Elsaß-Lothringen 1871-1918

Ich habe mal im Touristenbüro in Straßburg das Mädel gefragt, warum alle nur noch französisch sprechen. Da meinte sie entrüstet, da sei schließlich Frankreich. Auf die Idee zu kommen, daß man auch Franzose mit deutscher Muttersprache sein kann, kam sie nicht, da sitzt die Propaganda der frz. Zentralregierung seit 1789 zu tief.


Ehrlich gesagt hat mich das gerade etwas verwundert, aber ich war auch noch nie in Strasbourg im Touristenbüro, nur in einer Kleinstadt in Lothringen, wo T-Shirts mit Aufdruck in Lothringer Dialekt verkauft wurden, und Mundart Bücher. Das mag sicher von Ort zu Ort verschieden sein, aber in besagter Kleinstadt hatte ich eher den Eindruck, daß hier versucht wurde ganz bewusst die Mundart zu pflegen und nach Außen hin zu präsentieren. :grübel:
 
Bereits bei Caesars Invasion von Gallien stieß dieser auf germanische Völker, die links vom Rhein siedelten (Ariovist u.a.)
Die aber erst wenige Jahre vorher von Ariovist über den Rhein gebracht waren - eigentlich war schon der Rhein die Grenze zwischen Galliern und Germanen (soweit man beide überhaupt auseinanderhalten kann).

Bei der letzten Landtagswahl vor dem I. Weltkrieg haben allerdings die Parteien, die für den Anschluß an Frankreich eintraten, weniger als 10% erhalten
Das sagt wenig.
In erster Linie heißt das, daß 90% der Elsässer keinen Sinn darin sahen, eine solche Anschlußpolitik im Landtag zu verfolgen.
Ob das nun aus Begeisterung über die Zugehörigkeit zu Deutschland war, oder Einsicht in die politische Aussichtslosigkeit solcher Pläne, oder ob ihnen schlicht andere Themen wichtiger waren - das ist offen.

Man darf auch nicht vergessen, daß es in den letzten 100 Jahren erhebliche Wanderungsbewegungen gab.

Gerade die sehr für Deutschland engagierten Elsässer haben das Land nach 1918 in Scharen verlassen, ihre Nachkommen leben heute irgendwo in Deutschland.
Umgekehrt sind viele "echte" Franzosen ins Elsaß gezogen, meist aus diversen beruflichen Gründen.
 
Ehrlich gesagt hat mich das gerade etwas verwundert, aber ich war auch noch nie in Strasbourg im Touristenbüro, nur in einer Kleinstadt in Lothringen, wo T-Shirts mit Aufdruck in Lothringer Dialekt verkauft wurden, und Mundart Bücher. Das mag sicher von Ort zu Ort verschieden sein, aber in besagter Kleinstadt hatte ich eher den Eindruck, daß hier versucht wurde ganz bewusst die Mundart zu pflegen und nach Außen hin zu präsentieren. :grübel:

Straßburg ist eine Großstadt wie alle anderen auch, hat die selben Probleme, ich glaube mit die höchste Kriminalität in Frankreich, wie alle anderen auch.
Das ist kein Maßstab.

Die Elsässer sprechen und pflegen ihre Sprache durchaus, wie Du das ja von Lothringen beschreibst.
Was fehlt ist eben, wie gesagt, das Regulativ durch die Schriftsprache. Meine Kinder reden mit Fremden schriftdeutsch, (Muttersprache!) fangen die so an, kommen die Elsässer auf französisch, seit sie das geschnallt haben, reden sie mit denen schwäbisch, (Vatersprache!) dann kommen die auf elsässisch.

Für mich ist das klar, nicht zu diskutieren, Nachweise kann ich nicht bringen.
Also was solls?????
 
Bei der letzten Landtagswahl vor dem I. Weltkrieg haben allerdings die Parteien, die für den Anschluß an Frankreich eintraten, weniger als 10% erhalten - der gefühlsmäßge Anschluß an Deutschland war damals bereits vollzogen.

Und bezeichnenderweise hat Frankreich nach dem Krieg im Elsass auch keine Volksabstimmung durchführen lassen, obwohl Wilson in seinen 14 Punkten das Recht auf nationale Selbstbestimmung als alliiertes Kriegsziel erklärt hat - die Angst vor der Blamage war wohl zu groß.


Meines Erachtens nach, sollte man hier ein wenig differenzieren. Anscheinend, wenn man D. A. Harvey (2001) glauben schenken darf, dann war der oben beschriebene gefühlsmäßige Anschluß an Deutschland nicht ganz so einfach. In 'Constructing Class and Nationality in Alsace 1830-1945' Northern Illinois University Press (2001),
heißt es das unter den Arbeitern im Elsaß, der Egalitarismus der Französischen Ideale im Konflikt mit Deutschem Obrigkeitsdenken stand, was dann unter Arbeitern zu Jubel geführt habe, als das Elsaß nach dem Ersten Weltkrieg wieder zu Frankreich gehörte.

Ebenso weist er auf den ideologischen Unterschied zwischen Französischem und Deutschem Nationalgedanken hin, will heißen, der Französische Nationalgedanke basiert auf der Herleitung der Identität durch gemeinsame politische Ideale die von der Französischen Revolution abgeleitet werden, während der Deutsche Nationalgedanke kulturell und vor Allem sprachlich bedingt sei. (N.B.: Harveys Theorie nach.) Seiner Theorie nach, scheint er die Ansicht zu vertreten, daß es den Elsässern in erster Linie darum ging von keiner zentralen Regierung, ganz gleich welcher, reingeredet zu bekommen, und ihre Identität unabhängig verschiedener Nationalgedanken auf der lokalenen Ebene als Gruppe verstanden hätten. Also wäre es durchaus vorstellbar sich politisch mit Frankreich verbunden zu fühlen, aber sich dennoch als eigene kulturelle Gruppe zu verstehen.

Diese Einstellung scheint Tradition zu haben, wenn man etwas in der Zeit zurückgeht. So fand in Straßburg im Jahr 1775 die Gründung der “Gesellschaft zur Ausbildung der Deutschen Sprache“ (fortan als ‚die Gesellschaft’ bezeichnet) statt, die auch eine Wochenzeitung mit Namen ‚Der Bürgerfreund’ herausbrachte. Trotz des Enthusiasmus für die Deutsche Sprache, betrachtete die Gesellschaft sich politisch an Frankreich gebunden. Eines der Mitglieder jedoch, Blessig, beklagte sich, dass seine Freunde zwischen dem Deutschen und Französischen so oft wechselten, dass sie keines mehr richtig könnten.

Ein anderes Mitglied, Michael Lenz, sagte in seiner Rede zur Gesellschaft am 2. November 1775 ausdrücklich: "Wir sind alle Deutsche." Im nächsten Atemzug wird die Französische Regierung gepriesen: "Eben weil diese Regierung menschenfreundich und beglückend ist, fordert sie diese Aufopferung (gemeint ist die Assimilierung) Ihnen nicht; der Geist, meine Herren leidet keine Naturalisation" Und eine Woche später heißt es wieder von Lenz, man möge das Band mit 'ihrem Deutschen Vaterlande' erhalten. Die Mitglieder der Gesellschaft sahen anscheinend keinerlei Widerspruch darin Deutschland- zu jener Zeit ja noch kein Nationalstaat, also im kulturellen Sinne zu verstehen- als 'Vaterland' zu bezeichnen, und zugleich Frankreich gegenüber loyal zu sein.

(Quelle: 'Nation-Building and Cultural Particularism in Eighteenth-Century France: The Case of Alsace’, Author(s): David A. Bell Source: Eighteenth-Century Studies, Vol. 21, No. 4, (Summer, 1988), pp. 472-490 Published by: The Johns Hopkins University Press. Sponsor: American Society for Eighteenth Century Studies (ASECS).)

Aufgrund dessen, daß im Laufe der Zeit, die Elsässer scheinbar durchaus in der Lage waren zwischen politischer und/ oder gefühlsmäßiger Bindung zu entscheiden, frage ich mich in wie weit man hier überhaupt von Wahlergebnissen auf gefühlte Anbindung schließen kann. Ohne raten zu wollen wie die Elsässer sich entschieden hätten, hätte man sie nach dem Ersten Weltkrieg vor die Wahl gestellt, bin ich der Meinung, daß diese Entscheidung aus einem grundsätzlich Elsässischen Selbstverständnis heraus gefällt worden wäre, welches sich schlecht in die rigiden Vorstellungen von 'entweder Deutsch oder Französisch' hineinpressen lässt.
 
Was fehlt ist eben, wie gesagt, das Regulativ durch die Schriftsprache. Meine Kinder reden mit Fremden schriftdeutsch, (Muttersprache!) fangen die so an, kommen die Elsässer auf französisch, seit sie das geschnallt haben, reden sie mit denen schwäbisch, (Vatersprache!) dann kommen die auf elsässisch.

Für mich ist das klar, nicht zu diskutieren, Nachweise kann ich nicht bringen.
Also was solls?????

So kenn' ich das eher auch, aus eigener Erfahrung. Mit 'Saarlännisch Platt' komme ich in Lothringen meistens auch weiter als mit meinem Schulfranzösisch. Wenn's dann im Café kommt: "Ei, der do Kaffee macht dann trois euro et vingt centimes, s'il vous plait, unn' Euch noch e scheener Daa'" ist es mit Hochdeutsch oder Hoch-Französisch eh vorbei :)

Auch für mich klar, aber es fehlt halt der Nachweis. :(
 
Das sagt wenig.
In erster Linie heißt das, daß 90% der Elsässer keinen Sinn darin sahen, eine solche Anschlußpolitik im Landtag zu verfolgen.

Das sehe ich anders. Die Erfahrung lehrt, daß einheimische Bevölkerungen, die sich von der Zentrale minorisiert fühlen, fast geschlossen ihre ethnische Partei wählen, und zwar über alle sonstigen politischen Links-Rechts-Grenzen hinweg. So wie die SVP in Südtirol, die von Südtirolern aller politischen Richtungen gewählt wird, während die Italiener ihre eigenen Parteien haben. Daß es solche eine Wahlkonstellation damals nicht in E-L gab, ist der objektiveste Grund zur Annahme, daß die Elsässer mittlerweile im Reich angekommen waren, auch wenn es sich sicherlich noch Spannungen wie die Zabern-Affäre gab.
 

Ebenso weist er auf den ideologischen Unterschied zwischen Französischem und Deutschem Nationalgedanken hin, will heißen, der Französische Nationalgedanke basiert auf der Herleitung der Identität durch gemeinsame politische Ideale die von der Französischen Revolution abgeleitet werden, während der Deutsche Nationalgedanke kulturell und vor Allem sprachlich bedingt sei. (N.B.: Harveys Theorie nach.)

Der Mythos von der frz. Staatsnation. In Wirklichkeit ist Frankreich das einzige Land der EU, das den Gebrauch einer Staatssprache in seiner Verfassung verankert hat.


Aufgrund dessen, daß im Laufe der Zeit, die Elsässer scheinbar durchaus in der Lage waren zwischen politischer und/ oder gefühlsmäßiger Bindung zu entscheiden, frage ich mich in wie weit man hier überhaupt von Wahlergebnissen auf gefühlte Anbindung schließen kann. Ohne raten zu wollen wie die Elsässer sich entschieden hätten, hätte man sie nach dem Ersten Weltkrieg vor die Wahl gestellt, bin ich der Meinung, daß diese Entscheidung aus einem grundsätzlich Elsässischen Selbstverständnis heraus gefällt worden wäre, welches sich schlecht in die rigiden Vorstellungen von 'entweder Deutsch oder Französisch' hineinpressen lässt.

Sehe ich ähnlich. Aber nach 1945 haben die Elsässer sich den Franzosen kulturell ergeben, um nicht als Nazis dazustehen. Die elsässische Identität von heute ist nicht mehr die der vergangenen Zeiten, nicht mehr eigenständig und sui generis, sondern eher eine von vielen Lokalvarianten der französischen.

Und in Straßburg ist sie teilweise nichtmals mehr das, die vielen Emigranten aus Afrika haben überhaupt keine Beziehung zum Elsass, ja wahrscheinlich nichtmals zu Frankreich mehr.
 
Die aber erst wenige Jahre vorher von Ariovist über den Rhein gebracht waren - eigentlich war schon der Rhein die Grenze zwischen Galliern und Germanen (soweit man beide überhaupt auseinanderhalten kann)

Siedelten die Germanen nicht schon vor Ariovist jenseits des Rhein? Jedenfalls hiessen die beiden römischen Provinzen in der Antike durchgängig "Germania Superior" und "Germania Inferior", gehörten also nach damaligen Verständnis zu Germanien, nicht zu Gallien. Daß Gallien am Rhein endet ist ein frz. Mythos aus der Zeit des Sonnenkönigs, Frankreichs 'natürliche Grenze' lag in Wirklichkeit deutlich westlich vom Rhein.
 
Bei Cäsar ist Germanien noch rechtsrheinisch: "sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt". So sieht das auch 150 Jahre später noch Tacitus: "Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno et Danuvio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur:"
 
Die Erfahrung lehrt, daß einheimische Bevölkerungen, die sich von der Zentrale minorisiert fühlen, fast geschlossen ihre ethnische Partei wählen...
Es gibt solche Erfahrungen (z. B. in Südtirol), aber es gibt dazu nicht "DIE Erfahrung".
So viele Fälle dieser Art haben wir gar nicht, wo die politischen Strukturen zur Bildung von Minderheitspartien führen, und die Rahmenbedingungen sind doch sehr unterschiedlich.

Die Elsässer waren ja nicht ethnische Franzosen, die sich von den Deutschen grundsätzlich distanzierten.
Sondern sie hatten und haben eben dieses gemischte Erbe: Politisch und gesellschaftlich eher nach Frankreich orientiert, sprachlich und kulturelle eher nach Deutschland.

Nur eine kleine Minderheit war daher vor 1918 für den Anschluß an Frankreich oder nach 1918 für die Rückgliederung an Deutschland.
Die breite Mehrheit konnte wohl mit beiden Optionen leben - wenn sie ihre eigene elsässische Identität leben konnte.
 
Siedelten die Germanen nicht schon vor Ariovist jenseits des Rhein?
"Eigentlich" nicht - soll heißen, ganz exakt kennt man die Bevölkerungsverteilung nicht.
Im wesentlichen waren die linksrheinischen Stämme aber eher Kelten.
Sicher ist das zum Beispiel für die Treverer rund um Trier und Mainz. Umstritten sind die Eburonen rings um Köln.

Jedenfalls hiessen die beiden römischen Provinzen in der Antike durchgängig "Germania Superior" und "Germania Inferior", gehörten also nach damaligen Verständnis zu Germanien, nicht zu Gallien.
Nicht durchgängig.
Niedergermanien wurde zuerst zu Gallien gerechnet und erst so benannt, nachdem (vorher rechtsrheinisch lebende) germanische Ubier von den Römern linksrheinisch angesiedelt wurden.

Ansonsten waren die beiden Provinznamen auch ein wenig Propagandabezeichnungen um zu vernebeln, daß die Römer im wesentlichen mit der Eroberung Germaniens gescheitert waren.

Daß Gallien am Rhein endet ist ein frz. Mythos aus der Zeit des Sonnenkönigs, Frankreichs 'natürliche Grenze' lag in Wirklichkeit deutlich westlich vom Rhein.
Die "natürlichen Grenzen" Frankreichs sind in der Tat ein Mythos.
Zwischen Deutschland und Frankreich gab es nie "natürliche Grenzen", nur die NACH der Völkerwanderung entstandene Sprachgrenze.
 
Siedelten die Germanen nicht schon vor Ariovist jenseits des Rhein? Jedenfalls hiessen die beiden römischen Provinzen in der Antike durchgängig "Germania Superior" und "Germania Inferior", gehörten also nach damaligen Verständnis zu Germanien, nicht zu Gallien. Daß Gallien am Rhein endet ist ein frz. Mythos aus der Zeit des Sonnenkönigs, Frankreichs 'natürliche Grenze' lag in Wirklichkeit deutlich westlich vom Rhein.


Wo die Germanen überall siedelten.....

Bei mir im Gäu, rechtsrheinisch weiß man nicht so richtig wer da siedelte, demnach die Urzelle von Esperantoland:yes:
 
...vielleicht hierzu ein Anmerkung meines Urgroßvaters der 1912/13 und 1915/16in Straßburg / Hagenau (Elsaß) und Dieuze (Lothringen) stationiert und somit Augenzeuge war: Lt. seiner Aussage jubelten die Elsässer wenn die deutschen Regimenter durch die Straßen zogen,schwenkten schwarz-weiß-rote Fähnchen etc. Während die Bevölkerung in Lothringen die Fensterläden zuwarf als sie mit klingender Regimentsmusik vorbeimaschierten.........

Ich bin auch sehr skeptisch, wenn gerade in der modernen deutschen Geschichtsschreibung immer behauptet wird, im Elsass oder in Deutsch-Lothringen habe es kein oder kaum deutsches Bewusstsein gegeben. Man gewinnt manchmal den Eindruck, inzwischen werde beim Verfassen von Schulbüchern gleich im Westen abgeschrieben.

Da denke ich an den patriotischen Jubel von 1914 oder an meine Gespräche mit Kriegsteilnehmern des Zweiten Weltkrieges, die von begeistert kämpfenden Elsässern in Wehrmachts- und SS-Uniform sprachen. Das erkennt man auch an den Matrikeln von Wehrmacht und Waffen-SS, die viele Namen von Elsässern und Lothringern in hohen Rängen aufweisen, was den Betreffenden dann nach 1945 hohe Haftstrafen in Frankreich einbrachte.
Im damaligen Reichsgau Baden-Elsass waren auch viele HJ-Führer Elsässer. So schnell, wie die damals Karriere gemacht haben, können die nicht alle Zwangsgezogene gewesen sein. Ich empfehle auch mal, den Film "Die Elsässer" anzuschauen.


Eigentlich schrieben schon im Alten Reich viele Schriftsteller im Elsass von der drohenden französischen Gefahr. Sie sahen vieles voraus. Und nach der stückweisen Eroberung durch Ludwig XIV. kam es sofort zu Bauernaufständen, die aber alle blutig niedergeschlagen wurden. Von einem freiwilligen Übergang nach Frankreich kann da keine Rede sein, nur erlahmt irgendwann jeder Widerstand.

Die Rückeroberungsversuche durch den Pandurenoberst Franz von der Trenck im 18. Jhd. wurden von Maria Theresia aus diplomatischen Gründen abgeblasen (Aussöhnung mit Frankreich, Verheiratung ihrer Tochter Marie-Antoinette mit Ludwig XVI., der das in der Revolution schlecht bekam). Dann bestand 1815 auf dem Wiener Kongress nach der Niederlage Napoleons I. gleich die nächste Möglichkeit, das Elsass "zurückzuholen", aber wieder gaben die Deutschen aus diplomatischen Gründen nach. 1871 klappte es dann bis 1918. In der Zwischenkriegszeit gab es im Elsass eine entschlossene Autonomiebewegung, die aber harten Repressionen ausgesetzt war und deren Anführer Karl Roos schliesslich noch vor dem deutschen Einmarsch 1940 exekutiert wurde. Im Zweiten Weltkrieg gabe es dann massive Kollaboration mit den deutschen Besatzungstruppen. Dazu muss man sich nur einmal die Autobiographie Tomi Ungerers anschauen. Nach 1945 wollte sich kaum jemand mehr zu Deutschland bekennen, weil es den Krieg verloren hatte und die Naziverbrechen bekannt wurden. Trotzdem gab es auch dann noch nicht nur viele verschiedene autonomistische und separatistische Gruppen, die bis heute existieren, sondern auch die Terrororganisation der Schwarzen Wölfe, die aber inzwischen zerschlagen ist.

Ihr könnt ja auch gerne mal einige autobiographische Skizzen des heute wieder so stark rezipierten Journalisten Peter R. Scholl-Latour lesen, dessen Eltern Elsass-Lothringer waren. Die waren im Kaiserreich eher nicht im Widerstand und er selber in der Nazizeit auch erst seit 1944, als eine paranoide Gestapo jeden verfolgte.
 
Frage zu Belfort:
Die Festung und das Umland verblieben 1871 bei Frankreich.
Obwohl das Gebiet eindeutig zum Elsaß gehört (Problem für das Reich: Regionsidentität)
Obwohl eine leistungsfähige Festung existierte (Kriegsziele vgl. Metz)
Die Grenzziehung in Lothringen ist ja schon fragwürdig, aber dort...
Weiß jemand den Grund für diesen Verzicht?
=> "tapfere Verteidung" der Festung, wie bei Wiki ist einfach nicht schlüssig.
 
Bismarck wollte den Krieg zügig beendet sehen; schom um ein Eingreifen der anderen europäischen Großmächte zu vermeiden.

Wenn Belfort auf den Annexionskatalog gestanden hätte, wäre der Frieden möglicherweise noch später zustandegekommen. Der Frankfurter Friede wurde ja bekanntermaßen erst im Mai 1871 abgeschlossen. Es war schon mit den schließlich durchgesetzten Forderungen äußerst schwierig gewesen.
 
Frage zu Belfort:
Die Festung und das Umland verblieben 1871 bei Frankreich.
Obwohl das Gebiet eindeutig zum Elsaß gehört (Problem für das Reich: Regionsidentität)
Obwohl eine leistungsfähige Festung existierte (Kriegsziele vgl. Metz)
Die Grenzziehung in Lothringen ist ja schon fragwürdig, aber dort...
Weiß jemand den Grund für diesen Verzicht?
=> "tapfere Verteidung" der Festung, wie bei Wiki ist einfach nicht schlüssig.

Eine im Prinzip vergleichbare Situation zu Metz: beides strategisch wichtige Festungen und französischsprachiges Gebiet.

Vielleicht wollte man nicht ein "Zuviel" an Gebietsveränderungen? Die möglichen Gründe dafür hat Turgot schon genannt.

Es wird doch sicherlich auch von Bismarck bzw. deutscher Seite Quellen geben, die den Umfang der Gebietsabtretungen erläutern. Hat die jemand im Zugriff?
 
Bismarcks Ansicht zu der Frage der Annexion entwickelte sich. So schrieb er am 15.Juli an das AA:"Das Elsaß behalten wir im Frieden, wenn es Gottes Wille ist. (1)

Am 21.August war bereits die Rede von Friedensbedinungen, "welche wir bei fortdauernd glücklichen Erfolge unserer Waffen würden an Frankreich stellen müssen." (2)

Am 25.August ist von der Unmöglichkeit auf eine Änderung der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland zu verzichten.(3)

Am 29.August wird die Absicht Straßburg und Metz zu behalten formuliert.(4)


Alles aus Kolb, Der Weg aus dem Krieg, Bismarcks Politik im Krieg und die Friedensanbahnung 1870/71.

(1) Bismarck an das AA vom 15.07.1870

(2) Diese Formulierung findet sich in einem Erlaß an Bernstorff vom 21.08.1870

(3) Bismarck an Reuß, Barl le Duc PA I ABc 70 Bd.36, l1

(4) Konzept von Moritz Busch mit eigenhändigen Korrekturen von Bismarck
 
Bismarck stand doch auch in engem Kontakt zum Generalstab.

Möglicherweise wurden die Regionen und Festungen in ihrer strategischen Bedeutung sehr unterschiedlich eingeschätzt. Dabei dürfte das Vorfeld von Lothringen überragende Bedeutung besessen haben, während Belfort mit der Burgundischen Pforte nur einen Nebenkriegschauplatz in der gedachten nächsten möglichen Auseinandersetzung darstellen würde.
 
Wenn es nach Moltke gegangen wäre, dann hätte der Krieg noch dauern dürfen. Er wollte Frankreich ein weit größere Niederlage bereiten, um für längere Zeit "Ruhe zu haben".
 
Ja, sicher, aber das hilft uns doch bei der Frage der zugewiesenen Bedeutung von Belfort nicht weiter.

Wenn diese als nachrangig angesehen wurde, weil sich die weiträumigen Operationsideen auf die Maas oder nordwestlich davon konzentrierten, würde das die geringe Beachtung von Belfort erklären.
 
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