Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Was ich hier und im Netz nicht gefunden habe:
Lag das Equidenskelett unter dem Wall?

Mal auf die Schnelle recherchiert:

Auf der Homepage des Museums und Park Kalkriese steht folgendes:

Besonders fundreich waren die Bereiche, in denen der Wall bereits in antiker Zeit abgerutscht war. Dort fand man auch das Skelett eines Maultiers mit Resten seines Zaumzeugs. Auch Knochen von Pferden wurden gefunden und ein Amulett, dass - am Pferdegeschirr befestigt - Unheil abhalten sollte.

Das Amulett scheint ja wohl nicht richtig funktioniert zu haben.:devil:
 
Guten Tag!

Ich lese schon eine ganze Weile still mit. Ein Gedanke hat sich nun bei mir eingenistet und da ich nicht genug darüber weiß, würde ich ihn gerne ins Spiel bringen:

Wenn ich die Tacitus-Passage lese (dabei habe ich Tacitus damals in der Schule überhaupt nicht gemocht ...), dann springt mich die Senne als Ort an, an dem sich ein Teil des Geschehens abgespielt haben könnte. (Ich kenn diese Gegend nicht aus eigener Anschauung, was ich darüber aber an Bildern bzw. Filmmaterial gefunden habe, passt zu meiner Überlegung.)

Ich habe hier im Forum nur einen User gefunden, der vor ein paar Jahren die Senne erwähnt hat, weil es dort "Volkssagen" rund um die Varusschlacht gibt. Leider wusste er/weiß man nicht, wie alt diese Erzählungen sind.

Ist eigentlich bekannt, ob in der Senne Ausgrabungen/Untersuchungen stattgefunden haben? Zur "herkömmlichen" Bedeutung von "saltus" (s. entsprechender Thread) würde die Gegend doch gut passen - kleine Schluchten, tlw. bewaldet, Moore usw. Insgesamt ein siedlungs-/verwaltungstechnisch unattraktiver Ort, der auch nicht gerade als Kampfplatz oder zum Durchmarsch auf der Flucht geeignet ist. Aber trotzdem relativ "zentral" gelegen i.S. der damaligen "Infrastruktur" (Stichwort "haud procul")

Falls sich also ein Teil der Schlacht dort abgespielt hat, dürfte der Hauptort (z.B. ein Lager) nicht allzuweit entfernt sein. (Ich habe dabei keinen konkreten Ort im Sinn.)

Aufgrund der Bodenverhältnisse ist die Senne sicher schwierig, was Ausgrabungen betrifft. Meine Frage ist also, ob es überhaupt schonmal jemand dort versucht hat oder ob es nachgewiesene Münzfunde, Waffen oder dergleichen dort gibt.

Ich finde nichts Richtiges - weder ja noch nein. Weiß jemand hier mehr?

LG
 
Es gibt ältere Berichte, dass da was gefunden wurde. Nur sind alle Funde verschollen und dass dabei Arminius-Münzen waren, macht diese Überlieferung nicht gerade glaubwürdiger. Das Wiehengebirge, wozu auch der Kalkrieser Berg gehört, unterscheidet sich von er landschaftlichen Struktur nicht sehr von der Senne. Die überlieferten Ortsbeschreibungen treffen auf viele Ort zu, viel mehr, als die 700 bekannten Varusschlachtverortungsthesen.
 
täglich 30km (und mehr) hat es mit 20kg Gepäck selbst für neuzeitliche Armeen über Wochen gegeben.
Also aus eigener Erfahrung hab ich da so eine Zweifel. Und wenn dann geht das nur auf gut ausgebauten Straßen und die gab es damals in dem Gebiet ja m.W. nicht.

Um nochmal auf den ominösen Kalkrieser Wall zu kommen, hier nochmal ein Gedankenspiel dazu :
Gibt es gesicherte Erkenntnisse,wie alt die Anlage tatsächlich ist ?
Die Form des Walles in Schlangenlinien spricht eigentlich auch nicht unbedingt für einen Angriffsbefestigung,die wäre wohl eher so angelegt worden,daß zum einen eine Engstelle oder Barriere geschaffen worden und zum anderen die eigene Frontlinie wirksam verkürzt worden wäre.
Unterstellt man der Schlangenlinie jedoch rituelle Bedeutung (wie dies Erdwerke ähnlicher Form in diversen Kulturen haben,) dann könnte es sich um einen alten Grenzwall handeln,der durch neuere "römische" Technik ergänzt wurde....und da ist bei mir dann wieder der " Angrivarierwall" präsent.
 
Also aus eigener Erfahrung hab ich da so eine Zweifel.

Zeitgenössische Erfahrungen würde ich dazu nicht benutzen (obwohl: Leistungsmarsch Bw mit Gepäck :D ).

Aus der Militärgeschichte gibt es reihenweise Beispiele von Gewaltmärschen, von Davouts Korps über die Planung für den rechten Flügel bei Schlieffen bis zu Infanterieregimentern im Ostfeldzug 1941 (auch wenn ich jetzt zu faul zum Suchen bin). Die Spitzen dürften so bei 50 km p.T. liegen, 30 km finden sich häufiger.
 
Zuletzt bearbeitet:
Um nochmal auf den ominösen Kalkrieser Wall zu kommen, hier nochmal ein Gedankenspiel dazu:
Gibt es gesicherte Erkenntnisse, wie alt die Anlage tatsächlich ist?

Er scheint kurzfristig errichtet worden zu sein. Die Rasensoden haben außerdem Abfälle aus den Gruben des späteisenzeitlichen Gehöfts (verbrannte Knochen, Scherben) beinhaltet.

Die Form des Walles in Schlangenlinien spricht eigentlich auch nicht unbedingt für einen Angriffsbefestigung, die wäre wohl eher so angelegt worden, daß zum einen eine Engstelle oder Barriere geschaffen worden und zum anderen die eigene Frontlinie wirksam verkürzt worden wäre.

Eine Engstelle hat er geschaffen, bzw. verstärkt. Eine Barriere, dagegen hätten die Römer anrennen müssen, was vielleicht eher zu einer erfolgreichen Erstürmung geführt hätte, als wenn sie ihr Heil in der Flucht suchten.

Unterstellt man der Schlangenlinie jedoch rituelle Bedeutung (wie dies Erdwerke ähnlicher Form in diversen Kulturen haben,) dann könnte es sich um einen alten Grenzwall handeln,der durch neuere "römische" Technik ergänzt wurde....und da ist bei mir dann wieder der "Angrivarierwall" präsent.

Gegen diese Deutung sprechen v.a. drei Dinge: Der Angrivarierwall befand sich an der Weser (wobei man da bei Tacitus zugegebenermaßen nie ganz sicher sein kann), er war ein Grenzwall - ein Grenzwall von nur 400 m Länge ergibt keinen Sinn und die Germanen hatten am Angirvarierwall den Sumpf im Rücken. Bei Kalkriese hatten sie den Berg im Rücken. Außerdem ist von einem Fluss die Rede, den es bei Kalkriese auch nicht gibt. Das einzige, was für Kalkriese als Angrivarierwall sprechen könnte, wäre, dass Germancius die Römer nach der Schlacht zur Ems führt, um dort wieder eine Abteilung per Schiff zu führen und eine andere zu Fuß nach Hause zu schicken.
Vom literarischen Befund her sprechen also wiederum mehr Dinge gegen Kalkriese als Angrivarierwall, als dafür, der archäologische Befund sowieso (hie bitte meine üblichen Zeugen einsetzen: VARus-Gegenstempel, archäologisch nachgewiesene Anwesenheit von Frauen, Knochengruben etc.).

Aber nehmen wir mal an, die Germanen hätten gewusst, welche Route die Römer nach Idistaviso nehmen würden. Sagen wir also mal von der Weser zur Ems entlang des Wiehengebirges. 60 km bis Kalkriese, dass sind zwei bis drei Tage Tagesmarsch. Die Germanen hätten also die Römer überholen müssen und einen Wall errichten müssen, wenn man mal davon ausgeht, dass sie spontan einen Wall errichteten, der Angrivarier und Cherusker voneinander trennte, also der Angrivarierwall gar kein Grenzwall war. Nur: Wenn der Angrivarierwall spontan errichtet wurde und er trennte Cherusker und Angrivarier voneinander, dann ist die militärische Funktion absolut unklar.
 
ElQ ,meine Idee zum Angirvarierwall war eine andere.Ein Grenzwall von nur 400 m Länge ergäbe einen Sinn wenn er nicht ein militärisches sondern ein rituelles Bauwerk wäre, an dem man z.B. zur Regelung von Grenzstreitigkeiten o.ä.zusammen kommt. Eine militärische Wallanlage müßte entschieden länger sein und Überreste eines solchen Erdwerks sind m.W. nie gefunden worden.
Im übrigen muß man eine Truppe nicht überholen um eilig eine Schanze zu bauen,man kann auch die Truppe auf bestehende Befestigungen zutreiben oder hinlocken.
Und wie gesagt,die Schilderungen der Schlachten würde ich aus Gründen der großen zeitlichen Distanz nicht so wörtlich nehmen,da können mehrere Schlachten vermengt worden sein...

Silesia..Zeitgenössische Erfahrungen sind durchaus vergleichbar.
Ich bin 3 Mal über die Alpen gelaufen und war mal drei Monate lang zu Fuß mit 35 kg Gepäck auf dem Buckel in Norwegen unterwegs und damals war ich so fit,fitter und besser im Training konnte ein antiker Krieger auch nicht gewesen sein. Ich habe da auch mal 10-Stunden-Etappen von 40/45 km zurückgelegt,aber nicht im Schnitt. Das geht einen,zwei Tage bei optimalen topographischen und klimatischen Bedingungen auf gebahnten Wegen, aber dann ist Ende Gelände. Querfeldein ,im Gebirge ,Sumpf oder Wald kann man das knicken.Da geht maximal die Hälfte.
 
ElQ ,meine Idee zum Angirvarierwall war eine andere. Ein Grenzwall von nur 400 m Länge ergäbe einen Sinn wenn er nicht ein militärisches sondern ein rituelles Bauwerk wäre, an dem man z.B. zur Regelung von Grenzstreitigkeiten o.ä.zusammen kommt.
Ergäbe er das?

Eine militärische Wallanlage müßte entschieden länger sein und Überreste eines solchen Erdwerks sind m.W. nie gefunden worden.
Worauf beziehst du das jetzt? Auf einen Angrivarierwall an der Weser oder auf Kalkriese?


Im übrigen muß man eine Truppe nicht überholen um eilig eine Schanze zu bauen,man kann auch die Truppe auf bestehende Befestigungen zutreiben oder hinlocken.

Lies noch mal den Text: Die Römer schlagen die Germanen östlich der Weser bei Idistaviso. Die Germanen verlassen das Schlachtfeld, angeblich sollen sie schon auf dem Weg gewesen sein, die Elbe zu überqueren, aber das dürfte eine taciteische Übertreibung sein. Die Römer sammeln die Hinterlassenschaften der Germanen auf (Waffen, Fesseln) und errichten daraus ein tropaion (Tacitus: "miles in loco proelii [...] struxitque aggerem et in modum tropaeorum arma subscriptis victarum gentium nominibus imposuit.") und vollziehen den Kaiserkult ("miles in loco proelii Tiberium imperatorem salutavit"). Diese Siegesfeier der Römer ärgert die Germanen in der taciteischen Darstellung dermaßen, dass sie sich wieder sammeln und die Römer auf dem Rückmarsch erneut angreifen und ihre Reihen durcheinander bringen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gewinnt Germanicus offensichtlich die laut Tacitus nie verlorene Kontrolle über das Schlachtgeschehen zurück ("inventus senes agmen Romanum repente incursant, turbant. [...] Nihil ex his Caesari incognitum:").
Der Kalkrieser Wall war schlicht kein Langzeitbauwerk. Sonst müsste organisches Material zwischen der abrasierten Fläche vor dem Wall und den römischen Funden zu finden sein. Die Drainagegruben sind für ein langfristiges Bauwerk nicht zu verstehen, die eher dilettantische Bauweise an einigen Stellen weist auf etwas Improvisiertes hin.
 
Was sonst, militärisch macht ein 400 Meter langer Grenzwall ja wohl kaum Sinn
Als rituelles Anlage,die gleichzeitig den Grenzcharakter symbolisiert dagegen schon
militärisch machen in dieser Größenordnung Schanzen Sinn, aber kein schlangenlinieges Erdwerk.

Worauf beziehst du das jetzt?
Auf einen Grenzwall als militärische Anlage, also weder auf den Angrivarierwall noch auf den Kalkrieser Wall sondern auf den Grenzwall als solchen.:D

Der Kalkrieser Wall war schlicht kein Langzeitbauwerk.
Das kann ich nicht beurteilen,weil ich den genauen Aufbau nicht kenne. Meine Überlegungen waren auch eher ein Gedankenspiel. Gleichwohl deutet der Drainagegraben wohl doch auf eine geplante länferfristige Nutzung hin,oder ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das kann ich nicht beurteilen,weil ich den genauen Aufbau nicht kenne. Meine Überlegungen waren auch eher ein Gedankenspiel. Gleichwohl deutet der Drainagegraben wohl doch auf eine geplante länferfristige Nutzung hin,oder ?
Nein. Die Anlage dieses Drainagegrabens ist spontan. Sobald man auf Stein gestoßen ist, hat man ihn nicht weiter vertieft, bis auf einige Sammellöcher ist er eher flach, unregelmäßig, stellenweise gar nicht vorhanden. Bei einer langfristig geplanten Anlage hätte man sich dafür mehr Mühe gegeben.
 
Eine Frage zu den Durchlässen im Wall:

Kann man eigentlich anhand der Ausgrabungen feststellen, ob die irgendwie orientiert waren? Ob die so angelegt waren, dass sie eben von den Leuten am Hang genutzt werden sollten oder aber von denen im Tal? Das könnte, falls man das erkennen kann, doch die Frage lösen helfen, wer den Wall erbaut hat: Die Leute auf dem Berg oder die Leute im Tal.
Nur so als Idee.
 
Ich glaube Brepohl hat einmal die These aufgestellt, daß es sich beim Angrivarierwall garnicht um einen Wall, sondern um eine Art Kultplatz gehandelt haben soll.

Seis drum: Der Wall in Kalkriese war wohl im Vorfeld der Schlacht geplant, allerdings dann auch sehr schnell (siehe die uneinheitliche Bauweise) errichtet worden. Es gibt m.W. sogar Vermutungen, daß die Drainagegräben erst nachträglich (kurz vor oder sogar während der Schlacht) errichtet wurden. Dieser Wall hatte wohl nicht die Bedeutung, daß der Tacitus ihn namentlich erwähnt.

Oder drücken wir es so aus:
Tacitus schreibt bezügl. des Angrivarierwalls von einem Grenzwall. Der Wall in Kalkriese ist jedoch wohl ein rein strategisches Bauwerk. Dieser Wall sollte eine trichterförmige Engstelle kontrollieren und war wohl Bestandteil eines Hinterhalts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal angenommen die propagierte These von Kalkriese stimmt: ich hätte als römischer Befehlshaber eher den Wall angezündet, als daß ich mich dort in die Enge hätte treiben lassen. Das hätte doch die Angriffe von der Wallseite abgehalten und im Endeffekt den Wall beseitigt. Welche Einwände finden sich ?
 
Mal angenommen die propagierte These von Kalkriese stimmt: ich hätte als römischer Befehlshaber eher den Wall angezündet, als daß ich mich dort in die Enge hätte treiben lassen. Das hätte doch die Angriffe von der Wallseite abgehalten und im Endeffekt den Wall beseitigt. Welche Einwände finden sich ?

Erde brennt nicht.
 
- Nasses Holz auch nicht (nicht gut jedenfalls...).
- Verteidiger schauen auch nicht zu, wenn man ihren Wall anzündet.
- Römer haben keine Flammenwerfer dabei.
- Den Erde-Holz Wall austauschen gegen eine Feuerwand brächte auch nicht viel.
- Das der Wall von Maultieren und Bettgestellen berannt wurde zeugt nicht unbedingt von durchplantem und geführtem Vorgehen
usw. usf.

Kurzum, mancher hält sich für einen GröFaZ, ist aber nur Schütze.
 
Die Römer kannten ja schon Techniken für Fackeln unter Wasser. Und wäre so viel Erde verwendet worden im Wall, dann wäre der Wall sicher auch nicht zusammengestürzt oder gar umgekippt.
 
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