Zum Thema osmanische Architektur möchte ich anmerken, dass noch vor Eroberung von Konstantinopel oder Adrianopel die osmanische Architektur einen eigenen Charakter zeigte. Natürlich zeigen sich byzantinische Einflüsse, diese werden aber oft von eher touristisch gebildeten "Laien" überbetont. (Kuppel hier und Kuppel da, dass muss doch der Einfluss sein? Nein, so einfach ist es nicht...später vielleicht mehr...) Ebenso zeigen sich persische und seldschukische Einflüsse. Diese sind ggf. auch wesentlich stärker.
Merkwürdigerweise hat sich jedoch die osmanische Archtektur recht schnell eigenständig entwickelt, und zwar in eine Richtung, die weder zuuuu stark byzantinisch noch seldschukisch geprägt ist.
Mir erscheint die Intention der osmanischen Bauherren und Architekten oft als "
Zen-Buddhistisch" angehaucht. Komisch, nicht wahr?
Wie meine ich das?
Ich meine die Vorliebe der Architekten oder Bauherren, die äussere Verzierung der Bauten mit Ornamentik nach und nach zu verringern, glasierte Ziegel, die so typisch für iranische (und auch teilweise für seldschukische) Baukunst sind, immer weniger einzusetzen, keinen ornamentalen "Planzenteppich" über den Baukörper zu "stülpen" und somit architektonisch gewisse Strukturen zu "kaschieren".
Für den Laien ist dieser Anblick persischer Moscheen oft "märchenhaft", 1001 Nacht wird so lebendig, oft empfinden Touristen die iranischen leuchtend bunten Moscheen als "schöner" im Vergleich zu vielen osmanischen Moscheen, z.B. mit ihren eher schlicht anmutenden Bleidächern im Vergleich zu den iranischen aussen bunt schillernden Doppelkuppeln,die Ausmaße der inneren Kuppel verbergend. Der architektonisch gebildetere Betrachter hingegen schätzt unter Umständen die osmanischen Moscheen als anspruchsvoller, denn die kristalline Struktur, die Statik des Gebäudes wird sichtbar, Inkongruenzen des Architekten oder raffinierte Lösungen treten für den Betrachter offen zutage, werden nicht durch ausgedehnte Fliesen"fassaden" kaschiert, sondern müssen oft durch eine harmonische
Proportion der Baustruktur gelöst werden.
Und was hat das mit "Zen" zu tun? (So, wie ich es zumindest rudimentär noch in Erinnerung habe.
)
Das eben nicht die Äusserlichkeit zählt, das Offensichtliche, sondern die innere Aussage des Bauwerks, der Strukturen, der Geometrie, des Materials, des Steins der zu dem Betrachter spricht, seine Symbolik, Verde Antico, Porphyr, ägyptischer Rosengranit, Marmara-Marmor, antike Spolien, usw. Damit einhergehend eine gewisse spartanische Wirkung des Bauwerks, oft eine Strenge, eine auf den ersten Blick "spröde" Wirkung, ja manche Architekturhistoriker beschreiben die Wirkung einiger Bauwerke als einen gewissen "militaristischen" Eindruck.
Es ergibt sich ein hoher Abstraktionsgrad der osmanischen Architektur, den viele Architekturhistoriker die ich las als ästhetisch reizvoll, in den osman. Meisterwerken als anspruchsvoll empfinden, deren ungekünstelte Einfachheit, Schlichtheit, Sachlichkeit und zugleich zupackende Unmittelbarkeit, "schmucklose" Erhabenheit, Losgelöstheit, Stille, innere Ruhe, diese Kritiker als geradezu "modern" auffassten und sie mehr "fesselten" als z.B. die iranische Architektur.
Und was hat das mit Byzanz und seinem Einfluss zu tun?
Man kann nicht einfach dahergehen, und die Süleymaniye und die Hagia Sophia anschauen, und sagen, beide haben Hauptkuppel und zwei Nebenkuppeln und daher ist da der Einfluss sichtbar. Ist doch klar und logisch, oder?
Dazu müsste man die Entwicklung der osman. Architektur ein wenig länger betrachten, und schauen, welche Linien sich zeigen, und vor allem, welche Wirkungen die Baumeister erzielen wollten, welchen Charakter sie in den Bauwerken verwirklichten.
Es ist festzuhalten, das in der osman. Architektur noch vor Eroberung Konstantinopels die Entwicklung teilweise immer mehr zum Zentralbau ging. Dabei wurde eine Raumwirkung erzielt, die im Prinzip der byzant. Raumwirkung diametral entgegen gesetzt war.
Während in der byzant. Architektur goldene Mosaikenflächen Strukturen "verkleisterten", die Transzendenz, das Mythische des Raumes hervorheben wollte, ein Mysterium Raum schaffen wollten, bestrebten die osman. Architekten im Gegenteil die Klarheit des Raumes, die göttliche Ordnung durch die Geometrie sprechen zu lassen, das Äussere des Gebäudes durch den Innenraum erkennbar werden zu lassen, und andersrum, während Innen und Aussen (der Strukturen, der Statiken) bei byzant. Bauten oft dem Betrachter verborgen bleiben. Der osman. Bau wirkt "kristallin", wie ein "Diamant", befördert durch die geometrischen
Mukarnas Elemente an Säulen und Ecken. Hingegen ist in der byzant. Architektur manchmal eher ein "Höhlencharakter" erwünscht.
So auch bei der Süleymaniye und der Hagia Sophia.
Die Hagia Sophia zerfällt in den Nebenkompartimenten architektonisch in Einzelbestandteile, geometrische Elemente, die zusammen nicht mehr als ihre Einzelteile wirken, bleibt in ihrem Charakter eher eine Basilika, wo die Seitenschiffe im mystischen goldenem Halbdunkel abtauchen. Aussen und Innen sind nicht kongruent. Konstruktive Elemente werden durch Mosaiken und Verputz verborgen, dem Betrachter stellt sich ein Rätsel nach dem anderem, das Auge wandert von Bogen zu Bogen. Die schwebende, immaterielle Wirkung des Raumes wird durch die kunstvolle Verschleierung der tektonischen Verhältnisse des Tragens und Lastens erzielt.
Ganz anders hingegen der Innenraum der Süleymaniye Moschee, deren wenige hohe Säulen die Seitenbereiche komplett in den Hauptraum einbeziehen (deren Anordnung nicht von ungefähr römischen Triumphbögen erinnern), den mit horizontalen Betreihen gefüllten Raum eher eine ganz leicht querrechteckige Ausrichtung verleihen. Innen und Aussen sind hier kongruent, Licht wird zum bestimmenden aber auch akzentuierendem Faktor des ganzen Baus, und nicht wie bei der Hagia Sophie eher dem Lichtkranz unter der Kuppel untergeordnet. Die tragenden Elemente werden "stolz" vorgezeigt, man spürt die Lasten, die doch wie in Stein gemeisselt erscheinen mögen. Hier wurde ein Zentralbau trotz zweier Halbkuppeln und zweier Schildwände (die eben eine Richtung hätten vorgeben können, wie in der Hagia Sophia) wesentlich stringenter verwirklicht, wie es in der Hagia Sophia der Fall war.
Für eine nähere Beschreibung, siehe hier Post 8:
http://www.geschichtsforum.de/f79/byzantion-byzanz-konstaninopolis-konstantinopel-istanbul-6173/
Wie verlief denn die Entwicklung der osmanischen Moschee in Kurzform?
Es gibt zwei, drei Tendenzen bei der frühosmanischen Architektur,
einmal die Tendenz einen Hauptraum als Kubus auszuführen und diesen zu überkuppeln.
Durch die Gestaltung der vier oberen Ecken, die ja zum Rund der Kuppel "irgendwie" überleiten müssen, ergeben sich teilweise schon Zentralraum-Eindrücke, wie bei späteren "klassischen" osmanischen Moscheen (durch achteckige Überleitungsformen, oder Pendentifs oder Mukarnas oder ne Kombi aus diesen). Diese Einraummoscheen wurden später auch bei sultanischen Moscheen immer größer, manchmal oder auch oft ergänzt durch seitliche (mehr oder minder) angeschlossene Raumteile. Später, vom 18. Jh. an, begann man wieder in der Ausformung der großen Sultans-Moscheen zu diesem Grundmuster einfachster geometrischer Formen zurück zu gehen, also Kubus und darüber einen Halbkreis. Quadrat und Kreis.
Beispiel: Bali Pascha Moschee, Istanbul:
Bali Pasa Mosque
Davud Pascha Moschee, Istanbul:
Davud Pasa Complex, Istanbul, Turkey
In Bursa und Edirne gibt es natürlich viele kleinere Versionen davon.
Dann gibt es die Moscheen, die aus mehreren Kuben bestanden, jeweils überkuppelt und zusammenhängend. Z.B. T-förmig, also zwei Kuben in Längsform hintereinander, in Richtung Mekka weisend, und vorne am Eingang noch zwei Räume/Kuben rechts und links, so dass es von oben wie ein umgedrehtes T aussieht. Später wurde der Hauptraum immer größer, auf einen Kubus beschränkt, und die "Seitenarme" des T verkleinert, teilweise auch durch Trennwände vom Hauptraum separiert. Nach Eroberung von Konstantinopel wurden noch die
ersten Moscheen in diesem Typ gebaut.
Beispiel:
Orhan Gazi Moschee, Bursa
Orhan Gazi Complex, Bursa, Turkey
Grüne Moschee, Bursa:
Green Mosque, Bursa, Turkey
Dann gibt es noch Moscheen, die von mehreren gleich großen Kuppeln bedeckt wurden, gestützt durch Pfeiler, teilweise auch recht massive Pfeiler. Manchmal ergibt sich hier schon eine Tendenz, einen zentralen Teil der Moschee zu betonen, durch eine höhere Kuppel in der Mitte, durch einen größeren Raum in der Mitte, durch eine "Kaskadierung" der Kuppelhöhen zur Mitte hin, durch größere
iwanartige Bögen, usw. Hier wird Einfluss der klassischen arabische Moschee am deutlichsten.
Beispiel: Große Moschee, Bursa:
Great Mosque of Bursa, Bursa, Turkey
Alte Moschee, Edirne:
Old Mosque of Edirne
Nun, wie wir sahen, bestand schon früh die Tendenz hin zu einem Zentralraum. Dieses mag aus unterschiedlichen Inspirationen gespeist sein, jedenfalls alles noch vor Eroberung von Konstantinopel und der direkten Begegnung mit der wunderbaren Hagia Sophia.
Zur ersten
Meisterschaft wurde diese zentralisiertere Moschee-Form in der
Üc Serefeli Moschee in
Edirne geführt, wo wir schon - noch vor der Eroberung von Konstantinopel - die typischen Attribute der
osmanischen Klassik vorfinden. (Kuppelkaskade, Innenhof, Minarette an den Ecken, usw.)
Interessant ist die wahrscheinliche (?) Übernahme der Halbkuppel von der Hagia Sophia. Hab vergessen, ob diese Form nun von der iranischen Architektur, oder der byzantinischen Architektur übernommen wurde, oder sich aus der Entwicklung der Raumbestandteile letztlich zwangsläufig ergeben hat.
Die erste Halbkuppel wurde auch nicht - wie man vielleicht als Laie vermuten könnte...
- nach Eroberung von Konstantinopel errichtet, sondern davor, ca. 1426-1441 in der Regierungszeit von Murad II., weit weg von Istanbul, nämlich in der Nähe von Ephesos (Izmir) in Tire.
Hier ein Video, etwa in der Mitte sieht man die Muschelform der Halbkuppel.
YouTube - ?zmir - Tire Yah?ibey Camii-2
Später wurde dann auch diese Form übernommen, in der Mehmed der Eroberer-Moschee in Istanbul, nämlich eine Halbkuppel, statt zwei wie in der Hagia Sophia, und zwar über der Gebetsnische, die die Richtung nach Mekka ausweist.
Fatih Mosque, Istanbul, Turkey
Es gibt davor noch weitere Moscheen mit einer Halbkuppel.
Und
die erste Moschee, die kleeblattartig
vier Halbkuppeln um die Hauptkuppel verwendete, die berühmteste osmanische Form, die wir 100 Jahre später in der Sultan Ahmed Moschee (Blaue Moschee) z.B. wieder finden (oder früher in der Prinzenmoschee von Sinan, usw.), die finden wir auch weit entfernt von Istanbul schon 1516-1520 in Diyarbakir in der Biyikli Mehmed Pascha Moschee:
Biyikli Mehmed Pasa Mosque, Diyarbakir, Turkey
Biyikli Mehmed Pasa Mosque
So, hab nun keine Zeit mehr und muss los, daher breche ich hier mal ab. :still:
Ich bin der Meinung, dass viele Architekturformen, die vielleicht in der Tat direkt von Byzanz beeinflusst wurden, auch ohne jeglicher Kenntnis byzant. Architektur durchaus früher oder später eh Eingang in die osman. Architektur gefunden hätten. Vielleicht spielten bei der Vermittlung byzant. Lösungen die (ehemals) griechischen osmanischen Baumeister eine Rolle?
Die (Architektur-) Sprache der beiden Weltreiche bedienten sich vielleicht manchmal ähnlicher "Worte", jedoch was gesagt werden sollte, war durchaus recht unterschiedlich. Insofern war teilweise eine Kontinuität, z.B. imperialer Machtanspruch durch Spolien, besonderer "kaiserlicher" Porphyr, usw. vorhanden, teilweise wurde durch die osman. Architektur völlig neue Wege beschritten.
Ausserdem muss man bedenken, dass Sinan als (wahrscheinlich) erste Sultansmoschee nicht etwa den grundsätzlichen Plan der Hagia Sophia mit zwei Halbkuppeln und zwei Schildwänden wie in der vorigen Istanbuler Beyazid-Moschee durch seinen Vorgänger als Lösung seiner Moschee ansah, die später als Prinzenmoschee in die Geschichte einging, sondern dort eben die Variante mit vier Halbkuppeln ausprobierte, die viel eher dem Zentralbaugedanken näherkommt. Die Version der Hagia Sophia so umzuinterpretieren, wie in der Süleymaniye, war wohl erst nach Jahren der Erfahrung ihm eine willkommene Gelegenheit, mag auch sein, dass der Bauherr Süleyman seine Wünsche entsprechend äusserte. Mir ist jedenfalls nur ein weiteres Beispiel dieses Bauplanes bekannt, die Kilic Ali Pascha Moschee in Istanbul, die tatsächlich eher als mehr oder minder "simple" "Kopie" der Hagia Sophia angesehen werden könnte, und wo vielleicht der Bauherr deutlich seinen Wunsch äusserte, einen eher kirchlichen Raumcharakter zu erhalten, als ehemaliger Christ... wer weiß... ?
Sinan war vielleicht mehr beeinflusst durch die Proportionslehre der aufkommenden Renaissance der italienischen Stadtstaaten. Ich glaube, ich las mal davon, dass es vielleicht Kontakte gab? Jedenfalls gibt es in der Säulenanordnungen, der Reihungen der Fenster, dem Rhythmus der Bögen, usw. einige auffällige Parallelen... Dazu vielleicht später mehr.
Ansonsten siehe bitte hier:
http://www.geschichtsforum.de/f42/sinan-21435/
http://www.geschichtsforum.de/f108/moscheen-spiegelbild-islamischer-mathematik-14615/
http://archnet.org/library/images/s...key=Ottoman&order_by=century&collection_id=-1
etc. :winke: