Ein paar Überlegungen mit aktuellem Bezug
Vielen Dank für diese lebhafte und mit argumentativer Tiefe geführte Diskussion, die auf die Kernproblematik der Auseinandersetzung mit Verbrechen des zweiten Weltkrieges hinweist und neben der für jede Diskussion notwendigen Sachlickeit auch eine stark emotionale Dimension besitzt.
Gerade eine Thematik wie die Bombardierung Dresdens verlangt von den Diskutanten nicht nur eine Bereitschaft zur absoluten Objektivität , sondern auch eine Tendenz der Annäherung an Kategorien des Irrationalen und Subjektiven, da Verbrechen gegen die Menchlichkeit niemals einer vollständigen Rationalisierung unterworfen werden dürfen.
Dies ist kein Plädoyer für eine unumschränkte Subjektivität bei der Analyse historischer Ereignisse, sondern eine Aufforderung zur intensiven Annäherung an Geschichte, die mehr ist als ein Subjekt der historischen Wissenschaft, sondern eine Art Wegweiser für individuelles oder kollektives Handeln im gesellschaftlichen und politischen Raum ist, der uns nicht nur ein politischer sondern auch moralischer Orientierungspunkt sein kann.
Neben der hier anzutreffenden Fähigkeit zur emotionalen und gleichzeitig wissenschaftlichen Annäherung an historische Entwicklungen, möchte ich vor allem für die sensible Auseinandersetzung mit der Problematik des historischen Vergleichs danken, die ich selbst nicht derart anschaulich zu leisten vermag.
M. E. adelt es die deutsche Gedenkkultur, und insbesondere die Teilnehmer der hier stattfindenden Diskussion, wenn derart ausführlich über die Gefahr und Abwegigkeit des historischen Vergleiches, bzw. über den zulässigen Grad eines Gedenkens an deutsche Opfer diskutiert wird und Argumente ausgetauscht werden.
Natürlich nimmt die Deutsche Bevölkerung in dem Gedenken an den Nationalsozialismus eine besondere Stellung ein und die Auseinandersetzung mit der Bedrohung von rechts wird im Ausland besonders misstrauisch begutachtet. Der Blick auf die Gedenkkultur anderer Nationen entledigt uns nicht unseren besonderen Aufgabe des Zurückblickens und Reflektierens historischer Geschehenisse.
Trotzdem sei an dieser Stelle auf die aktuelle Situation etwa in Großbritannien verwiesen, in dem sich vielerorts nach dem zweiten Weltkrieg eine unbefriedigende und stark undifferenzierte Kultur des Gedenkens entwickelte. Wie ein Artikel des SPIEGEL vor kurzem einleuchtend analysierte, spiegelt der Party-Auftritt von Prinz Harry in einer Nazi-Uniform in vielerlei Hinsicht die vor allem unter britischen Jugendlichen verbreitete Form der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangeheit wider.
Das in britischen Filmen und Zeitungsartikeln vermittelte Bild von Nazi-Deutschland unterliegt vielfach einer starken Folklorisierung und ist kaum geeignet die historische Realität hineichend darzulegen. Zwar senden die britischen Fernsehsender tagtäglich neue Dokumentationen über den Holocaust und andere Nazi-Verbechen. Dennoch hat ein großer Teil der britischen Jugendlichen noch nie etwas von Ausschwitz gehört und verbindet mit dem Nationalsozialismus keine konkrete Vorstellung. Bei derartigen Bedingungen erscheint es mir wenig verwunderlich, dass viele britische Jugendliche ihr Bild von Nazi-Deutschland auf ihr heutiges Bild von Deutschland transferieren und Aussagen wie "Alle Deutschen sind Nazis" langsam salonfähig werden; vor allem wenn gesellschaftliche Vorbilder wie Harry genau dieses Bild von Deutschland repräsentieren. (Harry trug unter der Uniform eine Bundeswehrjacke(!))
In einer von diametralen Gegensätzen geprägten Gedenkkultur (Wir die Guten, die Nazis die Bösen) kann das Gedenken an eigene Verbrechen oder Verwicklungen in das Nazi-Regime (weite Teile des britischen Adels sympathisierten lange Zeit mit hitler) oder gar deren Aufarbeitung überaus schwer fallen und erhält in das medial geprägte Weltbild der britischen Jugend nur unzureichend Einzug.
Der Blick auf die hier stattfindende und andere Diskussionen zeigt, dass Deutschlands Bevölkerung im Hinblick auf seine Gedenkkultur mehrheitlich überaus fortschrittlich, zur Objektivität bereit und sich der besondern Veratwortung, die ihr zufällt, bewusst ist.
Trotz dieser bewundernswerten Gedenkkultur gibt es eine kleine Minderheit Ewiggestriger, welche die Interpretationshoheit über Ereignisse des zweiten Weltkrieges für sich beanspruchen und belegbare Entwicklungen verneinen.
Die entscheidende Frage ist nun, wie und auf welchem Wege rechtsextremen Politikern und ihrer Anhängerschaft zu begegnen ist und wie eine weitere Expansion des Erfolgs ihrer politischen Propaganda und einer fortschreitenden Erosion demokratischer Kultur begegnet werden kann.
Zu Beginn möchte ich feststelllen, dass weder die isolierte Betrachtung der Bombardierung Dresdens negativ zu bewerten ist, noch die Betonung der Abscheulichkeit des allierten Bombenterrors per se als unwissenschaftlich bzw. moralisch unzulässig betrachtet werden kann.
Diese Charakteristika treffen nur auf die spätere Instrumentalisierung dieser Analysen durch rechtsextreme Kreise zu, welche die Ergebnisse in einen unkorrekten historischen Kontext einbinden und durch ihre Verwendung in rechter Propaganda pervertieren.
Die Gefahr der Manipulation und Instrumentalisierung historischer Erkenntnisse kann nicht aus dieser Welt gebannt werden und besteht für alle Formen historischer Werke, sofern sie verkürzt oder eigenwillig interpretiert werden.
Ein grundlegendes Problem bei der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Kreisen und ihrer Auffassung von der Bombardierung Dresdens liegt nicht in den Interpretationsstreitigkeiten gesellschaftlicher Meinungsmacher, die unsere Gedenkkultur vielfach befördert haben, sondern darin, dass mit der Betonung immer gleichlautender Argumentation die politischen Einflussphäre der Rechten nicht zurückzudrängen ist.
In unzähligen Fachaufsätzen und Büchern wurde bereits über die Verbrechen der Nationalsozialisten berichtet und der Bombenhagel auf Dresden in den historisch korrekten Kontext gerückt. Auch die jetzt geforderte "Politische" Auseinandersetzung mit der NPD kann nicht zum Erfolg führen, wenn auf die selben Argumente zurückgegriffen wird, die bereits seit Jahren gesamtgesellschaftlicher Konsens sind.
Die Stärke der NPD liegt darin, dass sie politische Themen besetzt, die von den etablierten demokratischen Parteien keine ausgeprägte Beachtung finden, und dass sie einfache (UN-)Wahrheiten formuliert, welche die unpräzisen und wolkigen Formulierungen vieler Politker konterkarieren und sie für viele Wähler als eine Alternative erscheinen lassen.
Aktuelle Umfragen zeigen auf, dass viele Deutsche die gefährliche Ansicht teilen, dass ein Gedenken an die Untaten des Dritten Reiches nun lange genug im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand und künftig die Opferrolle im Zentrum des Gedenkens stehen solle.
Es wäre die falsche Reaktion nur auf der Gefahr der Aufrechnung von Opfern zu bestehen und die Thematik den Rechtsextremen zu überlassen. Im Gegenteil, auch die Betrachtung des Opferstatus der Deutschen muss intellektuell und gesellschaftlich stärker in den Fokus rücken, um eine Besetzung der Thematik durch Rechtsextreme zu verhindern und der Analyse einen demokratischen Grundtenor zu verleihen.
Gruß,
Christoph