Altpreußischer Drill – gestern und heute

@Köbis17 Sorry für meine Unwissenheit aber ich bin weder ein Kenner der DDR noch der NVA. Damals waren es nur Planspiele mit Truppen Rot mehr nicht.
@Galeotto Da magst Du vollkommen recht haben. Die Wehrmachtsgeneräle, die später im Nationalkomitee Freies Deutschland aktiv waren, hatte ich nicht auf der Rechnung. Da habe ich noch nie so gesehen.
Wie aber war die Reaktion des Siegers, des Großen Bruders, der Roten Armee darauf, dass auf einmal ein Soldatentypus auf der Bildfläche erschien, der viel Ähnlichkeit mit dem verhassten Feind hatte, den man so erfolgreich bekämpft hatte? Irgendwie widersinnig, oder?
 
Naja, war halt Geplänkel in den Zeiten des Kalten Krieges aber das ist ein ganz anderes Thema.

Ja, war halt das blöde Gelaber von Unteroffizieren und anderen, die schlichtweg absolut keine Ahnung vom WP hatten. Und am wenigsten hatten die eine Ahnung, wer sich tatsächlich auf der anderen Seite an Einheiten bewegte und noch weniger wußten die, was die "anderen" wollten (obwohl es ja täglich in der "Welt" und der "WaS" drinnen stand und H. Schmidt doch die "Frechheit" hatte, dieser Einschätzung zu widersprechen, damals in den siebzigern).

Eine Theorie meinerseits ist, dass das Preußentum durch die hohen Offiziersverluste an der Ostfront, die vielen "von" und "zu", die Landjunker, Edelleute, Grafen aus Ostpommern, ausgelöscht wurde.

Das Preußentum wurde sicherlich nicht durch die Offiziersverluste "ausgelöscht". "Preußentum" ist eine deutlich umfangreichere gesellschaftliche bzw. kulturelle Konstruktion, die nicht durch den Verlust von Offizieren verloren gehen kann.

Es war im wesentlichen die NS-Revolution, die eine Veränderung der sozialen Stellung der traditionellen - auch adeligen - Militärs gebracht hatte. Und sich während des WW2 durch die gezielte Entmachtung des traditionellen Offizierkorps, auch durch die Institution der SS und der Waffen-SS, beschleunigt hat (vgl. z.B. W. Petter: Militärische Massengesellschaft und die Entprofessionalisierung des Offiziers, S. 359ff in Wette, Die Wehrmacht).

Die Wehrmacht: Mythos und Realität - Google Books
 
Der heutige "Infanterist der Zukunft" mit modernsten Kommunikationsmitteln, Nachtsichtgerät am Stahlhelm installiert, etc., etc. hat sich vermutlich komplett vom alten Preußendrill verabschiedet, wenn ich das so ausdrücken darf. Nicht mehr die gesichtslose Masse, die stumpf Befehle ausführt, sondern jeder Schütze direkt über moderne Kommunikation mit Gruppen-, Zugführer und Kompaniechef verbunden, die sich auf seine Beobachtungen stützen.
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Das widerspricht aber dem Drill auf anderem Gebiet nicht aus. Die US-Streitkräfte werden gewaltig gedrillt und benutzen trotzdem hochentwickelte Technik. Armeen, die aus lauter Individualisten bestehen,
funktionieren leider im Krieg nicht besonders gut. Der Drill ist in erster Linie dafür gut, den Soldaten in eine Tötungsmaschine zu verwandeln, die nicht erst mit ihrem Gewissen ins Gericht gehen muss ehe sie abdrückt und ohne über dessen Sinn nachzudenken, jeden Befehl ausführt.
 
@thanepower Deine Meinung in Ehren aber ich würde gerne eine Lanze brechen für das (damalige) Unteroffizierskorps der Bundeswehr-Heer, insbesondere das der Panzergrenadiere.

Natürlich es gab sie, wie im Roman von Kirst, die Schinder, die elenden Schleifer, denen es einen besonderen Spaß gemacht hat, v.a. die Abiturienten mal so richtig auf Kurs zu bringen, die gescheiterten Existenzen, diejenigen, die im zivilen Leben niemals auf einen grünen Zweig kamen. Aber es gab auch jede Menge abenteuerlustige, äußerst robuste Naturburschen unter ihnen. Landwirte, extrem naturverbunden, mit einer phänomenalen natürlichen Nachtsicht und einem Orientierungsvermögen im Gelände, welches seines Beispiels suchte. Männer, denen es das Natürlichste auf der Welt war, z.B. ein Spiegelei auf dem Klappspaten zu braten.

Viele von ihnen waren hart, sehr hart sogar – von einer Härte, die es im 21. Jhrdt. nicht mehr gibt und schon gar nicht im modernen Zivilleben (sesselfurzendes Büroleben, der Rest im Internet bestellt), aber sie haben alles mit uns einfachen Mannschaftsdienstgraden (Panzergrenadier, Gefreiter, OG) geteilt. Ihre letzte Zigarette, etc.
Es gab Ausreißer, natürlich, halbe Psychopathen, die uns schikanierten aber die meisten waren, wenn es darauf ankam, sehr menschlich und kameradschaftlich.

Du magst vielleicht lachen, aber das “Zackige”, das “Schneidige”, auch bei Tempraturen weit unter Null, ist in der heutigen Zeit irgendwie völlig verloren gegangen – daher auch mein Seitenhieb auf HH.
Was den Gegner anging. Die Rede war immer von Truppe Rot “in den frühen Morgenstunden haben Verbände des Warschauer Paktes mit aggressive Gefechtsaufklärung…” Es wurde mit allergrößtem Respekt von der ungeheuren Panzerüberlegenheit des Warschauer Paktes geredet, aber im Gegenzug auch “mit unserer überlegenen Waffentechnologie”…
Was mich jedoch sehr interessiert. Die realen Praktiken der Ausbilder stehen in keiner Heeresvorschrift.

Wie also war die Tradition der uralten Befehle eines “alten Fritz”, eines “alten Dessauers”, wie wurde die tatsächliche Personalführung überliefert?
Tatsächlich von “Unteroffiziersohr” zu “Unteroffiziersohr”?
Unsere Uffze haben uns immer erzählt, erst auf dem Uffz-Lehrgang, “da wirst Du richtig zum Schwein gemacht”. Auf diesen Lehrgängen, die ich als einfacher OG d. Panzergrenadiere nie besucht habe, auf diesen Einzelkämpferlehrgängen, wo es dann ans Eingemachte geht.
 
@Galeotto: Das ist richtig und ich denke, dass sich das US Marine Korps, Fallschirmjäger, etc. noch immer insgeheim auf den alten Preußendrill beruft.
Die Marines berichten, dass das Schlimmste und Unangenehmste immer dann eintritt, wenn ein “Drill Instructor Sergeant” die Nasenspitze direkt an der Nasenspitze des anderen hat und brüllt, dass die Speichelfetzen fliegen.
“Sie Made, Sie Haufen Scheiße…”
Unwillkürlich denkt man immer: “das haben die von der Waffen-SS” aber in Wahrheit wurde der preußische Drill schon viel früher importiert. Vielleicht schon während des amerikanischen Freiheitskrieges.
 
Die Russen haben den Drill ebenfalls importiert. Zar Peter, der Gemahl von Katharina d.Gr. war ein totaler Preußenfan und hatte eine eigene preuß. Garde.
 
Von Neddy sind bereits wichtige Anregungen zum Thema Drill gekommen, die kurz erweitert werden sollen.

Und es war - ohne böse gemeint gewesen zu sein - genauso (Individuums)Menschenverachtend, wie es heute für uns klingt. Ein Soldat in einem solchen System war ein Funktionselement das eben funktionieren musste. Das war auch der Grund für die extreme Disziplin (Soll Ohne Langes Denken Alles Tun).

Das Thema "Drill" ist eng eingebunden in das Thema des "Militarismus" bzw. der Militarisierung der deutschen Gesellschaft. In diesem Sinne stellt Wette fest und bezieht sich beispielsweise auf Messerschmidt und Puhle, dass es eine Kontinuität des preußischen Militarismus gab.

Militarismus in Deutschland: Geschichte einer kriegerischen Kultur - Wolfram Wette - Google Books

In dieser These der Kontinuität des preußischen Militarismus spielt die Frage des "Drills" eine zentrale Rolle.

So sieht beispielsweise Fiedler in der Zeit von Friedrich Wilhelm I den Beginn der Militarisierung des Soziallebens, indem die militärischen Normen, auch eingeübt durch Drill, auf die zivile Verwaltung übertragen worden sind (S. 153ff).

Grundriss der Militär- und Kriegsgeschichte - Siegfried Fiedler - Google Books

Diesen Aspekt vertieft Bröckling, der in der Erzwingung von Disziplin vor allem die gesellschaftliche Einübung von Normen und Moral erkennt.

Disziplin: Soziologie und Geschichte militärischer Gehorsamsproduktion - Ulrich Bröckling - Google Books

Und an dieser Linie ergibt sich im wesentlichen die Kontinuität von der friderizianischen Armee, über die Befreiungskriege, die Einigungskriege zu den Weltkriegen. Es ist die Einübung der Bindung an eine autokratische - monarchische - Gesellschaftsordnung in Kombination mit einem hierarischen Gesellschaftsentwurfs, der nicht alleine für die Armee galt, sondern ebenso für die zivile Verwaltung eine Geltung hatte. Stichwort: Reserve-Offizier-System.

Vor diesem Hntergrund wird schnell ersichtlich, dass autoritäre politische Systeme wie beispielsweise die DDR diese konservativen Traditionsbestände auch auf der Ebene der NVA aktiv gefördert hat (vgl. beispielsweise S. 458 ff).

Grundzüge der deutschen Militärgeschichte: Historischer Überblick - Karl-Volker Neugebauer - Google Books

Es war ein brutales Zeitalter! In jeder anderen Lebenslage waren die Lebensbedingung inklusive der Schläge mindestens vergleichbar mit dem "Straf- und Disziplinarrecht" des Militärs, wenn nicht gar schlimmer: Für den Diebstahl eines Stückes Brot konnte man gehängt oder deportiert werden.

Das ist duchaus zutreffend. Gleichzeitig gab es beispielsweise in der österreichischen Armee eine Abschaffung der Prügelstrafe durch Maria Theresia. In diesem Sinne war auch für absolute Monarchen durchaus ein Handlungsspielraum vorhanden.

Das System der Aufrechterhaltung von Disziplin ist beispielsweise bei Duffy (S. 86) beschrieben.

Friedrich der Große und seine Armee: Epochen der Weltgeschichte - Christopher Duffy - Google Books
 
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@thanepower Deine Meinung in Ehren aber ich würde gerne eine Lanze brechen für das (damalige) Unteroffizierskorps der Bundeswehr-Heer, insbesondere das der Panzergrenadiere.

Du kannst hier soviel Lanzen brechen wie Du möchtest. Wie wäre es einfach mit mehr Fakten und weniger Meinung?

Mittlerweile ist die Diskussion auf der Ebene eines Soldatenstammtisches angelangt. Und irgendwelche Kommißgeschichten gehören in den Smalltalk.

Wir befinden uns noch in der zeitlichen Epoche "Absolutismus und Aufklärung"!!!!!! und das Thema ist die Kontinuität des Drills von Preußen in das Kaiserreich respektive das 3. Reich.
 
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Das Thema "Drill" ist eng eingebunden in das Thema des "Militarismus" bzw. der Militarisierung der deutschen Gesellschaft.
Ich erlaube mir, hinzuzufügen, dass der "Drill" auch eine gewisse Degeneration durchgemacht hat. In den Zeiten der Lineartaktik war er für die Linienregimenter absolut unverzichtbar, ohne Drill keine Funktion. Im Rahmen des "Militarismus" wurde der Drill immer mehr von seiner Funktion abgekoppelt. Während im Laufe der Zeit Kolonnentaktik, Plänkler, Schützengruppe, Stoßtrupp den gewohnten Drill immer überflüssiger machten, verselbständigte sich dieser zur "Kunst um der Kunst willen": Während die Franzosen (notgedrungen) Tirailleur- und Kolonnentaktik anwandten, hatten die Preußen, auf ihren Lorbeeren ruhend, Schrauben und Nieten ihrer Musketen gelockert, damit es beim Exerzieren spektakulärer klapperte und ihre Läufe kaputtpoliert. Während greise preußische Frontoffiziere über die feigen französischen Schweine fluchten, die sich weigerten, sich 30 m vor der so künstlerisch herbeimanövrierten preußischen Front zum Salvenaustausch aufzureihen, fegten die modern kämpfenden französischen Heere ihre zurückgebliebenen Gegner von den Schlachtfeldern bei Jena und Auerstädt.

Als die Maschinengewehre allmählich frontreif entwickelt wurden, erfreuten sich die Preußens im Herbstmanöver an kilometerbreiten geschlossenen Fronten, die wie an der Perlenschnur gezogen heroisch im Gleichschritt über die Äcker marschierten. Das militaristische Gehabe hielt Einzug in die Zivilgesellschaft und der völlig sinnbefreite Stechschritt wurde erfunden. Was auf den Kasernenhöfen (und Marktplätzen) stattfand, hatte immer weniger mit einsatzorientierter Ausbildung zu tun. "Drill" und "Militarismus" sind im Laufe der Zeit zu einer immer hässlicheren Karrikatur geworden, die in den - pardon - affigen Verhaltensauswüchsen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gipfelten. Diese Affektiertheit ist z. B. im "Hauptmann von Köpenick" oder dem "Leutnant Gustl" dargestellt und leider auch in vielen uniformierten Realsatiren in Ballonreithosen und Monokel die bei jeder Gelegenheit Haltung annehmen und die Hacken zusammenknallen lassen.

Die Aktivitäten eines Feldwebel Himmelstoß und "Wasser in Ärschen kochen" :hmpf: sind reine Schikane ohne irgendwelchen praktischen Sinn und genauso sinnbefreiter Pfauenstolzkrims wie irgendwelche Stechschritte. Das erinnert mich an den komischen Vogel, bei dem die Länge der Schwungfedern der Hähne das Selektionskriterium Nr. 1 der holden Weiblichkeit war, mit der Folge, dass die Viecher inzwischen nicht mehr flugtauglich sind. :rofl:

Genau das unterscheidet den Sch..., den irgendwelche Dummköpfe ohne eigenen Kopf und Selbstbewusstsein auf dem Kasernenhof/Sportplatz/Schule/Universität/Ausbildungsstätte anrichten, von einer zweck- bzw. einsatzorientierten Ausbildung, in der ein pfiffiger Ausbilder die körperlichen und geistigen Fähigkeiten seiner Leute fördert und sie zu einer modernen funktional zusammenwirkenden Einheit entwickelt.

Viele dieser Aktivitäten, wie z. B. das US-amerikanische "Brechen und Wieder (in unserem Sinne) Aufbauen" sind in der Tat auch als eine Form der Konditionierung gewollt, an deren Ende durchaus die Erzeugung unkritischer Befehlsempfänger gewollt produziert werden - mit allen möglichen Auswüchsen, vor der unsere heutige Bundeswehr durch die "Innere Führung" fürderhin verschont bleiben möge.

Man merke zum Beispiel - um wieder zu meinen britischen Steckenpferden des 18. Jh. zu gelangen - dass beim Heer, wo alles in enger Formation stattfand, alles zackig synchron lief - wie im heutigen Formaldienst auch - während die Seelute, die in weiträumig in der Takelage verteilten Teams zusammenarbeiteten, bei entsprechender Gelegenheit immer, neugierig am Vordermann vorbei luschernd "ihre Version von Haltung" annahmen.
 
@Galeotto: Das ist richtig und ich denke, dass sich das US Marine Korps, Fallschirmjäger, etc. noch immer insgeheim auf den alten Preußendrill beruft.
Die Marines berichten, dass das Schlimmste und Unangenehmste immer dann eintritt, wenn ein “Drill Instructor Sergeant” die Nasenspitze direkt an der Nasenspitze des anderen hat und brüllt, dass die Speichelfetzen fliegen.
“Sie Made, Sie Haufen Scheiße…”
Unwillkürlich denkt man immer: “das haben die von der Waffen-SS” aber in Wahrheit wurde der preußische Drill schon viel früher importiert. Vielleicht schon während des amerikanischen Freiheitskrieges.

Das glaube ich nicht. Steuben hat zwar einen Teil der US-Armee der Unabhängigkeit ausgebildet, einen Drill wie in Preussen, Hessen oder Hannover oder der königlichen französischen Armee, konnte man jedoch bei den Freiwilligen dort nicht einführen, die wären alle von der Fahne gelaufen.

Nach dem Unabhängigkeitskrieg wurde die Armee sehr stark heruntergefahren und wurde erst nach einer langen Unterbrechung wieder aufgestockt. Ich bezweifle sehr, dass dort etwas "preussisches" übrig geblieben ist. Im ersten und 2 WK fielen die US-Streitkräfte eher durch ihre laxe Auftretensweise auf, die auf die deutschen sehr unmilitärisch wirkte. Erst in den letzten Jahren, m.E. als Reaktion auf die moralische Zersetzung während des Vietnam-Krieges haben sie ihr Auftreten geändert und sich das heutige zackige Auftreten angeeignet.

Die Russen haben den Drill ebenfalls importiert. Zar Peter, der Gemahl von Katharina d.Gr. war ein totaler Preußenfan und hatte eine eigene preuß. Garde.

Die Russen hatten schon vor Peter eine hart gedrillte Armee und Peter war nicht lang genug an der Macht (und am Leben) um sie grundsätzlich zu ändern.

Bis auf die Züchtigungsstrafen war die NVA vollkommen nach preußischem Muster aufgebaut. Das fing damit an, dass der Soldat aufzuspringen und stramm stehen sollte, sobald ein Vorgesetzter den Raum betrat und endete in verschiedenen Speiseräumen: für Soldaten (essen an langen Tischen), Unteroffiziere(essen an Einzeltischen), Offiziere (essen an weißgedeckten Tischen mit Bedienung und Wahlessen)
"gestatten vorbei gehen zu dürfen", "gestatten eintreten zu dürfen", gestatten wegtreten zu dürfen" waren noch genau so üblich. Anliegen konnte ein Soldat nur an seinen nächsthöheren Vorgesetzten (Unteroffizier) richten, der sie seinem nächsten Vorgetzten weiterreichte damit dieser es wieder an den Nächsthöheren weitergeben konnte, u.s.w.

In diesen Verhaltensformen ist nichts ausschliesslich Preussisches. Ich kenne relativ gut die Verhältnisse in der spanischen und der argentinischen Armee, zumindest als sie beide noch Wehrpflichtige hatten. Dort waren die Unterschiede zwischen Truppe, Unteroffizieren und Offizieren genau so groß wie die von dir beschriebenen Zustände, in Argentinien sogar noch viel größer, da die Offiziere fast ausschliesslich europäischer Abstammung und aus den höheren Gesellschaftsschichten stammten, während die Unteroffiziere sehr häufig gemischter Abstammung waren und aus einfacheren Verhältnissen stammten.
In Spanien waren die Sozialen Unterschiede nicht so groß, die Beziehungen untereinander aber auch extrem hierarchisch. Im Gegensatz zur Wehrmacht, bei der die Offiziere zurück grüßten, wenn Untergebene eine Ehrenbezeugung machten, war das weder in Spanien noch in Argentinien gebräuchlich (in der US Army m.W. auch nicht zumindest im 2 WK). Die Misshandlungen die die Rekruten unterzogen wurden, waren so brutal, dass sie in beiden Ländern schliesslich zur Abschaffung der Wehrpflicht führten.
 
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Guten Morgen,

@thanepower Sorry für meine off-topic Beiträge. Da habe ich mich wohl tatsächlich zum Stammtischniveau hinreißen lassen. :rotwerd:

Zu den Definitionen:
WP Geplänkel https://de.wikipedia.org/wiki/Plänkler
Geplänkel seien „kleine Beunruhigungen gegenseitiger Vorposten oder Vortruppen durch Angriffe und Feuergefecht. […] In der Zeit der Napoleonischen Kriege wurden, meist vor dem Beginn der eigentlichen Schlacht, so genannte Tirailleure bzw. Jäger oder Chasseure (auch leichte Infanterie genannt) zum Lockern der gegnerischen Linien verwendet, indem sie, selbst in loser Formation, durch gezielte Schüsse vornehmlich Verbindungseinheiten herausschossen. Diese Kampftaktik wurde als Plänkeln bezeichnet.

@Neddy
Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 (Koalitionskriege) https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Jena_und_Auerstedt
Die preußische Armee erlitt zwei schwere Niederlagen gegen die französischen Truppen. […] Die Niederlagen waren zwar bitter für die preußisch-sächsische Armee, doch sie allein führten noch nicht zu einer Katastrophe. Ein großer Teil der Truppe desertierte. Während dieses Rückzugs wurden die Soldaten von den französischen Truppen rücksichtslos verfolgt und zersprengt. Nur wenigen größeren Abteilungen gelangen geordnete Rückzüge, bei denen sich vor allem Blücher und Scharnhorst auszeichneten. […] Die katastrophale Niederlage machte Preußen den Weg frei für weitgreifende Reformen im Gemeindeverfassungs- und Gewerberecht (Städteordnung, Gewerbeordnung), Agrar-, Militär- und Bildungswesen (Bauernbefreiung, Wehrpflicht, Universität Berlin und Gewerbeschulen). Diese trugen dazu bei, dass Preußen 1813 wieder in der Lage war, gegen Napoleon zu kämpfen. Nach dem Wiener Kongress wurde Preußen wieder eine Großmacht in Europa. […] Zum 180. Jahrestag im Jahre 1986 führte der Kulturbund der DDR eine Gedenkveranstaltung zur preußischen Niederlage bei Kapellendorf durch. Dabei wurden die Gefechte durch Soldaten in historischen Uniformen nachgestellt. […] Aus Anlass des 200. Jahrestages der Doppelschlacht wurde die Schlacht am 14. Oktober 2006 mit 1.800 Teilnehmern auf einem 600 m mal 800 m großen, umzäunten Gelände nahe der Ortschaft Cospeda nachgestellt. Jährlich werden im Oktober, zeitnah zum historischen Datum, durch den Verein AG „Jena 1806 e.V.“ Gedenkveranstaltungen organisiert. Alle fünf Jahre findet diese in einem größeren Rahmen statt.
Damit hatte die Niederlage bei Jena und Auerstedt tatsächlich zur Reform des preußischen Heeres geführt.

Ich gebe Dir vollkommen recht, Drill und reale Gefechtsbereitschaft, bzw. die Fähigkeit ein Feuergefecht zu führen und zu überstehen, sind zwei Paar Schuhe.

Den Hauptmann von Köpenick hatte es tatsächlich gegeben, war also keine Erfindung von Zuckmayer. https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptmann_von_Köpenick
Friedrich Wilhelm Voigt (* 13. Februar 1849 in Tilsit; † 3. Januar 1922 in Luxemburg) war ein aus Ostpreußen stammender Schuhmacher. Bekannt wurde er als der Hauptmann von Köpenick durch seinen spektakulären Überfall auf das Rathaus der Stadt Cöpenick bei Berlin, in das er am 16. Oktober 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten eindrang, den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte. Dieses Ereignis, das auf großes öffentliches Interesse stieß und als die Köpenickiade sprichwörtlich in die deutsche Sprache einging, wurde häufig künstlerisch verarbeitet. Besonders bekannt ist die dramatische Umsetzung durch Carl Zuckmayer in seiner Tragikomödie Der Hauptmann von Köpenick. […] Für seinen Coup hatte sich Voigt aus bei verschiedenen Trödlern erworbenen Teilen die Uniform eines Hauptmanns des preußischen 1. Garde-Regiments zu Fuß zusammengestellt. In dieser Verkleidung hielt er am 16. Oktober 1906 in einer ruhigen Gegend im Westen Berlins mittags zur Zeit des Wachwechsels auf der Straße einen Trupp Gardesoldaten an, ließ noch einen zweiten Trupp abgelöster Wachsoldaten herbeirufen und unterstellte zehn Mann unter Hinweis auf eine nicht existierende Kabinettsorder „auf allerhöchsten Befehl“ seinem Kommando. Mit ihnen fuhr er in der Berliner Stadtbahn nach Köpenick, da es ihm, wie er den Soldaten erklärte, nicht möglich gewesen sei, „Kraftwagen zu requirieren“. Bei einem Zwischenhalt gab er den Männern Bier aus. Nach der Ankunft in Köpenick übergab er jedem Soldaten eine Mark (heute: rund 6 Euro) und ließ sie auf dem Bahnhof zu Mittag essen. Anschließend erklärte er ihnen, er werde „den Bürgermeister und vielleicht noch andere Herren verhaften“. […] Ganz Deutschland lachte über den Geniestreich. Der Kaiser forderte unverzüglich einen telegrafischen Bericht über die Affäre an. Bei dessen Lektüre soll auch er gelacht und gesagt haben: „Da kann man sehen, was Disziplin heißt. Kein Volk der Erde macht uns das nach!“ […] Das große Echo in der Presse und in den Kulturmedien und eine Vielzahl lustiger Postkarten, Fotos und satirischer Gedichte machten die Episode in ganz Deutschland und über die Reichsgrenzen hinaus auch im Ausland bekannt und führten zu dem bis heute anhaltenden Ruf des Hauptmanns von Köpenick als „Eulenspiegel des wilhelminischen Militärstaats“, wie ihn der luxemburgische Historiker Marc Jeck nennt (siehe Literatur). […] „Daß ein ganzes Gemeinwesen mit allen seinen öffentlichen Funktionen, ja daß eine Abteilung Soldaten selbst auf so überwältigend komische und dabei doch völlig gelungene Art von einem einzigen Menschen düpiert wurde, das hat in unserem Lande der unbegrenzten Uniform-Ehrfurcht ein militärisches Gewand getan, mit dem sich ein altes, krummbeiniges Individuum notdürftig behängt hatte.“ (Berliner Morgenpost) […] Das gestrige Intermezzo lehrt klipp und klar: Umkleide dich in Preußen-Deutschland mit einer Uniform, und du bist allmächtig. […] In der Tat: Der Held von Köpenick, er hat den Zeitgeist richtig erfasst. Er steht auf der Höhe intelligentester Würdigung moderner Machtfaktoren. Der Mann ist ein Realpolitiker allerersten Ranges. […] Der Sieg des militärischen Kadavergehorsams über die gesunde Vernunft, über die Staatsordnung, über die Persönlichkeit des einzelnen, das ist es, was sich gestern in der Köpenicker Komödie in grotesk-entsetzlicher Art offenbart hat. Das gestrige Intermezzo lehrt klipp und klar: Umkleide dich in Preußen-Deutschland mit einer Uniform, und du bist allmächtig. […] In der Tat: Der Held von Köpenick, er hat den Zeitgeist richtig erfasst. Er steht auf der Höhe intelligentester Würdigung moderner Machtfaktoren. Der Mann ist ein Realpolitiker allerersten Ranges. […] Der Sieg des militärischen Kadavergehorsams über die gesunde Vernunft, über die Staatsordnung, über die Persönlichkeit des einzelnen, das ist es, was sich gestern in der Köpenicker Komödie in grotesk-entsetzlicher Art offenbart hat. (Berliner Volkszeitung) […] Einzelne Episoden setzen sich mit den Auswirkungen des Ehrenkodex des Offizierskorps auf das persönliche Leben und mit der gesellschaftlichen Stellung des Reserveoffiziers auseinander oder thematisieren die unbedingte Gläubigkeit eines ‚bodenständigen‘ Berliner Soldaten und Arbeiters, personifiziert in der Gestalt von Voigts Schwager, eines biederen Unteroffiziers, an Armee und Staat. Alltagsphänomene wie die stereotype Frage bei der Arbeitssuche „Wo hamse jedient?“ und das von jedermann verinnerlichte, automatische ‚Strammstehen‘ vor Uniformträgern werden ebenso gezeigt wie groteske und wohl der Phantasie des Autors entsprungene militärische Rollenspiele, die der Gefängnisdirektor seine Sträflinge, darunter auch den sich hier sehr hervortuenden Voigt, zur Feier des Jahrestages der Schlacht von Sedan aufführen lässt.
Das von Dir erwähnte “brechen und wieder aufbauen" eines Soldaten war eine Praxis, die insbesondere von SS-Gruppenführer Theodor Eicke bei der Totenkopfstandarte Anwendung fand. (siehe http://www.geschichtsforum.de/f66/h-rteausbildung-der-ss-totenkopfstandarte-47327/)

@Bdaian Du meinst sicherlich Friedrich Wilhelm von Steuben. WP: Friedrich Wilhelm Ludolf Gerhard Augustin von Steuben, auch bekannt als Baron Steuben (* 17. September 1730 in Magdeburg, Herzogtum Magdeburg; † 28. November 1794 in Utica, New York im heutigen Oneida County) war ein preußischer Offizier und US-amerikanischer General. Er reorganisierte die Kontinentalarmee im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Zu dem Auftreten der amerikanischen GIs während des WK II kann ich wenig sagen aber es ist gut möglich, dass sie in der dt. Propaganda als “kaugummikauende angloamerikanische Luftbanditen und Barbaren” dagestellt wurden. Beim US Marine Korps nehme ich aber an, dass dort von Anfang an ein harter Drill herrschte, kann das aber nicht belegen.

Gruss,
Bernd
 
Noch ein Beitrag zur wilhelminischen Gesellschaft:

WP Wilhelmismus https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelminismus
Die wilhelminische Zeit umfasst den Zeitraum von 1890 bis 1918 in der Geschichte des Deutschen Kaiserreichs, der die Herrschaftsjahre Wilhelms II. und den Ersten Weltkrieg einschließt. Der Wilhelminismus geht nicht auf einen Gesellschaftsentwurf dieses Deutschen Kaisers zurück. Vielmehr bezieht sich der Begriff auf sein äußeres Erscheinungsbild und seine Haltung. Diese äußerten sich im öffentlichen Aufführen pompöser Militärparaden wie auch in einer Selbstüberschätzung des Kaisers. […] Der Begriff Wilhelminismus kennzeichnet außerdem das gesellschaftlich-kulturelle Klima der Regierungszeit Wilhelms II., das in rigid patriarchalen und konservativen Orientierungen seinen Ausdruck fand.

Ein anderes Stichwort: WP Verpreußung https://de.wikipedia.org/wiki/Verpreu%C3%9Fung
Unter Verpreußung (des Reichs) versteht man den dominierenden Einfluss Preußens im Deutschen Reich in der Kaiserzeit nach 1871. Das Preußentum strahlte in der Folgezeit auch auf die anderen deutschen Staaten aus. In der Regierungszeit Wilhelms II. verengte sich die preußische Prägung zunehmend auf den Militarismus (siehe Wilhelminismus). […] Auch in der Außenwahrnehmung herrschte vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine negative Sichtweise auf die Rolle Preußens im Kaiserreich vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Alliierte Kontrollrat im Kontrollratsgesetz Nr. 46 von 1947 davon aus, dass Preußen „seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland“ gewesen sei und stützte sich damit auf eine Lehrmeinung der Zeit, die eine direkte Entwicklungslinie zwischen wilhelminisch-preußischem Militarismus und dem Nationalsozialismus sah.

Die Verpreußung fand ihren symbolischen Ausdruck in der Schwarz-weiß-roten Reichskriegsflagge, dem königlich-preußischem Adler und dem Eisernen Kreuz.

Um aber auf das Thema Preußendrill zurückzukommen. Der began, wie bereits erwähnt, schon im patriarchalisch geführten Elternhaus. Also der Vater als strenger Zuchtmeister (“Herr Papa”) und den Herrn Sohnemann in Matrosenuniform und am Sonntag dann die ganze Familie als Zaungäste einer strammen Militärparade...so in der Art vielleicht...
 
Dies bitte wieder streichen:
Die Verpreußung fand ihren symbolischen Ausdruck in der Schwarz-weiß-roten Reichskriegsflagge, dem königlich-preußischem Adler und dem Eisernen Kreuz - ist natürlich Quatsch.
 
Ich möchte mich bei der mittlerweile sehr breiten Dikussion vorerst nur kurz mit einigen Denkanstößen beteiligen.

Die harten Militärstrafen und die strenge Disziplin sind keine preußische Erfindung und gehen ursprünglich wohl auf die französische Armee zurück. Ich würde vermuten das Friedrich Wilhelm I. sich dabei an vielleicht an den Exercices de Mars orientiert hat. Es handelt sich um eine Darstellung der französischen "Kriegs-Manier" die im späten 17. Jahrhundert geschrieben und in Kupfer gestochen wurde und im Jahr 1700 ins deutsche übersetzt wurde (hier als Digitalisat der UB Augsburg: Guérard, Nicolas ; Leopold, Joseph Friderich: Les Exercices De Mars : Eigentliche Abbildung und Beschreibung, deß Soldaten Lebens nach der neuesten frantzösischen Kriegs Manier, Augustae Vindelicorum, Leopold, 1700 )

Für mich stellt sich das ganze durch meine Quellenlektüre so dar: FRW I. orientiert sich bei der Qualitätssteigerung seiner Armee an den damals führenden Militärmächten der Zeit u.a. Frankreich. FR II. verfügt schließlich im Österreichischen Erbfolgekrieg über eine Armee die in Sachen Disziplin und Exercierkunst den anderen Armeen überlegen ist. Die Nachahmung der preußischen Armee setzt daher vorallem nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg ein. Um die Disziplin der Briten ist es zu dieser Zeit übrigens auch noch nicht so weit bestellt, aber es Gründen sich dann zwischen 1748 und 1756 sogar zivile Vereinigungen in denen man das preußische Exerziereglement übt. Im Siebenjährigen Krieg haben die meisten Armeen in Sachen Exerzieren und Disziplin nahezu denselben Stand wie Preußen. Selbst die kurkölnischen Truppen exerzieren bereits nach preußischem Reglement. Es bleiben allerdings einige Vorteile durch die Erfahrung in der Führung größerer Verbände durch häufige Manöver mit größeren Truppenkörpern (natürlich noch lange nicht zu vergleichen mit heutigen Manövern). Nach dem Siebenjährigen Krieg werden die Schwächen der preußischen Armee (u.a. Artillerie) durchaus kritisch wahrgenommen.

Zur Art der Ausbildung: Die Strafen ähneln noch sehr den französischen Strafen um 1700. Die Reglements für die Infanterie sind jedoch deutlich detaillierter als z.B. das entsprechende französische Reglement für 1756/1757. Das Bild vom preußischen Kommandoton könnte übrigens falsch sein. Ich habe in einer kurz nach 1806 verfassten Quelle mal etwas zum ruhigen aber durchdringenden Kommandoton der altpreußischen Offiziere gelesen. Von den Soldaten wurde schließlich auch absolute Stille beim durchführen der Handgriffe erwartet. Ein Punkt wo die ältere Literatur meiner Meinung nach Grundlegend falsch liegt ist die soziale Disziplinierung. Die Einbindung des Adels in das Offizierskorps ist zwar seit FRW I. deutlichst gesteigert, aber auch 1806 längst noch nicht abgeschlossen.
 
Ich denke mal, man tut den 'Preußen zu viel "Ehre" an, wenn man sie für den Drill etc. "verantwortlich" macht.
Stehende Heere gabs in Hannover ab ~ dem 30 jährigen Krieg, Braunschweig meines Wissens nacht dto.
Die drakonischen Strafen waren allgemein üblich.
Der Unterschied zu diesen Armeen und Preußen sind m.E. angeworbene "Ausländer", (was beinah mal einen Krieg zwischen Chur Hannover und Preußen ausgelöst hätte) und vor allem die geforderte Körperlänge bei den Preußen und der eiserne Ladestock.

Mehr gepreßte Soldaten ergibt mehr Disziplinarvergehen und ergo mehr Disziplinarstrafen.
Zum "unbarmherzigen Drill": Den gibts /gabs wohl in allen Armeen, seien es die Armeen Dingaans oder eben FRWI
 
Ich möchte mich bei der mittlerweile sehr breiten Dikussion vorerst nur kurz mit einigen Denkanstößen beteiligen.

Die harten Militärstrafen und die strenge Disziplin sind keine preußische Erfindung und gehen ursprünglich wohl auf die französische Armee zurück. Ich würde vermuten das Friedrich Wilhelm I. sich dabei an vielleicht an den Exercices de Mars orientiert hat. Es handelt sich um eine Darstellung der französischen "Kriegs-Manier" die im späten 17. Jahrhundert geschrieben und in Kupfer gestochen wurde und im Jahr 1700 ins deutsche übersetzt wurde (hier als Digitalisat der UB Augsburg: Guérard, Nicolas ; Leopold, Joseph Friderich: Les Exercices De Mars : Eigentliche Abbildung und Beschreibung, deß Soldaten Lebens nach der neuesten frantzösischen Kriegs Manier, Augustae Vindelicorum, Leopold, 1700 )

Für mich stellt sich das ganze durch meine Quellenlektüre so dar: FRW I. orientiert sich bei der Qualitätssteigerung seiner Armee an den damals führenden Militärmächten der Zeit u.a. Frankreich. FR II. verfügt schließlich im Österreichischen Erbfolgekrieg über eine Armee die in Sachen Disziplin und Exercierkunst den anderen Armeen überlegen ist. Die Nachahmung der preußischen Armee setzt daher vorallem nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg ein. Um die Disziplin der Briten ist es zu dieser Zeit übrigens auch noch nicht so weit bestellt, aber es Gründen sich dann zwischen 1748 und 1756 sogar zivile Vereinigungen in denen man das preußische Exerziereglement übt. Im Siebenjährigen Krieg haben die meisten Armeen in Sachen Exerzieren und Disziplin nahezu denselben Stand wie Preußen. Selbst die kurkölnischen Truppen exerzieren bereits nach preußischem Reglement. Es bleiben allerdings einige Vorteile durch die Erfahrung in der Führung größerer Verbände durch häufige Manöver mit größeren Truppenkörpern (natürlich noch lange nicht zu vergleichen mit heutigen Manövern). Nach dem Siebenjährigen Krieg werden die Schwächen der preußischen Armee (u.a. Artillerie) durchaus kritisch wahrgenommen.

Zur Art der Ausbildung: Die Strafen ähneln noch sehr den französischen Strafen um 1700. Die Reglements für die Infanterie sind jedoch deutlich detaillierter als z.B. das entsprechende französische Reglement für 1756/1757. Das Bild vom preußischen Kommandoton könnte übrigens falsch sein. Ich habe in einer kurz nach 1806 verfassten Quelle mal etwas zum ruhigen aber durchdringenden Kommandoton der altpreußischen Offiziere gelesen. Von den Soldaten wurde schließlich auch absolute Stille beim durchführen der Handgriffe erwartet. Ein Punkt wo die ältere Literatur meiner Meinung nach Grundlegend falsch liegt ist die soziale Disziplinierung. Die Einbindung des Adels in das Offizierskorps ist zwar seit FRW I. deutlichst gesteigert, aber auch 1806 längst noch nicht abgeschlossen.

Hier brauch man die Bilder nur anzuklicken. Spießrutenlauf ist auch dabei.



Les Exercices de Mars. Eigentliche Abbildung und Beschreibung des Soldaten Lebens nach der neuesten französischen Kriegs-Manier... / von Joseph Friderich Léopold...
 
Der Unterschied zu diesen Armeen und Preußen sind m.E. angeworbene "Ausländer", (was beinah mal einen Krieg zwischen Chur Hannover und Preußen ausgelöst hätte) und vor allem die geforderte Körperlänge bei den Preußen und der eiserne Ladestock.

Mehr gepreßte Soldaten ergibt mehr Disziplinarvergehen und ergo mehr Disziplinarstrafen.
Der Unterschied liegt eher im Umfang der Auslandswerbung im Frieden begründet. Während des Siebenjährigen Krieges ging die Auslandswerbung Preußens drastisch zurück, da viele Territorien nun sehr darauf bedacht waren keine Werbung der gegnerischen Partei zuzulassen. Braunschweiger, Hannoveraner etc. haben auch im Ausland angeworben. In Hamburg gab es im Siebenjährigen Krieg z.B. Probleme mit hannoverschen und englischen Werbern, die dort illegalerweise aktiv waren. Eine möglichst hohe Körperlänge wurde von allen Armeen des 18. Jahrhunderts gefordert. Der eiserne Ladestock wurde in Frankreich übrigens 1741 eingeführt.

Hier brauch man die Bilder nur anzuklicken. Spießrutenlauf ist auch dabei.
Der Bildbeschreibung kann man entnehmen das mit den Baguettes geprügelt wurde. Wenn man diese Praxis nach der Einführung der eisernen Ladestöcke beibehalten hat, muss das Spießrutenlaufen um einiges brutaler geworden sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, man muss die Strafpraxis von militärischem Drill unterscheiden. Als der "preußische" Drill seine Hochphase hatte, waren die Gesellschaften und ihre Vorstellungen von "Gerechtigkeit" noch stark vom Grundsatz der Vergeltung (Körperstrafen) geprägt. Beginnend mit dem Zeitalter der Aufklärung wandelte sich das nach und nach zum heutigen Justizwesen, das in erster Linie auf Resozialisierung ausgerichtet ist. Die gleiche Entwicklung ist (vielerorts verzögert) auch beim Militär zu beobachten. Sie hat aber ihre Ursache nicht im Militär sondern eben in der Gesellschaft.

Den militärischen Sinn von "Drill" hat @Neddy in zwei Beiträgen ausgezeichnet erörtert. Insbesondere die folgende Passage seiner Ausführungen würde ich hervorheben:

Während die Franzosen (notgedrungen) Tirailleur- und Kolonnentaktik anwandten, hatten die Preußen, auf ihren Lorbeeren ruhend, Schrauben und Nieten ihrer Musketen gelockert, damit es beim Exerzieren spektakulärer klapperte und ihre Läufe kaputtpoliert. Während greise preußische Frontoffiziere über die feigen französischen Schweine fluchten, die sich weigerten, sich 30 m vor der so künstlerisch herbeimanövrierten preußischen Front zum Salvenaustausch aufzureihen, fegten die modern kämpfenden französischen Heere ihre zurückgebliebenen Gegner von den Schlachtfeldern bei Jena und Auerstädt.
Dem stimme ich vollkommen zu. Deshalb bin ich auch der Ansicht, dass die genannten französischen Methoden das heutige Militärwesen stärker geprägt haben als "preußisch" wirkende Konzepte der Gleichschaltung mittels brutalem Drill.

Und so wie sich das Militärwesen mit der "Verfeinerung" der Waffentechnik fortentwickelte, wurde Drill aus rein militärisch-taktischer Sicht zunehmend von einer Notwendigkeit zu einer sinnlosen Tradition. Nehmen wir als Beispiel das Thema "Marschieren" auf dem Ex-Platz. Da soll es heute noch Bundeswehreinheiten geben, in denen das praktiziert wird bis die Socken qualmen. Linksum, rechtsschwenkt, ein Lied zwo drei vier... Einen Sinn hat das heute nicht mehr. Vor wenigen Jahrzehnten sah das noch anders aus. Damals bildeten Infanterieeinheiten noch den Kern des Heeres. Und Marschieren gehörte zu den grundlegenden taktischen Manövern. Das wurde so lange geübt, bis jeder Soldat selbst im Wachkoma noch wie ein Automat 114 Schritte pro Minute machen und mit jedem Schritt 80 Zentimeter zurücklegen konnte. In Deutschland jedenfalls. Bei den Briten war die Frequenz höher, die Schrittlänge kleiner, beim betont langsamen Schritt der Fremdenlegion galten wieder ganz andere Regeln. Bei allen wurde aber auf die Weise Marschleistung berechenbar und Kollonnen blieben auf dem Marsch geschlossen, selbst wenn sie nicht im Gleichschritt marschierten. So wie sich das Kriegswesen wandelt, verliert das immer mehr seinen Sinn, wird aber mangels alternativer Methoden der "legalen Quälerei" weiter praktiziert.

MfG
 
Nachgerutschte Gedanken zum Sinn des Drills:

Worum es dabei geht, sieht man an den "Boot Camps", in denen junge Straftäter mit scharfem Drill auf Linie gebracht werden sollen. Da werden keine militärischen Fähigkeiten vermittelt. Es wird nur Unterordnung erzeugt. In einem Militär, das aufgrund seiner technischen Möglichkeiten wenig bis gar keine Anforderungen an die intellektuellen Fähigkeiten seiner Soldaten stellt, ist "Unterordnung" vielleicht ein geeignetes Mittel. Modernes Militär stellt andere Anforderungen: Da werden Eigeninitiative und vor allem Eigenmotivation benötigt. Das ist mit bloßem Drill nicht zu erreichen. Schon die französische Tirailleurtaktik konnte nur funktionieren, weil die Soldaten aus eigenem Antrieb kämpften - nicht bloß deshalb, weil sie Angst hatten von der hinter ihnen stehenden Linie der eigenen Kameraden zusammengeschossen zu werden.

MfG
 
Auch im Heer der Osmanen herrschte Drill und dadurch eine Disziplin, welche europäische Reisende, die ein osm. Heerlager zu sehen bekamen äußerst verblüffte. Z. B. Michael Heberer in den achziger Jahren des 16. Jh.
" Im Kriegswesen herrscht bei den Türken eine höchst lobenswerte Zucht und Ordnung. Da geht es allenthalben in einem großen Feldlager friedsam ind still zu, ohne Zank und Hader, ohne spielen und fluchen, ohne zechen und zutrinken, ohne Unzucht und Üppigkeit, mit unaussprechlicher Sparsamkeit. Und das nicht nur beim Fußvolk sondern auch bei der Reiterei. Wer das nicht mit angesehen, glaubt's einfach nicht."
Offenbar stand das im krassen Gegenteil zu den disziplinlosen Landsknechten und Söldnern der christlichen Welt.
 
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