Die Frage stelle ich mir gerade, weil ich mich mit der germanischen Siedlungsweise am Ende der VWZ auseinandersetze. Es scheint ja so, dass die Germanen die eroberten römischen Siedlungen und Gehöfte mieden, wie der Teufel das Weihwasser. Anstatt die im Vergleich überlegenen und komfortableren Steinhäuser zu beziehen, baute man weiterhin seine Lang- und Fachwerkhäuser. Die Bauten der Römer wurden höchstens als Steinbrüche oder als Fundament genutzt.
Selbst Straßennetzwerke oder Wasserleitungen zerfielen. Man möchte doch meinen, dass die Rom-orientierte Oberschicht der Stämme hierfür Verwendung gefunden hätte.
Woran mag das liegen?
Ich denke, dass der Verfall der Einrichtungen und Siedlungen ein schleichender Prozess war, der mit dem Chaos der Völkerwanderungszeit zusammenhängt.
Die Römer haben doch schon in den letzten Jahrzehnten z.B. in den nördlichen Grenzprovinzen zurückgebaut was das Zeug hält: Stadtmauern wurden den veränderten Siedlungssituationen angepasst, Wasserleitungen nicht mehr gewartet, die Trierer Barbarathermen haben sie sogar aktiv unbrauchbar gemacht, als sie die unterirdischen Heizräume verfüllten.
In Sachen Steinmetzarbeiten und z.B. auch der Qualität der Münzprägungen, geht es auch im restlichen Reich bergab.
Die Grenzgebiete ließen die Römer seit dem 5.Jh. größtenteils von germanischen Foederati sichern, die teilweise in ganzen Stammesgruppen rechts des Rheins angesiedelt wurden. Die Straßen- und brückenbauenden Legionen mit ihren Ingenieuren und Handwerkern, gab es nicht mehr. Das Wissen geriet in Vergessenheit und zwar zum Teil noch in der Römerzeit.
Als die Germanen rechts des Rheins siedelten, haben sie ganz sicher manche römischen Einrichtungen genutzt. Stadtbefestigungen wurden, wie in Boppard, von alten und neuen Bewohnern bis weit ins Mittelalter hinein benutzt. Ebenso nutzte die christliche Kirche ihre Gebäude aus römischer Zeit weiter, zumindest die sakralen. In Strassburg, Mainz, Trier, Köln waren die Bischöfe Hauptgrund für die Siedlungskontinuität von der Antike ins Mittelalter. Das wurde aber auch schon an anderer Stelle angesprochen.
Dass die germanische Oberschicht römische Objekte teilweise bewohnte ist klar. Diese hatte am ehesten die Mittel und das Wissen solche Gebäude zu unterhalten. In Trier gibt es z.B. einen römisches Palast, der vom merowingischen Königshaus weitergenutzt wurde und der im Falle eines Gebäudes sogar bis heute mehr oder weniger "bewohnt" war.
Ich denke aber, eigentlich alle römischen Siedlungen wurden in der ersten Zeit der germanischen Landnahme hauptsächlich von der romanischen Restbevölkerung bzw. der Kirche am Leben gehalten, bevor Gallorömer und Germanen nach und nach miteinander verschmolzen.
Dass die Masse der Germanen eigene Wege ging, hängt meines Wissens auch mit deren Siedlungsvorlieben zusammen. Klar, sie Betrieben Ackerbau und Viezucht, waren also eher Bauern als Handwerker. Aber dass sie die römischen Gutshöfe nicht bewohnen wollten hängt damit zusammen, dass sie lieber in Tälern, an Fluss- und Bachläufen mit zuverlässiger Wasserversorgung siedelten, wohingegen die Römer ihre Villae eher an schönen sonnigen Hügeln mit guter Sicht bauten. Das Wissen um die Technik solche Anwesen mit Wasser zu versorgen, hatten die Germanen nicht.