War die Situation wirklich so?
Ja. Ich saug mir das doch nicht aus den Fingern...
Dass der Angriff auf Belgien völkerrechtswidrig war,
hat RK Bethmann Hollweg selbst vor dem Reichstag eingeräumt.
Zu den Massakern an der belgischen Bevölkerung
kam es zu Beginn des Krieges im Zuge des deutschen "Franktireur"-Wahns. Quellen hierzu: Gerhard Hirschfeld u.a., Enzyklopädie Erster Weltkrieg, 2003, unter Belgien, S. 44ff. "die deutschen Massaker an etwa 5.000 Zivilisten" (S. 46).; Ausführliche Untersuchung: Johne Horne/Alan Kramer, Deutsche Kriegsgreuel 1914, 2004.
Zur Bibliothek von Löwen: Hirschfeld, aaO, S. 45.
Zur gewaltsamen Deportation belgischer Arbeiter:
"Schließlich begangen die Deutschen von November 1916 an, belgische Arbeiter gewwltsam zu deportieren, um deutsche Arbeitskräfte zu ersetzen. (...) Mehr als 120.000 Belgier erlitten dieses Schicksal; 3.600 von ihnen starben in Deutschland" Hirschfeld, aaO, S. 48.
Zu den Spaltungsversuchen der deutschen Besatzungsmacht:
"Das Dekret über die administrative Teilung Belgiens vom 21. März 1917 vertiefte die Spaltung des Landes. Schließlich erklärte am 22. Januar 1918 der von den Deutschen protegierte Rat von Flandern die einseitige Unabhängigkeit Flanderns" (Hirschfeld, aaO, S. 48). Interessant ist auch Johannes Koll, Nationale Bewegungen in Belgien, 2005. Dort findet man aufschlussreiche Darstellungen zur großflämischen Bewegung und deren Unterstützung durch Deutschland.
Also: die deutsche Besatzung war wirklich hart und es sind in Belgien viele Verbrechen vorgekommen. Die angelsächsische Presse hat diese Verbrechen freilich übertrieben und das Bild von den teutonischen Barbaren gemalt, die Kinderhände abhacken und Soldaten kreuzigen, was natürlich nicht passiert ist. Dennoch hat es die oben genannten Vorkomnisse und Verbrechen gegeben und diese wiederum haben das deutsch-belgische Verhältnis belastet, wobei die deutsche Seite diese Verbrechen lange Zeit abgestritten hat.
tekker schrieb:
Gegen dein oben gezeichnetes Bild spricht m.E. einmal die prodeutsche Flamenbewegung,
Vorsicht: der große Teil der Flamenbewegung blieb loyal zu Belgien und auf Distanz zum Deutschen Reich. Nur ein kleiner Teil der Flamenbewegung ließ sich durch eine aktive "Flamenpolitik" der deutschen Besatzer (Bsp für diese: die Niederlandisierung der Uni Gent 1916) zur Kollaboration verleiten. - Quelle: Bruno de Wever, "Die Flämische Bewegung", in: Koll, aaO, S. 82.
Dieser Teil trat als "großniederländische Bewegung" (großflämische Bewegung) für eine Vereinigung des niederländischsprachigen Teils von Belgien mit den Niederlanden ein, wurde von Deutschland unterstützt und war - wenn verwundert dies - ausgesprochen prodeutsch. Und nach dem Krieg wurden viele Angehörige dieser Bewegung wegen Kollaboration bestraft (Lode Wills, "Die großniederländische Bewegung", in: Koll, aaO, S. 135 ff.). Ausgerechnet in den Anhängern dieser Bewegung Zeugen für ein gemäßigtes deutsches Besatzungsregime sehen zu wollen, ist dann doch etwas fragwürdig; zumal in Belgien auch noch katholische Wallonen lebten.
Auf deutscher Seite gingen die großniederländischen Phantasieen übrigens noch einen Schritt weiter: Lode Wils zufolge soll Ludendorf am Anfang des Krieges dem niederländischen Geschäftsträger in Brüssel über den deutschen Generalgouverneur von der Goltz den Vorschlag unterbreitet haben, Belgien zwischen Frankreich und den Niederlanden aufzuteilen; "anschließend sollten dann die Niederlande dem Deutschen Reich beitreten" (Wils, Koll, aaO, S. 138).