Erstmal direkt etwas zu den schreiben: 1850 ist nicht mehr 1914. Da liegen etliche Jahre und Entwicklungen dazwischen.
Zudem ist Österreich nicht Russland. Der Zar stand temporär dem Kaiser wesentlich näher als Beispielsweise Franz Ferdinand.
Zudem bezieht sich "Mein lieber Niki" (mit einem oder zwei k entzieht sich meiner Erinnerung) ebenso wie andere Kosenamen auf kleinere Notizen z.B. am Rand von Briefen oder anderen Dokumenten, also ganz privater Schriftstücke. Ich weiß nicht welche Briefe du in der Hand hattest, im Seminar wurden uns zwei Originale (!) der Umbruchszeit in die Hand gegeben, und der Ton war schon sehr vertraulich, besonders die Marginalien. Natürlich nicht so wie in einem Tagebuch zu erwarten wäre oder wie wir dies in heutiger Zeit gewohnt sind, aber doch sehr locker.
Das ein gewisser Ton oblige war, brauchte nicht wirklich erwähnt zu werden, Kosenamen und Kürzel sind dabei allerdings deutliche Zeichen.
Laszlo war Botschafter (ich krame mal bei Gelegenheit dessen kompletten Namen, der Nachname ist nur schwer zu merken....)
Die Krise rund um die Besetzung Serbiens und dessen mögliche Annexion durch Österreich ist so alt wie das durch den Verfall des Osmanischen Reiches entstandene Machtvakuum. Auch darüber brauchen wir uns hier an der Stelle nicht zu unterhalten. Aber 1912 gab es starke Tendenzen TROTZ der russischen Stellungnahme wenigstens Belgrad zu nehmen. Das dies nicht durchgeführt wurde hat viele Gründe, und auch wenn das wirken des Kaisers da vernachläßigt werden kann ist sein freies Bemühen darum zu bemerken und angesichts der ihm unterstellten Kriegstreiberei einzurechnen. Wäre er wirklich an Krieg interessiert gewesen hätte er dort bestimmt nicht erst gewartet, auch wenn verschiedene politische Faktoren vielleicht nicht ideal waren, aber das war 1914 auch der Fall. Nicht umhin wirft man gerne mal solche Sätze ein, wie: "Um von inneren Problemen abzulenken..." usw., auch wenn mir ein solcher in dem zusammenhang nicht geläufig ist.
Wilhelm war in seinen Bemühungen ziemlich allein. Das dürfte angesichts seiner Reden auch nicht verwundern. Wer will sich um Frieden bemühen, wenn der Kaiser von Krieg redet und sich dann hintenrum doch wieder mit dem Zaren verständigt?
Die Reden anderer Deutscher als exemplarisch zu bezeichnen ist auch nicht 100% stimmig. Wie schon oben erwähnt wurde z.B. vom Kanzler nur ein Krieg gutgeheißen, wenn er schnell durchgezogen würde (also vollendete Tatsachen geschaffen würden), so daß Rußland und seine Verbündeten keinen Grund mehr gehabt hätten einzugreifen. Generäle, die sich skeptisch äußerten hatten auch kaum Chancen in der OHL zu verbleiben oder erst hinzugelangen.
Bismarcks Talent mit Wilhelm zu vergleichen ist ziemlich hoch gegriffen. Zum einen mangelt es Wilhelm doch an der nötigen Pfiffigkeit, zum anderen Widersprechen die Fakten.
Bismarck war auch auf dem Landgut zu erreichen und wurde durchgehend informiert.
Wilhelm hatte zwar das neue kabellose Verständigungssystem an Bord, wurde jedoch, wie oben schon beschrieben, nicht gut informiert, hinkte sogar hinter dem Verlauf der Dinge her.
Als es sich die Ereignisse dann doch entwickelten, und sogar er es mitbekam kehrte er am 15. zurück. Zu früh! Sein Ausflug hätte Normal noch wesentlich länger gedauert. Und der Kanzler erscheint seinen Notizen darüber auch nicht erfreut, dass der Kaiser schon wieder mitspielen will.
Das, was Wilhelm bekam, und wann ist archiviert und vermerkt, so dass dies sehr wohl als Beweis gelten kann, nur wird es gerne bei Seite geschoben im bemühen den Kaiser in die erste Reihe zu rücken.
Was du als "Umfallen" siehst, interpretieren andere als eine ständige "aufplustern" Taktik, starke Worte um abzuschrecken. Aufrüsten, seinen Verbündeten die Treue halten usw. etc.
Was nun exakt seine Motive sind wird wohl ungeklärt bleiben, denn wer kann sagen was im Kopf eines anderen vorgeht? Aber: beides deutet nicht auf den Willen, einen handfesten, kontinentalen Krieg vom Zaun zu brechen.
Er wäre vielleicht bereit gewesen Scharmützel oder kurze Invasionen in kauf zu nehmen, vielleicht sogar nochmal ein solches "Überrennen" wie 1870/71 aber bestimmt kein ringen mit gleichstarken und gut gerüsteten Bündnissen.
Die Biographen schreiben zu dem Thema mehr als ausführlich, und ich verweise noch einmal gerne auf die Experten, die das Thema durchgekaut haben. Mein Seminar liegt leider schon wieder 1 1/2 Jahre zurück, so dass ich mich nicht mehr an alle Fakten erinnere und aufzählen kann.
Ließ einfach mal Röhl und Mommsen
Das ein Kriegsschiff eine Provokation ist kann keiner in Abrede stellen. Das es dadurch zu einem Krieg kommen kann, ebensowenig. Das dies aber eine so ungewöhnliche und auf den Ausbruch getrimmte Tat war, bleibt jedoch Stilisierung. Andernfalls wärs nicht bei diesem einen Schiff geblieben.
So solltest du die Umstände, die zum Panthersprung führen, auch nicht vergessen, welche ja an sich auch schon eine Provokation darstellten, vor der im vorhinein sogar gewarnt worden war (ich glaube durch Kiderlen-Wächter).
Der Kaiser sagte zu diesem Zeitpunkt "es ist nur günstig, wenn sich die Franzosen mit Truppen und Geld in Marokko engagierten." Wiederrum nicht gerade ein Anzeichen für einen Kriegstreiber.
Und abschließend, nachdem ich ein allerletztes Mal auf die Biographen verweise, möchte ich darauf hinweisen, dass Wilhelm nach seiner Rückkehr nicht sofort in die Offensive ging, sondern es bei einer Reihe von Vorträgen der Offiziere zur Lage des Militärs beließ, und auf die Rückkehr der im Urlaub befindlichen Kommandeure wartete.