Welche Disziplinarstrafen gab es an deutschen Schulen nach 1945?

Die Autoren hatten recht: von Ur ist nur ein Hügel übrig geblieben, das antike Griechenland existiert nicht mehr, das römische Reich wurde von wilden Germanenhodern in Stücke gerissen und das HRR ist auch untergegangen. Alles weitere ist eine Frage der Zeit. ;)
 
Also, ich bin in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts in Württemberg in die Schule gegangen und bei uns gab es keine körperlichen Züchtigungen, weder Backpfeife noch Tatzen. Allerdings waren die Lehrer sehr, sehr autoritär und es herrschte noch "Zucht und Ordnung", sprich kein Handy, kein Kaugummi, kein Rumlümmeln, keine Mützen, keine Widerrede.
Ich gebe auch gerne zu, dass ich in der heutigen Zeit bei den heutigen Schülern etwas von der Disziplin vermisse.
Ich gebe gleichzeitig auch gerne zu, dass manche Lehrer auch nicht das Gelbe vom Ei sind.

Mir scheint, Du hältst meine in Beitrag 2 geschilderten Erlebnisse für übertrieben, oder sonstwas.

Nun, wir waren in der Grundschule zw. 44 und 46 Schüler, mit so ca. 10 habe ich noch losen Kontakt. Die geschilderten Ereignisse kann ich also bei Bedarf ohne weiteres belegen.

Ab 1962 ging ich aufs Gymnasium, wie lange die Prügelstrafe an der Volksschule (so hieß die Hauptschule bis ca. 1965) noch Bestand hat, weiß ich nicht. (Auch meine Tochter, Hauptschullehrerin, konnte es mir nicht sagen) Im Gymnasium gab es da längst keine körperliche Züchtigung als Erziehungs-Maßnahme mehr.
 
Mir scheint, Du hältst meine in Beitrag 2 geschilderten Erlebnisse für übertrieben, oder sonstwas.
Nein, ich möchte Deine Schilderung keinesfalls anzweifeln, ich war ja nicht dabei.
Ich möchte auch nicht abstreiten, dass es sadistische und unfähige Lehrer damals gab und auch heute noch gibt, aber als ich in der Schule war, gab es definitiv keine körperlichen Züchtigungen mehr und ich kenne diese nur noch aus den Erzählungen der (zumindest etwas) Älteren.
 
Übrigens Repo,

ich habe auch vier Jahre "Volks"-schule hinter mir und dann allerdings sechs Jahre Mittelschule und da waren auch noch zwei Kurzschuljahre dabei, weil zu der Zeit der Schulanfang von April auf den September verlegt worden ist.
Vielleicht liegt die Ursache unserer unterschiedlichen Schul- und Züchtigungsverfahrung daran, dass ich damals "nur" die Mittelschule besucht habe und nicht das Gymnasium, vielleicht waren die Lehrer dort bornierter und haben länger auf ihr Züchtigungsrecht bestanden haben (oder ihr habt es mehr verdient als wir - aber bitte das war jetzt bloß Spaß, bitte nicht alles so bierernst nehmen - )
Nichts für ungut....
 
Das was wir beschrieben haben, waren ja auch meistens Ausraster von einzelnen Lehrern oder aber durch altes Gewohnheitsrecht und die stille Einverständnis vieler Eltern gedeckte Unsitten. Die waren wohl auf dem Land üblicher, als in Großstädten. In den Siebziger Jahren mochte die Prügelstrafe an Schulen mancherorts noch gesetzlich legitimiert gewesen sein. Daß aber sich ein Lehrer ganz offen und guten Gewissens darauf berufen konnte und die Anwendung gegenüber dem Schulamt oder Kultusministerium erfolgreich hätte begründen können, war eigentlich in den Siebzigern schon nicht mehr möglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens Repo,

ich habe auch vier Jahre "Volks"-schule hinter mir und dann allerdings sechs Jahre Mittelschule und da waren auch noch zwei Kurzschuljahre dabei, weil zu der Zeit der Schulanfang von April auf den September verlegt worden ist.
Vielleicht liegt die Ursache unserer unterschiedlichen Schul- und Züchtigungsverfahrung daran, dass ich damals "nur" die Mittelschule besucht habe und nicht das Gymnasium, vielleicht waren die Lehrer dort bornierter und haben länger auf ihr Züchtigungsrecht bestanden haben (oder ihr habt es mehr verdient als wir - aber bitte das war jetzt bloß Spaß, bitte nicht alles so bierernst nehmen - )
Nichts für ungut....

Die Kurzschuljahre hatte ich selbstverständlich auch.
Und nochmals: im Gymnasium gab es die Prügel als anerkannte Erziehungsmaßnahme längst nicht mehr. Da war auch nichts weiter.

Die groß angekündigte und durchgeführte Verprügelung eines Hausaufgabenverweigerers, die Verprügelung (nach demonstrativer Abholung des Delinquenten) durch den Rektor, wegen den blöden Worten am Verkehrsschild, (auch noch als etwas ganz anderes dargestellt) das war in der Grundschule in der 2. Klasse im Jahr 1959 die Ohrfeigen die der Hausmeister verteilte ebenfalls. Der Tatzenverteiler in der dritten wohl Anfang 1961. Wobei Mädchen, ich war in einer reinen Jungenklasse, anscheinend auch in BW schon länger nicht mehr verhauen wurden.
Das waren offizielle Erziehungsmaßnahmen. Und das erbittert mich heute noch. Nicht Entgleisungen einzelner, die gab es immer und wird es immer geben.

Natürlich hätte sich der Hausmeister das niemals getraut, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass im Zweifel der Rektor dahinter stand.
NS: Die Mittelschule hies doch ab den Kurzschuljahren Realschule? Oder war das erst später?
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, ich bin im ersten Schuljahr auf dem Dorf in die Schule gegangen, da waren die Klassen gemischt - Knaben und Mädchen - und dann kam ich in die große Stadt, weil da meine Oma wohnte, die auf mich aufgepaßt hat, da waren wir auch gemischt.Und weil die Schule dort nagelneu eröffnet worden ist, kamen wir sogar im Fernsehen, das war die Sensation, oh ja.
Erst in der Mittelschule waren wir die ersten zwei Schuljahre eine reine Mädchenklasse und dann wurde auch dort der Muff rausgekehrt und wir wurden eine gemischte Klasse und das blieben wir dann auch bis zum bitteren Ende.
Und wir sind uns auch heute noch grün, denn unsere Klassentreffen sind immer ein Knüller...
 
OK, Du hast andere Erfahrungen wie ich gemacht.

Vermutlich war das damals von Schule zu Schule anders. Der Rektor, mein Vater kannte ihn aus russ. Gefangenschaft, war wohl tatsächlich ein ganz ein strammer. Aus silesias Link ergibt sich ja auch, dass die "Züchtigung von Kindern" damals schon sehr umstritten war.

Muss mal die damalige Grundschullehrerin fragen, habe hin und wieder mit ihr zu tun. (Ein Vorteil? der Kleinstadt, man begegnet sich immer wieder)

Ach ja, meine Frau kann ich auch mal fragen, war 2 Jahre nach mir ander der selben Grundschule. Mal sehen ob die auch noch den Ranzen voll bekommen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde, dass die Kleinstadt selbstverständlich ein Vorteil ist, gerade weil man sich immer wieder begegnet. Ist doch besser als die Anonymität in der Großstadt und irgendwann müssen doch auch diese Dinge ad acta gelegt werden.
Und wenn Du ehrlich bist, waren wir als Schüler auch nicht immer Engel, das wäre ja langweilig gewesen.
Die Lehrer hatten es auch mit den Schülern nicht immer einfach.
Und übrigens, wenn der Rektor aus russischer Kriegsgefangenschaft kam, na da ist man für das restliche Leben wohl abgehärtet worden......

Mein Lehrer in der ersten Klasse hatte ein Glausauge vom Krieg, das hat immer getränt....
 
Ich muss an die 4.Klasse Volksschule denken. Unser Lehrer hatte einen Schüler auf dem Kieker, aus einfachen Verhältnissen, die Eltern geschieden (in den 60er Jahren noch ein Makel), die Familie mit nicht gerade dem besten Ruf.

Als besagter Schüler wieder mal die Hausaufgaben nicht hatte, hat der Lehrer etwas gemacht, was er weder vorher noch nachher bei uns getan hatte. Er holte einen Stock, legte den Schüler übers Pult und schlug ihm mit voller Wucht zehnmal auf den Hintern.

Ich weiß noch heute, welch entsetztes Schweigen im Klassenzimmer geherrscht hat.

Der geschlagene Schüler, der während der Prozedur keinen Mucks von sich gegeben hatte, schlich traurig und mit rotem Kopf auf seinen Platz zurück.

Die Klasse ging nach Ende des Schuljahres auseinander. Es vergingen über 30 Jahre, bis ich den geschlagenen Schüler von damals zufällig auf einer Party wieder traf. Es gab natürlich ein großes Hallo, denn wir hatten uns total aus den Augen verloren.

Als wir auf die Schulzeit zu sprechen kamen und der Name des Lehrers fiel, verhärteten sich auf einmal seine Gesichtszüge. "Weißt du noch, wie der mich damals mit dem Stock verdroschen hat...?" Der Abend war durch diese zurückgekehrte Erinnerung für ihn gelaufen; kurz darauf verabschiedete er sich.

Für mich war es eine beinahe schmerzlich zu nennende Erfahrung, zu sehen, dass dieses traumatische Kindheitserlebnis nach über 30 Jahren immer noch in ihm wühlte...

Jacobum
 
Ich muss an die 4.Klasse Volksschule denken. Unser Lehrer hatte einen Schüler auf dem Kieker, aus einfachen Verhältnissen, die Eltern geschieden (in den 60er Jahren noch ein Makel), die Familie mit nicht gerade dem besten Ruf.

Als besagter Schüler wieder mal die Hausaufgaben nicht hatte, hat der Lehrer etwas gemacht, was er weder vorher noch nachher bei uns getan hatte. Er holte einen Stock, legte den Schüler übers Pult und schlug ihm mit voller Wucht zehnmal auf den Hintern.

Ich weiß noch heute, welch entsetztes Schweigen im Klassenzimmer geherrscht hat.

Der geschlagene Schüler, der während der Prozedur keinen Mucks von sich gegeben hatte, schlich traurig und mit rotem Kopf auf seinen Platz zurück.

Die Klasse ging nach Ende des Schuljahres auseinander. Es vergingen über 30 Jahre, bis ich den geschlagenen Schüler von damals zufällig auf einer Party wieder traf. Es gab natürlich ein großes Hallo, denn wir hatten uns total aus den Augen verloren.

Als wir auf die Schulzeit zu sprechen kamen und der Name des Lehrers fiel, verhärteten sich auf einmal seine Gesichtszüge. "Weißt du noch, wie der mich damals mit dem Stock verdroschen hat...?" Der Abend war durch diese zurückgekehrte Erinnerung für ihn gelaufen; kurz darauf verabschiedete er sich.

Für mich war es eine beinahe schmerzlich zu nennende Erfahrung, zu sehen, dass dieses traumatische Kindheitserlebnis nach über 30 Jahren immer noch in ihm wühlte...

Jacobum

Ich kann das sehr gut nachempfinden.
Bei mir wirken die Folgen des Traumas bis heute noch nach.
Auch wenn es in meinem Fall andere Ursachen hat.
Es lag nicht an den Lehrern.
Aber die Folgen eines Traumas bleiben einem erhalten.
Wenn dann irgendjemand was sagt oder tut,was an das Trauma erinnert,dann kann das die gleichen Empfindungen von früher wieder auslösen.
 
Bestraft worden bin ich dann zu Hause und dann da verprügelt worden

Au ja, davon könnte ich auch ein Lied singen, wenn ich wollte - gehört aber nicht hierher. Vielleicht nur so viel: Es gab Tage, da war die Schule die reinste Erholung gegen das, was dann zu Hause folgte.

Insgesamt war mir die Schule ein Graus, bis ich dann in der 8. sitzen blieb und dann - andere Klasse, anderer Klassenleiter - von da an lief´s besser.
 
Ich finde, dass die Kleinstadt selbstverständlich ein Vorteil ist, gerade weil man sich immer wieder begegnet. Ist doch besser als die Anonymität in der Großstadt und irgendwann müssen doch auch diese Dinge ad acta gelegt werden.
Und wenn Du ehrlich bist, waren wir als Schüler auch nicht immer Engel, das wäre ja langweilig gewesen.
Die Lehrer hatten es auch mit den Schülern nicht immer einfach.
Und übrigens, wenn der Rektor aus russischer Kriegsgefangenschaft kam, na da ist man für das restliche Leben wohl abgehärtet worden......

Mein Lehrer in der ersten Klasse hatte ein Glausauge vom Krieg, das hat immer getränt....


Wir Schüler waren alles andere als einfach, aber in der 2. Klasse mit 8??


Anscheinend verstehst Du mich nicht. Manchmal habe ich wohl ein Problem mich verständlich auszudrücken.

Es geht mir nicht um den persönlichen Ausraster. Den gab es immer und wird es auch immer wieder mal geben.

Der offizielle Charakter, als der Rektor im weißen Kittel mit dem Stock in der Hand meinem Mitschüler zum Verprügeln abholte. Ohne persönliche Empfindung, er machte nur was getan werden muss. So stelle ich mir bis heute einen Scharfrichter vor.
Der Delinquent war ein armes Schwein mit seinen 8 Jahren, lebte vaterlos in einem Barackenlager, die Mutter hatte wechselnde Beziehungen. Er musste nachmittags zu den kath. Schwestern, bekam er zu essen, Mutter musste ja arbeiten. Im Lager hörte und sah er verm. manches, siehe auch das ominöse Wort.


Es war offizielles Erziehungsmittel. Aber nur in Grund- und "Volks"-Schulen. Natürlich nicht im Gymnasium. Was einen tiefen Blick in die Strukturen der frühen Bundesrepublik gibt.
Die Randale ab 67 hatten schon ihre Gründe.


Zu den Empfindungen die dies auch heute noch auslöst, siehe Jakobum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wär nur ganz gut zu erfahren, ab wann dieses offizielle Erziehungsmittel illegal wurde. wie gesagt, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern weiss ich, aber der Rest?

Oder habe ich da was überlesen?
 
Wär nur ganz gut zu erfahren, ab wann dieses offizielle Erziehungsmittel illegal wurde. wie gesagt, Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern weiss ich, aber der Rest?

Oder habe ich da was überlesen?

Suche ich auch, bisher ohne Erfolg. Für die ganze BRD wird irgendwo 1973 genannt. Wird ein BG-Urteil gewesen sein.
 
Suche ich auch, bisher ohne Erfolg. Für die ganze BRD wird irgendwo 1973 genannt. Wird ein BG-Urteil gewesen sein.


Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang was unter dem Begriff „Körperliche Züchtigung“ zu verstehen ist. Der Bundesgerichtshof hat in den Urteilen vom 14. 07.1954 und 23. 10, 1957 solche Handlungen als körperliche Züchtigung bezeichnet, die gegen die menschliche Würde Art. 1 des Grundgesetzes oder gegen die körperliche Unversehrtheit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gerichtet sind.
Danach ist nicht jede körperliche Berührung einer Schülerin bzw. eines Schülers eine Züchtigung, vielmehr kommt es darauf an, ob mit dieser Berührung körperliche oder seelische Schmerzen (Demütigung) verbunden sein sollen. (vgl. Kaiser /Mahler Loseblatt Kommentar zu BayEUG und VSO)


Insofern ist ein offizielles Verbot in einem Bundesland irrelevant; nach der hessischen Landesverfassung (Art. 109) wäre in diesem Bundesland auch noch die Todesstrafe zulässig.

Persönliche Anmerkung: Ich studierte bis 1971 an der PH Heidelberg. Im obligatorischen Fach Schulrecht wurden wir damals schon auf diesen Sachverhalt hingewiesen.
 
.......die gegen die menschliche Würde Art. 1 des Grundgesetzes oder gegen die körperliche Unversehrtheit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gerichtet sind. ......


Heisst das, dass körperliche Züchtigung schon ab spätestens 1957 nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stand?

Wie verträgt sich das mit den prügelnden Lehrern, von denen hier erzählt wurde?
 
Zurück
Oben