Frage: Wurde eigentlich jemals bei den Friedensverhandlungen von deutscher oder alliierter Seite die persönliche Gefahr thematisiert, die der deutschen Delegation in der zerrütteten Heimat von Radikalen drohen könnte?
Nach meinem Kenntnisstand nicht, jedenfalls ist mir das bisher nicht untergekommen.
Von deutscher Seite her wäre es wahrscheinlich taktisch extrem unklug gewesen gewesen das zu thematisieren, weil es die Schwäche und fehlende Kontrolle der deutschen Regierung über die Verhältnisse im Land offen herausgestellt hätte.
Das aber hätte den ganzen Friedensschluss gefährden können, weil es ja infrage gestellt hätte ob sich Deutschland mittelfristig bereit gezeigt hätte den Vertrag zu achten und seine Bestimmungen auszuführen.
Von Seiten der Entente hätte man, wäre das von deutscher Seite thematisiert worden mit einiger Berechtigung die Frage stellen können, wie denn eine deutsche Regierung, die nicht einmal in der Lage sei ihre eigenen Vertreter und Emmissäre zu schützen die Autorität aufzubringen gedenke umfassende Maßnahmen wie die Entwaffnung der Kriegsheimkehrer und die Reduzierung des deutschen Heeres, nebst anderen unpopulären Dingen (z.B. die Thematik der Auslieferung der von der Entente als Kriegsverbrecher betrachteten Personen) durchzusetzen.
Mit der Konsequenz der Frage, warum man mit einer deutschen Regierung ohne Macht überhaupt verhandeln, sollte, statt einzumarschieren und die Verhältnisse selbst in die Hand zu nehmen.
Ich denke, dass hätte nach hinten losgehen könen.
Und im Hinblick auf die Entente-Mächte selbst, deuten für mich die Bestimmungen, die Deutschlands Armee betrafen jedenfalls in die Richtung, dass man auf die innenpolitische Situation in Deutschland von Seiten der Entente mit einer gewissen Naivität blickte.
Sonst hätte man zu dem Schluss kommen müssen dass sich sowohl die extreme Reduzierung des Herres auf lediglich 100.000 Mann, als auch das Verbot der Wehrpflicht im Sinne stabiler Verhältniss notwendigerweise als kontraproduktiv erweisen mussten.
Deutschlands Landstreitkräfte verfügten vor dem Krieg 1914 über eine Friedenstärke von 800.000 Mann mit einem dem entsprechenden Offizierskorps.
Die Reduktion auf 100.000 Mann (zum Vergleich die Friedensstärke der Belgischen Armee 1914 lag bei 120.000 Mann), bedeutete annähernd 90% des Offizierskorps und damit Berufsmilitärs ohne andere Perspektiven entlassen zu müssen.
Das die sich gegen eine Regierung wenden würden, die das veranlasste war abzusehen und auch wie gefährlich das sein musste, wenn ein Großteil des ehemaligen Offiziersorps im Gegennsatz zur Regierung stehen würde.
Sowohl im Hinblick auf auf die Organisation potentieller extremistischer Bewegungen, als auch im Hinblick auf die Loyalität der verbleibenen Offiziere, die damit wegen den Verpflichtungen gegenüber der Regierung, als auch der Verbindung zu ihren früheren Offizierskameraden zunehmend zwischen zwei Stühlen sitzen mussten.
Wenn man sich über die Überlebens- und Handlungsfähigkeit der deutschen Regierung und ihrer Gesandten ernsthafte Sorgen gemacht hätte, hätte man der deutschen Regierung einen solchen Schritt nicht zumuten dürfen, weil der mit Ansage die innenpolitischen Probleme verschärfen musste.
Zumal das inhaltlich vollkommen unnötig war.
Die Reduzierung des Deutschen Heeres noch unter die nummerische Stärke des Belgischen (Vorkriegsstand), bei gleichzeitigem Verbot von schwerer Artillerie, Flugzeugen, Panzern etc. war ganz sicher keine Notwendigkeit um den Europäischen Frieden zu erhalten und die Sicherheit von Deutschlands Nachbarstaaten zu gewährleisten, musste aber die deutsche Regierung eines Großteils ihrer innnpolitischen Machtmittel berauben.
Hätte man sich um die dauerhafte innere Stabilität Deutschlands ernsthafte Sorgen gemacht, dann hätte sich ein solcher Schritt verbeten.
Dann hätte es sich im Gegenteil angeboten für den Moment eine moderate Reduktion des Heeres anzuordnen und die Normalisierung der Beziehungen schrittweise an weitere Abrüstungsmaßnahmen von deutscher Seite her zu knüpfen.
Einen Plan zur schrittweise gestaffelten Räumung des beesetzten Rheinlandes gab es, den hätte man mit einem gestaffelten Plan zu einer weiteren Reduzierung des deutschen Heeres verbinden können.
Z.B. hätte man verordnen können, das deutsche Heer mit Inkraftreten des Friedensvertrags auf irgendwas um die 500.000 mann zu reduzieren und als Bedingung für die Räumung der besetzten Teile des Rheinlandes gemäß Zeitplan weitere Heeresreduktionen bis zu einer Gestamtstärk von, was weiß ich, vielleicht 300.000 Mann vorzunehmen.
Nummerisch hätte man auf diesem Weg Deutschlands Heer ohne weiteres auf einen Bruchteil der Mannstärke während des Kaiserreichs bei noch deutlich weiter abgesenkter Schlagkraft der Truppen (limitierte Anzahl von Maschinengewehren und leichter Feldartillerie, ohne schwere Waffen) reduzieren, gleichzeitig aber der deutschen Regierung erlauben können, den Großteil der Berufsmilitärs bei den Fahnen und einigermaßen loyal hinter der Regierung zu halten und diese so zu stärken.
Angesichts der Rheinlandbesetzung, angesichts des Umstands dass auch eine nummerisch größere Reichswehr ohne schwere Waffen gegen die Besatzungsmächte nicht viel hätte tun können, angesichts dessen, dass Deutschlands Kriegswirtschaft demontiert wurde und wegen des Verlusts der Bodenschätze in Elsass-Lothhringen, Oberschlesien und an der Saar auch die Ressourcen gefehlt hätten um sie neu aufzufahren, wäre das völlig unbedenklich gewesen.
Wenn man auf der Seite der Entente auf die sich formierende Weimarer Demokratie gesetzt, sie aber zeitgleich stark gefährdet gesehen hätte, hätte es sich angeboten, in Sachen Friedensvertrag wehrpolitisch solche Wege zu beschreiten.
Das gleiche im Hinblick auf das Verbot der Wehrpflicht und die Festlegung auf das Berufsheer.
Inhaltlich war das zunächst mal insowiet unsinnig, als dass die Weimarer Republik qua vorrangegangenem Weltkrieg über Kriegserfahrenne Veteranen en masse verfügte und zwar über mehr (und damit natürlichh auch mehr potentielle Reservisten), als es das Kaiserreich vor dem Weltkrieg jemals getan hatten.
Bis ein Verbot der Wehrpflicht Deutsschlands militärisches Potential, im Hinblick auf die an der Waffe ausgebildeten Kader tatasächlich effektiv reduzieren konnte, musste es 10-15 Jahre dauern.
Realitier verbesserte das kurzfristig die Sicherhheit der europäischen Nachbarn kein Bisschen.
Allerdings musste die Festlegung auf das Berufsheer natürlich dafür sorgen, durch die tendenziell längere Dienstzeit der Soldaten gegenüber Wehrpflichtigen den Geist des Kaiserreichs und der alten Eliten in der Armee zu konsrvieren, insofern Personen, die ihre Sozialisation ganz oder in Teilen in der Republik erlebten auf diese Weise wesentlich langsamer nachrückten.
Wäre man bei der Wehrpflicht geblieben (Reduktion der nummerischen Stärke des Heeres hätte sich durch Verkürzung der Dienstzeit erreichen lassen), dann hätte man spätestens in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre (je nach dem in welchem Alter man die Jahrgänge gezogen hätte) ganz überweigend Kader gehabt, die bereits in die Republik hinein sozialisiert worden waren.
Das hätte durchaus sehr dabei helfen können, die Reichswehr zunehend auf einen republiktreuen Kurs einzuschwören.
Das alles hätte die Entente-Mächte realiter nichts gekostet, aber sowohl ihnen bei der Aufrechterhaltung der Friedensordnung, als auch den Weimarer Regierungen massiv helfen können.
Hätten die Entente-Mäche die innere Situation Deutschlands und die Gefahrenpotentiale richtig eingeschätzt, wäre so ziemlich alles, was sie im Versailler Vertrag im Hinblick auf die Wehrpolitik verfügten, ausgenommen des Verbots schwerer Waffen und das Verbot, dass die deutsche Industrie solche künftig nicht mehr produzieren dürfe (zumal in Kombination mit anderen Dingen) gefährlicher Unfug gewesen.
Ich würde daher vermuten wollen, dass man im Lager der Entente da keine besonders realistischen Vorstellungen von den Problemen hatte.