Was bedeutet "saltus"?

Hallo, Gemeinde!

Welchen Status Germanien aus Sicht der Römer hatte, ist tatsächlich ein interessantes Thema. Es deutet - wie an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert - manches darauf hin, dass die Römer dieses Gebiet mit einiger Berechtigung wirklich für eine fast schon gesicherte Provinz gehalten haben. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass dieses ganze Gebiet so weit gesichert war, dass tief im Inneren Germaniens schon kaiserlich Latifundien angelegt wurden, ist ... etwas überinterpretiert.

Wie ebenfalls an anderer Stelle schon ausführlich besprochen, kann die römische Kontrolle über Germanien nicht so weitreichend gewesen sein, wie die Römer sich das gedacht haben. Sie haben einige Regionen kontrolliert. Sie dachten, diese Regionen wären strategische Schlüsselpositionen. Waren sie in Wahrheit aber nicht. Nordseeküste, Flussläufe und angrenzende Bereiche. Diese Zonen haben die Römern für wichtig gehalten. Als strategisch entscheidend haben sich im Laufe des Kriegs aber die "öden" Mittelgebirge erwiesen.

In Gallien hat das römische Konzept funktioniert, in Germanien nicht. Den Grund dafür sehe ich in dem Umstand, dass die germanische Bevölkerungsstruktur "dezentral" war. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls hatten die Römer zu keiner Zeit eine sichere und flächendeckende Kontrolle über das Gebiet nördlich der Lippe und östlich der Ems - und da muss ja nun die Varusschlacht ausgetragen worden sein. DA haben sie ganz gewiss keine Latifundien angelegt. In der Umgebung von Waldgirmes könnte man mit sowas rechnen, aber gewiss nicht dort oben. Wozu auch. Dort ist kein einziges dauerhaft besetztes Lager nachgewiesen. Es gibt kein einziges nachgewiesenes Lager, das von dort aus leichter zu versorgen gewesen wäre als über die Lippe-Nachschublinie.

Da würde ich eher glauben, dass Saltus der Name eines Flusses war als dass eine Domäne gemeint gewesen wäre.

@dekumatland: Die Varusniederlage hätte sicher nicht zum Verlust einer Provinz geführt. Die Vergeblichkeit und der "Verlustreichtum" des folgenden Germanicus-Kriegs hätte dazu aber sehr wohl führen können. Und ehe Germanicus zurückbeordert worden ist, haben die Römer auch nicht halboffiziell den Verzicht auf Germanien erklärt. Die Wende in der Germanienpolitik Roms kam nicht nach Varus sondern erst nach Germanicus.

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo El Quijote!

Eck beschränkt sich mit seinen Überlegungen auf das Gebiet der Ubier, also linksrheinisch plus rund um die Lahn
W. Eck schrieb:
Dass das rechtsrheinischen Germanien damals allgemein als befriedet galt und als reguläre Provinz verstanden wurde, spiegelt sich beispielsweise in dem bereits vor der Zeitenwende forcierten Ausbau von Zentralsiedlungen, in der planmäßigen Ausbeutung von Bodenschätzen sowie der Etablierung eines gemeinsamen Kaiserkultes für das links- und rechtsrheinische Gebiet im oppidum Ubiorum wieder.
Und Weser und mehr noch Elbe waren eben nicht so leicht zu erreichen, wie die Römer es gerne gehabt hätten. Überinterpretationen einer kurzen Zusammenfassung von Ecks Text bringen da wenig.
Von Weser oder Elbe war ja nicht die Rede sondern von der Örtlichkeit(oder in der Nähe) der Varusschlacht. Kalkriese als möglicher Ort liegt ja nun auch nicht direkt an der Weser.
Du glaubst doch nicht - bezogen auf den Liebs-Zitat -, dass Germanien, nur weil die Römer nach dem immensum bellum (- 4. n. Chr.) glaubten, Germanien nun zu besitzen, dass sich aus der germanischen Wildnis plötzlich das Zentrum der römischen Welt gewandelt habe.
Ich hoffe du meinst nicht die Art von Wildnis die entsteht wenn man Saltus mit Wald übersetzt? Dann nehme ich mal an daß eine kaiserliche Domäne kein "Zentrum der römischen Welt" voraussetzt.
Und wenn du den Eck-Beitrag noch mal kritisch würdigst, dann überlege dir doch auch, warum der Cheruskersohn Segimundus seinen Dienst nicht in einem Zentralort im Cheruskerland ausübte, sondern im oppidum Ubiorum aka Kölle.
Ein "Ober"-Heiligtum muß ja nun nicht mitten in Germania liegen. Es zeigt auch, daß Segimundus machte was die Römer sich vorstellten.



Mit freundlichen Grüßen, Lucio Cinico!
 
@dekumatland: Die Varusniederlage hätte sicher nicht zum Verlust einer Provinz geführt. Die Vergeblichkeit und der "Verlustreichtum" des folgenden Germanicus-Kriegs hätte dazu aber sehr wohl führen können.(...)
ja, das sehe ich ganz ähnlich, besonders den Konjunktiv: eine Provinz hätte verloren gehen können, wenn es sie denn gegeben hätte - und an einer intakten eingerichteten röm. Provinz zw. Rhein und Elbe habe ich erhebliche Zweifel - - ich glaube, diese Zweifel teilen wir.
 
Von Weser oder Elbe war ja nicht die Rede sondern von der Örtlichkeit(oder in der Nähe) der Varusschlacht. Kalkriese als möglicher Ort liegt ja nun auch nicht direkt an der Weser.

Über Kalkriese als Ort möchte ich hier zwar nicht diskutieren, es gilt für Kalkriese aber was ich oben über "die Gebiete östlich und insbesondere nördlich" vom Lahngebiet geschrieben habe: Die Römer sahen sie bis zur Elbe (Res gestae Divi Augusti) "als ihre Provinz" an.
Dass sich dabei römische Perzeption oder Wunschdenken von der Realität unterschied habe nicht nur ich ausgeführt.
Im Übrigen sind's von Kalkriese zur Weser 60 km.


Ich hoffe du meinst nicht die Art von Wildnis die entsteht wenn man Saltus mit Wald übersetzt? Dann nehme ich mal an daß eine kaiserliche Domäne kein "Zentrum der römischen Welt" voraussetzt.

Nein, ich meine die Art von Wildnis, in die man den saltus Teutoburgensis wenn man Tacitus und auch den anderen Varusschlachtquellen folgt, zu setzen hat. Diese sind sich nämlich alle mit Tacitus darin einig von Wäldern und Sümpfen zu schreiben, der Zeitgenosse Velleius macht das, der Urheber der Lagerschlachttheorie Florus macht das und Cassius Dio macht das auch (vierter Schlachttag).


Ein "Ober"-Heiligtum muß ja nun nicht mitten in Germania liegen. Es zeigt auch, daß Segimundus machte was die Römer sich vorstellten.

Bis zu einem gewissen Zeitpunkt.
 
Die Römer sahen sie bis zur Elbe (Res gestae Divi Augusti) "als ihre Provinz" an.
Das ist, wie du ja auch angibst, die Sicht des Augustus. Bei Velleius stehts ja etwas anders. Da war Germanien vor der Varusschlacht beinahe im Status einer tributpflichtigen Provinz, man war also auf gutem Weg hin zu einer Provinz Germanien, aber noch nicht ganz am Ziel.
 
Das ist, wie du ja auch angibst, die Sicht des Augustus. Bei Velleius stehts ja etwas anders. Da war Germanien vor der Varusschlacht beinahe im Status einer tributpflichtigen Provinz, man war also auf gutem Weg hin zu einer Provinz Germanien, aber noch nicht ganz am Ziel.
Ändert das deiner Meinung nach etwas an der folgenden Argumentation?

Zwar mögen die Römer auch die Gebiete östlich und insbesondere nördlich als ihre Provinz (=> pro vincere - 'zu besiegen') wahrgenommen haben, aber so ein infrastruktureller Ausbau braucht eben seine Zeit. Und Weser und mehr noch Elbe waren eben nicht so leicht zu erreichen, wie die Römer es gerne gehabt hätten. [...]
Du glaubst doch nicht - bezogen auf das Liebs-Zitat -, dass Germanien, nur weil die Römer nach dem immensum bellum (- 4. n. Chr.) glaubten, Germanien nun zu besitzen, dass sich aus der germanischen Wildnis plötzlich das Zentrum der römischen Welt gewandelt habe.
 
Hier wird angedeutet, dass das rechtsrheinische "Germanien" bis zur Elbe schon als urbare, wohlbestellte Provinz angesehen worden war (...) Bestenfalls ein paar Regionen rechtsrheinisch waren dabei, Teile einer neuen Provinz zu werden - man könnte es so sehen: es ist faszinierend, die Anfänge einer Provinz"herstellung" quasi eingefroren (und leider lückenhaft) vorzufinden. (...)Unwahrscheinlich ist auch, dass man nach dem Verlust einer ganzen Provinz diesen Umstand damals hätte vertuschen können!! Gegen eine solche damnatio memoriae spricht schon Tacitus´ Spott rund 100 Jahre später.

Welchen Status Germanien aus Sicht der Römer hatte, ist tatsächlich ein interessantes Thema. Es deutet - wie an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert - manches darauf hin, dass die Römer dieses Gebiet mit einiger Berechtigung wirklich für eine fast schon gesicherte Provinz gehalten haben. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass dieses ganze Gebiet so weit gesichert war, dass tief im Inneren Germaniens schon kaiserlich Latifundien angelegt wurden, ist ... etwas überinterpretiert.

Die Römer sahen sie bis zur Elbe (Res gestae Divi Augusti) "als ihre Provinz" an.
Dass sich dabei römische Perzeption oder Wunschdenken von der Realität unterschied habe nicht nur ich ausgeführt.

Mir fällt ehrlich gesagt nichts ein, was das ändern würde.

Auch der bisherige archäologische Befund legt nahe, dass der Raum zwischen Rhein und Elbe noch keine fest etablierte römische Provinz war - kurz zusammengefasst kann man das in Reinhard Wolters "die Römer in Germanien" nachlesen.

ironisch gesagt: selbst wenn man eindeutig den "saltus teutoburgiensis" fände - Thermen, Hypocaustum und Aquaedukt werden da nicht auftauchen :still:
 
Ich finde es etwas schade, dass die weiter oben gegebenen Ergebnisse meiner Literaturrecherche http://www.geschichtsforum.de/f28/bedeutet-saltus-32573/index14.html#post558074kaum in die Diskussion einfliessen.

Da alle 3 (in Deutschland gefundenen)Inschriften die saltus mit späteren civitate verknüpfen, scheint im Dekumatland der saltus also der administrative Vorläüfer der civitatis gewesen zu sein - ein Territorium unter direkter kaiserlicher (Militär-)Verwaltung.
Im verwaltungstechnischen Sinn war der "saltus" also wohl nicht nur eeine Domäne / kaiserlicher Gutshof, sondern die mittlere Verwaltungsgliederung eines neueroberten Gebiets (insofern gingen meine ersten Beiträge in diesem Diskussionsfaden etwas fehl).

Relativ gut belegt / dokumentiert ist ja der saltus Sumelocennensis, der im Dekumatland direkt nach dessen Eroberung eingerichtet wurde, und dann etwa 100 Jahre später von der civitas Sumelocennensis abgelöst wurde. M.a.W.: Zunächst treten neueroberte Gebiete unter direkte kaiserliche Verwaltung ("saltus"). Wenn ein ausreichender Grad an Romanisierung, insbesondere durch Ansiedlung ehemaliger Legionnäre und Verpachtung von Ländereien an römische Bürger, erreicht ist, erhät das Territorium Selbstverwaltungsrechte, und wird vom 'saltus' zur 'civitas'. Im Falle des saltus Somelocennensis dauerte es etwa 100 Jahre bis zur Umwandlung in eine civitas - wie weit diese einhundert Jahre typisch oder lediglich ein Einzelfall sind, ist mir aufgrund der schwachen Quellenlage unklar.

Generell scheinen neueroberte Gebiete nicht direkt nach der Eroberung als römische Provinz verfasst worden zu sein, sondern wurden zunächst als Militärbezirk verwaltet. Die linksrheinischen Provinzen Germania Inferior und Germania Superior etwa wurden lt. Wikipedia erst 82/90 uZ zur Provinz.

Insofern scheint mir der Großteil der vorstehenden Diskussion begrifflich etwas fehl zu gehen. Mit Sicherheit war das rechtsrheinische Germanien zu Varus Zeiten noch keine Provinz (das linksrhenische Germanien war es ja auch noch nicht). Das heisst aber nicht, dass es noch keine römischen Verwaltungsstrukturen dort gab. Im Gegenteil - Varus Aufgabe war es ja gerade, die Einrichtung einer Provinz vorzubereiten. Als ersten Schritt hierzu wird er territoriale Verwaltungseinheiten definiert haben, die dann im nächsten Schritt auch materiell ausgebaut und institutionalisiert wurden. Mit Waldgirmes haben wir einen archäologischen Beleg für diesen Prozess.

Der Rest der Diskussion ist spekulativ. Wir wissen aus dem Dekumatland, dass die nächstfolgende territoriale Verwaltungseinheit unterhalb der (zu schaffenden) Provinz 'saltus' hieß. War dieser Terminus achtzig Jahre früher, zu Varus Zeiten, auch schon gebräuchlich? Nicht unwahrscheinlich, aber nirgendwo durch Quellen belegt.

Hatte Varus (bzw. seine Vorgänger) bereits solche territorialen Verwaltungseinheiten definiert? Mit Sicherheit, sonst wäre Waldgirmes nicht im Aufbau befindlich gewesen. Aber wie weit diese Verwaltungsgliederung bereits flächendeckend bis zur Elbe erfolgt war (auf dem Papyrus, nicht in seiner praktischen Durchsetzung) wissen wir nicht.

Hieß eine dieser Verwaltungsgliederungen 'saltus Teutoburgiensis'? Kann sein, kann auch nicht sein. Ein entsprechender Grundstein wurde anders als in Sumelocenna, jedenfalls bislang noch nicht entdeckt ..
 
Ich glaube, deine Überlegungen gehen fehl: Provinz kommt von pro vincere. Seit Augustus wurden die Provinzen in die gesicherten Provinzen und die nur locker beherrschten Provinzen aufgeteilt, die senatorischen und die imperialen Provinzen.
 
Ich glaube, deine Überlegungen gehen fehl: Provinz kommt von pro vincere.
Bei Wikipedia steht es zwar auch so, aber gesichert ist diese Etymologie nicht. Ich habe auch so meine Zweifel. Man darf nicht vergessen, dass "provincia" streng genommen nicht ein (unterworfenes) Territorium bezeichnete, sondern den Zuständigkeitsbereich eines Beamten. Ab dem 3. Jhdt. v. Chr. erhielten Praetoren als "provincia" oft die Verwaltung eines Gebietes übertragen, aber der Praetor urbanus hatte ebenso seine "provincia", nämlich die Rechtsprechung unter Römern.
 
Ich glaube, deine Überlegungen gehen fehl: Provinz kommt von pro vincere. Seit Augustus wurden die Provinzen in die gesicherten Provinzen und die nur locker beherrschten Provinzen aufgeteilt, die senatorischen und die imperialen Provinzen.

Die Aufteilung in kaiserliche und senatorische Provinzen sagt doch mehr über die Befehlgewalt über die dortigen Truppen (und das Recht der Steuereintreibung) aus als über den Grad der Sicherung. Keine später befriedete Provinz wurde in den Status senatorische Provinz überführt.

Es ging also um die Machtaufteilung durch Augustus und die (pro forma) Rückgabe eines Teils der Gewalt an das Volk.
 
Mag ja sein. Aber die Aufteilung in senatorische und imperiale Provinzen wurde ja begründet. So konnte der senatorische Adel die Hoffnung haben, dass er die Kontrolle über die Provinzen nach und nach erreichen würde. Nichts ist so dauerhaft wie ein Kompromiss.
 
Ich glaube, deine Überlegungen gehen fehl: Provinz kommt von pro vincere. Seit Augustus wurden die Provinzen in die gesicherten Provinzen und die nur locker beherrschten Provinzen aufgeteilt, die senatorischen und die imperialen Provinzen.

Römische Provinz ? Wikipedia:
"Ursprünglich beschrieb der lateinische Begriff provincia („Aufgabe, Verpflichtung“) einen Aufgabenbereich in der Verwaltung der Stadt Rom. Mit dem Erwerb zusätzlicher Gebiete wurden diese zu eigenen Aufgaben der Staatsverwaltung, also Provinzen im späteren Sinne. Bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. gab es aber noch keine festen Verwaltungseinheiten, sondern die Magistrate erhielten jeweils einen Aufgabenbereich (provincia) zugewiesen, dessen Zuschnitt wechseln konnte."

Wenn ich die in Wikipedia aufgeführten Einrichtungsdaten von kaiserlichen Provinzen mit den Eroberungsdaten der entsprechenden Territorien vergleiche, scheint es durchaus Fälle gegeben zu haben, in denen zunächst eine Art Übergangsregime (Militärverwaltung?) vor die Einrichtung einer regulären Provinz geschaltet wurde:
  • Cyrenaika: 96 v. Chr. erobert, 74. v.Chr. als Provinz eingerichtet (22 Jahre Übergangsregime)
  • Dakien: 102 n.Chr. eobert, 106 n. Chr. erstmals als Provinz genannt, 119. n.Chr. endgültig gegliedert in Dacia inferior und Dacia superior (4/17 Jahre Übergangsregime)
  • Pannonien: 9 v. Chr. erobert, 9 n.Chr. als Provinz eingerichtet (18 Jahre Übergangsregime)
  • Moesien: 15. v. Chr. erobert, 15 n.Chr. als Provinz eingerichtet (30 Jahre Übergangsregime)
  • Noricum: 15 v. Chr. erobert, 38 n.Chr. als Provinz eingerichtet (53 Jahre Übergangszeit, zum Großteil wohl als tributpflichtiges Fürstenmtum)
Das rechtsrheinische Germanien passt wunderbar in den aus anderen neueroberten Gebieten belegten zeitlichen Kontext: Seit den "Eroberungen" des Drusus waren etwa 15 Jahre vergangen, so dass Varus nun ernsthaft mit der Einrichtung einer Provinz beginnen konnte und sollte. Aus anderen Neuprovinzen, insbesondere Pannonien, war bekannt, dass diese "Provinzialisierung" noch mal eine Widerstandswelle hervorrufen konnte, deshalb wurden Varus wohl auch 3 Legionen zur Hand gegeben. Dummerweise wusste aber auch Arminius, der ja selbst an der Niederschlagung des pannonischen Aufstands teilgenommen hatte, was seiner Heimat jetzt blühte ..
 
Bei Deinen Beispielen muss man teilweise schon differenzieren:

Kyrenaika: Der König von Kyrene, Ptolemaios Apion, starb 96 v. Chr. und hatte sein Reich testamentarisch den Römern hinterlassen. Sie übernahmen das Gebiet aber nicht sofort, sondern richteten zunächst dort statt der Monarchie eine Republik als Klientelstaat ein. Erst 74 übernahmen sie es dann selbst, weil die Republik nicht so recht funktionierte, und machten es zur Provinz.

Bei Noricum hast Du selbst schon darauf hingewiesen, dass das Land zunächst nur besetzt wurde. Den Römern ging es zunächst wohl nur um das Erreichen der Donaugrenze, aber sie errichteten über Noricum zunächst nur ein Protektorat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe da schon eine Abstufung: Die Römer beließen in neuunterworfenen Gebieten häufig normalerweise die Stammesstrukturen bestehen (z. B. auch in Gallien und Illyrien), und auch der heimische Adel behielt einigermaßen seine Stellung (z. B. in Gallien). Die Römer versuchten sich in ihren Gebieten auf die heimische Führungsschicht zu stützen, sofern sie sich kooperativ verhielt. Allerdings sollten da die heimischen Führer quasi ins römische Herrschaftsgefüge implementiert werden.
Noricum hingegen behielt anscheinend (leider ist die Quellenlage miserabel) wirklich innere Autonomie unter einem heimischen König. Es erhielt auch keinen richtigen Statthalter, sondern nur einen "Procurator". (Varus hingegen war in Germanien legatus Augusti pro praetore - das war die übliche Bezeichnung für den Statthalter einer kaiserlichen Provinz.) Die Römer sahen Germanien also offenbar eindeutig als (angehende) Provinz, Noricum hingegen anfangs nicht.
 
Generell scheinen neueroberte Gebiete nicht direkt nach der Eroberung als römische Provinz verfasst worden zu sein, sondern wurden zunächst als Militärbezirk verwaltet. Die linksrheinischen Provinzen Germania Inferior und Germania Superior etwa wurden lt. Wikipedia erst 82/90 uZ zur Provinz.
Vielleicht solltest du dich mit den linksrheinischen Gebieten so intensiv befassen wie mit Saltus?!
Hier eine Karte aus Wikipedia - Gallien zur Zeit Caesars
Datei:Map Gallia Tribes Towns.png ? Wikipedia
aus Wikipedia schrieb:
Es war Caesar, der den Rhein als die Nordgrenze Galliens definierte.
Unter Kaiser Augustus wurde Gallien administrativ in das Imperium Romanum integriert und in die Provinzen Narbonensis, Aquitania, Lugdunensis und Belgica unterteilt.
aus Gallien ? Wikipedia


Die Gebiete der linksrheinischen Provinzen Germania Inferior und Germania Superior waren vorher Teil der Provinz Gallia Belgica.
Augusto schrieb:
Insofern scheint mir der Großteil der vorstehenden Diskussion begrifflich etwas fehl zu gehen. Mit Sicherheit war das rechtsrheinische Germanien zu Varus Zeiten noch keine Provinz (das linksrhenische Germanien war es ja auch noch nicht).
Und wie sieht deine Einschätzung nun aus?
 
Und wie sieht deine Einschätzung nun aus?

Ich habe meine Recherchen zu den epigraphischen saltus-Befunden etwas weiter getrieben.

Da gab es ja zum einen die zwei Grenzsteine in der Nähe von Trogir / Dalmatien: "F(inis) n(ovus) sa(ltus) t(erritorii) Tar(ionae) ex de(creto) P(ubli) Cor(neli) Dol(abellae)" (Grenze des neuen Saltus Tarionus/ Trogir).

Durch die Erwähnung des Publius Cornelius Dolabella lässt sich die Einrichtung datieren, und zwar mit großer Wahrscheinlichkeit auf 10 n.Chr. (Konsulat des jüngeren Dolabella). Prinzipiell kämen zwar auch die Jahre 49 v. Chr. (Dolabella der Ältere Flottenadmiral in Illyrien) oder 44 v Chr. (Dolabella der Ältere römischer Konsul) in Frage ( http://de.wikipedia.org/wiki/Publius...nsul_44_v._Chr. ), aber die kroatische Archäologie (s.u.) datiert die Grenzsteine in die frühe Kaiserzeit, die erst nach den beiden letztgenannten Daten begann.

Noch interessanter ist der zweite Fund, eine lange Inschrift aus Spanien, die ich fälschlicherweise (man vergebe mir mein eingerostetes Latein) für eine Ehrinschrift des Sohnes für seinen verstorbenen Vater gehalten hatte. In Wirklichkeit handelte es sich um die Wiedergabe des Senatsbeschlusses im Falle des Gnaeus Calipurnius Piso, der des Mordes an Germanicus und des Hochverrats angeklagt war Gnaeus Calpurnius Piso ? Wikipedia

Wener Eck übersetzt die fraglichen Stellen wie folgt
"(Der Senat entschied) dass der Besitz des Gn. Piso pater für den Staat eingezogenen werden solllte mit Ausnahme des saltus, der in Illyricum liege. Dieser solle (..) (Kaiser) Tiberius, von dessem Vater, dem vergöttlichten Augustus, er Piso pater geschenkt worden sei, zurückgegeben werden, (..) da die Gemeinden, deren Gebiet an das des saltus grenzte, häufig wegen Übergriffen des Gn. Piso pater, seiner Freigelassenen und Sklaven Klage geführt hätten, und er [Tiberius] deshalb Vorkehrungen für erforderlich halte, damit nicht später einmal Verbündete des römischen Volkes mit Grund und Recht Klage erheben könnten."
Das Senatus consultum de Cn. Pisone ... - Google Books

Wir haben hier also zwei Belege dafür, dass bereits in augusteischer Zeit der 'saltus' als offizielle territoriale Einheit gebräuchlich war - und zwar so gebräuchlich, dass in einem imperiumweit in allen Provinzen publizierten Senatsbeschluss keine weitergehende Begriffserläuterung für nötig gehalten wurde. Die Einrichtung erfolgte in unmittelbarem Anschluß an die Errichtung einer Provinz (Illyricum superius 9 n.Chr., saltus Tarionae 10 n.Chr.) durch konsularisches Dekret (nicht durch Akt der Provinzverwaltung!), und die Grenzziehung wurde durch offizielle Grenzsteine markiert.


Was können wir darüber hinaus dem Senatsbeschluss zum Fall des Gnaeus Calipurnius Piso über dessen 'illyrischen saltus' entnehmen:
  • Er lag außerhalb des Gebiets von civitate (foederati),
  • Er grenzte an mehrere solcher civitate an, hatte also offenbar beträchtliche Größe,
  • Er wurde vom Kaiser selbst auf Lebeszeit zur Verwaltung vergeben, und zwar an hochgestellte Gefolgsleute, und war dem Kaiser auch wichtig genug, um beim Senat zu intervenieren und Sonderbehandlung zu erlangen,
  • Die Bewirtschaftung erfolgte offenbar durch Sklaven und Freigelassene.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Bewertung des 'anderen' illyrischen saltus (Saltus Tariotarum) durch die kroatische Archäologie
(SALTUS TARIOTARUM , PDF-Link anklicken). Dort wird der saltus Tariotarium nämlich als eine Art "Reservat" der alteinsässigen Tarioter interpretiert - aus meiner Sicht eine Fehlinterpretation, da wir dann für den gleichen Zeitraum (10-22 n. Chr.) und die gleiche Provinz (Illyricum) zwei diametral entgegengesetzte Verwendungen des saltus durch die römische Verwaltung hätten.

Also, wie sieht meine Einschätzung nun aus:
Direkt im Anschluss an die administrative Einrichtung (oder Erweiterung) einer Provinz wurde das Gebiet unterteilt in saltus ("Reichsland", vermutlich ursprünglich einfach "bereits vermessenes Land") und "Föderatenland" ('civitas foederati'?), Die saltus wurden lehensähnlich an hochgestellte Gefolgsleute vergeben, die sie zunächst selbst (auf eigene Rechnung!) erschlossen und ausbeuteten, alternativ dazu kann auch Militärverwaltung in Frage gekommen sein (Illyrien war ja unruhig, aber kein Grenzgebiet wie Germanien). Über die Zeit wurden die saltus dann mit colones besiedelt, und, erhielten, sobald ein ausreichender Romanisierungsgrad erreicht war, den Status einer civitas, eventuell sogar einer colonia (Colonia Tariotarium ab Mitte des 1. Jh.).

In diesem Sinn war die Einrichtung eines saltus der erste Umsetzungschritt bei der Etablierung einer Provinz - markierte er doch den Punkt, an dem nicht mehr das gesamte Territorium von tribupflichtigen 'Föderaten' selbstverwaltet wurde, sondern Rom die Verwaltung eines Teils des Territoriums selbst übernahm. Wenn Germania zu Varus Zeiten also bereits als Provinz verfasst war, wie ravenik ausführt, dann gab es dort auch saltus im verwaltungstechnischen Sinn.



Anschliessend noch zwei Bitten / Fragen an die 'Altphilologen' bzw. 'Ethymologen' (falls noch irgendeine[r] davon mitliest):
  1. Da sich Tacitus ja dem Fall Gnaeus Calipurnius Piso relativ ausführlich gewidmet hat, würde mich mal interessieren, ob in diesem Zusammenhang auch Pisos 'illyrischer saltus' erwähnt wird, und, wenn ja, wie sich diesbezüglich die 'klassische' Tacitus-Übersetzung zu Ecks Übersetzung des Senatsbeschlusses verhält.
  2. Mich hat die Ableitung saltus = Sprung = (Gelände-)sprung/stufe = Gebirge = "Waldgebirge" nie sonderlich überzeugt. Eine Ableitung von saltus = (neu) vermessenes Gebiet (im eroberten Land) = Unbesiedeltes / zu besiedelndes Land = "Wildnis" = Wald (-gebirge / Schlucht) hielte ich für plausibler. Ist eine solche Ableitungshypothese kompatibel mit den Funden für saltus als geographischen (nicht verwaltungstechnischen) Begriff ?
 
(...) Anschliessend noch zwei Bitten / Fragen an die 'Altphilologen' bzw. 'Ethymologen' (falls noch irgendeine[r] davon mitliest):
  1. Da sich Tacitus ja dem Fall Gnaeus Calipurnius Piso relativ ausführlich gewidmet hat, würde mich mal interessieren, ob in diesem Zusammenhang auch Pisos 'illyrischer saltus' erwähnt wird, und, wenn ja, wie sich diesbezüglich die 'klassische' Tacitus-Übersetzung zu Ecks Übersetzung des Senatsbeschlusses verhält.
  2. Mich hat die Ableitung saltus = Sprung = (Gelände-)sprung/stufe = Gebirge = "Waldgebirge" nie sonderlich überzeugt. Eine Ableitung von saltus = (neu) vermessenes Gebiet (im eroberten Land) = Unbesiedeltes / zu besiedelndes Land = "Wildnis" = Wald (-gebirge / Schlucht) hielte ich für plausibler. Ist eine solche Ableitungshypothese kompatibel mit den Funden für saltus als geographischen (nicht verwaltungstechnischen) Begriff ?
Erst einmal Danke für den tollen Beitrag!

So weit ich weiß, unterscheiden die Altphilologen nach dem Kontext - bei Tacitus taucht saltus 21 mal auf, die Altphilologen übersetzen diese Stellen nicht mit der landvermesserischen zweiten Bedeutung. Interessant hierzu auch, dass z.B. saltuarius so viel wie Revierförster bedeutet.
Die illyrischen Waldgebiete wurden, so weit ich weiß, abgeholzt für den Flottenbau - also in Illyrien selber wird es so manchen saltus als quasi Staatsforst gegeben haben.
 
  1. Mich hat die Ableitung saltus = Sprung = (Gelände-)sprung/stufe = Gebirge = "Waldgebirge" nie sonderlich überzeugt. Eine Ableitung von saltus = (neu) vermessenes Gebiet (im eroberten Land) = Unbesiedeltes / zu besiedelndes Land = "Wildnis" = Wald (-gebirge / Schlucht) hielte ich für plausibler. Ist eine solche Ableitungshypothese kompatibel mit den Funden für saltus als geographischen (nicht verwaltungstechnischen) Begriff ?

Warum überhaupt eine Ableitung erzwingen? Oder anders gefragt: Wer leitet das Waldgebirge von Sprung ab?
 
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