Ich bezog mich bei den epigraphischen Quellen, die L. Sergius Paullus und Nachkommen von ihm wie seine Tochter Plancia Marcia belegen nicht auf eine zypriotische Inschrift, sondern auf Inschriften in Südanatolien, die eindeutig nicht nur die Existenz eines L. Sergius Paulus belegen, sondern auch die von mehreren Verwandten und Nachkommen, und die es sehr plausibel machen, dass die Sergier Paulliner aus Pisidien, vermutlich aus Antiochia ad Pisidiam stammten. Die Familie stammte von Kolonisten ab, die Augustus in Südgalatien ansiedelte. Sie brachten es zu einem riesigen Landbesitz und wurden recht bald danach in den Senatorenstand aufgenommen. Grundlegend sind in diesem Zusammenhang die Forschungen von Sir William Ramsey, einem wahren Pionier der Epigraphik. Ramsey fand zuerst den Grabstein, den Sergia Paullina einem Freigelassenen ihres Mannes stiftete. Geht man von Sergia Paullina in der Chronologie weiter, stößt man auf die Inschrift I, 3 , die den Senator L. Sergius Paullus ehrt. Grundsätzlich sind, wenn man auf Inschriften dieser Art stößt zwei Möglichkeiten plausibel: Entweder war er in Amtsgeschäften dort, oder Südgalatien/Pisidien war die Heimat der Sergier Paulliner. Die erste Möglichkeit kann man wohl ausschließen, denn es ist kein Statthalter dieses Namens in Galatia überliefert. Für die zweite Möglichkeit, dass Antiochia ad Pisidiam die Heimatstadt von Sergius Paullus war, spricht die eigenartige Formulierung: Der Geehrte wird ausdrücklich nicht nur als L. F. sondern zusätzlich als filius bezeichnet. Das wird dahin gedeutet, dass er sozusagen ein Sohn der Stadt war und von seinen Vorfahren her dort bekannt war. Die Forschung u.a. die Göttinger Historikerin Helga Botermann
(Chan würde vermutlich Prof. Dr. Helga Botermann schreiben, aber das ist wie gesagt nicht die korrekte wissenschaftliche Zitierweise. Wenn ein(e) Dozent(in) einen Lehrauftrag hat, verfügt er/sie in der Regel nicht nur über ein Doktorat der Philosophie, sondern auch über einen Dr. habil. In seriösen wissenschaftlichen Kreisen ist die schon von August von Kotzebue kritisierte Titelsucht als Blendwerk verpönt, und man schenkt sich bei der korrekten wissenschaftlichen Zitierweise die Titulatur, denn die hebt man sich für den Grabstein und Laudatios auf.) Aber das nur nebenbei. Aber zurück zum Thema: Man, oder in diesem Zusammenhang unter anderem Frau Botermann hält daher die Sergier Paulliner für eine der von Augustus angesiedelten Kolonistenfamilien. Sie müssen schon zu diesem Zeitpunkt begütert gewesen sein, denn schon unter Tiberius stiegen sie in den Senatorenstand auf. In den 40er Jahren ist ein L. Sergius Paullus in Rom als Kurator des Tiberufers bezeugt, d. h. in einem Amt, das wie das des Prokonsulats die vorherige Prätur voraussetzte. Ob dieser L. Sergius Paullus mit dem Statthalter von Zypern identisch ist, ist fraglich, nach den Regeln der Prosophographie ist es aber die plausibelste Deutung.
Es wäre natürlich viel schöner, wenn Lukas den vollen Namen des Mannes und seine Titulatur angegeben hätte, der in der ApG als ein "verständiger Mann" und "gottesfürchtig" beschrieben wird.
Es ist überhaupt bemerkenswert, dass Paulus als Missionar in dieses doch recht provinzielle Nest Antiochia ad Pisidiam reiste. Warum ging er nicht nach Alexandria, das eine der größten Diasporagemeinden des Imperiums hatte? Er kam zwar mal in die Gegend und hielt wohl mal in einem Ort nahe Alexandrias eine so langweilige Predigt, dass einer der Zuhörer dabei einschlief und aus dem Fenster stürzte, wenn man der ApG Glauben schenken mag. (Ich bin im Moment zu faul, um die Stelle herauszusuchen) H. Dessau, einer der bedeutendsten Epigraphiker äußerte schon 1900 die These, dass Paulus mit einem Empfehlungsschreiben von Sergius Paullus versehen wurde, der ihn auf die Idee brachte, nach Antiochia ad Pisidiam zu reisen und dass "Saulus, der auch Paulus genannt wird " (ApG) nicht nach seinem Damaskuserlebnis, sondern nach seiner 1. Missionsreise seinen Namen von Saulus in Paulus (der Kleine, der Geringe) änderte zu Ehren von L. Sergius Paullus. Paullus ist nun kein Allerweltsname wie Markus oder Niger, wenn das stimmen sollte, wäre er neben den Heroden Agrippa und dem Pharisäer Pollio einer der wenigen Juden, der sich nach einer bedeutenden römischen Gens nannte. Mitchell betont, dass es im fraglichen Zeitraum nur vier derartige Fälle gab. (Ed. Meyer in Ursprung und Anfänge des Christentums 2. Band 1922, S. 197). Für die Missionsstrategie des Paulus ergibt sich daraus die Einsicht, dass er sich vielleicht nicht primär an die "einfachen Bürger", sondern an die Notablen und die " gottesfürchtigen vornehmen Damen" die mehrfach in der ApG (13, 50) erwähnt werden. In Akomeia ließ eine solche eine Synagoge bauen, und Sergius Paullus umgab sich, bevor er Umgang mit Paulus hatte, mit einem jüdischen Magier. Geradezu irritierend ist, dass wir entgegen der communis opinio, dass der Senatorenstand bis ins 3. 4. Jahrhundert heidnisch blieb auch in den späteren Generationen der Sergii Paulli Indizien finden, dass diese tatsächlich Christen waren oder zumindest mit dem Christentum sympathisierten. (Helga Botermann, Geschichte des frühen Christentums.)
Selbstverständlich kann man dazu sagen: " Das überzeugt mich nicht", ist eh alles Humbug, oder wie
@Chan in einem früheren Thread sagte "christliche Propagandaliteratur", überhaupt ist Paulus von Markion erfunden, und ich vertraue da nicht Historikern, sondern dem Theologen und Radikalkritiker Detering. Genaues weiß man sowieso nicht, und das, was man weiß, oder zu wissen glaubt, ist eh alles von den Katholiken gefälscht. Das ist legitim, um das aber als Humbug abzutun, muss man sich damit auch einmal auseinandersetzen.
Der gerne von Radikalkritikern geäußerte Vorwurf der Fälschung unterschätzt übrigens die Methoden historischer Hilfswissenschaften wie der Paläographie u. a. bzw. um es mal polemisch auszudrücken zeugt von einer geradezu rührenden Ahnungslosigkeit davon. Sicher, im Mittelalter besaßen manche Klöster Fachleute mit denen verglichen der Fälscher der Hitlertagebücher ein jämmerlicher Stümper war, und sie produzierten Urkunden die angeblich von Karl dem Großen stammten. Ein Fälscher schafft das, solange er sich konzentrieren kann, recht gut, aber die Konzentration lässt irgendwann nach, er macht Fehler, verwendet Vokabular, das im gefälschten Zeitraum ungebräuchlich war, verwendet Schrifttypen, die es in der karolingischen Minuskelschrift noch nicht gab.
Auch hier kann man es sich sehr einfach machen, wie es ein Forianer gerne tut, der sich durch pseudowissenschaftlichen Humbug und groben Unfug, pardon ich wollte natürlich sagen wissenschafts- und chronologiekritische Beiträge auszeichnet: "Ist eh alles gefälscht, nur im Elfenbeinturm lebende Historiker können das für bare Münze halten, entweder es sind alle Urkunden von Karl dem Großen echt, oder das ganze Mittelalter ist bloß erfunden, erfunden wie Hannibals Alpenüberquerung.