Da in Haltern das Enddatum 16 n.Chr. archäologisch nachgewiesen wurde (siehe Pressemitteilung des LWL) , muss der Münzhorizont notgedrungen zu Germanicus passen.
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Da missinterpretierst du den Artikel leider. Denn Haltern hat dasselbe Schlussdatum wie Kalkriese. Die jüngste Münze ist auch dort Gaius-Lucius, als auf 2 zu datieren. Wie das in Haltern mit den Gegenstempeln aussieht, weiß ich nicht aus dem Kopf, meine aber, dass diese in der Verteilung zwar anders sind als in Kalkriese, aber im Wesentlichen dieselben
[Es würde freilich ein Gegenstempel reichen, der unstreitig nachvarianisch wäre]. Sprich: Auch wenn Aßkamp gerne in Haltern das bekannteste (weil quellenmäßig einzig namentlich erwähnte) Lippelager Aliso sehen möchte, so gibt es nach wie vor auch Argumente, die dagegen sprechen. Die Datierung in Haltern auf eine Belegung nach dem Winter 9/10 wird in dem von dir geposteten Artikel eben nicht über Münzen sondern alleine über die geschnittenen Grabanlagen geleistet.
Denn laut der Schriftquellen bestand das Lager Aliso bis 16 n.Chr. fort und wurde im Winter 9/10 n.Chr. von Germanen belagert. In Haltern belegen nun unter anderem germanische Skelette aus einem Töpferofen und die Überlagerungen von Grabanlagen in der Gräberstraße, dass dieser Stützpunkt tatsächlich noch über das Jahr 9 n.Chr. hinaus mit römischen Soldaten besetzt war. Außerdem deuten nachträgliche Sperrvorrichtungen an Süd- und Osttor wie auch unmittelbar südlich des Hauptlagers geborgene Geschosse wie Schleuderbleie, Steinkugeln und dreiflügelige Pfeilspitzen auf eine Belagerung hin.
Im Prinzip kann aber, wenn die Grabanlagen nicht datiert sind, bei der Belagerung lediglich festgestellt werden, dass die der Darstellung bei Tacitus und Frontinus in Teilen entsprechen, was allerdings nichts darüber besagt, ob nicht im Zuge der Varusschlacht außer Aliso auch andere Lippelager belagert wurden.
Und wenn man mal genauer hinsieht, dann sind etwa die in den Öfen bestatteten Toten, die als gefangene feindliche Germanen interpretiert werden, alles andere als unproblematisch. Diese kamen nämlich laut der Strontiumisotopenanalyse aus dem Schwarzwälder oder Böhmischen Raum, wären also entweder gar keine Germanen gewesen oder aber Markomannen, jedenfalls keine Cherusker. Das wirft eine Menge an Fragen auf. Waren das Hilfstruppen der Römer? Im Pannonischen Aufstand Gefangene? Ist die Bestattung wirklich pietätlos gewesen? Ich bin mir nicht sicher da ich den Befund nicht im Einzelnen kenne, ob jemand pietätlos oder pietätvoll bestattet wurde, erkennt man ja u.a. auch daran,
wie er niedergelegt wurde (wobei es da interessante Körpergräberfunde aus der augusteisch-tiberischen Zeit gibt, wo den Toten zwar die üblichen Grabbeigaben beigegeben wurden, aber sie dennoch offenbar alles andere als sanft in die Grabgrube kamen). Jedenfalls wird die Bestattung auch deshalb als pietätlos interpretiert, weil die Toten in außer Gebrauch gekommenen Töpferöfen bestattet wurden. Und da muss man doch zumindest mal innehalten. Immerhin - und das war den Römern wichtiger als opulente Grabbeigaben (wir finden teilweise riesige Grabmonumente aber keinerlei Beigaben bei manchen Römern) - waren die Töpferöfen als Grabmonumente obertägig zu sehen.
Fazit:
- Wer sind die Toten aus den Töpferöfen? War ihre Bestattung pietätlos?
- Wie sind die sich schneidenden Grabmonumente datiert? Ist die Datierung ohne die unbewiesene Prämisse vorgenommen worden, das Haltern Aliso ist und damit die jüngsten Monumente dort mindestens bis 16 gehen müssten?
Ergebnis:
Es spricht zwar einiges für die Gleichsetzung von Haltern mit Aliso, aber die Gewissheit, mit der etwa Aßkamp das vertritt, sehe ich nicht.