Theorie gegen historische Überlieferung
...Zudem hatte Theoderichs Propagandamaschine durchaus Erfolg - "seine" Amaler waren zu seiner Zeit anerkannt, seine Familie galt zu seiner Zeit als edelste unter den Goten.
Das sagt allerdings wenig über den Wahrheitsgehalt der von Cassiodor verbreiteten Genealogie aus...
...Ob Theoderich Strabo Amaler war, ist zweifelhaft. Iordanes (Getica 52) verneint das ausdrücklich.
Marcellinus Comes sagt nichts über eine Verwandtschaft.
Die Behauptung, er sei Amaler gewesen, soll von Johannes von Antiochia stammen, der soll geschrieben haben, dass Theoderich der Große ein Cousin des Sohnes von Theoderich Strabo gewesen sei, aber da ich den Text nicht vorliegen habe, kann ich das nicht überprüfen.
Das Werk des Johannes von Antiochia wird chronologisch vor die Entsteheung der Werke von Cassiodor und Jordanis eingeordnet,in welcher das Verhältnis zwischen den Ostgoten (Theoderich) und dem Oströmischen Reich noch ungetrübt war, was „zielgerichtete Seitenhiebe“ unwahrscheinlich macht.
Gleichzeitig ist Johannes
nicht von Cassiodor/Jordanis in seiner Überlieferung abhängig und hat auch kein Interesse (wie wohl Theoderich d.Gr.) diesen frühen Rivalen als nicht Legitim (also als NICHT-AMALER) zu bezeichnen und den Herrschaftsanspruch des Theoderich Strabo zu bestreiten. Die Formulierung bei H.Wolfram wird damit klar, der ihn als "von Theoderich abgelehnten Amaler bezeichnet". Weiter wird „Strabo“ somit zu einem Beweis für die Bedeutung der Amaler für weitere Gotengruppen bestätigt. Theoderich, sein Vater und seine Onkel hatten zuvor eine Gruppe Goten in Pannonien beherrscht und trafen auf Strabos Gruppe erst während ihrer Kämpfe um oströmische Subsidien.
Es bleibt dabei, dass es keinerlei Hinweise in den antiken Texten darauf gibt, dass die "lange Geschichte der Amaler" nur von der Propagandamaschinerie des Theoderich erfunden worden ist. Die Äußerungen Heathers sind daher teilweise fragwürdig und beruhen weitgehend auf unterschiedlichen Interpretationen der Texte.
Die Bedeutung der Amaler und ihr Ansehen wird auch im Rahmen von Theoderichs Heirats/Bündnispolitik ständig unterstrichen. Wäre das "alte Ansehen" dieser Dynastie erst genau zu jener Zeit „erfunden worden“, als Theoderich d. Gr. und seine Ostgoten überhaupt erst zu politischen Schwergewichten aufgestiegen waren, ist davon auszugehen, dass dies Spuren hinterlassen hätte.
Sehen wir uns doch einmal die historische Rezeption dieses Gotenkönigs im Laufe der Zeiten an: Vom anfangs geachteten Herrscher über Italien, sowie Westgoten und Ostgoten wird er in späterer Zeit in Quellen negativ dargestellt. Dabei taten sich vor allem katholische Autoren hervor, die gegen die Fehler des „Ketzerkönigs“ wetterten. Ich halte es für unvorstellbar, dass diese Kreise es unterlassen hätten, den Finger in die offene Wunde einer solchen Geschichtsklitterung zu legen! Zur Rezeptionsgeschichte Theoderichs d. Gr. findet sich eine empfehlenswerte Buchrezension im Netz:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2009-2-097.pdf