Ich habe festgestellt, dass meine letzte Frage zu spekulativ ist. Da ich den kompletten Text von Plutarchs "
Mondgesicht" nicht kenne, und ich mir kein Urteil auf Basis der englischen Version zu bilden getraue, ziehe ich meine Frage zurück. Kurz gelesen habe ich im Band
Der Dialog in der Antike (de Gruyter, 2013) den Artikel von Alexander Müller zu zwei anderen Dialogen von Plutarch (‚De Pythiae oraculis’ und ‚De defectu oraculorum’) . Nach seiner, Müllers, Auffassung meidet Plutarch mit der Form des Dialogs bewusst geschlossene autoritative Aussagen zugunsten ausgewogener logischer Prüfung des ausgewählten Diskussionsgegenstandes (S.79, Das Orakel und das Dialogische). Daher ist es fraglich, ob man Plutarchs eigene Auffassung aus dem Inhalt der Aussagen einzelner auftretender Personen extrahieren kann.
Der Dialog in der Antike
Beitragen kann ich etwas anderes, was mir aufgefallen ist, einmal erwähnt Plutarch eine Insel, auf der Kronos gefangen gehalten wird, auch im Dialog
De defectu oraculorum. ich hatte dies, aus Bernhard Maier zitierend, Die Religion der Kelten, Beck, 2004, schon hier erwähnt, Beitrag 15:
Die Religion der Kelten - eine Naturreligion? .
Für die Aufmerksamkeit und das Interesse der griechischen Ethnographie an (für die Kelten) religiös bedeutsamen Inseln im Atlantik gibt es einige Beispiele:
1. Strabon zitiert Poseidonios, dass es eine kleine Insel in der Mündung der Loire gebe, die Männer nicht betreten dürften, und die dem Dionysos geweiht sei (Geo 4,4,6).
2. Pomponius Mela beschreibt eine Orakelstätte auf der Insel Sena vor der bretonischen Küste (bei den Ossimern), auf der neun Jungfrauen Priesterinnen wären (Pom.Mela, 3, 48). Seine Vorlage war eventuell Artemidoros oder Timagenes, so Maier, S.95.
3.Plutarch im Dialog
De defectu oraculorum: "
Demetrios sagte, von den Inseln in der Nähe von Britannien seien viele einsam und abgeschieden, und einige davon seien nach Gottheiten oder Heroen benannt. Er selbst sei im Auftrag des Kaisers zu Erkundungs-und Aufklärungszwecken zur nächstgelegenen Insel gesegelt, die nur wenige Einwohner besaß, welche bei den Britanniern alle als heilig und unverletzlich galten. .... Dort gebe es auch eine Insel, auf welcher der in seinem Schlaf von Briareus bewachte Kronos gefangengehalten werde."
4. Artemidoros von Ephesos hat um 100 v.Chr. berichtet, dass vor der Küste Britanniens eine Insel wäre, auf der ein Kult ähnlich dem der Demeter und ihrer Tochter Kore auf Samothrake bestanden habe (Strabon,Geo 4,4,6).
Maier versucht nun in inselkeltischer Mythologie und Entymologie z.B. den Namen der kleinen Felseninsel Bull Rock vor Irland "Tech nDuinn" (Haus des Donn) Beispiele zu finden, dass die Berichte der antiken Autoren eine griechische Interpretation authentischer Überlieferungen sind. Meiner Ansicht nach gelingt ihm dies oft nur sehr hypothetisch und bleibt disparat: den in einer anderen Welt gefangenen keltischen Maponos (als hypothetisch jugendlicher Vegetationsgott, der im Winter in einer anderen Welt gefangen ist) verbindet Maier mit dem schlafenden Kronos, der meines Wissens (oder täusche ich mich?) als Vater von Zeus nicht dem jugendlichen Frühlingsgott entspricht, dies wäre dann eher das Attribut des Dionysos.
Alle diese Inseln, von denen die griechischen Ethnographen berichteten, oder die in der mittelalterlichen inselkeltischen Überlieferung mit der "anderen Welt" identifiziert wurden, sind jedoch nicht weit von den Küsten entfernt, und eignen sich nicht für die Aufklärung eines offensichtlich seit der Odyssee schriftlich überlieferten "Westmythos" in der griechischen Weltbeschreibung. Man könnte vermuten, dass die griechischen Ethnographen versucht waren, mit genaueren Kenntnissen des Westens Europas diesen West-Mythos weiter hinaus in den atlantischen Ozean zu verschieben.
Noch etwas ist mir aufgefallen:
Strabon beginnt seine Geographika mit einer Hommage an Homer als ersten Erdbeschreiber und Weltweisen, und betrachtet die Erde als Gesamtes, und besonders den Ozean.
In Buch 1, Kap.1,8 schreibt er: "
Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der Atlantische Ozean ein Doppelmeer sei, durch so schmale, die Durchfahrt hindernde Landengen geschieden, sondern er ist vielmehr ein zusammenfließendes und zusammenhängendes Ganzes. Denn die, welche eine Umschiffung versuchten und dann umkehrten, sagen nicht, daß sie durch ihnen in den Weg tretendes und die Fortsetzung der Fahrt verhinderndes Festland zurückgestoßen worden sind, sondern durch Mangel und Verlassenheit, während das Meer nichtdestoweniger die Durchfahrt verstatte."
Leider nennt Strabon hier nicht,von welchen Expeditionen er spricht. Dies klingt aber nicht nach Küstenschiffahrt, oder täusche ich mich?