u.a. um den Zehnten, die Gemeindeverfassung und Armenfürsorge etc., also im wesentlichen reformatorische Ansätze geht, außen vor.
Artikel VI und VII:
"
Der sechst Artikel.
Zum sechsten ist unser hart Beschwerung der Dienst halben, wölche von Tag zu Tag gemehrt werden und teglich zunehmen. Begehren wir, daß man ein ziemlich Einsehen darein tu, uns dermaßen nit so hart beschweren, sonder uns gnedig hierinnen ansehen, wie unser Eltern gedient haben allein nach Laut des Wort Gotts.
[SIZE=+3]Der siebent Artikel.[/SIZE]
Zum siebenten. Daß wir hinfüro uns ein Herrschaft nit weiter wöllen lassen beschweren, sonder wies ein Herrschaft ziemlicher Weis eim verleiht, also soll ers besitzen laut der Vereinigung des Herren und Bauren. Der Herr soll ihn nit weiter zwingen noch dringen, mehr Dienst noch anders von ihm umsunst begehren, darmit der Baur solich Gut ohnbeschwert also rüeblich brauchen und nießen müg. Ob aber dem Herren Dienst vonnöten weren, soll ihm der Baur willig und gehorsam für ander sein, doch zu Stund und Zeit, daß dem Bauren nit zu Nachteil dien und ihme um einen ziemlichen Pfenning Dienst tun. ..."
(so zitiert aus dem Link w.o.)
Die "Obrigkeit" wird da nicht infrage gestellt, sondern aufgefordert die Dienste nicht zu vermehren, sondern aufgefordert Recht und Billigkeit walten zu lassen. Dieses würde ich mir erlauben, als grundsätzliche Systemkonformität zu bezeichnen. Ähnlich systemkonform sind die folgenden Artikel IX, X und XI. Revolutionär ist etwas anderes. Revolutionär wären, wie auch immer formuliert, Forderungen nach Aufhebung der Grundherrschaft, Gerichtsherrschaft, sonstiger persönlicher Verpflichtungen etc.
Der Terminus "frühbürgerliche Revolution" für die Bauernkriege zu verwenden ist irritierend, da das Bürgertum in den Städten sich absent hielt. Die riefen eher das Reichskammergericht an, was übrigens die Bauernschaft vorher und auch nachher tat.
Du hast Recht, es ist unerheblich, ob eine Revolution Erfolg hatte oder nicht, wenn nur die Ziele revolutionär und nicht systemimmanent waren. Ansonsten sind es m.E. Aufstände, Empörungen, was auch immer.
"...Und ob der Bauernkrieg dabei keine Rolle gespielt haben soll, ist für mich zunächst noch nicht entschieden. ..."
Wenn Du da einige Beispiele hättest, inwiefern der Bauernkrieg irgend etwas an der ökonomischen und juristischen Situation der Bauern im HRR geändert haben sollte, wäre es schön, wenn Du sie benennen könntest, mir fällt entweder mangels Wissen oder historischer Phantasie nichts ein.
"...Ich habe einige verschiedene Sachen dazu gelesen, kann aber gerade nicht viel schreiben, denke aber, ich bin einigermaßen im Bilde über verschiedene Ansätze. An die „gesetzmäßigen Entwicklungen“ á la Marx und Engels glaube ich zwar nicht, allerdings haben wir genauso wenig das „Ende der Geschichte“ erreicht, wie das die beiden Denker des 19.Jh. in ihren Theorien zur Gesellschaft annahmen, oder vorauszusehen glaubten. ..."
Marx und Engels wollten nicht, daß man an ihre Theorie glaubt, vielmehr meinten sie, im dialektischen und historischen Materialismus, als Wissenschaft, eine allgemeingültige Deutungshoheit über die historische Entwicklung gefunden zu haben. Da geb ich Dir recht, cooler Versuch.
M.