Heute kann ein Warlord nur bei gescheiterten Staatsgebilden Erfolg haben.
Das ist die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs, wie der erste Satz in dem von Köbis verlinkten Wiki-Artikel belegt. Diesem ersten Satz stimme ich zu. Deshalb fällt es mir auch schwer, einen Mann wie Caesar als "Warlord" zu betrachten. Caesar war einer der höchsten Repräsentanten des "römischen Staates" und er hat die inneren Mechanismen dieses Staates genutzt, um seine Macht zu mehren. Er hat im Wesentlichen nichts anderes getan als seine (politischen) Widersacher. Er war nur erfolgreicher.
Ein "Warlord" ist demgegenüber jemand, der nicht innere Strukturen und Machtmechanismen eines Staates nutzt, sondern sich stattdessen bewusst außerhalb dieser Strukturen stellt. Jemand, der sich eigene Gesetze gibt und der diesen selbstdefinierten Gesetzen mittels militärischer Gewalt Geltung verschafft. Also nicht jemand wie Caesar, sondern eher jemand wie der Boss einer Rockerbande.
Das funktioniert nur in "failed states" (z.B. Somalia) oder in Regionen, in denen es nie eine einigermaßen organisierte staatliche Gewalt gab (z.B. Jemen).
Aus den genannten Gründen fällt es mir auch schwer, "Adel" als "Warlord-schaft" zu betrachten. In den Zeiten, da es in Europa einen organisierten und strukturierten "Adel" gab, stand dieser Adel nicht außerhalb der "staatlichen" Ordnungsstrukturen. Vielmehr war er integraler Bestandteil dieser Ordnungsstrukturen. Stichwort: Feudale Gesellschaft. Der Adel war nicht die Ausnahme sondern das Prinzip. Jedenfalls in Europa! Ob das in anderen Weltgegenden prinzipiell ähnlich ablief, müssten Leute beantworten, die sich mit vergleichender Kulturwissenschaft auskennen. Mir fehlt dafür die Grundlage. Ich kann nur aufgrund "statistisch nicht relevanter" Informationen sagen: Meiner Ansicht nach ist die Entwicklung in Europa nicht typisch und schon gar nicht naturgesetzlich. Mein einziger Beleg: Es gibt überall in der Welt Gesellschaften, die stabil existieren, ohne jemals einen organisierten Adel gekannt zu haben.
Wie war das aber bei den vorrömischen Stadtstaaten, während der Völkerwanderungszeit? Kann man wirklich nicht sagen, dass Adel incl. König aus erfolgreicher Warlordschaft entstanden ist und später propagandistisch erhöht wurde?
Bezogen auf Europa würde ich sagen: Doch! Genau das kann man sagen!
Hatten wir in diesem Thread schon mal diskutiert:
http://www.geschichtsforum.de/f28/w...-arminius-gesellschaftlich-organisiert-45093/
Meiner Ansicht nach ist Adel nicht aus Ausdifferenzierung der Gesellschaft entstanden, sondern vielmehr aus der vorwiegend gewaltsamen Auflösung gesellschaftlicher Strukturen.
Noch ein paar Anmerkungen zur Frage, ob das Römische Reich tatsächlich 90 Prozent seines verfügbaren Kapitals ins Militär gesteckt hat: Ob der genannte Prozentsatz zutreffend ist oder nicht, ist völlig belanglos. 90 Prozent ist nämlich eine relative Zahl. Viel entscheidender ist die Frage, wie hoch der absolute Wert von 100 Prozent war.
Man muss ja wohl feststellen, dass das römische Reich in seinem Machtzentrum (also in Rom selbst) - aber beleibe nicht nur dort! - "Werte" geschaffen hat, die aus der Wertschöpfungskapazität des Machtzentrums heraus NIEMALS finanzierbar gewesen wären. Die Stadt Rom und ihr Umland wären niemals und unter keinen Umständen fähig gewesen, genug Überschüsse zu erwirtschaften, um eine siebenstelllige Zahl von Einwohnern zu ernähren und gleichzeitig so Prunkbauten wie das Colosseum hinzustellen.
Das "Kapital", das zur Ernährung der Bevölkerung und zum Bau des Colosseums erforderlich war, wurde nicht in Rom selbst erwirtschaftet. Es wurde aus den Provinzen "geraubt". Und dieser "Raub" wurde von den Legionen verübt. Die Legionen waren also kein "Kostenfaktor", sondern eine Einnahmequelle. Und wenn zehn Prozent der "Einnahmen militärischer Art" ausgereicht haben, um solche Werte zu schaffen, dann lässt sich ----- nicht ermessen, welches Ausmaß der organisierte Raub für die Beraubten hatte. Egal ob es 90 Prozent waren oder nur 70 oder gar nur 50...: Die Legionen waren kein Kostenfaktor, sondern eine Einnahmequelle. Sie waren sogar die wichtigste Einnahmequelle des Reiches.
Genauso ist das mit den "Warlords". Es gibt keine reichen Warlords, die sich eine Armee zulegen, weil sie so reich sind, dass sie nicht wissen, was sie sonst mit ihrem vielen Geld anfangen sollen. Aber es gibt Leute, die reich werden, weil sie "pfiffig" genug sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit roher Gewalt "Einnahmen zu generieren". Der Warlord denkt nicht jammernd darüber nach, was er für seine Armee bezahlen muss. Er reibt sich die Hände, während er sich überlegt, welche Beute ihm eine noch größere Armee einbringen könnte. Beute, mit deren Hilfe er dann eine NOCH größere Armee finanzieren kann.
Motivierende Kraft dafür ist Gier. Aus dieser Gier könnte durchaus der "Adel" entstanden sein.
...[MOD: restliche Tagespolitik gemäß Forenregeln gelöscht]...
MfG