Kalkrieser Münzen

Nach anderer Darstellung ist „IMP mit Lituus“ (Augurenschaft und Annahme des Titels Imperator) dem Germanicus zuzuweisen.

Tac. I 58:
„Sein Heer führte er zurück und nahm auf Anweisung des Tiberius den Titel „Imperator“ an.“

Der Gegenstempel ist somit in das Jahr 15 n.Chr. zu datieren.
Dass es Donationen des Germanicus an seine Soldaten gab, ist durch Tacitus überliefert:

Tac. I, 52:
„Die Freude galt der Niederwerfung des Aufstandes, aber er (Tiberius) fühlte sich dadurch bedrückt, dass Germanicus durch Geldspenden und die übereilte Bewilligung der Entlassung sich um die Gunst der Truppe bemüht hatte.“

Tac. I, 71:
„Germanicus lobte ihren Eifer, nahm jedoch nur Waffen und Pferde für die Kriegführung an und half den Soldaten mit seinem eigenen Gelde.“

Welchen Gegenstempel, wenn nicht „IMP mit Lituus“, sollte man dem Germanicus zuweisen? Oder hat er Geld verteilt, jedoch von der beliebten Praktik der Gegenstempelung keinen Gebrauch gemacht?

Jonglierst Du hier nicht ein wenig zuviel mit dem chronologischen Ablauf? Die Geldgeschenke stehen zunächst in Zusammenhang mit Germanicus' Ankunft bei den rebellierenden Truppen, er erhält aber erst nach der Schlacht gegen die Chatten den Titel Imperator. Und wie kommt das Geld aus I, 71, welches Germanicus bestimmt an die Legionen verteilte, in solchen Massen nach Kalkriese, obwohl eigentlich keine Schalcht mehr geschlagen wurde?
Was ist mit den VAR- und CVAL-Stempeln?
 
Jonglierst Du hier nicht ein wenig zuviel mit dem chronologischen Ablauf? Die Geldgeschenke stehen zunächst in Zusammenhang mit Germanicus' Ankunft bei den rebellierenden Truppen, er erhält aber erst nach der Schlacht gegen die Chatten den Titel Imperator. Und wie kommt das Geld aus I, 71, welches Germanicus bestimmt an die Legionen verteilte, in solchen Massen nach Kalkriese, obwohl eigentlich keine Schalcht mehr geschlagen wurde?
Was ist mit den VAR- und CVAL-Stempeln?

Deine Kritik ist absolut berechtigt. Zwar wurden noch zeitlich nach Tac I, 71 Schlachten geschlagen, z.B. bei Idistaviso und am Angrivarierwall, aber die haben ganz sicher nichts mit Kalkriese zu tun.
14 n.Chr. kann Germanicus noch nicht mit IMP gestempelt haben, da er den Titel noch nicht trug.
Es ist aber durchaus möglich, dass er 15 n.Chr., als ihm nach erfolgreichem Chattenfeldzug der Titel Imperator verliehen wurde, anlässlich dieses Ereignisses Münzen mit dem Gegenstempel "IMP mit Lituus" schlagen ließ.
Der Lituus verweist auf die Augurenschaft, die Germanicus innehatte, während IMP seinen neuen Titel Imperator verkündet haben könnte.

Ist dieses zutreffend, so werden diese Münzen von seinen Legionären in der Schlacht an den pontes-longi (Kalkriese ?) mitgeführt worden sein.

In welchen Horiziont "IMP mit Lituus" einzuordnen ist, kann nur der Vergleich mit anderen Hortfunden erbringen.
Soviel ich weiß, sieht Wolters den o.g. Zusammenhang zu Germanicus.


Zu VAR:

VAR mit Varus in Verbindung zu bringen, gilt als allgemein anerkannt. Allerdings gibt es keinen historiographischen Hinweis, dass es Geldgeschenke des Varus an seine Legionen gab. Vielleicht hat Varus durch die Gegenstempelung lediglich seinen Antritt in der Provinz bekannt gegeben, ohne dass es sich um Donationen handelte. Eine eigene Münzprägung, wie zuvor in Beritos oder Achulla, war in Gallien und Germanien nicht vorgesehen.
 
Es gibt noch eine Merkwürdigkeit bei den Kalkrieser Münzen:
Das Bildnis des Augustus auf den Kupfermünzen ist auffallend häufig durch Schnittspuren zerkratzt. Kehne und Wolters sehen darin Unmutsäußerungen der meuternden Legionäre im Jahre 14 n.Chr..
Seltsamerweise treten diese Verunstaltungen auf Denaren nicht auf.
 
Vielleicht wollte man nicht riskieren, den Wert dieser Münzen zu schmählern. Bei den Kupfermünzen wäre das ja nicht besonders schlimm gewesen, die waren ja im Verhältnis zu den Denaren eh nur wenig wert.
 
Soviel war ein Silberdenar nun auch nicht wert, laut Wiki etwa ein Tagesgehalt. Nominell zählte doch wohl der Metallwert, egal wie zerkratzt das Bildnis des Erhabenen war. Ein heutiger Geldschein ist doch auch nicht entwertet, wenn er ein paar Gebrauchsspuren aufweist.
Vielleicht gibt es andere Erklärung, die wir heute nicht mehr wissen können, z.B. Zweckentfremdung der Kupfermünzen für irgendeinen anderen Gebrauch durch die Legionäre. Oder bei den einfachen Muschkoten war Silbergeld eh nicht so verbreitet?
 
Soviel war ein Silberdenar nun auch nicht wert, laut Wiki etwa ein Tagesgehalt. Nominell zählte doch wohl der Metallwert, egal wie zerkratzt das Bildnis des Erhabenen war. Ein heutiger Geldschein ist doch auch nicht entwertet, wenn er ein paar Gebrauchsspuren aufweist.

Im Verhältnis zum Kupferas hatte er schon einen gewissen Wert. Außerdem sind Denare ja relativ kleine Münzen. Wenn man mit viel Kraft dort herumkratzt und -säbelt, ist es denkbar, dass man die Münze auch stark beschädigen kann, indem beispielsweise Teile abgebrochen werden. Beim heutigen Geldschein hast du bei ein paar Kratzern sicher keine Probleme. Wenn du aber Fransen hineinschneidest, wird ihn dir sicher niemand mehr abnehmen.

Vielleicht gibt es andere Erklärung, die wir heute nicht mehr wissen können, z.B. Zweckentfremdung der Kupfermünzen für irgendeinen anderen Gebrauch durch die Legionäre. Oder bei den einfachen Muschkoten war Silbergeld eh nicht so verbreitet?

Auch wenn im Alltag Kaufgeschäfte vermutlich häufiger mit niedrigeren Münzen (z.B. Sesterzen) abgewickelt wurden, waren Silberdenare sicher in fast jedem Soldaten-Geldbeutel zu finden. Wurde nicht auch der Sold in Denaren ausgezahlt?
 
Zu den Münzfunden:

Natürlich ist es eine Sache ob die Münzen alle angeblich vor 9 n.Ch. geprägt worden sind. Die andere Frage ist jedoch wie lange sie im Umlauf waren.

Insbesondere stellt sich (für die Anhänger der Germanicus These in Kalkriese) folgende Frage:

Varus wurde doch nach der Schlacht als Hauptschuldiger für die Niederlage ausgemacht. Ist es wirklich wahrscheinlich, daß auch Jahre nach der Varusschlacht noch Münzen mit dem Gegenstempel VAR in Umlauf waren? Ausgerechnet Münzen mit einem Gegenstempel, der jeden Legionär immer wieder an diese Schmach erinnerte??
 
Zuletzt bearbeitet:
Varus wurde doch nach der Schlacht als Hauptschuldiger für die Niederlage ausgemacht. Ist es wirklich wahrscheinlich, daß auch Jahre nach der Varusschlacht noch Münzen mit dem Gegenstempel VAR in Umlauf waren? Ausgerechnet Münzen mit einem Gegenstempel, der jeden Legionär immer wieder an diese Schmach erinnerte??

Ja, durchaus.
Es erinnerte ihn auch daran, dass das Geld einstmals von Varus großzügig verschenkt wurde.
 
Nicole: moment, auf der einen Seite diskutierst du mit dem Argument, dass der germanische Name des Arminius von seiner Frau nicht an seinen Sohn gegeben wurde, weil Arminius "Staatsfeind Nr. 1" gewesen sei, aber die nachgewiesene Politik, die Schuld der Niederlage auf Varus abzuwälzen prädestiniert die Münzen deiner Meinung nach weiterhin dafür, sein Andenken positiv zu färben? Sehr merkwürdig.

salvus: es ist recht unwahrscheinlich, dass die Münzen gesucht und eingezogen wurden. Es kann gut sein, dass sie, wenn sie offiziellen Stellen in die Hände kamen einbehalten wurden, aber der Prozeß sie auszusieben dürfte längst nicht so massiv gewesen sein. Wir kennen das von den Kaisern, die der damnatio memoriae anheim fielen. Deren Namen und Bildnisse werden getilgt, aber Münzen finden sich auch weit später noch.
 
salvus: es ist recht unwahrscheinlich, dass die Münzen gesucht und eingezogen wurden. Es kann gut sein, dass sie, wenn sie offiziellen Stellen in die Hände kamen einbehalten wurden, aber der Prozeß sie auszusieben dürfte längst nicht so massiv gewesen sein. Wir kennen das von den Kaisern, die der damnatio memoriae anheim fielen. Deren Namen und Bildnisse werden getilgt, aber Münzen finden sich auch weit später noch.

Du hast Recht!

Aber:

Ich argumentiere gegen die Germanicus-These. Waren 6 Jahre nach der Varusschlacht noch wirklich eine beträchtliche Anzahl socher Münzen in Umlauf? War es nicht so, daß unmittelbar nach der Schlacht das Schlachtfeld ein gigantisches Chaos aus Schlamm, Wasser, Blut etc. darstellte?
Münzen waren leicht und sind bei jedem Tritt unter den morastigen Boden verschwunden. Das erklärt auch, warum man in Kalkriese über Jahrhunderte hinweg nur Münzen gefunden hat. Diese Funde kamen insbesondere wohl bei Ackerbauten zutage. Vor dem Traktorenzeitalter haben die Menschen hinter dem Pflug gestanden und in erster Linie auf den Boden geschaut! Die Münzen lagen natürlich kurz unter der Oberfläche.

Und nochmal eine logische (?) These zu den Münzen mit Gegenstempel VAR:

Ab 9.n.Chr. war derjenige, der die Münzen ausgab (Varus) tot.
Diejenigen, die in erster Linie die Münzen empfingen, nämlich seine Legionen waren ebenfalls vernichtet!

Frage: Warum sollten diese Münzen noch (zur Zeit des Germanicus) im Umlauf gewesen sein?
 
Und nochmal eine logische (?) These zu den Münzen mit Gegenstempel VAR:

Ab 9.n.Chr. war derjenige, der die Münzen ausgab (Varus) tot.
Diejenigen, die in erster Linie die Münzen empfingen, nämlich seine Legionen waren ebenfalls vernichtet!

Frage: Warum sollten diese Münzen noch (zur Zeit des Germanicus) im Umlauf gewesen sein?

Weil von den fünf Varuslegionen "nur" drei bei der Vernichtungsschlacht anwesend waren, zwei weitere waren davongekommen.
 
Nicole: moment, auf der einen Seite diskutierst du mit dem Argument, dass der germanische Name des Arminius von seiner Frau nicht an seinen Sohn gegeben wurde, weil Arminius "Staatsfeind Nr. 1" gewesen sei, aber die nachgewiesene Politik, die Schuld der Niederlage auf Varus abzuwälzen prädestiniert die Münzen deiner Meinung nach weiterhin dafür, sein Andenken positiv zu färben? Sehr merkwürdig.

Missverständnis. Ich hätte einen zwinkernden smiley setzen sollen.
Niemand hat nach der Varusschlacht das Andenken des Varus positiv färben wollen oder gar seinen Gegenstempel VAR noch verprägen lassen.
Andererseits werden Münzen dieses Typs nicht allesamt eingezogen worden sein, wie Du selber im Anschluss schreibst.
Die Anzahl der Kalkrieser Münzen, die VAR-Gegenstempel tragen ist übrigens eher gering, vielleicht ein Hinweis, dass ihre Anzahl bereits reduziert wurde. AVC kommt weit häufiger vor.
In Waldgirmes zum Beispiel ist der prozentuale Anteil der Münzen mit VAR-Gegenstempel höher als in Kalkriese.
Aber vor statistischen Rechnungen sei in diesen Größenordnungen stets gewarnt.
 
Weil von den fünf Varuslegionen "nur" drei bei der Vernichtungsschlacht anwesend waren, zwei weitere waren davongekommen.

Das ist richtig.

Aber:

Meinst du wirklich, das auch noch 5 (!) Jahre nach dieser Schmach noch Münzen mit diesem Gegenstempel in Umlauf waren?
 
Zuletzt bearbeitet:
Sicher nicht in hohen Konzentrationen. Das würde eine Abkopplung der Besitzer vom ausgebenden Wirtschaftssystem voraussetzen.
 
Von den über 1500 in Kalkriese gefundenen Münzen tragen gerade einmal sechs einen VAR-Gegenstempel.

Nicht gerade viele. Vielleicht waren sie tatsächlich mittlerweile dezimiert worden.
 
Von den über 1500 in Kalkriese gefundenen Münzen tragen gerade einmal sechs einen VAR-Gegenstempel.

Nicht gerade viele. Vielleicht waren sie tatsächlich mittlerweile dezimiert worden.

Sorry,

es waren über 30 Münzen!

Aber zugegeben:

Im Verhältnis waren es wirklich nicht zuviel....
 
Varus wurde doch nach der Schlacht als Hauptschuldiger für die Niederlage ausgemacht.
Nicht direkt nach der Schlacht. Augustus ließ das Haupt des Varus, als es endlich in Rom angekommen war, bestatten, seine Kinder machten weiter glänzende Karrieren - auch unter Tiberius langezeit.

Als jemand in Rom meinte den Sohn des Varus dadurch angreifen zu können, indem man ihm die Niederlage seines Vaters vorhielt, galt das nach Seneca als schlechtes Benehmen.

Erst im Zuge des Sturzes der Agrippina fiel auch die Familie des Varus. Und erst danach schrieb Velleius Paterculus seine vernichtende Kritik des Varus. Und erst dann ist Varus der Hauptschuldige der Schlacht.

Zu den Münzen:

Wenn wir darauf abzielen, wie wenig Münzen mit Gegenstempel VAR überhaupt gefunden wurden und daraus abzuleiten meinen, dass diese wenigen Münzen ja auch noch 15 mit im Umlauf gewesen sein könnten, dann stellt sich andersherum doch auch die Frage, warum eine so große Truppenzahl wie die 8 Legionen des Germanicus kaum eine nach 14 geprägte Münze dabei hatten bzw. diese verloren haben. Gerade Soldaten sollte man meinen, bekamen neue Münzen sehr schnell in die Hand (Soldzahlungen usw.).
 
Zu den Münzen:

Wenn wir darauf abzielen, wie wenig Münzen mit Gegenstempel VAR überhaupt gefunden wurden und daraus abzuleiten meinen, dass diese wenigen Münzen ja auch noch 15 mit im Umlauf gewesen sein könnten, dann stellt sich andersherum doch auch die Frage, warum eine so große Truppenzahl wie die 8 Legionen des Germanicus kaum eine nach 14 geprägte Münze dabei hatten bzw. diese verloren haben. Gerade Soldaten sollte man meinen, bekamen neue Münzen sehr schnell in die Hand (Soldzahlungen usw.).

Diese Frage stellt sich in der Tat. Ich halte es zumindest für eher unwahrscheinlich, daß keinerlei Münzen, die nach 14 n. Chr. geprägt wurden im Zug des Germanicus dabei waren.
Auch stellt sich wieder einmal die Frage nach den Münzhorten, bzw. auch einer größeren Ansammlung gleichartiger Münzen. Varus wird wohl eine große Anzahl an Münzen dabeigehabt haben um an germanische Fürsten entsprechende "Geschenke" zu machen. Aber wozu sollte Germanicus so viel Geld mit sich geführt haben. Seine Expeditionen hatten nur einen Zweck: Krieg
Er benötigte keine größeren Summen für irgendwelche germanischen Stämme.
 
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