Du meinst, Verfolgungen der Anhänger einer monotheistischen Religion zählen nicht, weil die Verfolgten sie durch ihre Sturheit und Intoleranz heraufbeschworen haben?
Wenn von polytheistischer religiöser Toleranz die Rede ist (wie bei mir), dann ist dabei die Einschränkung zu machen, dass diese Toleranz nur unter einer bestimmten Bedingung gilt: Der Fremdgläubige hat die nationalen Götter, also die Götter des Staates, dessen Bürger er ist, zu respektieren und ihnen bei obligatorischen Anlässen zu opfern. Das ist im polytheistischen Glauben begründet, dass das Wohl und Wehe des Landes und seiner Bürger am guten Willen der nationalen Götter hängt. Um den Frieden mit den Göttern (bei den Römern: pax deorum) zu gewährleisten, ist zum einen der Vollzug zahlreicher genormter Rituale erforderlich und zum andern zu vermeiden, dass Dinge geschehen, die den Unwillen der Götter heraufbeschwören. Zu letzterem zählt natürlich die Weigerung der Christen, dem Kaiser und den nationalen Göttern zu huldigen. Solche Verfehlungen gegen das göttliche Gesetz konnten, in römischer (und allgemein polytheistischer) Sicht, Götter dazu motivieren, das Volk mit Unheil zu strafen in Form kriegerischer Niederlagen, Naturkatastrophen und ähnlichem.
Polytheistische Religionstoleranz hat also den Integrationswillen der Fremdgläubigen zur Bedingung. Fremde Kulte sind erlaubt, wenn parallel dazu die nationalen Götter geehrt werden. Alle gegen Juden und Christen erfolgten Repressionen erklären sich aus deren Beharren auf absoluter religiöser Autonomie, d.h. der Weigerung, die nationalen Götter anzuerkennen. Mehr noch: Diese Gruppen verweigerten nicht nur den Opferdienst, sondern leugneten sogar die Existenz der nationalen Götter - in polytheistischen Augen ein Super-GAU mit potentiell fatalen Folgen (Götterzorn).
Ich bleibe also bei meiner Formulierung, polytheistische Religionsunterdrückung bzw. Opferzwang sei eine "atypische" Verhaltensweise. "Typisch" kann sie schon aus statistischen Gründen nicht sein. Polytheistische Systeme - und nur solche - gab es zuvor schon seit mehreren tausend Jahren, ohne dass den Juden- und Christenverfolgungen vergleichbare Praktiken historisch überliefert sind. Es handelt sich hier somit um Sonder- bzw. um "atypische" Fälle.
Den Vorwurf hat man den Juden in der Antike schon gemacht, und sie waren Verfolgungen ausgesetzt. Nebukadnezar II. nahm die Elite als Geiseln im Babylonischen Exil.
Das hatte mit einer religiösen Verfolgung gar nichts zu tun, sondern entsprach einer seit Jahrhunderten bestehenden Praxis der Deportation von Eliten (im vierstelligen Bereich) in das eigene Reich, um das aus machtpolitischen Gründen eroberte Reich zu schwächen. Als Pionier dieser Methode gilt der Assyrer Tukulti-Ninurta I. (13. Jh. vuZ), der mit den Hethitern und Babyloniern so verfuhr. Später wurde diese Praxis durch die Neuassyrer noch ausgeweitet. Dass die babylonische Deportation mit einer Religionsunterdrückung nichts zu tun hat, wird dadurch belegt, dass die Exilanten - unter sehr komfortablen Bedingungen - ihre Religion weiterhin pflegen durften.
Eines der höchsten jüdischen Feste, Purim wird allerdings im Gedenken an eine geplante Vernichtung aller Juden im Perserreich gefeiert.
Das um 150 v. Chr verfasste Buch Esther wirst du vermutlich nicht gelten lassen, und tatsächlich gibt es keine außerbiblische Quelle für die Verfolgung durch Hamam. Es kann sein, dass die Verfasser Erfahrungen aus der Seleukidenzeit projeziert hat.
Das Buch ist in der Tat so umstritten, dass es als Argumentationsbasis nichts hergibt. Es ist vielmehr als ideologisches Produkt anzusehen, wie so viele andere Stories im Tanach.
Der Versuch Antiochos IV.das Judentum zu verbieten und palästina untter Zwang zu hellenisieren, ist nicht nur im Buch Daniel ( Dan 7, 25) überliefert, Antiochos Versuch, führte zu einem Volksaufstand, und die Makkabäerkriege sind auch durch nichtjüdische Quellen belegt.
Die Hintergrundmotive für Antiochos´ Bestrebungen sind gänzlich unerforscht, es gibt eine Mehrzahl divergierender Interpretationen. Einiges deutet darauf hin, dass es nicht per se um die Vernichtung des jüdischen Glaubens ging, sondern dass rein politische Motive den Ausschlag gaben, denen die Unterdrückung des jüdischen Kultes pragmatisch dienen sollte. Z.B. gibt es die Auffassung, Antiochos habe die brisante Verbindung zwischen Judäa und Ägypten - in Gestalt vieler nach Jerusalem pilgernder ägyptischer Juden - und die damit verbundene Gefahr eines ägyptischen Einflusses auf Judäa durch das Verbot schwächen wollen.
Als Beispiel für polytheistische Unterdrückung einer fremden Religion kann Antiochos also nicht dienen, da die jüdische Religion nicht als Religion, sondern als pragmatisches Hindernis für den Aufbau eines einheitlichen seleukidischen Reichs im Weg war. Unter anderen Umständen wäre gewiss keine Gedanke an ein Religionsverbot aufgekommen.
Dieses Thema ist allerdings so komplex, dass es einen eigenen Thread verdienen würde, da es eine Vielzahl von Hintergrund-Theorien gibt.
Aus dieser Erfahrung lernten die Römer- oder auch nicht. Pompeius, der den Tempel samt Allerheiligem besichtigte, sorgte für große Empörung unter Juden
(usw.)
Zu den Judenverfolgungen habe mich ich oben schon geäußert. So schrecklich diese Dinge für die Betroffenen auch waren, sie erklären sich aus der Weigerung (bzw. der entsprechenden priesterlichen Ideologie), den örtlichen Polygöttern die obligatorischen Opfer zu entrichten. Analoges gilt für die Gewalttaten an Christen.
Die Verfolgung von Andersgläubigen ist durchaus kein Monopol der monotheistischen Religionen und erst recht nicht atypisch.
Aus den genannten Gründen sehe ich das anders. Es handelt sich um zwei einander sehr ähnliche Einzelfälle, die nicht dazu berechtigen, von einem "typischen" Verhalten zu sprechen.