Ich habe mir einen Roman gegönnt, der beinahe schon selbst historisch ist: Ben Hur. War nett, ihn einmal zu lesen, aber mehr auch nicht. Hier meine ausführliche Meinung:
Das große, übergeordnete Thema in „Ben Hur“ ist die Handlung eines weiteren Bestsellers: Die Erzählung über das Leben Jesu im Neuen Testament. Alle wichtigen Stationen im Lebensweg des Messias werden in „Ben Hur“ geschildert, angefangen mit der Geburt im ersten Kapitel, die gleich aus mehreren Blickwinkeln beschrieben wird: Die drei Weisen, Maria und Joseph, die Hirten, Herodes. Spannung kommt dadurch natürlich nicht auf, denn die Geschichte des Nazareners ist den meisten Abendlandbewohnern bekannt. Das Besondere ist jedoch, dass man diese Geschichte in „Ben Hur“ aus einem anderen Blickwinkel erlebt als im Religionsunterricht oder beim Studium der Bibel. Man erlebt sie aus der Sicht von Ben Hur, dessen Lebensweg nach der Bibelgeschichte den zweiten Handlungsstrang bildet. Ben Hur ist ein Sohn aus einem angesehenen und wohlhabendem jüdischen Haus, der nach einem vermeintlichen Attentat auf den römischen Statthalter als Sklave auf die Galeerenruderbank geschickt wird. Die Erzählung von Ben Hurs Leben ist sehr dicht: Der Autor beschreibt nur das Wichtigste in meist kurzen Szenen, die oft Jahre auseinander liegen.
Ben Hur erwartet – wie die meisten anderen Juden - einen mächtigen Mann als Messias, der den Thron im Tempel der Juden besteigt und die Römer besiegt. Das große Thema des Buches ist die Frage: Erfüllt der Messias diese Erwartungshaltung oder schlägt Gott einen anderen Weg ein? Dieses religiöse Thema ist ein wesentlicher Unterschied zu den Historienschinken aus heutiger Zeit, bei denen die Geschichte zu Ende ist, wenn der Böse tot und der Gute glücklich ist; hier macht das Ringen zwischen Gut und Böse nur einen Teil aus.
Ein weiterer Unterschied zu aktuellen Historischen Romanen ist die Erzählperspektive: Der Erzähler plaudert über die Ereignisse, als würde er mit dem Leser am Tisch sitzen und sie ihm erzählen, z. B.: „Von dorther sehen wir einen einsamen Pilger…“; oder er nimmt den Leser an die Hand: „Stellen wir uns am Tor auf, ein wenig abseits vom Gedränge…“, „Diejenigen meiner Leser, welche die heiligen Stätten persönlich in Augenschein genommen haben…“. Ben Hur nennt der Autor oft „unser junger Freund“ oder „unseren Helden“.
Auch bei anderen Gelegenheiten merkt man, dass dieser Roman schon vor ein paar Jahren geschrieben wurde, u. a. an den Beschreibungen der damaligen Zeit, die zum Teil nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen: Auf Kriegsschiffen ruderten keine Sklaven, sondern Soldaten, ebenso fuhren Wagenlenker nicht mit nacktem Oberkörper, sondern schützten sich mit Lederbandagen vor den Sturzfolgen.
Ebenfalls ungewöhnlich ist die umständliche Sprache, z. B.: „Es ließ sich ein lauter Krach vernehmen.“ – Das geht auch einfacher: „Es krachte.“
Fazit: Spannung kam nicht auf, schon allein deshalb, weil mir die Bibelgeschichte durch den Religionsunterricht und die Geschichte Ben Hurs durch den Film mit Charlton Heston bekannt war. Trotzdem war es interessant, einen Historischen Roman zu lesen, der anders aufgebaut und anders geschrieben ist als die neueren Romane dieser Art.