Um nochmal auf den ominösen Kalkrieser Wall zu kommen, hier nochmal ein Gedankenspiel dazu:
Gibt es gesicherte Erkenntnisse, wie alt die Anlage tatsächlich ist?
Er scheint kurzfristig errichtet worden zu sein. Die Rasensoden haben außerdem Abfälle aus den Gruben des späteisenzeitlichen Gehöfts (verbrannte Knochen, Scherben) beinhaltet.
Die Form des Walles in Schlangenlinien spricht eigentlich auch nicht unbedingt für einen Angriffsbefestigung, die wäre wohl eher so angelegt worden, daß zum einen eine Engstelle oder Barriere geschaffen worden und zum anderen die eigene Frontlinie wirksam verkürzt worden wäre.
Eine Engstelle hat er geschaffen, bzw. verstärkt. Eine Barriere, dagegen hätten die Römer anrennen müssen, was vielleicht eher zu einer erfolgreichen Erstürmung geführt hätte, als wenn sie ihr Heil in der Flucht suchten.
Unterstellt man der Schlangenlinie jedoch rituelle Bedeutung (wie dies Erdwerke ähnlicher Form in diversen Kulturen haben,) dann könnte es sich um einen alten Grenzwall handeln,der durch neuere "römische" Technik ergänzt wurde....und da ist bei mir dann wieder der "Angrivarierwall" präsent.
Gegen diese Deutung sprechen v.a. drei Dinge: Der Angrivarierwall befand sich an der Weser (wobei man da bei Tacitus zugegebenermaßen nie ganz sicher sein kann), er war ein Grenzwall - ein Grenzwall von nur 400 m Länge ergibt keinen Sinn und die Germanen hatten am Angirvarierwall den Sumpf im Rücken. Bei Kalkriese hatten sie den Berg im Rücken. Außerdem ist von einem Fluss die Rede, den es bei Kalkriese auch nicht gibt. Das einzige, was für Kalkriese als Angrivarierwall sprechen könnte, wäre, dass Germancius die Römer nach der Schlacht zur Ems führt, um dort wieder eine Abteilung per Schiff zu führen und eine andere zu Fuß nach Hause zu schicken.
Vom literarischen Befund her sprechen also wiederum mehr Dinge gegen Kalkriese als Angrivarierwall, als dafür, der archäologische Befund sowieso (hie bitte meine üblichen Zeugen einsetzen: VARus-Gegenstempel, archäologisch nachgewiesene Anwesenheit von Frauen, Knochengruben etc.).
Aber nehmen wir mal an, die Germanen hätten gewusst, welche Route die Römer nach Idistaviso nehmen würden. Sagen wir also mal von der Weser zur Ems entlang des Wiehengebirges. 60 km bis Kalkriese, dass sind zwei bis drei Tage Tagesmarsch. Die Germanen hätten also die Römer überholen müssen und einen Wall errichten müssen, wenn man mal davon ausgeht, dass sie spontan einen Wall errichteten, der Angrivarier und Cherusker voneinander trennte, also der Angrivarierwall gar kein Grenzwall war. Nur: Wenn der Angrivarierwall spontan errichtet wurde und er trennte Cherusker und Angrivarier voneinander, dann ist die militärische Funktion absolut unklar.