...vielleicht hierzu ein Anmerkung meines Urgroßvaters der 1912/13 und 1915/16in Straßburg / Hagenau (Elsaß) und Dieuze (Lothringen) stationiert und somit Augenzeuge war: Lt. seiner Aussage jubelten die Elsässer wenn die deutschen Regimenter durch die Straßen zogen,schwenkten schwarz-weiß-rote Fähnchen etc. Während die Bevölkerung in Lothringen die Fensterläden zuwarf als sie mit klingender Regimentsmusik vorbeimaschierten.........
Ich bin auch sehr skeptisch, wenn gerade in der modernen deutschen Geschichtsschreibung immer behauptet wird, im Elsass oder in Deutsch-Lothringen habe es kein oder kaum deutsches Bewusstsein gegeben. Man gewinnt manchmal den Eindruck, inzwischen werde beim Verfassen von Schulbüchern gleich im Westen abgeschrieben.
Da denke ich an den patriotischen Jubel von 1914 oder an meine Gespräche mit Kriegsteilnehmern des Zweiten Weltkrieges, die von begeistert kämpfenden Elsässern in Wehrmachts- und SS-Uniform sprachen. Das erkennt man auch an den Matrikeln von Wehrmacht und Waffen-SS, die viele Namen von Elsässern und Lothringern in hohen Rängen aufweisen, was den Betreffenden dann nach 1945 hohe Haftstrafen in Frankreich einbrachte.
Im damaligen Reichsgau Baden-Elsass waren auch viele HJ-Führer Elsässer. So schnell, wie die damals Karriere gemacht haben, können die nicht alle Zwangsgezogene gewesen sein. Ich empfehle auch mal, den Film "Die Elsässer" anzuschauen.
Eigentlich schrieben schon im Alten Reich viele Schriftsteller im Elsass von der drohenden französischen Gefahr. Sie sahen vieles voraus. Und nach der stückweisen Eroberung durch Ludwig XIV. kam es sofort zu Bauernaufständen, die aber alle blutig niedergeschlagen wurden. Von einem freiwilligen Übergang nach Frankreich kann da keine Rede sein, nur erlahmt irgendwann jeder Widerstand.
Die Rückeroberungsversuche durch den Pandurenoberst Franz von der Trenck im 18. Jhd. wurden von Maria Theresia aus diplomatischen Gründen abgeblasen (Aussöhnung mit Frankreich, Verheiratung ihrer Tochter Marie-Antoinette mit Ludwig XVI., der das in der Revolution schlecht bekam). Dann bestand 1815 auf dem Wiener Kongress nach der Niederlage Napoleons I. gleich die nächste Möglichkeit, das Elsass "zurückzuholen", aber wieder gaben die Deutschen aus diplomatischen Gründen nach. 1871 klappte es dann bis 1918. In der Zwischenkriegszeit gab es im Elsass eine entschlossene Autonomiebewegung, die aber harten Repressionen ausgesetzt war und deren Anführer Karl Roos schliesslich noch vor dem deutschen Einmarsch 1940 exekutiert wurde. Im Zweiten Weltkrieg gabe es dann massive Kollaboration mit den deutschen Besatzungstruppen. Dazu muss man sich nur einmal die Autobiographie Tomi Ungerers anschauen. Nach 1945 wollte sich kaum jemand mehr zu Deutschland bekennen, weil es den Krieg verloren hatte und die Naziverbrechen bekannt wurden. Trotzdem gab es auch dann noch nicht nur viele verschiedene autonomistische und separatistische Gruppen, die bis heute existieren, sondern auch die Terrororganisation der Schwarzen Wölfe, die aber inzwischen zerschlagen ist.
Ihr könnt ja auch gerne mal einige autobiographische Skizzen des heute wieder so stark rezipierten Journalisten Peter R. Scholl-Latour lesen, dessen Eltern Elsass-Lothringer waren. Die waren im Kaiserreich eher nicht im Widerstand und er selber in der Nazizeit auch erst seit 1944, als eine paranoide Gestapo jeden verfolgte.