Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Sepiola

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Aus einer Nebendiskussion zu einer mutmaßlichen romanischen SprachInsel um Partenkirchen:

Ganz sicher bin ich mir nicht. Es gibt zumindest eine alternative Erklärung:
"Partenkirchen < *Barthen-kirchen enthält den Namen der römischen Station Partanum als Bestimmungswort; dass das anlautende P- des vorbairischen Namens nicht, wie zu erwarten, zu abair. Pf- verschoben wurde, hängt mit der Eindeutung durch den PN. Barthel (<Bartholomäus) zusammen: Partenkirchen/*Barthenkirchen wurde als *Barthelskirchen 'Kirche des hl. Bartholomäus' eingedeutet."

Deutsches Gewässernamenbuch
Nun steht Partenkirchen nicht alleine da, in der Umgebung findet man weiterhin Ortsnamen wie Kochel, Wallgau, Walchensee etc.
Und was davon wäre ein überzeugender Beleg für eine romanische Sprachinsel? Der ganz und gar germanische Name des Kochelsees sicher nicht. Walchen-Namen können mit einer romanischen Bevölkerung zusammenhängen, müssen aber nicht. Es gibt nämlich auch den alten deutschen Personennamen Walcho.

Aus dem Kanton Glarus wird etwa berichtet, dass sich die Dialekte nördlich und südlich des Hirschensprungs immer noch unterscheiden:

Der Hirschensprung war im Frühmittelalter Grenze zu Churrätien und auch Sprachgrenze zwischen dem Alemannischen und Rätoromanischen Gebiet. So gibt es oberhalb von Rüthi den Weiler Plona, der auf diese sprachlichen Wurzeln zurückgeht. Noch heute lässt sich diese Sprachbarriere in den unterschiedlichen Dialekten der beiden Gemeinden südlich und nördlich des Hirschensprungs gut feststellen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hirschensprung
Wikipedia-Behauptungen ohne Belege sind immer mit Vorsicht zu behandeln. Warum sollte eine Sprachgrenze, die über die Jahrhunderte immer weiter rheinaufwärts gewandert ist, ausgerechnet an diesem einen Ort eine Dialektgrenze erzeugt haben?
 
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Und was davon wäre ein überzeugender Beleg für eine romanische Sprachinsel? Der ganz und gar germanische Name des Kochelsees sicher nicht.
Wie bitte?

Die Geschichte der Besiedelung Kochels (früher Quochcalun) begann auf der so genannten Birg bei Altjoch, einem Felskegel direkt am Ufer des Kochelsees. Der Name Kochel ist abgeleitet vom lateinischen cocula, der Bezeichnung für Kopf, Kegel oder Gipfel. Von romanischen Gattungsnamen sind es besonders der Kapf und Kogel mit den Nebenformen Kochel, Gugel, Kögel und Kegel, die durch das ganze bayerische Sprachgebiet verbreitet sind...[2]

https://de.wikipedia.org/wiki/Kochelsee
Walchen-Namen können mit einer romanischen Bevölkerung zusammenhängen, müssen aber nicht. Es gibt nämlich auch den alten deutschen Personennamen Walcho.
Das liest sich in der oben aufgeführten linguistischen Literatur aber ganz anders.
Warum sollte eine Sprachgrenze, die über die Jahrhunderte immer weiter rheinaufwärts gewandert ist, ausgerechnet an diesem einen Ort eine Dialektgrenze erzeugt haben?
Weil es dort eine natürliche Grenze gibt, die über Jahrhunderte die Sprachräume trennte (das nebenan gelegene Alpenrheintal ist dazumal versumpft und nicht gangbar gewesen):

https://de.wikipedia.org/wiki/Hirschensprung
 
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Es gibt nämlich auch den alten deutschen Personennamen Walcho.
Einmal davon abgesehen, dass manche dieser "alten deutschen Personennamen" sich längst als Fantasieprodukte aus national bewegten Zeiten erwiesen haben — welche Bedeutung hätte wohl der Name "Walcho" in althochdeutscher Zeit gehabt — wenn nicht "der Welsche"?

Und was davon wäre ein überzeugender Beleg für eine romanische Sprachinsel?
Die ganze Gegend wurde offenbar Wallgau genannt:

Wallgau wurde erstmals im Jahr 763 als walhogoi[3] in der Gründungsurkunde des Klosters Scharnitz (scarantia) erwähnt.[4] Der „Gau der Walchen“ oder „Welschen“ bot römischen Siedlern und Legionären zur Bewahrung ihrer Tradition nach dem Verfall der Provinz Raetia Zuflucht vor den Bajuwaren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wallgau

[Hier noch einmal die durch die zu späte Auslagerung des Themas abgeschnittenen Quellen:
Romanische Sprachgeschichte / Histoire linguistique de la Romania.
Historische Sprachwissenschaft als philologische Kulturwissenschaft]
 
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Wie bitte?

Die Geschichte der Besiedelung Kochels (früher Quochcalun) begann auf der so genannten Birg bei Altjoch, einem Felskegel direkt am Ufer des Kochelsees. Der Name Kochel ist abgeleitet vom lateinischen cocula, der Bezeichnung für Kopf, Kegel oder Gipfel. Von romanischen Gattungsnamen sind es besonders der Kapf und Kogel mit den Nebenformen Kochel, Gugel, Kögel und Kegel, die durch das ganze bayerische Sprachgebiet verbreitet sind...[2]

https://de.wikipedia.org/wiki/Kochelsee
Der Wiki-Artikel stützt sich auf eine Arbeit von 1908 (!), ich halte mich lieber an die aktuellere Literatur. Greule Gewässernamenbuch:

"Kompositum mit dem Grundwort ahd. 'See' und ON. Kochel als Bestimmungswort. Der ON. abair. Chochalon (Dat. Pl.) < *Kochalon, enthält gm. *kukala-, l-Ableitung von gm. *kuk(k)a- (mundartlich pfälzisch koch 'spitzer Hügel, Erdaufwurf'), mit anderem Suffixvokal (*kukila-) bair. die Köcheln 'bewachsene Erhöhungen in einem Moor', FlurN Küchelberg, 1330 offe kuchelberg, rundliche Erhebung"

"Walchensee, Grundform mhd. *Walhen-, Kompositum mit dem Grundwort mhd. 'See' und dem Genitiv des PN. ahd. *Walho (Gen. *Walhin-/*Walhen-) als Bestimmungswort)"


Einmal davon abgesehen, dass manche dieser "alten deutschen Personennamen" sich längst als Fantasieprodukte aus national bewegten Zeiten erwiesen haben
Was für Walcho aber nicht zutrifft...

Weil es dort eine natürliche Grenze gibt, die über Jahrhunderte die Sprachräume trennte
Dann wäre doch die natürliche Grenze die näherliegende Erklärung für die jetzt bestehenden mundartlichen Grenzen. Warum sollte man die Romanen vergangener Jahrhunderte für Isoglossen (welche eigentlich?) zwischen alemannischen Dialektvarietäten verantwortlich machen?
 
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Der Wiki-Artikel stützt sich auf eine Arbeit von 1908 (!), ich halte mich lieber an die aktuellere Literatur.
Auch ich hatte mich auf aktuellere Literatur bezogen:

8. Die östliche Alpenromania

Im Kontakt mit der inneralpinen Romania haben sich auch im bairischen Voralpenraum romanische Außenposten gehalten. In der Raetia Secunda handelt es sich zunächst im den Wallgau, 763 pagum desertum ... Uualhogoi "Gau der Romanen" mit dem Walchensee und die Regionen um die mit vorgermanischen Namen versehenen Kochel- und Staffelsee. Erhaltenes [t] in Partenkirchen, 3. Jh. Part(h)ano (zum PN Parthus) in der Nähe des Bergwaldes 763 vorgerm. Scarantiae (heute Scharnitz), gegenüber ahd. [k] > [x] bei Kochel, 11.Jh. Chochalun (zu idg. *kuk- gekrümmt), und Schwund des romanischen intervokalischen [v] in Pähl (Kr. Weilheim-Schongau, 960/1127 Poule, 1096/1133 Boile < bovīle) bezeugen die Eindeutschung erst im Laufe des 7. Jh.

Gerhard Ernst, Martin-Dietrich Gleßgen, Christian Schmitt, Wolfgang Schweickard, Romanische Sprachgeschichte / Histoire linguistique de la Romania. 1. Teilband, Walter de Gruyter, 2003, p 702
Was für Walcho aber nicht zutrifft...
Hier sind sich offenbar die Fachleute nicht einig.
Dann wäre doch die natürliche Grenze die näherliegende Erklärung für die jetzt bestehenden mundartlichen Grenzen. Warum sollte man die Romanen vergangener Jahrhunderte für Isoglossen (welche eigentlich?) zwischen alemannischen Dialektvarietäten verantwortlich machen?
Da mir die Glarner Mundart fern ist, kann ich dazu nichts sagen. Es war auch lediglich ein freundlicher Hinweis an Riothamus, der oben eine Vermutung in dieser Richtung angestellt hatte, kein Argument meinerseits.
 
Auch ich hatte mich auf aktuellere Literatur bezogen:
[...] Chochalun (zu idg. *kuk- gekrümmt)
Da scheint mir die Herleitung aus dem Bairischen weniger weit hergeholt:
Bayerisches Wörterbuch

Andererseits scheint mir die Herleitung von Partenkirchen aus unverschobenem Partanum eleganter als die Eindeutung durch den Bartholomäus, wenngleich die alten Belege neben Partinchirchen auch Barthinchirche bzw. Barthenchirchen zeigen. Wie ich schon schrieb: "Ganz sicher bin ich mir nicht."

Hier sind sich offenbar die Fachleute nicht einig.
Welche Fachleute bestreiten die Existenz des Personennamens?

Hier die Belege für die Namen Walach/Walaho etc. aus dem Lorscher Codex:
Lorscher Codex

Beispiele aus späterer Zeit:
Walcho von Waldeck übergibt mit Zutun seiner Gemahlin Maechtide und seines Sohnes Gerung dem Kloster St Blasien seinen s - Detailseite - LEO-BW

Bischof Wolfhard von Augsburg beurkundet dass Ritter Walcho von Essendorf Essindorf mit Willen seiner Frau Adelheid und - Detailseite - LEO-BW

Siehe auch: Walahonen – Wikipedia
 
Da scheint mir die Herleitung aus dem Bairischen weniger weit hergeholt:
Bayerisches Wörterbuch
Die bairische Sprache enthält offenbar sehr viele spätantik-frühmittelalterliche Latinismen, resp. Romanismen, was wohl auf einen vergleichsweise langen und friedlichen Kontakt mit sukzessiver Verschmelzung schließen lässt. Siehe auch das vergleichbare oberdeutsche Wort "Kachel":

Kachel f. ‘gebrannte (glasierte) Tonplatte’, ahd. kahhala ‘Topf, Gefäß der Öllampe’ (11. Jh.), mhd. kachel(e) ‘irdenes Gefäß, Geschirr’, auch ‘Ofenkachel’, ist aus vlat. *cac(c)alus, *cac(c)ulus entlehnt, das entweder aus lat. cac(c)abus ‘Tiegel, Pfanne zum Schmoren’ hervorgegangen oder als Klammerform des zugehörigen Deminutivs spätlat. cac(c)abulus ‘kleiner Tiegel’ aufzufassen ist. Vorauf geht griech. kák(k)abos, kak(k)ábē (κάκ(κ)αβος, κακ(κ)άβη) ‘Kochgeschirr’. Vgl. Brüch in: ZfrPh 57 (1937) 585 ff. und Frings/M. Germania Romana 2 (1968) 135 f. Die Kenntnis des Tonbrennes bei den Germanen geht auf die Römer zurück. Die ursprüngliche Bedeutung ‘irdener Topf, Kochgeschirr’ ist noch im 16. Jh. nachweisbar. Dazu kacheln Vb. ‘mit Kacheln versehen’ (19. Jh.). Kachelofen m. mhd. kacheloven (13. Jh.).

https://www.dwds.de/wb/Kachel
Welche Fachleute bestreiten die Existenz des Personennamens?
Mein Fehler. Ich war off-screen abgelenkt geworden, wollte schnell zum Schluss kommen und habe deshalb unkonzentriert zu knapp und damit falsch geantwortet. Gemeint war, dass die Ansichten über die Walchen-Ortsnamen offenbar differieren.

Um noch einmal etwas Würze in die Diskussion zu bringen: Ist es zu abwegig, auch im Vierwaldstättersee einen ursprünglichen Vierwalschstättersee (im Dialekt ist ein "d" kaum zu vernehmen) zu sehen? Als am unteren Zürichsee längst schon Alamannen zugewandert waren, haben hier jedenfalls noch lange Romanen gelebt.
 
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Um noch einmal etwas Würze in die Diskussion zu bringen: Ist es zu abwegig, auch im Vierwaldstättersee einen ursprünglichen Vierwalschstättersee (im Dialekt ist ein "d" kaum zu vernehmen) zu sehen?

Ja.
See, der die vier Waldstett Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern berührt. | Der Begriff Waldstett wurde ursprünglich für die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden gebraucht. Er galt so seit 1309 bis in die ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts. Ab 1433 ist mit Einschluss von Luzern von vier Waldstätten die Rede (HBLS 7, 369). Bei Josias Simler in der Ausgabe von 1627 heisst das so: "Primi omnium fºdus fecerunt Vrii, Suitii, & Vndervaldii, anno à Christo nato MCCCVIII. Hi populi nominantur sylvestres, aut vallium civitates, vulgo, die dry Lªnder (item die dry vvaldstett) quibus aliquando quarto loco Lucerna adnumeratur." (Simler, De Republica, 32). Ursprünglich brauchte man den Namen Lucerner See. Stumpf bringt 1556 die erste Nennung mit Vier Waldstettsee, welche sich in der Folge als Vierwaldstätter See durchsetzen wird. Vierwaldstätter ist eine Bildung mit dem die Zugehörigkeit bzw. Herkunft bezeichnenden Suffix -er (Sonderegger BSM 8, 525 ff.). Der Name Waltstat für das fragliche Innerschweizer Gebiet erscheint vermutlich erstmals in einer Urkunde vom Jahr 1289: "das hus und den conventum in der Owe von Steine ze Swiz in der Waltstat" (QW 1, 1, 1582). Das heisst modern etwa, dass Schwyz in einer Gegend oder Stätte liege, die bewaldet ist. Im Jahr 1324 heisst es in einer weiteren Urkunde: "die kilchen ze Steina dæ da gelegen ist in den Waltstetten" (StASZ Uk 90).
ortsnamen.ch - Suche

Siehe auch: Waldstätte
 
Die bairische Sprache enthält offenbar sehr viele spätantik-frühmittelalterliche Latinismen, resp. Romanismen, was wohl auf einen vergleichsweise langen und friedlichen Kontakt mit sukzessiver Verschmelzung schließen lässt. Siehe auch das vergleichbare oberdeutsche Wort "Kachel":

Kachel f. ‘gebrannte (glasierte) Tonplatte’, ahd. kahhala ‘Topf, Gefäß der Öllampe’ (11. Jh.), mhd. kachel(e) ‘irdenes Gefäß, Geschirr’, auch ‘Ofenkachel’, ist aus vlat. *cac(c)alus, *cac(c)ulus entlehnt, das entweder aus lat. cac(c)abus ‘Tiegel, Pfanne zum Schmoren’ hervorgegangen oder als Klammerform des zugehörigen Deminutivs spätlat. cac(c)abulus ‘kleiner Tiegel’ aufzufassen ist. Vorauf geht griech. kák(k)abos, kak(k)ábē (κάκ(κ)αβος, κακ(κ)άβη) ‘Kochgeschirr’. Vgl. Brüch in: ZfrPh 57 (1937) 585 ff. und Frings/M. Germania Romana 2 (1968) 135 f. Die Kenntnis des Tonbrennes bei den Germanen geht auf die Römer zurück. Die ursprüngliche Bedeutung ‘irdener Topf, Kochgeschirr’ ist noch im 16. Jh. nachweisbar. Dazu kacheln Vb. ‘mit Kacheln versehen’ (19. Jh.). Kachelofen m. mhd. kacheloven (13. Jh.).

https://www.dwds.de/wb/Kachel

Ich weiß auch eins:

Platte f. ‘ebenes, flaches Gebilde, Scheibe, Hochfläche, Ebene, flache Schüssel, Glatze’. Zugrunde liegt wohl ein zu vlat. *plattus ‘flach’ (s. ↗platt) gebildetes vlat. *platta bzw. mlat. plat(t)a ‘ebene Fläche’, das ahd. platta, blatta ‘Stein-, Marmorplatte’ (um 900), ‘Tonsur’ (um 1000), mhd. platte, blatte ‘Fels-, Steinplatte, Tonsur’ ergibt. Gleicher Herkunft ist afrz. plat m. ‘Teller, Schüssel’, plate f. ‘Metall-, Panzerplatte, Brustschutz der Ritterrüstung’, woraus mhd. plate, blate ‘Schüssel, metallener Brustharnisch, Panzer’ entlehnt sein dürfte. Bereits im Mhd. fallen beide Formen zusammen und setzen sich in nhd. Platte fort.
DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache
Aber was bedeutet das nun für den Ortsnamen Plattenhardt? Hier auf eine romanische Sprachinsel zu schließen, wäre wohl abwegig.

Wörter mit vulgärlateinischer Herkunft gibt es im Deutschen sehr viele. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, welche Wörter sich nicht mehr direkt aus dem Vulgärlatein ableiten lassen, sondern zwingend auf romanisch-bairischen Sprachkontakt schließen lassen.
 
Ja danke — so weit (13. Jh.) war ich auch schon.

Jedoch:

Das Gebiet der heutigen Kantone Ob- und Nidwalden war spätestens seit römischer Zeit dauernd besiedelt. Eine gallorömische Bevölkerung, also eine römisch-keltische Mischbevölkerung im 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr., ist durch Brandgräber in Buochs und Oberdorf und durch einen Gutsbetrieb (Villa) am Weg zum Brünigpass in Alpnach bezeugt.[3] Aufgrund von überlieferten Geländenamen mit keltischen und lateinischen Wurzeln kann gesagt werden, dass in Nidwalden zumindest das Dreieck zwischen Oberdorf, Buochs und Hergiswil dauerhaft besiedelt gewesen ist.[4] Nach dem Untergang des Römischen Reiches blieben die Menschen in der Gegend, wie die überlieferten Orts- und Flurnamen mit voralemannischen Wurzeln zeigen.[5]

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Kantons_Nidwalden#Römische_Zeit
...

Die Alemannen, ein germanischer Volksstamm, wanderten ab dem 8. Jahrhundert in das Gebiet des heutigen Nidwaldens ein. Anhand alemannischer Flurnamen lässt sich die alemannische Landnahme im Tal und auf den Bergen ansatzweise nachvollziehen.[6] Zuerst liessen sich Alemannen im bereits besiedelten Gebiet in und um die Stanser Ebene nieder, bevor sie in das Engelbergertal und auf die Alpen vorstiessen. Die Einwanderung verlief wahrscheinlich friedlich. Die Alemannen vermischten sich mit der bereits ansässigen gallorömischen Bevölkerung. Bereits älter ist die Stanser Kirche, die bis in die Zeit um 600 zurückgeht, wie archäologische Befunde beweisen. Wann und wie weit die gallorömische Bevölkerung christianisiert worden war, lässt sich allerdings nicht sagen. Wahrscheinlich scheint aber, dass die alemannischen Einwanderer auf eine bereits zumindest zum Teil christianisierte Bevölkerung trafen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Kantons_Nidwalden#Einwanderung_der_Alemannen
Wörter mit vulgärlateinischer Herkunft gibt es im Deutschen sehr viele. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, welche Wörter sich nicht mehr direkt aus dem Vulgärlatein ableiten lassen, sondern zwingend auf romanisch-bairischen Sprachkontakt schließen lassen.
Gerade die Wörter "Kochel" und "Kachel" dürften hier relevant sein — ersteres ein geografischer Begriff, letzteres ein auf römische Technologie zurückzuführendes Wort.

Ein anderes Beispiel für ein ganz frühes technisches Lehnwort aus dem Lateinischen im Oberdeutschen wäre "Fenster" — ein Begriff, der etwa den Angeln und Sachsen unbekannt gewesen ist, die nur ein germanisches "Windauge" (window) kannten als sie sich nach England aufmachten.
 
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Gerade die Wörter "Kochel" und "Kachel" dürften hier relevant sein — ersteres ein geografischer Begriff, letzteres ein auf römische Technologie zurückzuführendes Wort.
Relevant wofür bitte?

um die mit vorgermanischen Namen versehenen Kochel- und Staffelsee.
Der Staffelsee ist nach Greule ebenfalls gut aus dem Althochdeutschen zu erklären (ahd. staffal 'Sockel, Stufenabsatz'); "das Bestimmungswort bezieht sich auf die durch Molasserippen der Murnauer Mulde charakterisierte Landschaft, in der der Staffelsee liegt".
Die alternative romanische Erklärung (Reitzenstein) sieht als Bestimmungswort lateinisch stabulum 'Stall', rätoromanisch stavel 'Alpgebäude'. Hmmm...
 
Relevant wofür bitte?
Relevant für die Zeit des direkten Kontakts zwischen den Sprachgruppen vor der Verschmelzung.
Der Staffelsee ist nach Greule ebenfalls gut aus dem Althochdeutschen zu erklären (ahd. staffal 'Sockel, Stufenabsatz'); "das Bestimmungswort bezieht sich auf die durch Molasserippen der Murnauer Mulde charakterisierte Landschaft, in der der Staffelsee liegt".
Die alternative romanische Erklärung (Reitzenstein) sieht als Bestimmungswort lateinisch stabulum 'Stall', rätoromanisch stavel 'Alpgebäude'. Hmmm...
Wieso "hmmm"? In der Deutschschweiz ist ein Alpstafel kein 'Sockel, Stufenabsatz', sondern ein Stall/Alpgebäude — an der Übernahme aus dem Romanischen besteht hier kein Zweifel.
 
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Ja danke — so weit (13. Jh.) war ich auch schon.
Weiter zurück geht es halt nicht, und damals waren es auch eindeutig Waldstätten.

Relevant für die Zeit des direkten Kontakts zwischen den Sprachgruppen vor der Verschmelzung.
Ich verstehe nicht, worauf Du hinauswillst. Daraus kann man keine speziellen romanisch-bairischen Sprachbeziehungen ableiten, geschweige denn Reste romanischer Bevölkerung in einem bestimmten Jahrhundert in einer bestimmten Gegend identifizieren.

Nach welcher lokalen Besonderheit könnte der Staffelsee benannt worden sein?

(An der Existenz des Wortes stavel habe ich keine Zweifel.)
 
Weiter zurück geht es halt nicht, und damals waren es auch eindeutig Waldstätten.
Nachdem im Hochmittelalter hier niemand mehr romanisch sprach, könnte man gelehrte Volksetymologie vermuten — der mundartliche Vierwalschstätterssee wurde mangels Welscher zum Vierwaldstättersee verschriftsprachlicht.
Ich verstehe nicht, worauf Du hinauswillst. Daraus kann man keine speziellen romanisch-bairischen Sprachbeziehungen ableiten, geschweige denn Reste romanischer Bevölkerung in einem bestimmten Jahrhundert in einer bestimmten Gegend identifizieren.
Ein Fenster oder eine Kachel kann ich nur so lange kennen lernen, wie es noch Menschen gibt, die mit der jeweiligen Technik und dem lateinisch/romanischen Begriff noch vertraut sind.
Nach welcher lokalen Besonderheit könnte der Staffelsee benannt worden sein?
Womöglich nach den pastoral-landwirtschaftlichen Gebäuden ringsum?
 
Nachdem im Hochmittelalter hier niemand mehr romanisch sprach, könnte man gelehrte Volksetymologie vermuten — der mundartliche Vierwalschstätterssee wurde mangels Welscher zum Vierwaldstättersee verschriftsprachlicht.
Ganz sicher nicht. Der See hat seinen Namen ja erst im 16. Jahrhundert erhalten.


Ein Fenster oder eine Kachel kann ich nur so lange kennen lernen, wie es noch Menschen gibt, die mit der jeweiligen Technik und dem lateinisch/romanischen Begriff noch vertraut sind.

Die sollen eine lokale Besonderheit sein?
Die "Staffel" als Bestimmungswort ist ja vielerorts anzutreffen, vom Staffelberg über Staffelstein bis zu diversen Gewässern:
Staffelbach – Wikipedia
Staffelgraben – Wikipedia
 
Ganz sicher nicht. Der See hat seinen Namen ja erst im 16. Jahrhundert erhalten.
Geschenkt. Ja, ich hätte "Waldstätten" schreiben sollen. Aber, wäre der Wald hier eine lokale Besonderheit für die einwandernden Alemannen gewesen, oder nicht eher die etwa in Nidwalden noch existente romanische Bevölkerung?
Die sollen eine lokale Besonderheit sein?
Vielleicht sind sie den landwirtschaftlich sehr interessierten Alemannen so erschienen.
 
Aber, wäre der Wald hier eine lokale Besonderheit für die einwandernden Alemannen gewesen
Ich sehe keinen Anhaltspunkt, warum die Bezeichnung auf die Zeit der alemannischen Einwanderung zurückgehen sollte.

Vielleicht sind sie den landwirtschaftlich sehr interessierten Alemannen so erschienen.
Alemannen am Staffelsee? Oder meinst Du Bajuwaren?
Aber wenn die Alemannen/Bajuwaren dem See den Namen gegeben haben, dann müssten diese Bajuwaren wohl romanischer Zunge gewesen sein?
 
Ich sehe keinen Anhaltspunkt, warum die Bezeichnung auf die Zeit der alemannischen Einwanderung zurückgehen sollte.
Nun ja, entgegen der germanischen Gepflogenheit, Orte nach dem Chef zu benennen, finden wir hier in den 'Wal(d)'-Stätten viele ältere keltisch-romanische Ortsnamen wie Stans, Kerns, Arth, Küssnacht — und auch der Hauptort von Uri, Altdorf, scheint dem Namen nach auf eine ältere, schon vorhandene Siedlung hinzuweisen.
Alemannen am Staffelsee? Oder meinst Du Bajuwaren?
Aber wenn die Alemannen/Bajuwaren dem See den Namen gegeben haben, dann müssten diese Bajuwaren wohl romanischer Zunge gewesen sein?
Die Bajuwaren entstanden doch offenbar erst aus der Melange von verbliebenen Kelto-Romanen und zugewanderten Alemannen, Langobarden, Goten, etc.

Lesenswert:
Römer - Baiern - Franken. Archäologie, Namenforschung, Sprachgeschichte im Main-Donau-Raum
https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/40821
 
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Die Bajuwaren entstanden doch offenbar erst aus der Melange von verbliebenen Kelto-Romanen und zugewanderten Alemannen, Langobarden, Goten, etc.
Den Punkt hast Du aber schon verstanden?
Stammt der Name des Sees von der altansässigen romanischen Bevölkerung oder von Neuankömmlingen germanischer Zunge?
 
Den Punkt hast Du aber schon verstanden?
Stammt der Name des Sees von der altansässigen romanischen Bevölkerung oder von Neuankömmlingen germanischer Zunge?
Ohne die Verhältnisse dort genauer zu kennen könnte man vermuten, dass der Name 'Staffelsee' in der Kontaktzone zwischen den Sprachgruppen entstand. Germanen hätten den Begriff stavel aus dem Romanischen übernommen und benannten schließlich den See nach dieser charakteristischen Wirtschaftsform. Denkbar wäre auch, dass die Romanen den Ort, bzw. das Gebiet selber 'Stavels' nannten. In jedem Fall verweist der Name auf eine ehemalige Kontaktzone.

Dafür spricht auch, dass der Ortsname 'Staf(f)elalp', den wir entlang der alten Kontaktzonen im Berner Oberland, Wallis, Graubünden und Vorarlberg finden, eindeutig auf Alpwirtschaft verweist.
 
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