Du rekkurierst immer wieder auf deine HCS-Methode, daher lass mich ein paar Worte dazu verlieren. Auf die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Methode auf den eigentlich Sachverhalt will ich dabei gar nicht eingehen.
Das Problem liegt nämlich in erster Linie darin, dass die schönste und unter anderen Umständen zielführendste Methode nichts wert ist, wenn die Prämissen nicht stimmen. Und genau hier liegt das Problem. Sie stimmen einfach nicht.
Falsche Prämisse Nr. 1: Du gehst von einer Verwandtschaft der Ortsnamen Gadir und Agadir aus. Das ist zunächst naheliegend, sind es doch beides Hafenstädte nahe der Straße von Gibraltar. Ich habe mich aus anderen Gründen mal für dieselbe Frage interessiert, und bin damals schon zu dem Ergebnis gekommen, dass die Namensähnlichkeit nur zufällig ist. Du aber meinst, das phönizische Gadir (Mauer, Umzäunung) sei mit dem berberischen Agadir (Kornlager) bedeutungsgleich, weil das Berberische ein Zweig der afroasiatischen Sprachen sei, so wie auch die semitischen Sprachen ein Zwei dieser Großfamilie sind.
So einfach ist es aber nicht. Ich will dir ein Beispiel mit einem deutschen und einem spanischen Wort bringen: hervor.
Das deutsche hervor ist ein Lokaladverb, das spanische hervor ist ein Substantiv, es bedeutet 'Dampf'. Deutsch und spanisch sind eng miteinander verwandt, handelt es sich doch bei beiden Sprachen um Vertreter des westlichen Zweigs der indoeuropäischen Sprachen. Trotzdem ist das gleich geschriebene und bis vor ca. 500 Jahren auch gleich ausgesprochene Wort nicht identisch. Natürlich könnte man mit findigen Sprachspielchen jetzt eine Pseudoetymologie herleiten: "Wenn Wasser kocht, kommt Dampf hervor." Sehr sinnvoll ist das aber offensichtlich nicht. Natürlich ist das spanische Wort hervor von hervir für 'Wasser kochen' abgeleitet und hat nichts mit dem deutschen Lokaladverb zu tun.
Die von mir hier skizzierte Methode der pseudoetymologischen Herleitung ist es aber, die du hier zur Anwendung bringst. Zwei ähnlich klingende Worte deren Morphemgrenzen völlig außer acht gelassen werden, werden aufgrund einer entfernten Verwandtschaft der Sprachen in einen gemeinsamen Kontext gepresst, was keiner Überprüfung stand hält.
Falsche Prämisse Nr. 2: Eine etymologische Verwandtschaft der semitischen Wörter für Insel g-z-r-(t) und Mauer g-d-r: Diese These kann schon damit widerlegt werden, dass sie in der semitischen Morphologie nicht entspricht. Im Prinzip basiert sie nur auf dem An- und Auslaut, der Rest des Wortes (und Radikale sind in semitischen Sprachen, wie ich schon ausführte nciht austauschbar) wird außer Acht gelassen.
Im Übrigen erinnert mich das an eine andere Atlantis-Hypothese, die genau so funktionierte. Andalusien (al-Andalus) sei Atlantis wurde selbst in der renommierten spanischen Geschichtszeitschrift al-Andalus (heute al-Qantara) mal behauptet. Die These basierte eben auch auf dem An- und Auslaut von Andalus und Atlantis. dass die Araber Atlantis erst mal kräftig hätten schütteln müssen, um daraus Andalus zu formen, dürfte deutlich sein.
Falsche Prämisse Nr. 3: Gegen jede Vernunft, gegen alle Unwahrscheinlichkeits- und Vagheitsmarker gehst Du von der tatsächlichen Existenz von Atlantis aus. Lassen wir uns mal zugunsten deiner These auf diese Prämisse ein, dass Atlantis existiert habe, dann würde ich die von dir angewandte Methode sogar gelten lassen. Doch ist festzustellen, dass Du dich eben nicht so genau an die Angaben Platons hälst. Hier gehst Du äußerst unsauber vor und deine Begründungen, wann Platon Glauben zu schenken ist und wann nicht, erscheinen mir zumindest fadenscheinig.
Was ist z.B. mit dieser Stelle: Im Timaios berichtet Kritias:
"Späterhin aber entstanden gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen, und da versank während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht das ganze streitbare Geschlecht bei euch scharenweise unter die Erde, und ebenso verschwand die Insel Atlantis, indem sie im Meere unterging. Deshalb ist auch die dortige See jetzt unfahrbar und undurchforschbar, weil der sehr hoch aufgehäufte Schlamm im Wege ist, welchen die Insel durch ihr Untersinken hervorbrachte." (Im Übrigen auch so ein Unwahrscheinlichkeitsmarker)
Willst Du uns ernsthaft verkaufen, dass die See zu Platons Zeiten schlammig war, weil Jahrtausende zuvor eine Insel untergegangen ist, bzw. ein Tsunami die westmarrokanische Küste getroffen hat?
Die Stelle wird im Übrigen in Kritias noch einmal bekräftigt, es ist wieder Kritias, der redet:
"Nun wurde schon angeführt, dass an der Spitze der Letzteren unsere Stadt stand und den ganzen Krieg zu Ende führte, während über die Ersteren die Könige der Insel Atlantis herrschten, welche, wie ich bemerkt habe, einst größer war als Libyen und Asien (zusammen), jetzt aber durch Erderschütterungen untergegangen ist und dabei einen undurchdringlichen Schlamm zurückgelassen hat, welcher sich Denen, die in das jenseitige Meer hinausschiffen wollen, als Hindernis ihres weiteren Vordringens entgegenstellt."
Also, selbst wenn wir davon ausgingen, dass alle Unwahrscheinlichkeitsmarker nur Einbildung sind, und Atlantis wirklich existiert hat, zeigt Platons Dialog nicht auf das Hinterland von Agadir.