Weltstädte im Mittelalter

Es kommt auf die Gebäude an, schon in der Antike unterscheiden sich die Bevölkerungsdichte von Stadt zu Stadt, mancherorts wurde nur einstöckig gebaut, in anderen Metropolen wie Rom und Konstantinopel sicher weitaus höher bzw dichter.
 
Sheik schrieb:
Es kommt auf die Gebäude an, schon in der Antike unterscheiden sich die Bevölkerungsdichte von Stadt zu Stadt, mancherorts wurde nur einstöckig gebaut, in anderen Metropolen wie Rom und Konstantinopel sicher weitaus höher bzw dichter.


Vermutlich irre ich mich, aber selbst bei Berücksichtigung der Bauweise und Bevölkerungsdichte und alledem erscheinen mir 12 km² für 500.000 Einwohner extrem wenig. Erst recht 15 im Fall von Bagdad.
 
Leopold Bloom schrieb:
Vermutlich irre ich mich, aber selbst bei Berücksichtigung der Bauweise und Bevölkerungsdichte und alledem erscheinen mir 12 km² für 500.000 Einwohner extrem wenig. Erst recht 15 im Fall von Bagdad.

Ich hab dazu nur wenig hier, das einzige was ich an unterlagen parat hab ist was zu Städten in Afrika, das hilft hier nicht weiter. Ich such mal meine par Bücher durch vllt find ich ja was passendes :)
 
Im lateinischen Westen fällt mir nur eine richtig große Stadt ein: Paris, das zeitweise bis zu 200.000 Einwohner (Schätzungen variieren) hatte.
 
Leopold Bloom schrieb:
Vermutlich irre ich mich, aber selbst bei Berücksichtigung der Bauweise und Bevölkerungsdichte und alledem erscheinen mir 12 km² für 500.000 Einwohner extrem wenig. Erst recht 15 im Fall von Bagdad.
Nein, eigentlich ist es gar nicht so eng. Zum Vergleich mal andere Stätte (der Antike).
Alexandria auf 9'000 ha, mit ~500'000 Einwohnern. Marib auf 100 ha, mit 50'000 Einwohnern. In Badgad und Konstantinopel könnten es also ohne weiteres 500'000 bis 700'000 Einwohner sein. Was aus der Reihe tanzt ist Córdoba, mit ~400'000 bei 50'000 ha.

@Schini
Zu Paris hatte ich auch schon mal was geschrieben, die Stadt hatte etwa 50'000 im 11. Jhdt. Aus welcher Zeit stammt die Angabe von 200'000?
 
bender schrieb:
Nein, eigentlich ist es gar nicht so eng. Zum Vergleich mal andere Stätte (der Antike).
Alexandria auf 9'000 ha, mit ~500'000 Einwohnern. Marib auf 100 ha, mit 50'000 Einwohnern. In Badgad und Konstantinopel könnten es also ohne weiteres 500'000 bis 700'000 Einwohner sein. Was aus der Reihe tanzt ist Córdoba, mit ~400'000 bei 50'000 ha.

@Schini
Zu Paris hatte ich auch schon mal was geschrieben, die Stadt hatte etwa 50'000 im 11. Jhdt. Aus welcher Zeit stammt die Angabe von 200'000?

Es mußte für die Zeit um 1300 gelten, vor der sogenannten "Krise des Spätmittelalters". Aber wie ich schon sagte, gehen die Schätzungen auseinander, je nachdem, welche Schätzmethode man wählt. In der Literatur wird jedoch immer auf Paris verwiesen, wenn es um die bevölkerungsreichste Stadt im späteren Mittelalter geht.
 
Schini schrieb:
Es mußte für die Zeit um 1300 gelten, vor der sogenannten "Krise des Spätmittelalters". Aber wie ich schon sagte, gehen die Schätzungen auseinander, je nachdem, welche Schätzmethode man wählt. In der Literatur wird jedoch immer auf Paris verwiesen, wenn es um die bevölkerungsreichste Stadt im späteren Mittelalter geht.

Ich kann Schini da nur unterstützen, laut LMA hatte Konstantinopel um 1200 wohl auch nur noch 100-200k Einwohner, bei der Eroberung 1453 waren es wohl sogar nur noch 50k in Konstantinopel
 
Im Falle von Konstantinopel dürften die Zahlen aber nicht "um 1200" gelten, sondern "nach 1204" - ein feiner aber wichtiger Unterschied. Bei der Belagerung und der späteren Eroberung durch die Kreuzritter gab es in den Jahren 1203/04 hintereinander 3 schwere Stadtbrände. Weite Teile der Stadt wurden danach, bis zur Eroberung durch die Türken, nie mehr aufgebaut. Die Stadtbrände, die Plünderung und den anschließenden Bedeutungsschwund der Stadt konnte Konstantinopel nicht mehr kompensieren.
 
bender schrieb:
Nein, eigentlich ist es gar nicht so eng. Zum Vergleich mal andere Stätte (der Antike).
Alexandria auf 9'000 ha, mit ~500'000 Einwohnern. Marib auf 100 ha, mit 50'000 Einwohnern. In Badgad und Konstantinopel könnten es also ohne weiteres 500'000 bis 700'000 Einwohner sein. Was aus der Reihe tanzt ist Córdoba, mit ~400'000 bei 50'000 ha.
Sorry, ich komm mit den Zahlen irgendwie immerzu durcheinander.

Alexandria war 9 km², also 900 ha.
Marib war 1 km², also 100 ha.
Konstantinopel war bis Theodosius 6 km² (600 ha), und wurde unter seiner Herrschaft auf 12 km² (1'200 ha) erweitert.
Bagdad war 15 km², also 1'500 ha.
Córdoba war (laut Harrmann) 50 km², also 5'000 ha.

Diesmal ist es richtig.
 
Die Weltstadt selbst bedingt den Bevölkerungsreichtum. Somit können riesigen Städte existieren ohne großen Platz in der Geschichte zu haben.
Ein Kriterium ist der liberale Handel und der daraus entstehende Reichtum, den Menschen siedeln lässt und Fortschritt einhergehen lassen. Solche Metropolen sind also im Mittelalter ausgeschlossen, zumindest in Europa. Ausnahme wäre der maurische Teil der iberischen Halbinsel. Vielleicht ist im ausgehenden Mittelalter auch noch Venedig zu nennen.
 
Konstantinopel innerhalb der Mauer des Konstantin 600 ha, innerhalb der Theodosius-Mauer 1200 ha, Bagdad 1500 ha - da erscheint es mir äußerst unwahrscheinlich, dass Cordoba nicht weniger als 5000 ha gehabt haben soll. Ich verfüge über einen zugegeben nicht besonders präzisen, aber wohl doch nicht ganz zu verwerfenden Großenvergleich für die Zeit um 814, nach dem sich ganz Cordoba innerhalb der Konstantinsmauer unterbringen ließe. Außerdem soll es in Konstantinopel zwischen den beiden Mauern noch viel unbebautes Gelände gegeben haben, womit die Stadt erst recht noch viel dichter besiedelt gewesen sein müsste als Cordoba. Für Cordoba eine vergleichsweise derart geringe Bevölkerungsdichte anzunehmen, erscheint mir wenig überzeugend. Kann es sich um einen Irrtum handeln?
 
Beetlebum schrieb:
Ich verfüge über einen zugegeben nicht besonders präzisen, aber wohl doch nicht ganz zu verwerfenden Großenvergleich für die Zeit um 814, nach dem sich ganz Cordoba innerhalb der Konstantinsmauer unterbringen ließe.
Und woher ist dieser Vergleich? (Quelle)

Beetlebum schrieb:
Außerdem soll es in Konstantinopel zwischen den beiden Mauern noch viel unbebautes Gelände gegeben haben, womit die Stadt erst recht noch viel dichter besiedelt gewesen sein müsste als Cordoba. Für Cordoba eine vergleichsweise derart geringe Bevölkerungsdichte anzunehmen, erscheint mir wenig überzeugend. Kann es sich um einen Irrtum handeln?
Natürlich, irren ist menschlich. Genauso wie ich mich in diesem Thread bestimmt schon hundertmal mit den Zahlen vertan hab, kann es dem Autor und/oder dem Lektor passiert sein. Deshalb wäre es günstig, wenn sich noch andere Quellen zu dem Thema finden ließen.
 
Den Vergleich habe ich aus Knaurs Neuem Historischen Weltatlas von 1999 - ein allgemeines Werk, das nicht in allen Details präzise sein muss, aber dass der Größenvergleich zwischen Konstantinopel und Cordoba (Ch'ang-an, Bagdad und Aachen sind übrigens gleichfalls abgebildet) derart falsch liegen sollte erscheint mir unwahrscheinlich, zumal die angebliche enorme Ausdehnung Cordobas ja an sich schon recht fragwürdig wirkt. Vielleicht aber irrt sich auch meine Quelle. Hoffentlich findet sich also jemand, der über gesicherte Angaben verfügt.
 
Im Putzger war ich eine Karte von Stadt-Einwohnerentwicklung zwischen 1000 bis 1300. Dort ist die Stadt Bolğar, am Ufer der Wolga gelegen, vom 10. Jhdt. an mit 100'000 bis 200'000 Einwohnern geführt. Als einzige Stadt neben Konstantinopel, Cordoba und Mailand (Bagdad und die restlichen Großstädte außerhalb Europas sind nicht drauf). Kann jemand ein bisschen von der Geschichte der Stadt berichten?
 
Genaues kann ich nicht über die Stadt berichten, aber über das Reich der Bolgar. Könnte sein, dass aus Bolgar das heutige Kazan wurde. Bolgar - der Name erinnert an Bulgarien, und tatsächlich gibt es da einen Zusammenhang: die Bulgaren gehörten einst zum großtürkischen Steppenreich. Im 6. Jahrhundert spalteten sie sich zusammen mit den Awaren von diesem im heutigen Kasachstan gelegenen Reich ab. Ein Teil der Bulgaren zog über die Schwarzmeersteppe ins heutige Bulgarien wo es zunächst slawisiert und später christianisiert wurde. Ein Teil blieb aber im Wolga-Becken, blieb ethnisch ein Turkvolk und nahm nach 1000 den moslemischen Glauben an. Das war das Reich der Bolgar, das vermutlich auch diese Stadt erbaut hat.
 
Ashigaru schrieb:
Könnte sein, dass aus Bolgar das heutige Kazan wurde.
Nee, Bolgar heißt heute Bolgary und hat nicht mal 10.000 Einwohner. Es liegt etwas südlich von Kazan. Soweit ich das richtig verstanden habe, wurde es im 15. Jhdt. von irgendwem eingeäschert, ich vermute mal den Russen.
Mich wundert das die Stadt so groß war. Das gleich gilt für Mailand. 100-200'000 Einwohner?
 
Mit diesem Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Bolgary wär ich etwas vorsichtig (da Wikipedia und in dem Fall sich das auf einen älteren Artikel aus Meyers Konversationslexikon bezieht, der überholt sein könnte.)


Dann gibts noch das:

BOLGARI, or BOLGARY , a ruined town of Russia, in the government of Kazan, 4 M. from the left bank of the Volga See Also:
VOLGA (known to the Tatars
See Also:
TATARS (the common form Tartars is less correct)
as Etil, Jill or Atel; to the Finnish tribes as Rau, and to the ancients as Rha and Oarus)
, in 550 N. lat. It is generally considered to have been the capital See Also:
CAPITAL (i.e. capital stock or fund)
CAPITAL (Lat. caput, head)
of the Bulgarians when they were established in that part of Europe (5th to 15th century). Ruins of the old walls and towers still survive, as well as numerous kurgans or burial-mounds, with inscriptions See Also:
INSCRIPTIONS (from Lat. inscribere, to write upon)
, some in Arabic (1222-1341), others in Armenian (years 557, 984 and 986), and yet others in Turkic. Upon being opened these tombs were found to contain weapons, implements, utensils, and silver and copper coins, bearing inscriptions See Also:
INSCRIPTIONS (from Lat. inscribere, to write upon)
,
' Letters and Papers, x. 358.
2 " Sanuto Diaries," October 31, 1532, in Cal. of St. Pap. Venetian, iv. p. 365.
' Original See Also:
ORIGINAL
Letters, ed. by Sir H. Ellis, I ser. ii. 37, and Cal. of St. Pap. Venetian, iv. 351, 418.
iv. 6some in ordinary See Also:
ORDINARY (med. Lat. ordinarius, Fr. ordinaire)
Arabic, others in Kufic (a kind of epigraphic Arabic). These and other antiquities collected here (1722) are preserved in museums at Kazan, Moscow and St Petersburg See Also:
PETERSBURG
. The ruins, which were practically discovered in the reign of Peter the Great See Also:
GREAT
, were visited and described by Pallas, Humboldt and others. The city of Bolgari was destroyed by the Mongols in 1238, and again by Tamerlane early in the following century, after which it served as the capital See Also:
CAPITAL (i.e. capital stock or fund)
CAPITAL (Lat. caput, head)
of the Khans (sovereign princes) of the Golden Horde See Also:
HORDE
of Mongols, and finally, in the second half of the 15th century it became a part of the principality of Kazan, and so eventually of Russia. The Arab geographer Ibn Haukal states that in his time, near the end of the Toth century, it was a place of 1o,000 inhabitants.
See Ibn Fadhlan, Nachrichten fiber die Wolga Bulgaren (Ger. trans. by Frahn, St Petersburg See Also:
PETERSBURG
, 1832).


...aus: http://encyclopedia.jrank.org/BLA_BOS/BOLGARI_or_BOLGARY.html


Sowie zur Stadtgeschichte: http://bolgar.netfirms.com/eng3.htm
 
~YpY~ schrieb:
ja entschuldigung aber dann können wir auch anfangen über mögliche städte/siedlungen in afrika zu dieser zeit zu spekulieren - und wenn wir ganz kess sind doch noch die im fernen osten dazuzählen - china ist ausgeschlossen aber wie sieht es denn mit japanischen und vielleicht den südamerikanischen städten aus ?

also bitte es gibt in der wissenschaft eine - wenn auch nur ungefähre - definition von mittelalter und nur weil vielleicht ein teil eines arabischen reiches zu einer zeit im mittelalter an das mittelmeer grenzte, können wir nicht anfangen diese reiche mit in die mittelalterliche geschichte zu packen
irgendwo sollten, auch wenn in diesem forum augenscheinlich mehr hobbygeschichtsbegeisterte verkehren, die grenzen der wissenschaft eingehalten werden
:teach:

Manchmal geht mir bei sowas einfach der Hut hoch - nicht persönlich nehmen.
Zu dem sind meine Kritikpunkte 2. und 3. noch nicht geklärt
Wir können die Städte der Welt im 12.-15. Jh. christlicher Zeitrechnung gern nach Einwohnerzahlen sortieren aber den Begriff der "Weltstadt" auf eine mittelalterliche Stadt - im Sinne der Wissenschaft - zu Packen finde ich etwas gewagt.

Ich kann Deine Aufregung nicht - oder nur sehr bedingt - nachvollziehen. Im europäischen Mittelalter gibt es Kontakte bis nach China und indirekt sogar bis nach Japan. Beginnen wir beim "Hunnensturm", berücksichtigen wir die Mongolen, nehmen wir die Franziskaner, die beinahe den chinesischen Kaiser zum Christentum bekehrt hätten, Marco Polos Bericht wird weitgehend als der Wahrheit entsprechend eingestuft... nehmen wir die Handelswege, die über die italienischen Städte in den nahen Osten gingen, um dort Waren zu handeln, die Seidenstraße etc. Gold aus Ghana hat seinen Weg über Spanien in die Schatztruhen der europäischen Könige gefunden. Die Wikinger sollen bis China gekommen sein. Für mich ist es daher kein Problem, auch außereuropäische Geschichte dem Mittelalter zuzuordnen. Nur Amerika würde ich in präkolumbianisch und koloniales Amerika einordnen (vorher gab es zumindest keine regelmäßigen Kontakte).
So... lassen wir mal die Araber zu Wort kommen: der Begriff für Mittelalter lautet
آلقرون آلوسطى
'al-qurūn al-wustā', die Araber kennen also zumindest einen Begriff für das Mittelalter. Die islamische Geschichtsschreibung kennt noch die جاهلية 'Ğahilīa', die vorislamische Zeit oder wörtlich Unkenntnis. Wenn man, wie einige Historiker das machen, den Beginn des Mittelalters nicht etwa mit 476 oder einen ähnlichen Datum festsetzt, sondern mit der Islamisierung, also +/- 622, dann ist auch der islamische Raum ins MA mit einbezogen.

Mein Fazit: von mittelalterlichen Städten zu sprechen, auch wenn man nicht von europäischen, sondern von asiatischen oder afrikanischen Städten spricht, ist legitim und richtig!

So, den Nebenkriegsschauplatz verlassend, wende ich mich dem eigentlichen Thema des Threads zu, allerdings nur Córdoba.
Ich glaube der spanische Historiker und Archäologe Leopoldo Torres Balbás war es, der behauptet hat, dass Córdoba im Mittelalter größer gwesen sei, als im 19. und 20. Jahrhundert. Was die Einwohnerzahl betrifft, so stimmt das noch heute, aber das meint Torres Balbás gar nicht (obwohl er für die Städte von al-Andalus im 11. und 12. JH ungefähre demographische Daten angelegt hat; seine Methode war es, auf die Fläche einer Stadt im Mittelalter eine bestimmte Anzahl an Häusern anzunehmen und pro Haushalt eine bestimmte Bewohnerzahl festzulegen), sondern er behauptete, dass die mittelalterliche Ausdehnung Córdobas weitaus größer als zu seiner Zeit (1888-1960) war.

Der Behauptung, in Córdoba habe es Krankenhäuser gegeben, folge ich z.Zt. nicht. Das steht zwar überall so im Internet, aber ich verlasse mich lieber auf gedruckte Literatur, wo ich zudem etwas über den Autor erfahre.
In dem Buch El Maristan de Granada. Un Hospital islámico. (Granada 1989) behaupten die Autoren J. A. García Granados, F. Girón Irueste und V. Salvatierra Cuenca jedenfalls, dass die beiden Hospitäler im nasridischen Granada (also 1232 - 1492) die beiden ersten Hospitäler auf europäischem Böden gewesen wären. Leider habe ich mir nur das dritte Kapitel kopiert und nicht das erste, so, dass ich dies genauer zitieren könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie groß war eigentlich Antiochia im Mittelalter (nach Erdbeben zwar deutlich "bedeutungsloser" als noch einige Jahrhunderte zuvor, aber da dürfte doch noch "was übriggeblieben" sein)??? :grübel:
 
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