Adel aus reichen Warlords?

In Westeuropa hatte es nur sehr wenige Beispiele gegeben, wo sich ein Warlord allein Dank seiner Kriegsfähigkeit einen Rang unter den ersten eines Reiches erkämpfen konnte.

Die frühen Merowinger würde ich mal unter dem Oberbegriff des Warlords sehen. Genauso die anderen Kleinkönige der fränkischen Teilstämme.
Die Pippiniden ebenso, auch wenn sie gewisse Verwaltungserfahrung mitgebracht haben müssten.
Die Verwaltung der Herrschaftsbereich hat am Anfang die Kirche übernommen, daher war auch im Früh-MA kein Dienst-Adel nötig.
Und zur Finanzierung des Schwertadel wurde dank der weit verbreiteten Naturalwirtschaft das Legen aus der Taufe gehoben. Vor allem als man hochgerüstete Reiterkrieger aufbieten musste, um sein Territorium zu halten.


Apvar
 
In Frankreich unterscheidet man zwischen noblesse d'empire, also die zur Zeit von Napoleon in den Adelstand erhoben wurden und ancienne noblesse, also die vor der Revolution schon adlig waren.

Ok, und wie kam es zum alten Adel?

das ist schwierig zu beurteilen, weil jedenfalls für die Frühzeit/Völkerwanderungszeit die genealogischen Quellen der berühmten Warlords wie Chlodwig, Theoderich, Geiserich relativ dünn sind. Sie stammten wohl schon aus teilweise mächtigen Sippen/Clans, aber sie waren später auch erpicht, sich weitaus ältere Stammbäume zu konstruieren (Amaler, Balten usw.) - recht wahrscheinlich ist, dass die erfolgreichen Warlords aus regional mächtigen bzw. kurzfristig (glückhaft, zufällig) mächtig gewordenen Familien stammten und die politische Gunst der Stunde nutzten (das dürfte besonders für Chlodwig gelten)

Genau das ist es, was mich zum Grübeln brachte. Du bezeichnest Chlodwig als Warlord. Liborius Cäsar, woraufhin Ravenik Cäsar zu den Patriziern zählt, auch eine Art Uradel. Da frage ich weiter, wie kamen die Patrizier zu ihrem Status?
Warlord ist ein Begriff von heute, danke übrigens, Köbis für´s Wikiverlinken. Kriegsherr ? Wikipedia
Heute kann ein Warlord nur bei gescheiterten Staatsgebilden Erfolg haben. Wie war das aber bei den vorrömischen Stadtstaaten, während der Völkerwanderungszeit? Kann man wirklich nicht sagen, dass Adel incl. König aus erfolgreicher Warlordschaft entstanden ist und später propagandistisch erhöht wurde?
 
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Das einzige Beispiel, dass mir spontan dazu einfällt sind ein paar Normannenführer, die ab dem 9. Jahrhundert im Frankenreich plündernd eingefallen waren und das Land verwüsteten. Sie waren einfach nur Anführer von Kriegshaufen, die im besten Fall nach getaner Arbeit wieder das Land verließen. Oder man nahm sie irgendwan in die Pflicht, indem man sie in die fränkische Sozialordnung integrierte. Man denke nur an Rollo und seine Normannen, der 911 im Vertrag von St-Claire-sur-Epte von König Karl III. den Ort Rouen samt Umland als Lehen zugewiesen bekommen hat. Er wurde als Erster (princeps) seiner Mannen in das fränkische Feudalgefüge sozialisiert und mit ihm seine Männer, die mit Burgherrschaften rund um Rouen ausgestattet wurden und damit am Anfang des franko-normannischen Adels und dem Herzogtum Normandie standen.
Das würde aber auch nur richtig sein, wenn Rollo nicht tatsächlich identisch ist mit Gånge Rolf. Damit wäre er ein Sohn von Ragnvald Øysteinsson und Enkel von Øystein Ivarsson oder auch Øystein Glumra genannt. Damit war er kein einfacher Normannenführer, sondern stammt von den Mörejarlen ab, die Harald Schönhaar folgten.
Passen würde da dann eher Tankred de Hauteville.
 
Da frage ich weiter, wie kamen die Patrizier zu ihrem Status?
Das fragst Dich nicht nur Du. Man weiß es schlicht nicht. Eine Theorie besagt, dass sie die ursprünglichen Bewohner Roms gewesen seien und die Plebejer spätere Zuwanderer, aber beweisen lässt sich das nicht, wobei der Sage zufolge auch spätere Zuwanderer (insbesondere die Claudier) unter die Patrizier aufgenommen worden sein sollen.
Der Sage nach waren die Patrizier einfach Nachfahren der Männer, aus denen Romulus den Senat gebildet hatte. Historisch gesehen gibt es allerdings keinen Beweis, dass der Senat von Anfang an bestand - dafür, dass die Stände von Anfang an bestanden, ebensowenig.

Heute kann ein Warlord nur bei gescheiterten Staatsgebilden Erfolg haben. Wie war das aber bei den vorrömischen Stadtstaaten, während der Völkerwanderungszeit?
Bei den vorrömischen Stadtstaaten, ebenso bei den griechischen, liegt das leider im geschichtlichen Dunkel. Die griechischen und römischen Adelsgeschlechter selbst leiteten sich gerne von Göttern oder Helden her. In die Städte, in denen die Adelsgeschlechter lebten, seien ihre Vorfahren aber meist friedlich eingewandert. (Ausgenommen diejenigen griechischen Adligen, die sich von den Herakliden herleiteten, den vertriebenen Nachfahren des Herakles, die große Teile Griechenlands gewaltsam eroberten.) Eine Warlord-Vergangenheit nahm kaum jemand für sich in Anspruch. Andere betrachteten sich als Nachfahren der Stadtgründer, wobei die Stadtgründung aber meist auch friedlich (ohne Widerstand der bisherigen Anwohner) abgelaufen sein soll.
Über die historische Realität lässt sich nichts sagen. In der Zeit, in der sie in das Licht der Geschichte traten, waren die Adligen anscheinend meist Großgrundbesitzer.
 
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Genau das ist es, was mich zum Grübeln brachte. Du bezeichnest Chlodwig als Warlord.(...)
Heute kann ein Warlord nur bei gescheiterten Staatsgebilden Erfolg haben.
Trifft das denn nicht so ungefähr auf Chlodwig zu? Kein wirklich vorhandenes weströmisches Reich mehr, demzufolge auch keine zu diesem gehörenden gallischen, belgischen, germanischen Provinzen, Syagrius kocht seine eigene Suppe, kurzum Zusammenbruch, Umbruch, Chaos überall... und mittendrin Chlodwig, dessen Vati immerhin noch so eine Art Foederatengeneral gewesen war, und Chlodwig hat seine Truppen, sieht seine Chancen und die Sterne standen günstig -- ich meine: ein Warlord der Völkerwanderungszeit par excellence :)
 
Trifft das denn nicht so ungefähr auf Chlodwig zu? Kein wirklich vorhandenes weströmisches Reich mehr, demzufolge auch keine zu diesem gehörenden gallischen, belgischen, germanischen Provinzen, Syagrius kocht seine eigene Suppe, kurzum Zusammenbruch, Umbruch, Chaos überall... und mittendrin Chlodwig, dessen Vati immerhin noch so eine Art Foederatengeneral gewesen war, und Chlodwig hat seine Truppen, sieht seine Chancen und die Sterne standen günstig -- ich meine: ein Warlord der Völkerwanderungszeit par excellence :)

Ja, das meine ich auch, meine Wiederholung war als Zustimmung gemeint. Mit seiner Warlordschaft begründete er ein erbliches Adelssystem, dass sich über 1 1/2 Jahrtausende hielt. Auch wieder sehr vereinfacht ausgedrückt.

Die Frage, ob die römischen Patrizier es ähnlich machten, läßt sich lt. Ravenik nicht eindeutig beantworten, sie könnten ja auch durch Handel zu Geld und Einfluss gekommen sein. Insgesamt hielten die Römer ihr System über 500 Jahre einigermaßen stabil. Die Hethiter schafften nur 3 - 400 Jahre.
Schön wäre es, wenn es zeitgenössische Einschätzungen aus den Zwischenzeiten gäbe. Von den Warlords selbst und ihren Erben muß man wohl Beschönigung erwarten.
 
Das würde aber auch nur richtig sein, wenn Rollo nicht tatsächlich identisch ist mit Gånge Rolf. Damit wäre er ein Sohn von Ragnvald Øysteinsson und Enkel von Øystein Ivarsson oder auch Øystein Glumra genannt. Damit war er kein einfacher Normannenführer, sondern stammt von den Mörejarlen ab, die Harald Schönhaar folgten.

Vom Standpunkt der Franken, respektive Karl III. dem Einfältigen, dürfte es egal gewesen sein, von welcher Abstammung Rollo war. Das was zählte war wie er und seine Kampfgenossen im Frankenreich wahrgenommen wurden und wie sie dort auftraten. Mir ist keine fränkische Überlieferung bekannt, die sich für den genealogischen Hintergrund oder um die Frage des Adels eines der Normannen interessiert hätte, zumal es eh keine Rolle spielte, da sie keine Franken waren.

beorna schrieb:
Passen würde da dann eher Tankred de Hauteville.

Ein Beispiel für einen im Westfrankenreich domestizierten Nachkommen normannischer Krieger. Hatte offenbar eine Grundherrschaft auf dem Cotentin, was ihn zu einem niederen normannischen Adligen machte. Seine Söhne wiederum waren klassische Kriegsherren des Mittelalters, hatten sich zunächst als Söldner in langobardischen und byzantinischen Diensten verdingt, bis sie irgendwan dazu übergegangen waren, sich die Fürstentümer Süditaliens selber zu bemächtigen. Waren sie zunächst noch fremdländische Räuber, konnten sie dank ihres Kriegsgeschickes zu Grafen und Königen mit Anerkennung der Kaiser und Päpste aufsteigen. Nobilisierung nach Normannenart könnte man sagen.

Ein weiteres Beispiel für frühmittelalterliche Warlords sind die Sachsenkrieger, die mit ganzen Volkshaufen nach Britannien übergesetzt waren und dort nach und nach sächsische Königreiche gründeten, nachdem sie die Insel und ihre Urbewohner demoliert hatten. Ihr darauf begründeter Adel wurde allerdings später von den nicht minder kampfwütigen Normannen verdrängt, natürlich. Das jedenfalls war zur Völkerwanderungszeit, eine Epoche in Europa, die wie für Warlords geschafen schien; immerhin war Westrom als failed state gerade im Niedergang und in den Verteilungskämpfen musste sich der König eines Volkes gut zu positionieren wissen um nicht unterzugehen, siehe die Burgunden. Europa muss damals etwa so ausgesehen haben wie Afghanistan heute.
 
Ok, und wie kam es zum alten Adel?

Die Entwicklung einer gesellschaftlichen Stratifizierung über die Jahrhunderte, wie sie in der Arbeit von Michael Mann beschrieben ist, ist eng verbunden mit der Vorstellung von Gesellschaften, die sich aufgrund komplexerer Anforderungen, seien sie politischer, ökonomischer, sozialer und vor allem auch militärischer Natur, in ihrern Funktionen ausdifferenzieren.

The Sources of Social Power: Volume 1, A History of Power from the Beginning ... - Michael Mann - Google Books

Wichtge Vorarbeiten zu diesem Thema liegen beispielsweise von Max Weber zu diesem Thema vor.

Die Entwicklung einer "Adels-" oder einer aristokratischen Schicht ist eng verbunden mit der Entwicklung von Gesellschaft und der Frage der Herrschaftssicherung. Und kennzeichnet den systematischen Übergang von direkter Herrschaft im Bereich von Clans oder von Stämmen zu ausdifferenzieren und größen geographischen Einheiten.

Im Prinzip können drei Merkmale im Rahmen dieser gesellschaftlichen Entwicklung angenommen werden, die diese Entwicklung einer Gruppe zwischen dem "Herrscher" (König, Fürst etc.) und den Beherrschten begünstigt haben.

1. Gesellschaftliche Differenzierung: Mit der Ausdiffernzierung von Reichen ergibt sich der zunehmende Zwang, auch die Herrschaft zu diversifizieren und es stellt sich die Frage, wie diese Elite zu selektieren ist. Da in früheren Zeiten die Eliten häufig "Krieger-Eliten" waren, auf denen sich die Entwicklung von Reichen aufbaute, war dieses die zentrale "Laufbahn für die Selektion auch der Eliten, die die Verwaltung von Gebieten übertragen bekommen haben.

2. Ehernes Gesetz des Oligopols: Von Michels, in Anlehnung an Pareteo und Mosca, stammt die Annahme, dass gesellschaftliche Gruppe gezwungen sind, Macht zu delegieren und dass sich aus diesen Grund Eliten fast zwangsläufig herausbilden.

Ein Aspekt, den man auch teilweilse in der Differenzierung von Gesellschaften zwischen "Produzenten" (Bauern etc.) und "Verteidigern" (Krieger etc.) auch erkennen kann. Und der sich dann in der Folge in Form von Besitz etc. verselbständigen konnte.

3. Legitimation von Herrschaft: Ohne "gesetzliche Normen", auch als religiöse Normen zu fassen, basiert der innere Zusammenhalt von Gruppen, Clans etc. im wesentlichen auf dem Charisma des Führers. Es entstehen Formen des "Vertrauens" im Zuge von Kriegen zwischen dem "Herrscher" und seinen "Kommandeuren", die sich primär als Krieger ausgezeichnet haben. Und somit dieses Vertrauen auch die Basis der Anerkennung der gegenseitigen Legitimität von Herrschaft ist.

An diesem Punkt boten sich den "Kriegern" die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Reichtum für ihre Zwecke teilweise anzueignen und somit ihr "militärisches Kapital" in "ökonomisches" bzw. "politisches Kapital" zu "tauschen, wie bei Mann oder Bourdieu beschrieben.

Diese sehr reduzierte Darstellung der Entwicklung einer "Aristokratie" aus dem Bereich der Krieger kann man vermutlich für viele europäische Gesellschaften erkennen.

Das Muster gilt beispielsweise auch für den gesellschaftlichen Aufstieg der "Bojaren" in Russland und ist somit nicht nur auf Mittel- oder Südeuropa beschränkt.

JDeshalb ist die Anregung richtig, zuerst zu definieren, was ein Warlord ist, welche Eliten gemeint sind und wie die Zusammenhänge sind.

Wichtige Arbeiten zur Theorie von Eliten sind von folgenden Personen formuliert worden:

Die herrscheude Klasse: Grundlegen der politischen Wissenschaft - Gaetano Mosca - Google Books

The Rise and Fall of Elites: An Application of Theoretical Sociology - Vilfredo Pareto - Google Books

Political Parties - Robert Michels - Google Books
 
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In Teutschland wird traditionell zwischen dem Uradel und dem Briefadel unterschieden. Während der Briefadel ursprünglich aus dem nicht adeligen Geschlecht abstammt, dass irgendwann in historischer Zeit geadelt wurde, war der Uradel schon immer adelig bzw. der Brief ist verloren gegangen. .

Dazwischen gibt es allerdings noch eine ganz wichtige Gruppe, die zeigt, wie man in den Adel aufsteigen konnte.

Es handelt sich um die Ministerialen, also die unfreien Verwalter königlicher Güter, die durchaus aus dem Bauernstand kommen und Hörige gewesen sein konnten. Sie stiegen im Hochmittelalter aufgrund kaiserlicher Förderung zu wichtigen Beamten auf, die auch schwierige und anspruchsvolle Verwaltungsaufgaben lösten und schließlich dem Stand des niederen Adels zugerechnet wurden. Einige wie die Herren von Bolanden (Grafschaft Falkenstein) stiegen zu mächtigen Dynastenfamilien auf.

Die Reichsministerialen zeigen, dass "Adel" keine geschlossene Veranstaltung war, und es bei günstigen Umständen zu einem Zuwachs aus unteren Bevölkerungsschichten kommen konnte.
 
Heute kann ein Warlord nur bei gescheiterten Staatsgebilden Erfolg haben.
Das ist die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs, wie der erste Satz in dem von Köbis verlinkten Wiki-Artikel belegt. Diesem ersten Satz stimme ich zu. Deshalb fällt es mir auch schwer, einen Mann wie Caesar als "Warlord" zu betrachten. Caesar war einer der höchsten Repräsentanten des "römischen Staates" und er hat die inneren Mechanismen dieses Staates genutzt, um seine Macht zu mehren. Er hat im Wesentlichen nichts anderes getan als seine (politischen) Widersacher. Er war nur erfolgreicher.

Ein "Warlord" ist demgegenüber jemand, der nicht innere Strukturen und Machtmechanismen eines Staates nutzt, sondern sich stattdessen bewusst außerhalb dieser Strukturen stellt. Jemand, der sich eigene Gesetze gibt und der diesen selbstdefinierten Gesetzen mittels militärischer Gewalt Geltung verschafft. Also nicht jemand wie Caesar, sondern eher jemand wie der Boss einer Rockerbande.

Das funktioniert nur in "failed states" (z.B. Somalia) oder in Regionen, in denen es nie eine einigermaßen organisierte staatliche Gewalt gab (z.B. Jemen).

Aus den genannten Gründen fällt es mir auch schwer, "Adel" als "Warlord-schaft" zu betrachten. In den Zeiten, da es in Europa einen organisierten und strukturierten "Adel" gab, stand dieser Adel nicht außerhalb der "staatlichen" Ordnungsstrukturen. Vielmehr war er integraler Bestandteil dieser Ordnungsstrukturen. Stichwort: Feudale Gesellschaft. Der Adel war nicht die Ausnahme sondern das Prinzip. Jedenfalls in Europa! Ob das in anderen Weltgegenden prinzipiell ähnlich ablief, müssten Leute beantworten, die sich mit vergleichender Kulturwissenschaft auskennen. Mir fehlt dafür die Grundlage. Ich kann nur aufgrund "statistisch nicht relevanter" Informationen sagen: Meiner Ansicht nach ist die Entwicklung in Europa nicht typisch und schon gar nicht naturgesetzlich. Mein einziger Beleg: Es gibt überall in der Welt Gesellschaften, die stabil existieren, ohne jemals einen organisierten Adel gekannt zu haben.

Wie war das aber bei den vorrömischen Stadtstaaten, während der Völkerwanderungszeit? Kann man wirklich nicht sagen, dass Adel incl. König aus erfolgreicher Warlordschaft entstanden ist und später propagandistisch erhöht wurde?
Bezogen auf Europa würde ich sagen: Doch! Genau das kann man sagen!

Hatten wir in diesem Thread schon mal diskutiert: http://www.geschichtsforum.de/f28/w...-arminius-gesellschaftlich-organisiert-45093/

Meiner Ansicht nach ist Adel nicht aus Ausdifferenzierung der Gesellschaft entstanden, sondern vielmehr aus der vorwiegend gewaltsamen Auflösung gesellschaftlicher Strukturen.

Noch ein paar Anmerkungen zur Frage, ob das Römische Reich tatsächlich 90 Prozent seines verfügbaren Kapitals ins Militär gesteckt hat: Ob der genannte Prozentsatz zutreffend ist oder nicht, ist völlig belanglos. 90 Prozent ist nämlich eine relative Zahl. Viel entscheidender ist die Frage, wie hoch der absolute Wert von 100 Prozent war.

Man muss ja wohl feststellen, dass das römische Reich in seinem Machtzentrum (also in Rom selbst) - aber beleibe nicht nur dort! - "Werte" geschaffen hat, die aus der Wertschöpfungskapazität des Machtzentrums heraus NIEMALS finanzierbar gewesen wären. Die Stadt Rom und ihr Umland wären niemals und unter keinen Umständen fähig gewesen, genug Überschüsse zu erwirtschaften, um eine siebenstelllige Zahl von Einwohnern zu ernähren und gleichzeitig so Prunkbauten wie das Colosseum hinzustellen.

Das "Kapital", das zur Ernährung der Bevölkerung und zum Bau des Colosseums erforderlich war, wurde nicht in Rom selbst erwirtschaftet. Es wurde aus den Provinzen "geraubt". Und dieser "Raub" wurde von den Legionen verübt. Die Legionen waren also kein "Kostenfaktor", sondern eine Einnahmequelle. Und wenn zehn Prozent der "Einnahmen militärischer Art" ausgereicht haben, um solche Werte zu schaffen, dann lässt sich ----- nicht ermessen, welches Ausmaß der organisierte Raub für die Beraubten hatte. Egal ob es 90 Prozent waren oder nur 70 oder gar nur 50...: Die Legionen waren kein Kostenfaktor, sondern eine Einnahmequelle. Sie waren sogar die wichtigste Einnahmequelle des Reiches.

Genauso ist das mit den "Warlords". Es gibt keine reichen Warlords, die sich eine Armee zulegen, weil sie so reich sind, dass sie nicht wissen, was sie sonst mit ihrem vielen Geld anfangen sollen. Aber es gibt Leute, die reich werden, weil sie "pfiffig" genug sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit roher Gewalt "Einnahmen zu generieren". Der Warlord denkt nicht jammernd darüber nach, was er für seine Armee bezahlen muss. Er reibt sich die Hände, während er sich überlegt, welche Beute ihm eine noch größere Armee einbringen könnte. Beute, mit deren Hilfe er dann eine NOCH größere Armee finanzieren kann.

Motivierende Kraft dafür ist Gier. Aus dieser Gier könnte durchaus der "Adel" entstanden sein.

...[MOD: restliche Tagespolitik gemäß Forenregeln gelöscht]...


MfG
 
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Die Legionen waren kein Kostenfaktor, sondern eine Einnahmequelle. Sie waren sogar die wichtigste Einnahmequelle des Reiches.
ein origineller Gedanke, der herkömmliche Modelle der Staatsfinanzierung und des Staatshaushalts (des römischen Reichs) außen vor lässt :) und vielleicht kann man das für die Phase der Expansion experimentellerweise so sehen - - aber wie willst du diese Idee in der Phase der Schrumpfung bzw. des Niedergangs (Völkerwanderungszeit) aufrechthalten? ...sind dann besiegte Legionen quasi inflationäre Einnahmequellen? :grübel:;)
 
Meiner Ansicht nach ist Adel nicht aus Ausdifferenzierung der Gesellschaft entstanden, sondern vielmehr aus der vorwiegend gewaltsamen Auflösung gesellschaftlicher Strukturen.

Da die Erklärung von Gesellschaften und ihr gesellschaftliche Differenzierung nicht von Deinem Urteil abhängen, wäre natürlich ein entsprechender historisch arbeitender Soziologe oder Politologe hilfreich, der entsprechende Thesen untermauert.

Allerdings solltest Du vermutlich nicht unerhebliche Probleme haben, entsprechende Vertreter zu finden, da die meisten entweder weberianisch oder durkheimisch argumentieren oder beides zusammen. Und damit meine These direkt oder indirekt unterstützen bzw. ich lediglich ihre Sichtweise hier darstelle (um die richtige Reihenfolge zu benennen)

Deine These finde ich besonders problematisch, da "Deine Meinung" in nicht ganz unerheblicher Weise der Sichtweise und den Thesen dieser historisch arbeitenden Soziologen widerspricht, die bereits zitiert worden sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
ein origineller Gedanke, der herkömmliche Modelle der Staatsfinanzierung und des Staatshaushalts (des römischen Reichs) außen vor lässt :) und vielleicht kann man das für die Phase der Expansion experimentellerweise so sehen - - aber wie willst du diese Idee in der Phase der Schrumpfung bzw. des Niedergangs (Völkerwanderungszeit) aufrechthalten?

...sind dann besiegte Legionen quasi inflationäre Einnahmequellen? :grübel:;)
:rofl::rofl:
Nö. Das sind die Produktionsfaktoren, die in der Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr auf der Ausgabenseite auftauchen und die man durch andere zweibeinige Produktionsfaktoren ersetzen musste/konnte/durfte, die bis dahin ebenfalls auf der Ausgabenseite standen, aber keine Einnahmen generiert haben. Man könnte das auch "Rekrutierung" nennen, aber das hört sich so prosaisch an... :D

Aber im Ernst: Rom (die Stadt selbst und ihr Umland!) war nie ein Handelszentrum. Rom war nie ein Zentrum antiker "Hochtechnologie". Von dort wurden meines Wissens nicht in nennenswertem Umfang Waren exportiert. Von der merkwürdigen Fischsoße mal abgesehen... Rom konnte nicht mal seinen eigenen Nahrungsmittelbedarf selbst decken. Getreide musste aus Nordafrika importiert werden. Auch die meisten anderen Güter, die für irgendwelche Produktionen wichtig waren, wurden importiert. Entspricht das irgendwelchen Vorstellungen von "herkömmlicher Staatsfinanzierung"?

Da stellt sich die Frage: Woher soll die römische Wirtschaft die Wertschöpfungskraft gehabt haben, um Überschüsse zu produzieren, die ausreichten, um sowohl das Colosseum zu bauen als auch den ganzen darin jubelnden Plebs mit Brot vollzustopfen? Besonders angesichts des Umstands, dass das römische Bürgerrecht ja auch noch mit dem Vorrecht verbunden war, keine lokalen Steuern bezahlen zu müssen. Woher kam das Geld für das Colosseum? Woher kam das Geld für die dortselbst ablaufenden Spiele? Oder für das Brot, das man in die schreienden Hälse der "zweibeinigen Kostenfaktoren" auf den Zuschauerrängen stopfen musste?

Mir fällt nur eine mögliche Quelle ein: die Provinzen.

Warum funktionierte dieses "wunderbare" System irgendwann nicht mehr? Weil Rom seine Provinzen irgendwann zum Teil des Reichs machte, damit Einnahmequellen verlor und nicht mehr die militärische Kraft hatte, weitere Provinzen hinzuzugewinnen. Das römische Reich war ein Unternehmen, das nur durch Expansion funktionierte. Sozusagen das antike Vorbild der Wachstumsgesellschaft. Wachstum durch Gladius-Einsatz. Die Menschheit hat Fortschritte gemacht...

MfG
 
Da die Erklärung von Gesellschaften und ihr gesellschaftliche Differenzierung nicht von Deinem Urteil abhängen, wäre natürlich ein entsprechender historisch arbeitender Soziologe oder Politologe hilfreich, der entsprechende Thesen untermauert.

Allerdings solltest Du vermutlich nicht unerhebliche Probleme haben, entsprechende Vertreter zu finden, da die meisten entweder weberianisch oder durkheimisch argumentieren oder beides zusammen. Und damit meine These direkt oder indirekt unterstützen bzw. ich lediglich ihre Sichtweise hier darstelle (um die richtige Reihenfolge zu benennen)

Deine These finde ich besonders problematisch, da "Deine Meinung" in nicht ganz unerheblicher Weise der Sichtweise und den Thesen dieser historisch arbeitenden Soziologen widerspricht, die bereits zitiert worden sind.

Dieser recht harsch vorgetragene Widerspruch hängt meinem Eindruck nach wieder damit zusammen, dass kein Einvernehmen darüber besteht, ab wann man eigentlich von der Existenz eines "Adels" reden kann.

Du hast auf Gesellschaftswissenschaftler verwiesen, die untersucht haben, wie sich "Adel" entwickelt hat. Aber: Alle diese Untersuchungen beziehen sich auf einen "Adel", der in Gesellschaften existierte, die bereits Ähnlichkeit mit Nationalstaaten hatten. In diesen "vorstaatlichen Gesellschaften" hat sich der Adel als zentraler Teil des Machtgefüges entwickelt. Es gab bereits eine Gesetzgebung. Es gab bereits eine Rechtsprechung. Und es gab bereits eine "ausübende Gewalt", die gern noch tatsächlich Gewalt angewandt hat. Nur: Was hat das mit Warlords zu tun? Für die war in so einem "vorstaatlichen Gebilde" längst kein Platz mehr.

Die Beschreibung der Entwicklung von Adelsstrukturen beantwortet vor allem auch nicht die folgende Frage: Woher kamen die Eliten, die sich innerhalb der bereits annähernd nationalstaatlichen Strukturen zu einem institutionalisierten Adel entwickelt haben? Wurden da freilaufende Bauern auf der Straße eingefangen und zu Baronen erklärt? Oder gab es eine ungebrochene Kontinuität von den alten Stammeseliten bis zu "Queen Mom"?

Beides ist nicht der Fall!

Beginnend mit der mittleren römischen Kaiserzeit haben sich in den keltischen, slawischen und germanischen Regionen die Stammesstrukturen immer mehr aufgelöst. Richtige Wucht gewann dieser Prozess durch die Völkerwanderung. Es wurde aber erstmal nichts an die Stelle gesetzt, die bis dahin die Stammesstrukturen innehatten. Das Ergebnis war ein Zustand der Anomie (den Begriff hat der Soziologe Durkheim geprägt): Alte Regeln galten zwar noch, der Verstoß dagegen wurde aber nicht mehr sanktioniert. So entstand ein regelloser Zustand. Das "Regel-Vakuum" haben Gefolgschaften gefüllt. Diese Gefolgschaften "nutzten" die Methoden der alten Stammesstrukturen, lenkten die Loyalitäten aber von den auf Abstammung beruhenden Stammesstrukturen weg und hin zu den auf gemeinsamen Zielen beruhenden Gefolgschaftsstrukturen.

In diesen neuen Gefolgschaftsstrukturen "gediehen" die "Warlords"!

Das waren die Leute, die in unseren Schriftquellen gelegentlich unter der Bezeichnung "Heerkönige" oder "Schwertkönige" auftauchen. Das waren die Leute, die wir inzwischen sogar archäologisch nachweisen können. Durch herausgehobene Bestattungen oder durch Fundgruppen aus bestimmten Mooren, in denen die Ausrüstung ganzer Gefolgschafen gefunden wurde, oder auch durch die Aufdeckung von Siedlungsgebieten, in denen bestimmte genau abgrenzbare Orte als Zentren von sich neu entwickelnden Machtstrukturen erkannt werden können.

Das hatten wir in dem von mir oben verlinkten Diskussionsstrang alles schonmal durchgekakelt. Da habe ich auch wissenschaftliche Quellen genannt, die meine Haltung stützen. Denen muss man natürlich nicht glauben.

MfG
 
Das hatten wir in dem von mir oben verlinkten Diskussionsstrang alles schonmal durchgekakelt. Da habe ich auch wissenschaftliche Quellen genannt, die meine Haltung stützen. Denen muss man natürlich nicht glauben.
Den oben von dir verlinkten Thread kenne ich noch nicht, mache um Arminius immer einen großen Bogen. :winke:
Deine Argumente kann ich trotzdem gut nachvollziehen, genau um die Entstehung von Adelsstrukturen ging es mir. Dass die sich später ausdifferenzierten, Verwaltungsstrukturen schufen, der Oberkönig Unterkönige etc ernannte, steht dem nicht entgegen.
Vermutlich war das nicht nur in Europa so, sondern weltweit, die Hethiter hatte ich schon genannt, China könnte man ebenso untersuchen.
 
Dieser recht harsch vorgetragene Widerspruch hängt meinem Eindruck nach wieder damit zusammen, dass kein Einvernehmen darüber besteht, ab wann man eigentlich von der Existenz eines "Adels" reden kann.

Wenn hier Thesen aufgestellt werden über Gesellschaften, die offensichtlich problematisch sind, dann darf man duchaus deutlich widersprechen. Und es werden keine entsprechenden Autoren benannt, die gesellschaftliche Entwicklungen systematisch darstellen, die Deiner These entsprechen.

Die Entwicklung von Gesellschaft ist, und darauf hattest Du durchaus zu Recht hingewiesen, in einen generellen Kontext der historischen Entwicklung von Gesellschaft eingebettet. Dieses hatte ich auch noch ausführlich beschrieben. Und in diesen Kontext ist auch die Entwicklung einer aristokratischen Schicht zu stellen, zu jedem historischen Zeitpunkt!

Du hast auf Gesellschaftswissenschaftler verwiesen, die untersucht haben, wie sich "Adel" entwickelt hat. Aber: Alle diese Untersuchungen beziehen sich auf einen "Adel", der in Gesellschaften existierte, die bereits Ähnlichkeit mit Nationalstaaten hatten.

Und in diesem Kontext gehen die von mir zitierten Autoren, wie beispielsweise Mann, durchaus auf die Entwicklung antiker Gesellschaften ein. Insofern ist Deine Vermutung in Bezug auf die von mir aufgeführten historischen Soziologen, Adel sei lediglich ein Phänomen der Feudalzeit und in der Folge an die Entwicklung von Staaten oder Nationalstaaten gebunden, falsch.

An diesem Punkt ist sogar Wicki korrekt, wenn es im Zusammenhang mit "Adel" von einem universalgeschichtlichen Phänomen spricht, das bereits in frühen antiken Gesellschaften anzutreffen war.

Adel ? Wikipedia

Wie beispielsweise der Terminus "Nobility", also Adel, eine durchaus gängige Verwendung im Bereich der Beschreibung von Rom oder anderer antiker Gesellschaften im Bereich der Historiographie erfährt.

Insgesamt krankt die gesamte Darstellung in diesem Thread daran, dass keine zeitliche Eingrenzung vorgenommen worden ist. Der eine diskutiert die Antike, der andere den Feudalismus und wieder andere die Neuzeit oder gar die Moderne, wenn nicht sogar die Post-Moderne. Das ist natürlich wenig sinnvoll, da die konkreten Mechanismen, aus dem Krieger-Stand heraus im frühen Mittelalter nobilitiert zu werden andere, wie die Rekrutierung von Fachleuten aus dem Bürgertum für die absolutistische Verwaltung und ihre Nobilitierung.

Dennoch ist ihre universalgeschichtliche Gemeinsamkeit, die Differenzierung von Gesellschaft und die Entwicklung von Arbeitsteilung. Und natürlich auch die Differenzierung von Herrschaft und die ungleiche Verteilung von Macht.

Und so schreibt beispielsweise Schumpeter in Bezug auf den Mechanismus, der zur Feudalordnung hinführt: "Doch die einfachste Erklärung kann darin gefunden werden, dass die Familien und Individuen, die früher die Funktion der militärischen Führerschaft ausgeübt hatten, nun nach der endgültigen Eroberung des neuen Gebiets zu feudalen Grundherren werden (Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 30).

Etwas ausführlicher kann man diesen Prozess bei Wickham beschrieben vorfinden.

The Inheritance of Rome: A History of Europe from 400 to 1000 - Chris Wickham - Google Books

Framing the Early Middle Ages:Europe and the Mediterranean, 400-800 - Chris Wickham - Google Books

Zusätzlich ist die Verwendung des "Eliten"-Begriff sehr verwirrend. Zur Elite werden, folgt man den bereits angeführten Theoretikern, alle die Personen gerechnet, die bestimmte Formen von Macht ausüben und sich damit vom Rest der Gesellschaft abgrenzen.
 
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Den oben von dir verlinkten Thread kenne ich noch nicht, mache um Arminius immer einen großen Bogen. :winke:
Deine Argumente kann ich trotzdem gut nachvollziehen, genau um die Entstehung von Adelsstrukturen ging es mir. Dass die sich später ausdifferenzierten, Verwaltungsstrukturen schufen, der Oberkönig Unterkönige etc ernannte, steht dem nicht entgegen.
Vermutlich war das nicht nur in Europa so, sondern weltweit, die Hethiter hatte ich schon genannt, China könnte man ebenso untersuchen.

Ja, das sieht so aus, als wäre da ein quasi naturgesetzlicher Mechanismus im Gang. Und das führt uns wieder zu Deiner Eingangsfrage zurück: Kann uns das wieder passieren, dass Warlords die Herrschaft übernehmen? Schließlich ist die gleiche Entwicklung, die in Europa abgelaufen ist, auch anderenorts abgelaufen. Aber: Es gibt auch Orte, an denen das NICHT so gelaufen ist. Meine Vermutung ist, dass die Tätigkeit von Warlords immer erst dann möglich wird, wenn Gesellschaften nicht die Fähigkeit haben, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Wenn Gesellschaftsstrukturen zusammenbrechen, kann es zu unkontrollierter Gewalt kommen. Ich hoffe, darüber ist Europa hinaus. Europa ist nicht Somalia.

MfG
 
Wenn hier Thesen aufgestellt werden über Gesellschaften, die offensichtlich problematisch sind, dann darf man duchaus deutlich widersprechen. Und es werden keine entsprechenden Autoren benannt, die gesellschaftliche Entwicklungen systematisch darstellen, die Deiner These entsprechen.
Lieber Thanepower, welche "offensichtlich problematische" These habe ich denn hier aufgestellt? Unser Disput dreht sich doch wohl darum, dass Du das Phänomen "Adel" als Effekt der Ausdifferenzierung einer Gesellschaft ansiehst, während ich die gegenteilige Auffassung vertrete, dass der Adel seine Wurzeln im Zerfall einer Gesellschaft (nämlich der Stammesgesellschaft!) hat. Warum meine These jetzt "offensichtlich problematisch" sein soll, entgeht mir. Fakt ist: Die Völkerwanderung hat die bis dahin existierenden Stammesgesellschaften nachhaltig "aufgelöst". Da ist eine Gesellschaft zerfallen, und erst viele Jahrzehnte danach haben sich neue stabile Gesellschaftsstrukturen gebildet. Nun behaupte ICH, dass Adelsstrukturen ihre Wurzel in der anomischen Zwischenzeit zwischen Zerfall der alten und Etablierung der neuen Strukturen hatte. DU bekauptest, dass Adel erst ab der Etablierung neuer Strukturen untersucht werden darf. Wer von uns beiden hat nun Recht und wer spricht "offensichtlich problematische" Dinge?

Und Deiner These, dass ich keine Autoren nennen würde, die meine Haltung stützen, widerspreche ich. Nochmal: Wir hatten das alles schonmal diskutiert. In der Diskussion (die ich hier verlinkt habe!), sind auch Namen genannt worden. Und nicht nur Namen. Da sind ganze Texte verlinkt worden. Samt Fußnoten, in denen dann weitere Namen von Autoren standen. Es wäre, glaube ich, nicht hilfreich, wenn ich all die Beiträge hier nochmal wiederholen würde. Deshalb finde ich es etwas ärgerlich, wenn hier der Eindruck erweckt wird, dass ich mir das alles völlig grundlagenlos zusammenphantasiere.

Die Entwicklung von Gesellschaft ist, und darauf hattest Du durchaus zu Recht hingewiesen, in einen generellen Kontext der historischen Entwicklung von Gesellschaft eingebettet. Dieses hatte ich auch noch ausführlich beschrieben. Und in diesen Kontext ist auch die Entwicklung einer aristokratischen Schicht zu stellen, zu jedem historischen Zeitpunkt!
Das habe ich nicht verstanden. Entwicklung von Gesellschaft steht im Kontext der historischen Entwicklung von Gesellschaft? Und das zu jedem historischen Zeitpunkt? Wir streiten doch gar nicht über die Frage, ob sich "Adel" entwickelt hat oder nicht. Es geht vielmehr um die Frage, woher die Leute kamen, die im Verlauf der Entwicklung einer Gesellschaft zu Adelsrang aufstiegen. Warum wurde Walter zum Baron und warum wurde Kuno zum Bauern? Diese Frage wurde beantwortet, bevor es einen Adel gab. Wie sich der Adel entwickelt hat, nachdem er mal existierte, ist eine andere Frage, die wir gern in einem anderen Thread diskutieren können. Was bleibt ist die Frage: Woher kam die "Elite", die sich unter den neuen Bedingungen nach dem Zusammenbruch der Stammesgesellschaften zum "Adel" entwickelt hat? Was war die Grundlage der Macht dieser "Elite"? Es war eben nicht so, dass jedes Individuum der Gesellschaft als Kandidat für "herausgehobene" Positionen infrage gekommen wäre.

Insofern ist Deine Vermutung in Bezug auf die von mir aufgeführten historischen Soziologen, Adel sei lediglich ein Phänomen der Feudalzeit und in der Folge an die Entwicklung von Staaten oder Nationalstaaten gebunden, falsch.
Die "Vermutung" ist in der Tat falsch. Sie ist überdies auch nie von mir geäußert worden. Mein Hinweis auf das Feudalsystem besagte lediglich, dass sich der Adel als integraler Bestandteil einer staatlichen Verfasstheit entwickelt hat und dass sogenannte Warlords grundsätzlich außerhalb einer staatlichen Verfasstheit agieren. Deshalb kann man nicht auf die Wurzeln des "Adels" stoßen, wenn man in der feudalen Gesellschaft nach "Warlords" sucht.


An diesem Punkt ist sogar Wicki korrekt, wenn es im Zusammenhang mit "Adel" von einem universalgeschichtlichen Phänomen spricht, das bereits in frühen antiken Gesellschaften anzutreffen war.

Adel ? Wikipedia
Ach ja? Ist das so? Universalgeschichtlich? Dann gibt es tatsächlich in jeder menschlichen Gesellschaft sowas wie "Adel"? Na, wenn Wiki das sagt... Ich dachte, es gibt auch Gesellschaften, in denen es nie Könige und Lords gab.




Insgesamt krankt die gesamte Darstellung in diesem Thread daran, dass keine zeitliche Eingrenzung vorgenommen worden ist. Der eine diskutiert die Antike, der andere den Feudalismus und wieder andere die Neuzeit oder gar die Moderne, wenn nicht sogar die Post-Moderne.
Da stimme ich Dir vollkommen zu. Genau an der Stelle liegt das Problem. Dieses Problem sollte aber eigentlich gar nicht auftreten, denn die Ausgangsfrage zielte schließlich darauf ab, ob es vielleicht "Warlords" waren, die sich zu Adeligen aufgeschwungen haben - völlig unabhängig von der Frage, ob das Aufschwingen in der Antike, im Feudalismus oder in der Postmoderne erfolgte. Es geht immer wieder um die Frage: Woher hatten die Leute die Macht, sich zu "Adeligen" aufzuschwingen - und zwar zu einem Zeitpunkt, als es Adelige überhaupt noch nicht gab?

Zusätzlich ist die Verwendung des "Eliten"-Begriff sehr verwirrend. Zur Elite werden, folgt man den bereits angeführten Theoretikern, alle die Personen gerechnet, die bestimmte Formen von Macht ausüben und sich damit vom Rest der Gesellschaft abgrenzen.
So betrachtet ist der Eliten-Begriff perfekt! Meiner Meinung nach gab es "Eliten" schon lange bevor sich ein (erblicher) Adel entwickelt hat. Und meiner Meinung nach ist der Adel aus genau solchen Eliten hervorgegangen. "Eliten" ist der neutralere Begriff. Jede, wirklich jede menschliche Gesellschaft kennt Eliten. Aber keineswegs alle kennen Adel. Womit wir wieder bei der Frage sind, wie es bestimmten Eliten gelungen ist, sich die Machtmittel zu verschaffen, die nötig waren, um zu (erblichem) Adel aufzusteigen.

Auch das hatten wir in der von mir verlinkten Diskussion besprochen. Da ging es darum, dass die "Eliten" sogar archäologische Spuren hinterlassen haben.

MfG
 
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