Dass die Zarenfamilie in Russland alles andere als "beliebt" war, wusste ich natürlich schon! Aber, in der damaligen Zeit, hatten lebende Monarchen und ihre Angehörigen, eben noch gewisse Vorrechte!
Es geht mir bei meiner Fragestellung, nicht darum, das Zarentum in Russland zu retten! Nein, es geht bzw. ging konkret um die Familie und ihre Angehörigen. Zum damaligen Zeitpunkt, war es ausgeschlossen, dass das russische Kaiserreich überlebt.


Dafür, hätten die Romanows und die Regierung, früher reagieren müssen.
Allerdings, hätte meiner Meinung nach, nichts gegen ein Exil in England gesprochen! Alternativ, hätte sich auch die deutsche Regierung, für die Freilassung der Familie einsetzen können! Wie hier schon zu recht gesagt wurde, wäre ohne die aktive deutsche Unterstützung Lenin, niemals der Mann geworden, der er später war.
Schon der Anstand, hätte es verlangt, dass das Deutsche Reich sich für die Romanows einsetzt oder sie ggf. sogar freikauft. Da wäre Deutschland kein Zacken aus der Krone gebrochen.
Sein Cousin George V. hatte Niki und seiner Familie zunächst Asyl in GB zugesagt- das nahm er allerdings wieder zurück, da man die Provisorische Regierung unter Kerenski (Kriegsminister) nicht brüskieren wollte.
Der Zar hätte sicher nach seiner Abdankung problemlos ausreisen können, wenn er sich wirklich um eine Ausreise bemüht hätte. Anderen Mitgliedern des Hauses Romanow gelang die Ausreise. Nach der Oktoberrevolution und während des Bürgerkrieges musste das Leben von Nikolaus in Gefahr geraten. Er war eben nicht nur Privatmann, er war eine potenzielle Geisel, und er war eine gewaltige Symbolfigur. Solange es einen Zaren gab, gab es einen Anspruch auf die Restauration der Zarenherrschaft. Ein lebender Zar war mit der Symbolkraft und dem Nimbus des Gottesgnadentums, das immer noch mit dem Zarentitel verbunden war immer noch sehr gefährlich.
Es war auch mitnichten klar, dass sich die Monarchie in Russland erledigt war. Weite Gebiete wurden von Weißgardisten gehalten. Eigentlich hatten die Bolschewiki nur die Zentren Petrograd und Moskau sicher in der Gewalt. Wer sich im Bürgerkrieg durchsetzen würde, war 1918 überhaupt noch nicht abzusehen, der Bürgerkrieg zog sich bis 1921 hin, mit beispiellosem Terror auf beiden Seiten.
Das Deutsche Reich brauchte 1917/18 vor allem Ruhe im Osten. Man hatte es mühsam geschafft, den Zweifrontenkrieg zu beenden, Russland war kollabiert, man hatte den Friedensvertrag von Brest-Litowsk diktiert. Die Divisionen die an der Ostfront freiwerden konnten, brauchte man an der Westfront, um dort die Entscheidung herbeizuführen, bevor die Amerikaner ihre Stärke ausspielen konnten. Das war ein Kampf gegen die Zeit, und die Zeit arbeitete gegen die Mittelmächte. Wenn Deutschland überhaupt eine Chance haben wollte, noch eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeizuführen, so war dringend, ganz dringend alles zu vermeiden, was Unruhe im Osten bringen konnte.
Die Aufnahme der Zarenfamilie wäre ein drehen an der Eskalationsschraube, ein stochern im Hornissennest gewesen- wo man dringend Ruhe brauchte. Der Zar war sozusagen der Inbegriff des reaktionären Autokraten. Krieg gegen das reaktionäre Zarenreich war überhaupt nötig gewesen, die Sozialdemokraten ins Boot zu holen und den "Burgfrieden" zu schließen. Alles, aber wirklich alles, hatte die deutsche Regierung und die OHL unternommen, um "Niki" loszuwerden. Zuletzt der Sonderzug mit Lenin und die Förderung der Revolution. Nun, da man ihn endlich glücklich los war, gab es keinen Anlass, dass das DR den Zaren aufnahm.
Wieso hätte das DR das reaktionäre, gestürzte Oberhaupt eines autokratischen Staates aufnehmen müssen, gegen den man über 3 Jahre Krieg geführt hatte. Niki war kein politisches Schwergewicht, er war eine Riesen-Belastung, ein Klotz am Bein, den man so dringend brauchte wie einen Kopfschuss.
Es wäre politisch eine Riesendummheit gewesen.
Moralisch verpflichtet war das DR dem Zaren sicher nicht. Da wäre die 3. Republik oder GB eher in der Pflicht gewesen. Die Armeen des Zaren hatten 3 Jahre deutsche Truppen gebunden, Paris ist dadurch vielleicht 1914 gerettet worden. Ein russisches Expeditionskorps landete Winter 1916 in Marseille und unterstützte die Aisne/Champagne-Offensive Nivelles im Frühjahr 1917.
Nach politischer Logik war es konsequent, dafür zu sorgen dass Russland nie wieder zum Zarismus zurückkehren konnte, war es konsequent keine Prätendenten am Leben zu lassen, keine Symbolfigur den Weißen zu überlassen. Die Erschießung der Zarenfamilie war aber trotzdem nichts, als ein gemeiner , viehischer Mord. Die Großfürstinnen Olga Tatjana, Maria und Anastasia und der an Hämophilie leidende Zarewitsch Alexej hatten niemandem etwas getan, erst recht nicht Hauslehrer und Erzieher, die ebenfalls erschossen wurden. Auch Niki und Alix hatten nicht verdient, wie tollwütige Hunde niedergeknallt zu werden. Nachdem die Zarenfamilie aber die Gelegenheit verpasste, frühzeitig zu emigrieren, nachdem es in Russland zum Bürgerkrieg kam, war eigentlich ihr Schicksal besiegelt. Es gab nur noch die Alternativen Symbol- und Galionsfigur oder Geisel.
Von da an war es auch nur noch sehr wenig, was man für die Zarenfamilie von außen tun konnte. Mehr tun, als zu protestieren, als zu appellieren, die Zarenfamilie zu verschonen, sie als Privatpersonen zu sehen, konnte an für die Romanows von außen nicht mehr tun. Nun gut, Lösegeld anbieten-ob das aber angenommen worden wäre, ist eine andere Frage.