Ich habe nun den Eindruck, dass man hier zum Konsens gekommen ist, dass dieser Einfluss viel marginaler gewesen sei, als allgemein resp. als von Dion angenommen.
Dieser Eindruck dürfte durchaus täuschen und das sage ich als jemand, der Dion in diesem Faden und in anderen bei diesem Thema permanent widerspricht.
Das Problem ist mehr, dass Dion (und darin dürfte er sich von der Allgemeinheit durchaus unterscheiden) die Kirche(n) partout, als quasitotalitäre Systeme betrachten möchte, die seiner Meinung nach die gesamte Bevölkerung vollzeit überwacht hätten, die weltliche Macht nach Belieben auf ihr Geheiß herumkommandieren konnte und ansonsten keine anderen Sorgen gehabt hätte, als sinistre Pläne zu ersinnen, wie das Volk am effektivsten geschröpft uns ausgepresst werden könnte.
Das klingt auf den ersten Blick nach einer furchtbaren Übertreibung, aber das ist in etwa der Eindruck, den man aus Dions Einlassungen in verschiedenen Fäden zum Thema gewinnen kann.
Das Problem, warum die Diskussion hier vielleicht etwas einseitig erscheint, ist, dass Dion peermanent versucht dieses Bild durch irgendwas zu untermauern, was naturgemäß nicht funktionieren kann, weil es an der Realität komplett vorbei geht.
Das hat aber zur Folge, dass sich diese Diskussion Dions Agenda folgend sehr stark auf Elemente dieser Vostellung bezogen hat, während andere Dinge, die durchaus zu diskutieren wären hier überhaupt nicht oder kaum zu Sprache kommen.
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Z.B. konnte man sich näher damit befassen, dass:
- Über weite Teile des MA (im Spätmittelalter nicht mehr so stark), sich mehr oder weniger auch die gesamte Verwaltung, der (rein)weltlichen Fürsten aus dem Klerus rekrutierte, weil der eben nahezu ein Monopol auf Bildung und schriftkundiges Personal hatte.
Entsprechend dem Umstand, dass ein Großteil der Bedeinsteten in Schlüsselpositionen einer Herrschaft und eines Reiches Kleriker waren und eine kirchliche oder klösterliche Erziehung durchlaufen hatten, hatte damit der gesamte Verwaltungsapparat (wenn man das so titulieren möchte) eine christlich-theologische Vorprägung, die zwar der Institution Kirche nicht ermöglichte die weltlichen Großen nach Belieben herum zu kommandieren, die aber stehts dafür sorgte, dass kirchlichen Positionen in der Verwaltung Rechnung getragen wurde.
Und zwar ohne, dass sie das expressis verbis anordnen mussten, sondern einfach weil die meisten Funktionäre aus ihrem Stall kamen, eine entsprechende Erziehung und Vorprägung mitbrachten und es Alternativen dazu kaum gab.
- Das mehr oder weniger stark ausgeprägte geistliche Bildungsmonopol (mindestens vor dem Aufkommen und der Verbreitung der europäischen Universitäten wird man davon, denke ich sprechen können), sorgte auch dafür, dass Geistliche nicht nur aus theologischen Gründen und als Seelsorger als Autoritäten anerkannt wurden, sondern eben auch als Vermittler von Wissen, dass das Leben vereinfachen konnte.
- Gerade, wenn man sich die Rolle des Niederklerus vor Ort anschaut, waren die örtlichen Pfarrer auf Grund ihres Ansehens auch prädestinierte Vermittler bei lokalen Streitsachen, die die verschiedenen Streitparteien wahrscheinlich am ehesten zu akzeptieren bereit waren, weil man ihnen ein gewisses Maß an Neutralität zutrauen konnte.
Gerade kleine Inhaber von Pfarrstellen kleiner Gemeinden kamen ja durchaus oft von außerhalb, was bedingt haben dürfte, dass sie anders als weltliche Funktionäre und Würdenträger, die fest in die klientelistischen Netzwerke der Dörfer und Gemeinden eingebunden waren, vor Ort niemandem verpflichtet waren.
etc. etc.
Dadurch ergibt sich unterm Strich natürlich eine enomre Macht und natürlich auch ein enormer Einfluss der Kirche und ihrer Funktionsträger auf das Leben der Menschen.
Es ist aber eine ganz andere Machtssorte, als das was Dion meint, faktisch handelt es sich vor allem um Softpower im Sinne klutureller Macht und gesellschaftlichen Ansehens, die der Kirche ermöglichte enormen Einfluss auszuüben und eben nicht ein mehr oder weniger totalitätres System.
Und dieser Umstand ist, denke ich, auch sehr wichtig dafür, dass das akzeptiert wurde, denn eines der großen Probleme in Dions Modell ist ja, dass darin überhaupt kein Zurückweisen von Ansprüchen der Kirchen denkbar war, was aber immer wieder vorkam.
Das widerrum zeigt aber, dass der enorme Einfluss der Kirche auch von der tatsächlichen Bereitschaft der Bevölkerung oder auch des Adels abhing sich diesem Einfluss zu unterwerfen und ihne mitzutragen.
Das taten sie aber nicht (und das meint explizit auch die Bevölkerung), weil man sie permanet in Angst gehalten und dazu erpresst hätte gegen ihren Willen so zu handeln, sondern weil da durchaus ein inneres Maß an Überzeugung da war, dass es vorteilhaft sein würde sich an bestimmte Vorstellungen und Ansprüche der Kirche zu halten.
Aber eben nicht an alle und eben nicht, weil einem bei andrer Meinung sofort eine vom Vatikan gesteuerte kirchtliche Stasi im nacken gesessen und nach dem Leben getrachtet hätte o.ä..