Vorherrschaft Europas

eigentlich hätte ich ihn viel früher in die diskussion einbringen müssen: heinrich der seefahrer, infant von portugal, der nie eine weite reise unternahm. er dürfte unbestritten der "vater" der europäischen entdeckungsgeschichte sein

wikipedia schrieb:
Die chinesischen Expeditionen wurden im selben Jahr eingestellt, als Heinrich seine Seefahrtsschule in Sagres gründete. Das Jahr 1433, in dem Europas Aufstieg zur weltbeherrschenden Kultur beginnt, während China auf seine eigene Expansion verzichtet, wird damit zu einem Wendepunkt der Weltgeschichte.

der ganze artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_der_Seefahrer
 
Andronikos schrieb:
Welche Niederlage vor Wien ist eigentlich gemeint 1529 oder 1683?

Jedenfalls mussten die Osmanen schon nach 1529 weitere Niederlagen einstecken, die deutlich machen dass ihre militärische Stärke schon damals gerade ausreichte, das bis dahin eroberte zu halten. Expansion war ab da für sie nur noch marginal möglich. Einem echten gemeinsamen Vorgehen der Europäer wären sie wohl unterlegen gewesen aber das verhinderte damals die innereuropäische Konkurrenz.
Den von thimoteus genannten Niederlagen möchte ich noch die Eroberung von Tunis 1535 durch Karl V. beifügen. Bei dem Landungsunternehmen waren 30.000 Soldaten beteiligt, darunter 8.000 deutsche Landsknechte und mehrere hundert Schiffe aus Portugal, Spanien, Genua, Neapel, Sizilien und vom Johanniter-Orden - bezahlt wurde die Flotte im wesentlichen durch Silber und Gold aus Amerika.
An dem Beispiel sieht man glaube ich gut, das Europa prinzipiell schon damals logistisch und technisch in der Lage war großangelegte Eroberungen zu starten.


Hinzu kommen die immensen Probleme beim Nachschub. Wenngleich sie sich mit der Belagerung von Wien (der ersten) in Ungarn festsetzen (und damit die Habsburger doch ganz tüchtig beschäftigen) war das auf lange Sicht gesehen das Ende der Herrlichkeit (zumal sie am anderen Ende von den turkmenischen "weißen Schafen" und anderen auch ganz gehörig in Trab gehalten wurden)
 
collo schrieb:
heinrich der seefahrer, infant von portugal, der nie eine weite reise unternahm. er dürfte unbestritten der "vater" der europäischen entdeckungsgeschichte sein
Weißt du was das lustige an dem berühmten Bild von Heinrich ist ? Das Bild von dem Mann mit dem Burgunderhut ist sehr wahrscheinlich nicht 'Henrique o Navegador' sondern dessen Großkämmerer. Auf dem selben mehrteilen Bildzyklus ist der richtige Heinrich aber dennoch drauf. Ein etwas dicklicher, älterer Mann, mit kurzen Haaren und einer Knollennase. Leider habe ich kein Komplettbild gefunden, dann hätte ich ihn auch zeigen können.
 
und um wieder aufs thema zurückzukommen:

ich habe ja schon einmal den begriff "europäer" auf fünf nationen eingeschränkt, die die welt erkundeten/eroberten/ausbeuteten. in der zeitlichen reihenfolge waren dies portugal, spanien, england, frankreich und die niederlande.

für mich am erstaunlichsten ist, dass ausgerechnet die niederlande in der anfangsphase des kolonialismus äusserst erfolgreich waren, nicht nur was die weltweite ausbreitung sondern auch das kommerzielle anbelangt. immerhin dauerte der unabhängigkeitskrieg gegen die spanier von 1568 bis 1648 und danach kam es zu 3 kriegen mit den engländern, die "nur" die kolonien in nordamerika kosteten. und trotzdem bezeichnte man diese unfriedliche zeit das "goldene zeitalter". was haben die niederländer anders gemacht als die spanier, die an ihren kolonien beinahe erstickt sind und ihre grossmachtrolle ziemlich bald verloren?
 
collo schrieb:
und um wieder aufs thema zurückzukommen:

...

was haben die niederländer anders gemacht als die spanier, die an ihren kolonien beinahe erstickt sind und ihre grossmachtrolle ziemlich bald verloren?

ob es daran liegt, daß die niederländer im gegensatz zu den spaniern die erträge ihre kolonien nicht völlig und rein konsumptiv für kriege, bestechungen und hofhaltungen verfrühstückt haben, sondern zum aufbau ihres blühenden handels verwendeten?

die kleinen niederlande waren mit ihrem nüchtern aufgeklärtem geist wohl ihrer zeit voraus.

oranje boven!
ponzelar
 
in den jahren von 1568 - 1715 sind die niederlande gerade mal 20 jahre lang nicht in einem krieg mit einer der grossmächte verwickelt, das würde ich als grund ausschliessen, das mussten sie also auch finanzieren. und die handelskompanien galten auch nicht als hort unbestechlicher kaufleute.
 
Bei den Niederlanden muss man noch bedenken, dass diese Region viel reicher und ertragreicher war als Spanien. Holland gehörte zu den produktivsten, daher wohlhabensten Gebiete der Welt. Es wundert nicht, dass es sich so gut behaupten konnte.
 
collo schrieb:
..für mich am erstaunlichsten ist, dass ausgerechnet die niederlande in der anfangsphase des kolonialismus äusserst erfolgreich waren, nicht nur was die weltweite ausbreitung sondern auch das kommerzielle anbelangt. immerhin dauerte der unabhängigkeitskrieg gegen die spanier von 1568 bis 1648 und danach kam es zu 3 kriegen mit den engländern, die "nur" die kolonien in nordamerika kosteten. und trotzdem bezeichnte man diese unfriedliche zeit das "goldene zeitalter". was haben die niederländer anders gemacht als die spanier, die an ihren kolonien beinahe erstickt sind und ihre grossmachtrolle ziemlich bald verloren?

Schon während des 80-jährigen Krieges ,der nach einem Waffenstillstand zwischen 1609 und 1621 sich mit dem 30.jährigen Krieg vermischte, stieg die junge Republik der Vereinigten Niederlande zur polit. Großmacht auf. Die sieben seit 1579 in der Utrechter Union zusammengeschlossenen Nordprovinzen der einstigen burgundischen Niederlande waren die Nutznießer des Religions-und Freiheitskampfes gegen die Spanier.
Die von der Gegenreformation ausgehende Migrationswelle brachte zusätzlich zu der calvinistisch strukturierten Wirtschafts-bzw. Handelselite erheblichen Zugewinn an hochqualifizierten Handwerkern,Intellektuellen (zB. Descartes,Spinoza) und Künstlern.
Die Rückeroberung der südniederl. Provinzen durch die Spanier löste gleich mehrere Migrationswellen aus, die sich in alle protestantischen Ländern Europas ergoß.
Die brabantischen, wallonischen und flämischen Refugies befruchteten nun die Nordprovinzen. Es gab regelgerechte Betriebsverlagerungen ,weil Unternehmer und Händler ihre Geschäfte liquidieren konnten und auch ihre Stammarbeiter mitnahmen.
Handwerksmeister,die mit ihnen zusammenarbeiteten folgten an die neuen Siedlungsorte.
Währen viele europ. Staaten sich nach dem absolutistischen französischen Vorbild
ausrichteten, entwickelte sich in den Vereinigten Niederlanden nicht unähnlich dem englischen Beispiel ein parlamentarisch-ständisches Modell, welches in Friedenszeiten dem Wirtschaftbürgertum entscheidenden Raum bot und es zu Kunstförderen zu seiner Repräsentation schon im 16. Jahrh. beflügelte.( Bruegel, Eyck...)
Der Begriff des holländ. „Goldenen Zeitalters“ womit das 17.Jahrh. gemeint ist
verbindet sich für uns heute vorallem mit den Namen der großartigen Barockmaler dieser Epoche. Rembrandt, Rubens, Hals, Vermeer ...... entfaltet in der defensiv-militärischen ,
freigeistigen Atmosphäre der Niederlanden . Ein vom calvinistischen Erfolgsstreben durchdrungenes Bürgertum, dessen Wohlstand auf den Bildern dero.g. Maler zu bestaunen ist . – Dagegen die Spanier , die in ihreren polit. Strukturen mittelalterlich anmuten, aber das hat weitreichende Wurzeln, die sicher nicht nur mit der Gegenreformation zu begründen sind... aber das ein weiteres Thema.... :rolleyes:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke bei Spanien wie bei den Niederlanden lösten die dauerhaften Konflikte, so wunderlich das klingt, eine Triebfeder aus. Der eine Erfolg beförderte den anderen. Krieg kann schaden, führt aber auch zu Innovationen, zwingt selbst zu Reformen.
Erst als das Gesetz an Menschen und Fläche an der Wende vom 17. zum 18. Jh. zusehends sich durchsetzte verblasste der niederländische Stern am Himmel der Großmächte.

Warum nun unbedingt Europa, nicht ein anderer Kontinent den Vorsprung in der Renaissance erlangte, kann ich nicht sagen.
Vielleicht unterschätzen auch viele die Vorzüge des Mittelalters für die europäische Kultur.

Im Europa des Hoch- und Spätmittelalters gab es nicht DIE vorherschende Macht. Die Konkurrenz erhöhte die Agilität. Das sehe ich nirgends in der Form wie in Europa, vielleicht aber auch mangels Kenntnis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man muss sehen, dass die großen Staaten Europas seit dem 16. Jh. weltweit zu den stärksten Militärmächten zählten. Die Hochkulturen Südamerikas befanden sich zu jener Zeit technisch auf der Stufe des Steinzeitalters und hatten bei der Metallverarbeitung vor allem künstlerische Aspekte im Auge. Sogar Lanzenspitzen waren noch aus Stein gearbeitet und metallene Helme, Rüstungen oder gar Schusswaffen waren unbekannt. Dieses Szenarium gilt ebenfalls für Nordamerika und weite Teile Afrikas.

Auch der indische Subkontinent war damals dem energischen militärischen Ausgreifen der europäischen Kolonialmächte nicht gewachsen und China ereilte Jahrhunderte später das gleiche Schicksal, weil es eine moderne militärische Aufrüstung versäumt hatte. Lediglich Japan erkannte im 19. Jh. diese Gefahr und rüstete nach westlichem Muster auf. Somit blieb ihm ein koloniales Schicksal erspart und es musste lediglich seine Häfen dem Handel öffnen.

Lediglich die islamische Welt konnte noch bis ins 19. Jh. ihre Selbstständigkeit im allgemeinen bewahren, was dann später ebenfalls nicht mehr glückte.

In der Luft bleibt dennoch die Frage, warum gerade Europa zu derart militärischer Dominanz aufstieg und z.B. nicht die indianischen Hochkulturen, die ja gleichfalls in Kriege mit benachbarten Reichen und Völkern verstrickt waren.

Vorherrschende Kolonialmächte waren im 16. Jh. - wie schon erwähnt - Spanien, Portugal, England, Frankreich und die Niederlande. Allerdings lässt sich feststellen, dass seit etwa 1700 Spanien, Portugal und die Niederlande auf dem absteigenden Ast waren, während England und Frankreich gewaltig aufholten. Frankreich glückte freilich erst einige Zeit nach dem 7jährigen Krieg ein neuer Aufstieg, da es 1763 fast sein gesamtes Kolonialreich an England abtreten musste, und erst allmählich wieder Kolonien hinzugewann.
 
Ich erlaube mir dazu einige kleine Anmerkungen...

Ich denke bei Spanien wie bei den Niederlanden lösten die dauerhaften Konflikte, so wunderlich das klingt, eine Triebfeder aus. Der eine Erfolg beförderte den anderen. Krieg kann schaden, führt aber auch zu Innovationen, zwingt selbst zu Reformen.
Erst als das Gesetz an Menschen und Fläche an der Wende vom 17. zum 18. Jh. zusehends sich durchsetzte verblasste der niederländische Stern am Himmel der Großmächte.

Hmm, das wage ich zu bezweifeln, was Spanien betrifft...

Zunächst einmal steht doch gewiß außer Frage, daß Spanien und Portugal ihre Vormacht zur See wie auch ihre Kolonialreiche darauf begründeten, daß beide einen Vorsprung durch die ersten Entdeckungsfahrten hatten.

Spanien ruinierte seine Vormacht allerdings schon durch seine Kriege bzw. die Niederlagen in diesen: nach der Vernichtung der Großen Armada 1588 ging die Seemacht in den folgenden Jahrhunderten immer mehr an England verloren; der Krieg gegen Frankreich endete mit dem Pyrenäenfrieden 1659, inflogedessen sich Frankreich auf dem Festland durchsetzen konnte; die Einmischung in den Dreißigjährigen Krieg war ebenfalls erfolglos; die Gewährung der Unabhängigkeit der Vereinigten Niederlande 1648 besiegelte eine weitere verlorene "Kraftprobe".
Was bzgl. der Niederlanden v.a. bedeutsam war, war die Herausbildung des ndl. Kolonialreiches: dieses entstand durch Überfälle auf portugiesische und spanische Faktoreien in Südafrika, Indien und Südostasien (das spätere Ndl. Indien). Infolgedessen war Spanien während des Ndl. Unabhängigkeitskrieges gezwungen, mit seinem Gegner (den ndl. Generalstaaten) Handel zu treiben, wodurch es letztlich sogar den Krieg gegen sich selbst finanzierte.

Noch ärger waren die Folgen der spanischen Politik 1580/1640 für Portugal, da diese beiden Staaten durch eine Personalunion verbunden waren, und Portugal während jener 60 Jahre beinahe sein ganzes Kolonialreich (außer Brasilien, Angola, Mosambique) entweder an Spanien oder eben die Niederlande verlor.

Die Niederlande verlor ihre Position im Mächtespiel Europas - so sie denn wirklich so hoch einzuschätzen ist - infolge der Personalunion mit England 1689/1702, da in jenen Jahren die englische Vorherrschaft zur See sich gegenüber den Holländern endgültig durchsetzen konnte.
Als Kolonialmacht blieben die Niederlande jedoch durchaus beachtenswert: Ndl. Indien wurde als Indonesien ebenso erst im 20. Jh. unabhängig wie Ndl. Guyana (Surinam).

Vielleicht unterschätzen auch viele die Vorzüge des Mittelalters für die europäische Kultur.
...
Im Europa des Hoch- und Spätmittelalters gab es nicht DIE vorherschende Macht. Die Konkurrenz erhöhte die Agilität. Das sehe ich nirgends in der Form wie in Europa, vielleicht aber auch mangels Kenntnis.

Das sehe ich auch so: zwar mochten das HRR im Westen und Byzanz im Osten als Kaiserreiche gern so etwas wie eine Vormacht beanspruchen, faktisch gegeben war diese aber nicht.

Man muss sehen, dass die großen Staaten Europas seit dem 16. Jh. weltweit zu den stärksten Militärmächten zählten.
...
Lediglich die islamische Welt konnte noch bis ins 19. Jh. ihre Selbstständigkeit im allgemeinen bewahren, was dann später ebenfalls nicht mehr glückte.

Dem widerspricht nicht, daß das Osmanische Reich bis ins späte 17. Jh. ebenfalls eine der stärksten Militärmächte war. Allerdings büßte es jegliche Aussicht auf Seeherrschaft und damit Kolonien in Übersee durch die Niederlagen zur See bereits im Mediterran ein (1565 Malta, 1571 Lepanto).

Vorherrschende Kolonialmächte waren im 16. Jh. - wie schon erwähnt - Spanien, Portugal, England, Frankreich und die Niederlande. Allerdings lässt sich feststellen, dass seit etwa 1700 Spanien, Portugal und die Niederlande auf dem absteigenden Ast waren, während England und Frankreich gewaltig aufholten. Frankreich glückte freilich erst einige Zeit nach dem 7jährigen Krieg ein neuer Aufstieg, da es 1763 fast sein gesamtes Kolonialreich an England abtreten musste, und erst allmählich wieder Kolonien hinzugewann.

Zu Spanien, Portigal und den Niederlanden habe ich mich bereits oben geäußert.
Für England läßt sich eindeutig feststellen, daß dieses zunächst seine Seeherrschaft sicherte - in Verbindung mit der Herausbildung des engl. Kolonialreiches - (dies gegenüber Spanien und später den Niederlanden und danach dann gegenüber Frankreich), während es auf dem Festland ziemlich geschickt den Gegensatz Habsburg (Spanien, Österreich) vs. Frankreich im Sinne einer "Politik des Gleichgewichtes" auszunutzen verstand. Sehr gut ersichtlich wurde dies beim Spanischen Erbfolgekrieg 1701/14...
Frankreich sehe ich bereits seit 1659 als europäische Großmacht, da man sich gegen Spanien durchsetzen konnte. Mit einigem Glück gesegnet im Spanischen Erbfolgekrieg (eigentlich schon verloren, aber dennoch auf der Gewinnerseite beim Friedensschluß) brachte der Siebenjährige Krieg sicherlich einen Einbruch bzw. Rückgang - v.a. als Kolonialmacht, da man bis auf den Senegal alles verlor -, ehe Frankreich dann ab 1830 sich erneut zur Kolonialmacht aufschwang (v.a. durch Erwerbungen in Westafrika und der arabischen Welt).

Sicherlich ist vieles eine Wiederholung von Dingen, die bereits geschrieben wurden, aber mir ging es nochmals um eine kurze Abhandlung wichtiger Aspekte...
 
Warum nun unbedingt Europa, nicht ein anderer Kontinent den Vorsprung in der Renaissance erlangte, kann ich nicht sagen.

Europas Vorsprung in der Renaissance ? Zu diesem Zeitpunkt kann in keinster Weise von einem europ. Vorsprung in der Welt gesprochen werden. Im 16. Jahrh. erlangt Europa erst wieder Ebenbürtigkeit mit den schon seit langem etablierten "Weltmächten". Namentlich 1. der islamischen Welt, vertreten durch die Osmanen, 2. Indien, vertreten durch die Mogul-Herrscher und 3. Ostasien, vertreten durch China. In diese Riege rückt langsam Europa auf, hat aber den Nachteil, dass es innerlich zerstritten ist. Was freilich langfristig positiv ist, da es einen dynamischen Fortschritt fördert.

Erst im 19. Jahr. kann man von einem europ. Vorsprung sprechen und die einzige Ursache dafür ist die Industrialisierung. Nur diese gibt den europäischen Großmächten die Ressourcen in die Hand ihre eigenen Interessen gegenüber den anderen Weltmachtregionen durchzusetzen und diese schließlich sogar direkt (Arabien, Indien) oder mittelbar (Ostasien) zu kontrollieren.

Seit gut 30 Jahren erleben wir übrigens die ständige Schrumpfung dieses Vorsprungs der westl. Welt und laufen schnurstracks wieder auf die Ebenbürtigkeit der Großregionen zu. Wobei insbesondere China und Indien zu nennen wären, Japan hat es ja schon geschafft weil es relativ klein ist.

Auch der indische Subkontinent war damals dem energischen militärischen Ausgreifen der europäischen Kolonialmächte nicht gewachsen und China ereilte Jahrhunderte später das gleiche Schicksal, weil es eine moderne militärische Aufrüstung versäumt hatte.

Eigentlich widerstand China doch recht gut, weil es schlichtweg viel zu groß war. Eine völlige politische Vereinnahmung konnte China während der Kolonialzeit verhindern. Es gelang den Großmächten nur Stücke aus China herauszubrechen und sich Einflussgebiete zu sichern. Im Grunde war der polit. Einfluss von außen auch nur recht kurz, von etwa 1860 bis 1920. Nach dem ersten Weltkrieg zerfielen die Einflußzonen der westlichen Großmächte in Ostasien und nur Punkte auf der Landkarte blieben übrig. Genau genommen drei: Macau, Hongkong und Qingdao. Nach außen schwächlich blieb China aber weiter, wie der Konflikt mit den Japanern aufschlussreich zeigt, aber das ist wieder ein anderes Thema das mit Europa nix zu tun hat. Im Laufe des 20. Jahhr. kamen Hongkong und Macau ja dann auch wieder zurück an China.

Versäumte China eine moderne militärische Aufrüstung ? Nein ! Nach dem zweiten Opiumkrieg führte China genau dies durch und zwar auf vielfachen Gebieten, aber im Gegensatz zu Japan schlug dieses Unterfangen nur vollständig fehl, weil China im totalen inneren Chaos versank. Die Modernisierung versandete in ihren Anfängen oder wurde dann in Konflikten zerstört. Etwa Chinas moderne Kriegsflotte wurde 1895 von der viel größeren japanischen Flotte vollständig vernichtet. Für einen Neuaufbau fehlte der Qing-Dynastie die Kraft und das Geld, denn die Qing sahen gerade dem Untergang des Kaiserreichs entgegen. Ein so großes Land wie China benötigte viel mehr Zeit und Energie um sich zu modernisieren und in Japan waren die Vorzeichen dafür einfach viel besser als im Reich der Mitte, es war viel kleiner und innenpolitisch ruhiger als zur selben Zeit China, wo Chaos herrschte.
 
als das zeitalter der entdeckungen um 1450 begann, war europa in technologischer hinsicht anderen regionen weit unterlegen, arabien, china.

Das sehe ich ganz anders. Eigentlich ist es nicht uebertrieben zu sagen, dass das lateinische Europa seit 1000 der Weltteil war, der sich am schnellsten entwickelt hat und zwar durchgehend bis zum 20 Jh. Natuerlich von einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau aus als im islamischen Bereich, Indien, Byzanz oder China, aber das nimmt der Expansionskraft der mittelalterlichen Gesellschaft nichts.

Aus dem Kopf heraus. Alle Angaben in circa:

1030 Romanische Stil
1120 Gegengewichtstrebuchet (Belagerung von Tyros) -> Revolution in Befestigungskunst
1140 Gotische Stil
1180 vertikale Windmuehlen (England, Frankreich)
1200 festmontierte Heckrudder (Kogge, Nord- und Ostsee)
1220 Schubkarre (England, Frankreich)
1220 arabische Ziffern (Fibunacci)
1270 mechnanische Uhren (Italien, England)
1300 der trockene Kompass
1320 Kanonen (Mitteleuropa)
14.Jh. Stahlbogen bei Armbrust
14. Plattenpanzer
1350 Hochofen (Schweden, Belgien)
14.Jh. flaechendeckende Verwendung des Langbogen
14.Jh. Lateinerbesegelung
1420 doppelverkleidete Kuppel (Dom zu Florenz) mit groesserem Kuppeldurchmesser als der Pantheon oder die Hagia Sophia
1450 Erfindung des Buchdrucks, wie wir heute kennen (die chinesische Erfindung im Reiberverfahren entpuppte sich als eine Sackgasse)
15.Jh. die Kurbel

Dazu der Einsatz von Wasserkraft fuer ueber 30 verschiedene industrielle Prozesse in Muehlen (walken, stampfen), die Kontrolle des Mittelmeerhandels durch die italienischen Stadtstaaten seit dem 11. Jh. (Vorsprung durch Organisation und Technologie), die doppelte Buchfuehrung und wirklich noch eine MENGE weiterer Innovationen und Verbesserungen auf fast allen Gebieten.

Um 1450 gibt es keine Basistechnologie, die in Europa nicht bekannt gewesen waere. Dagegen kannt man z.B. in China nicht die Schraube und im Islam nicht die Schubkarre. Um 1500 war Europa in der Schiffahrtstechnologie hatte schon so weit allen anderen die Nase voraus, dass die Portugiesen (1,2 Millionen) im Handumdrehen die Seeherrschaft im Indik (Gesamtbevoelkerung: 100-150 Millionen) gegen eine Koalition islamischer Staaten erringen konnten.

Europas Aufstieg begann nicht erst 1492, sondern es war schon vorher voll auf der Ueberholspur. Kolumbus und Vasco da Gama waren nur das logische Produkt eines Aufstiegs, der spaetestens im 11. Jh. eingesetzt hatte.
 
Eigentlich widerstand China doch recht gut, weil es schlichtweg viel zu groß war.

Dieser Einruck truegt, denn es war nicht Chinas Staerke, die eine Aufteilung des Landes verhinderte, sondern eine gegenseitige Neutralisierung der Kolonialmaechte (die beruehmte Formel der 'Politik der offenen Tuer'). Was eigentlich nur eine Folge davon war, dass China die groesste geographische Distanz zu Europa hatte, und deshalb erst als letztes drankam.

Waehrend Russland, Frankreich und Deutschland fuer eine territoriale Aufteilung waren, machten sich Grossbritannien und die USA fuer eine Politik der offenen Tuer stark. Danach sind sich die Kolonialmaechte gegenseitig in die Arme gefallen, waehrend China die ganze Zeit ohnmaechtig zugucken musste, wie auswaertige Maechte ("die fremden Teufel") ueber ihr Schicksal Krieg fuehrten. Zuerst schmissen die Japaner die Russen aus der schon halb geschluckten Mandschurei raus (1905), um dann selbst 1941-45 von den Amerikaner aus China geworfen zu werden (via Pazifikkrieg). Die wieder russisch besetzte Mandschurei wurde dann - kommunistische Solidaritaet sei dank - wieder von den Russen geraeumt.

In all der Zeit war China eigentlich jammerschwach, es hatte alle Kriege im 19. Jh. verloren und die durchaus intelligente Reformbewegung scheiterte ewig am eigenen Volk: La Chine Immobile. Ganz anders dagegen z.B. die Tuerkei, die nach 1918 schnell das Image des Kranken Manns abwerfen konnte und sich unter Atatuerk erfolgreich mobilisierte.

Alles in allem hatte China ziemliches Glueck.
 
Weil es eine einseitige Sicht ist und nicht die Gesamtheit der Geschichte umfasst.

Warum ist es eine einseitige Aussage? Ist die Behauptung, dass wir heute in einer usa-zentrierten, auf jeden Fall aber westlich dominierten Welt leben, auch einseitig, obwohl zutreffend?

Und wieso sollte die Aussage, dass "1450 europa in technologischer hinsicht anderen regionen weit (sic) unterlegen war", keine einseitige Aussage darstellen?

Ich habe einige Anhaltspunkte angegeben, warum Europa 1450 sehr wohl sehr fortgeschritten war. Ich empfehle nur die Arbeiten von Lynn White, dem wohl renommiertesten anglophonen Medievalisten ueberhaupt. Der hat die Araber und Chinesen in technologischer Hinsicht schon um 1300 als eingeholt und ueberholt eingestuft hat.
 
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