Wo lagen "Ad pontes Tesseninos"

Erich

Aktives Mitglied
Zunächst einige Literataurhinweise:
https://www.utzverlag.de/assets/pdf/40740les.pdf
Hans Bauer
Die römischen Fernstraßen zwischen Iller und Salzach nach dem Itinerarium Antonini und der Tabula Peutingeriana Neue Forschungsergebnisse zu den Routenführungen
S. 13 zwischen AMBRAE und PARTHANO
Peter Herz/Peter Schmid/Oliver Stoll
Handel, Kultur und Militär:
die Wirtschaft des Alpen-Donau-Adria-Raumes
S. 86 zwischen AMBRAE (Dachau) und PARTHANO (Partenkirchen)
und eine Zeitungsmeldung:
Römerstraße führte auch durch Großweil | Lkr. Garmisch-Partenkirchen
Römerstraße führte auch durch Großweil
Großweil - Mitten durch Groß- und Kleinweil führte einst eine Römerstraße.Vor rund zehn Jahren hat sie Theresia Luidl rein aus Zufall entdeckt und nun eine Abhandlung darüber geschrieben.

Die 80-Jährige war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nämlich dann, als ein Arbeiter gerade dabei war, an der Durchgangsstraße von Kleinweil Kanalarbeiten vorzunehmen. Als sie das von ihm ausgehobene Loch mit den darin liegenden Sandsteinplatten sah, wusste Luidl: Das sind Teile der von den Römern um etwa 200 nach Christus errichteten Nebenstraße zur römischen Hauptverkehrsader zwischen Augsburg und Salzburg. „Die Straße stößt bei Mühleck auf die Straße über Zell bis Kleinweil und übersetzt von hier in Richtung Großweil die Loisach mittels einer Brücke“, schreibt Luidl in ihrer Arbeit.

„Ad Pontes Tesseninos“: So hieß Großweil zur Zeit der Römer. ...


Der Historiker Prof. Dr. Reinhard Heydenreuter äussert nun (Geschichte mit Zukunft, S. 12) die Vermutung, die römische Straßenstation "Ad pontes Tesseninos" hätte bei Penzberg gelegen. Das überrascht einerseits, weil eine römische Straße von Gauting über Starnberg und Pähl, Weilheim und Murnau in Richtung Partenkirchen gut nachgewiesen ist. "Pontes Tesseninos" - das könnte dann auch den Ammer-Übergang zwischen Diessen/Raising und Pähl südlich des Ammersees bezeichnen.

Andererseits fehlt ein Nachweis für eine nördlich der Alpen quer verlaufende römische Straße. Und eine solche wäre eigentlich zwischen Kempten und Rosenheim / Salzburg ohne den Umweg nördlich des Starnberger Sees im römischen Straßennetz zu erwarten.
Auch die spätere, mittelalterliche "Salzstraße" hat bei Penzberg/Sindelsdorf diese (wohl einzige) mögliche Trassierung (zwischen den Seen im Norden und dem Kochelseemoor im Süden) entlang des Höhenzuges von Frauenrain über Johannisrain bis Rain aufgenommen und dort die Loisach überquert. Möglicherweise geht ein entsprechender Handelspfad sogar auf die vorrömische Zeit zurück. Denn im Gegensatz zu den in Nordrichtung verlaufenden Flüssen musste für eine west-östliche Verbindung der Landweg genutzt werden.

Penzberg - an dieser wohl einzigen West-Ost-Verbindung zwischen dem Starnberger See / den Osterseen mit Mooren im Norden und dem Kochelseemoor im Süden liegend - wird in der ältesten bekannten Form als "Poennespergh" (1275) oder "Pönsperg" (Meichelbeck, 1717/1718) genannt. Der Ursprung des ersten Wortteiles dieser Bezeichnung ist unklar.

Penzbergs Ortsname tauchte in verschiedenen Formen auf: Poennensperch (1275),[22] Ponnisperge (1293),[23] Ponesberg (1332),[24] Pönsperg (1454),[25] Pennesberg (1492), Pennsberg (1717),[26] Spensberg (1792)[27], Pensberg (1818), Penzberg.

Es gibt zwei Deutungen zum Ortsnamen:
  • Eine Deutung stammt von Theo Vennemann, Linguist der Ludwig-Maximilians-Universität München, der es in den alten Namenskern „Bon-on-i-a“ zerlegt, welcher um den jüngeren Kopf „-berg“ (in alter Schreibung „-perch“) ergänzt wurde. Dabei führt er den alten Kern des Namens auf das Vaskonische zurück, wodurch sich der Ortsname als „DerGuteBerg-Berg“ als Tautologie erklärt. Tatsächlich dürfte der Ortsname aus einem ehemaligen Flurnamen entstanden sein und den abgeflachten felsigen Bereich umfassen, in dem die ältesten Bergbauaktivitäten im Stadtgebiet waren (Bereich Eichthalstraße–Grube–Schlossbichl) und der markant aus dem ihn ehemals umgebenden Sumpf herausragt.
  • Die zweite Deutung stammt von Wolf-Armin von Reitzenstein, der in seinem Lexikon bayerischer Ortsnamen den Ortsnamen auf einen „zu erschließende[n] Personenname[n] *Bonin oder *Bunni“[29] zurückführt. Das Problem dieser Erklärung ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass weder ein „Bonin“ noch ein „Bunni“ für Penzberg und für die nähere Umgebung nachweisbar sind.
Nun würde ich noch eine dritte Deutung hinzufügen wollen;
  • Ich frage mich daher (und möchte einen dritten Deutungsversuch in Anlehnung an Heydenreuters These zur Diskussion stellen), ob im Namen "Poennespergh" nicht die römische "Brücke" nachklingt, wie das ja auch in "Leonhards-" bzw. "Langenpfunzen" am Inn nördlich von Rosenheim oder in „Pfünz“ an der Altmühl östlich von Eichstätt der Fall ist.
Der bekannte Namensforscher Freiherr Dr. v. Reitzenstein meint dazu in einer E-Mail an mich, diese „Erklärung scheitert daran, dass im Gegensatz zu -Pfunzen die Lautverschiebung p>pf dabei nicht eingetreten ist.“ Es stimmt, die sogenannte „zweite Lautverschiebung“, die vom germanischen zum Althochdeutschen führte, wäre damit am späteren Penzberg vorüber gegangen.
Möglicherweise bin ich - aufgrund der wohl auf romanischen Ursprung zurück gehenden Ortsnamen der Umgebung *) – zu sehr auf die Ähnlichkeit von "Pons" bzw. "Pontes" zu "Poennes" fixiert.​

Ich würde meine These daher gerne hier in einem doch eher fachkundigen, breitem Publikum zur Diskussion stellen.

*)
Romanische Namen der Umgebung:

1. Groß- und Kleinweil:
Der Name Weil stammt aus dem lateinischen Wort „Villa“, das Guts- oder Maierhof bedeutet und vielleicht auf einen römischen Gutshof zurück geht.
Bis etwa 1350 war es der Ortsname Wile – Weil – Whyl. Bis zu diesem Zeitpunkt läßt sich nicht feststellen, ob damit Großweil oder Kleinweil gemeint ist.

2. Wallgau, Walchensee und Walchenalm:
Wallgau
wurde erstmals im Jahr 763 als walhogoi in der Gründungsurkunde des Klosters Scharnitz (scarantia) erwähnt. Der „Gau der Walchen“ oder „Welschen“ bot römischen Siedlern und Legionären zur Bewahrung ihrer Tradition nach dem Verfall der Provinz Raetia Zuflucht vor den Bajuwaren.
Im Walchensee-Gebiet wurde bis ins 13. Jahrhundert ladinisch gesprochen, am längsten in Bayern überhaupt.
Und die Walchenalm südlich des Rabenkopfes steht auch in Zusammenhang mit den vorgenannten Walchen, den romanischen Restbewohnern der Alpen.
 
Es gibt zwei Deutungen zum Ortsnamen:
  • Eine Deutung stammt von Theo Vennemann, Linguist der Ludwig-Maximilians-Universität München, der es in den alten Namenskern „Bon-on-i-a“ zerlegt, welcher um den jüngeren Kopf „-berg“ (in alter Schreibung „-perch“) ergänzt wurde. Dabei führt er den alten Kern des Namens auf das Vaskonische zurück, wodurch sich der Ortsname als „DerGuteBerg-Berg“ als Tautologie erklärt. Tatsächlich dürfte der Ortsname aus einem ehemaligen Flurnamen entstanden sein und den abgeflachten felsigen Bereich umfassen, in dem die ältesten Bergbauaktivitäten im Stadtgebiet waren (Bereich Eichthalstraße–Grube–Schlossbichl) und der markant aus dem ihn ehemals umgebenden Sumpf herausragt.
Tautologische Namen gibt es, am prominentesten vielleicht der Zweitname des Ätna, Mongibello, worin das romanische Wort für 'Berg' mon(t)- und das arabische Wort für 'Berg' ǧabal steckt
Vennemanns waskonische Deutung ist allerdings nicht besonders überzeugend. Etymologen und Historiolinguisten verschiedener Disziplinen (Indoeuropäistik, Semitistik, Baskologie) werfen ihm regelmäßig methodische Fehler und unzureichende Kenntnis bzw. absolute Unkennntnis der Einzelsprachen vor. Siehe auch: Pro et contra der 'waskonischen Hypothese' Theo Vennemanns

  • Die zweite Deutung stammt von Wolf-Armin von Reitzenstein, der in seinem Lexikon bayerischer Ortsnamen den Ortsnamen auf einen „zu erschließende[n] Personenname[n] *Bonin oder *Bunni“[29] zurückführt. Das Problem dieser Erklärung ergibt sich jedoch aus der Tatsache, dass weder ein „Bonin“ noch ein „Bunni“ für Penzberg und für die nähere Umgebung nachweisbar sind.
Ist der Name denn überhaupt nachweisbar?
Nun würde ich noch eine dritte Deutung hinzufügen wollen;
  • Ich frage mich daher (und möchte einen dritten Deutungsversuch in Anlehnung an Heydenreuters These zur Diskussion stellen), ob im Namen "Poennespergh" nicht die römische "Brücke" nachklingt, wie das ja auch in "Leonhards-" bzw. "Langenpfunzen" am Inn nördlich von Rosenheim oder in „Pfünz“ an der Altmühl östlich von Eichstätt der Fall ist.
Der bekannte Namensforscher Freiherr Dr. v. Reitzenstein meint dazu in einer E-Mail an mich, diese „Erklärung scheitert daran, dass im Gegensatz zu -Pfunzen die Lautverschiebung p>pf dabei nicht eingetreten ist.“ Es stimmt, die sogenannte „zweite Lautverschiebung“, die vom germanischen zum Althochdeutschen führte, wäre damit am späteren Penzberg vorüber gegangen.
Möglicherweise bin ich - aufgrund der wohl auf romanischen Ursprung zurück gehenden Ortsnamen der Umgebung *) – zu sehr auf die Ähnlichkeit von "Pons" bzw. "Pontes" zu "Poennes" fixiert.​
Die Gefahr der Fixierung besteht und Reitzenstein hat Recht: Es wäre tatsächlich so, dass die Verschiebung P > Pf zu erwarten wäre. Allerdings haben wir nur 40 km entfernt Garmisch-Partenkirchen, gut, hier mag ein Einfluss durch die Partach vorliegen, aber auch bei Partach und Partenkirchen (Partanum in römischer Zeit) ist der Anlaut unverschoben geblieben.

Ich finde deine These ganz charmant.
 
...

Ich finde deine These ganz charmant.
Danke, an Partenkirchen und die Partnach hatte ich gar nicht gedacht. Aber das liegt auch auf der Hand.

Möglicherweise gab es auch romanische Restbevölkerung, die diese 2. Lautverschiebung nicht mitgemacht hat, und daher das "P" ohne den Wandel zum "Pf" in die heutige Zeit rettete.
Ähnliche Bevölkerungsreste sind etwa in Walchstadt am Wörthsee (Ammersee) oder in Walchstadt bei Icking/Wolfratshausen *) zu vermuten. Dazu aus dem Band https://www.kulturlandschaft.org/publikationen/siedlungsforschung/sf17-1999.pdf
Reinhard Bauer, S. 143 ff in Siedlungsforschung - Archäologie - Geschichte - Geographie / Bd. 17:
...
Auch kleinere Orte tragen vereinzelt Namen romanischen Ursprungs. Als Beispiele seien hier genannt: Partenkirchen (Garmisch-P.) an der wichtigen Verbindung nach Italien (3. Jh.: Parthano »Ort des Partus«); Pähl bei Weilheim in Oberbayern, bei einen Steilanstieg dieser Römerstraße (um 960: Poule, von lat. bovile »Ochsenstall«; wohl eine Straßenstation, bei der Zugochsen bereit standen) und Peiß (Gem. Aying; um 1130: Pizze, wohl von *Bitianum »Siedlung des Bitius«) östlich von München.
(S. 145)
...
Romanisch-germanische Mischnamen Die Bewahrung von vordeutschen Namen über die Jahrtausende hinweg zeigt, daß viele Altsiedellandschaften Süddeutschlands seit vorgeschichtlicher Zeit durchgehend von Menschen bewohnt sind.

Für römisch-germanische Kontinuität gibt es neben schriftlichen Quellen und archäologischen Hinweisen auch Ortsnamen als Zeugen. Im Gebiet des Imperium Romanum wurden die Völker teilweise verschmolzen und die nach dem Abzug der Staatsmacht verbliebene Bevölkerung sprach romanisch. Die Germanen bezeichneten die Romanen als Walchen (Welsche). Hinweise auf romanische Bevölkerung im frühen Mittelalter geben daher mit Walch- gebildete Namen wie Walchensee (11. Jh. Walhense) und Wallgau (763: Uualhogoi. Auch der Ort Walchstadt (um 780/800: Walchsteti »Wohnstätte von Walchen«) südlich von München weist auf Romanen hin. Noch im Jahr 821 schenkte eine Frau mit dem romanischen Namen Genia im Beisein ihres Ehemannes Erchenolf (germanischer Rufname) ihren Besitz mit neun Leibeigenen an diesem Ort an das nahe gelegene Kloster Schäftlarn. Wahrscheinlich waren es Güter, den sie von ihren romanischen Eltern geerbt hatte. Es gibt auch zahlreiche Ortsnamen, die romanische und germanische Elemente enthalten. Genannt seien hier beispielsweise Marzling (Lk Freising; 804/807: Marzilinga »bei Marcellus und seinen Leuten«), Aying östlich von München (791: Eiinga »bei A(g)ius und seinen Leuten«), Irschenhausen südlich von München (801/814: Ursinhusen »Häuser des Urso«)31 und Königsdorf bei Wolfratshausen (um 776/788: Chumiztorf »Dorf des Comicius«). Diese Namen belegen, daß hier Romanen im frühen Mittelalter gleichberechtigt neben Germanen lebten. Ortsnamen wie Winzer und Goldern lassen erkennen, daß bestimmte Berufe wie Winzer und Goldwäscher auch unter Herrschaft des bairischen Herzogs in der Hand von Romanen waren und sie sind Zeugnis für das Fortleben romanischer Bevölkerungsgruppen. Namen mit Weil wie Weilheim sind im alemannischen Siedlungsgebiet verbreitet. Sie deuten darauf hin, daß hier Siedlungen neben den Resten römischer Bauten errichtet wurden. Zugrunde liegt wohl ein Lehnwort *will(a), von lat. villa »Gutshof«.

(S. 146)
Die Ortsbezeichnungen mit romanischem Bezug aus der näheren Umgebung habe ich fett hervorgehoben. Und weder bei Partenkirchen noch bei Pähl oder Peiß ist die Lautverschiebung zu "Pf" feststellbar.

*)
Zu Walchstadt bzw. Walchstatt bei Wolfratshausen schreibt Mayer/Westermayer in seiner Diözesanbeschreibung, Bd. III S. 618:
Walchstatt, Walchsteti (bei der Stätte des Walchen oder Römerabkömmlings) liegt in seiner Westhälfte innerhalb einer mächtigen Umwallung, deren Nordfront ganz gut, weniger deutlich die Südfront erhalten ist. Der Weg von Merlbach her bildet einen tief eingeschnittenen Hohlweg in dem Berge, auf dem dominierend Walchstatt liegt. Bei Icking sind am Hange des Ufers, 500 Schritte südlich vom Orte, Spuren römischen Mauerwerkes sichtbar, Reste eines Thurmes"
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Deutung stammt von Theo Vennemann, Linguist der Ludwig-Maximilians-Universität München, der es in den alten Namenskern „Bon-on-i-a“ zerlegt, welcher um den jüngeren Kopf „-berg“ (in alter Schreibung „-perch“) ergänzt wurde.
Woher nimmt Vennemann das "on-i-a"? Da sehe ich in den alten Namenformen keinen direkten Beleg.
Wie ist andererseits das -s- zu erklären, das alle alten Belege haben (Ponnisperge, Ponnesperch, Pönesperch)?

Romanische Namen der Umgebung:

1. Groß- und Kleinweil:
Der Name Weil stammt aus dem lateinischen Wort „Villa“, das Guts- oder Maierhof bedeutet und vielleicht auf einen römischen Gutshof zurück geht.
Deswegen muss es aber noch lange kein romanischer Name sein. Dazu habe ich in einem anderen Thread schon folgendes geschrieben:

Zu den Weil(er)- bzw. Wil(er)-Namen:

Beide gehen auf altdeutsche Lehnwörter zurück, die von lat. villa 'Landgut' abgeleitet sind: a) wīla direkt auf villa, b) wīlāri auf villaris ('zum Landgut gehörig', klassisch Plin. Nat. Hist. 10 villaribus gallinis 'den Hofhühnern')

Insbesondere wīlāri (neuhochdeutsch Weiler) taucht sehr häufig sowohl als Ortsname wie auch als Bestandteil von Ortsnamen auf, im zweiten Fall meist mit einem Personennamen (oben habe ich "Ratprechts Weiler" = Rapperswil erwähnt.)
Nicht ganz so häufig scheinen die wīla-Namen zu sein; im Lauf der Zeit hat sich aber oft ein -w(e)iler-Name zu einem -w(e)il-Namen verkürzt. (Auch hierfür ist Rapperswil ein gutes Beispiel.)

"Beide Typen fehlen weithin in BY, vollkommen in A, NI, SH und im Bereich der d. Ostsiedlung. Sie beschränken sich also im Wesentlichen auf das merowingisch-fränk. Staatsgebilde." (Niemeyer, Deutsches Ortsnamenbuch)
("Vollkommen in A" stimmt genaugenommen nicht; im alemannischsprachigen Vorarlberg gibt es einige Weiler-Namen!)

An Weil-Namen ohne Bestimmungswort listet Wiki auf: Weil – Wikipedia

Hab mal versucht, mich zu den Weil-Orten rings um Stuttgart (Weil der Stadt, Weilimdorf, Weil im Schönbuch, Esslingen-Weil, letzterer hieß allerdings ursprünglich Weiler) schlau zu machen. Bei Lutz Reichardt, Ortsnamenbuch des Kreises Böblingen, Stuttgart 2001 lese ich auf S. 242:
"Es handelt sich um die Benennung der Siedlung mit dem an den Gebäuderesten haftenden Flurnamen *Wīla, der auf lat. vīlla 'Hof, Landgut' zurückgeht [...] Diese Namengebung setzt lediglich die Erhaltung von Resten der römischen Bevölkerung für die Tradierung des Flurnamens, jedoch keine Siedlungskontinuität aus der Römerzeit voraus; nach den siedlungsgeographischen Untersuchungen von Eisenstuck sind die Weil-Orte als germanische Siedlungen anzusehen."

Wallgau wurde erstmals im Jahr 763 als walhogoi in der Gründungsurkunde des Klosters Scharnitz (scarantia) erwähnt.
Wobei die Gegend damals unbewohnt war, wie eben diese Urkunde bezeugt: 763 "in solitudine Scarantiensę", 772 "Scaritiae deserti".

Im Walchensee-Gebiet wurde bis ins 13. Jahrhundert ladinisch gesprochen, am längsten in Bayern überhaupt.
Das ist mir vollkommen neu. Ladinisch im 13. Jahrhundert im Walchensee-Gebiet? Wodurch soll das belegt sein?
 
Und weder bei Partenkirchen noch bei Pähl oder Peiß ist die Lautverschiebung zu "Pf" feststellbar.

Selbstverständlich ist die Zweite Lautverschiebung in beiden Fällen feststellbar.

Zur Zweiten Lautverschiebung in ihrer bairischen Ausprägung gehören u. a. folgende Lautwandel:

-t- wird zu -zz- bzw. zu -ss- (ß)
Batavis wird zu Pazzaua (Passau), *Bit(i)anum wird zu Pizze (Peiß)

b- wird zu p-
B
atavis
wird zu Passau), *Bit(i)anum wird zu Pizze (Peiß), *Bovile wird zu Poule (Pähl)
 
….

Deswegen muss es aber noch lange kein romanischer Name sein. ,,,
es muss nicht, aber im Kontext der Ortsnamen aus der Umgebung liegt die Vermutung nahe, dass sich entsprechende Bevölkerungsreste der Romanen erhalten haben, die diese Ortsbezeichnungen auch weiter geben konnten.

Das ist mir vollkommen neu. Ladinisch im 13. Jahrhundert im Walchensee-Gebiet? Wodurch soll das belegt sein?
das ist in der Gegend hier "Allgemeinwissen".
Ich zitiere aus im Internet einsehbaren, offiziösen Quellen und Ortschroniken:
Geschichte Walchensee - Walchensee
Aus der Ortspresse (letzter Absatz vor "Zwergern")
Walchensee: Geschichtenreiche Frühlingswanderung | Outdoor
Aus der Arbeit http://florian-huber.info/assets/FH/media/files/uploads/2019/192/UWA_II.pdf
(S. 43, viertletzter Absatz)
Über die Bedeutung der Namensgebung des Walchensees gibt es unterschiedliche Meinungen.
Zum einen glaubt man, sie kommt von „Lacus vallensins“, was „ein im Tal gelegener See“ bedeutet. Zum anderen geht man davon aus, dass der Name von den „Walschen“ oder „Welschen“ hergeleitet wird. Dieses Volk hatte sich in dieser Gegend nach der Völkerwanderung angesiedelt. In der Region um den Walchensee wurde bis ins 13. Jahrhundert die ladinische Sprache gesprochen, am längsten in Bayern überhaupt.
oder aus dem Geschichtsforum Die Römer im südlichen Oberbayern ? die Postings #10 ff
Ich las gerade folgenden Artikel:
Der Fischreichtum der beiden Seen Kochelsee und Walchensee zog bereits um 1.200 v. Chr. vorkeltische Bewohner an. In der römischen Kaiserzeit gehörte das Gebiet zur Provinz Rätien. Bis in das 16. Jahrhundert ist in der Kocheler Gegend eine rätoromanische Sprachinsel bezeugt.
und
Laut der Seite Orte der Göttin & Magnuslegende - Buchazuszug
Zuletzt war in Bayern die romanische Sprache, zu der auch das Ladinische gehört, im Bereich des Walchensees, oberhalb von Kochel am See, lebendig. Noch im 13. Jahrhundert bestand in dieser entlegenen Gegend eine romanische Sprachinsel der Welschen oder Walchen, von denen sich der Name Walchensee ableitet.
Romanisch wird heute noch in der Form des Rätoromanischen in der Schweiz gesprochen. Das größte rätoromanische Sprachgebiet liegt im Schweizer Kanton Graubünden.
Btw.: in meiner Schulzeit waren Klassenkameraden aus Kochel und Walchensee - und einer davon hatte erzählt, seine Großmutter haber noch "die alte Sprache" gekonnt - das könnte ja ein Hinweis sein.
 
es muss nicht, aber im Kontext der Ortsnamen aus der Umgebung liegt die Vermutung nahe, dass sich entsprechende Bevölkerungsreste der Romanen erhalten haben, die diese Ortsbezeichnungen auch weiter geben konnten.

An Siedlungsnamen sind es aber verschwindend wenige. Gewässernamen (Aenus/Inn, Ambra/Amper) sind robuster und überstehen oft auch einen Sprachwechsel ohne Siedlungskontinuität.
Ortsnamenkunde

das ist in der Gegend hier "Allgemeinwissen".
In den ganzen Links finde ich keinen einzigen Beleg, ich würde das daher eher in die Kategorie "populäre Irrtümer" einordnen. Da setzt irgendjemand eine Spekulation in die Welt, und dann wird das hundertfach ungeprüft abgeschrieben. Beispiel:
Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter
 
Der bekannte Namensforscher Freiherr Dr. v. Reitzenstein meint dazu in einer E-Mail an mich, diese „Erklärung scheitert daran, dass im Gegensatz zu -Pfunzen die Lautverschiebung p>pf dabei nicht eingetreten ist.“ Es stimmt, die sogenannte „zweite Lautverschiebung“, die vom germanischen zum Althochdeutschen führte, wäre damit am späteren Penzberg vorüber gegangen.

Was ich mich außerdem frage: Was soll mit dem -t- in Pontes passiert sein? Im Rätoromanischen/Ladinischen bleibt das t erhalten (punt/pont), in bairischen Ortsnamen wie Pfunzen und Pfünz ist es zu -z geworden, und zwar schon in den mittelalterlichen Belegen (Phuncina, Phunzina etc.)
Das z in Penzberg ist dagegen eine moderne Erscheinung, die sich erst nach Ausfall des Vokals zwischen -n- und -s- ereignet hat:
Im 13.-15. Jahrhundert haben wir Formen wie Ponnisperge, Ponnesperch, Pönesperch
Vom 15. bis ins 19. Jahrhundert dann Pönsperg, Pensberg
Erst im 19. Jahrhundert wurde aus Pensberg dann Penzberg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ich mich außerdem frage: Was soll mit dem -t- in Pontes passiert sein? Im Rätoromanischen/Ladinischen bleibt das t erhalten (punt/pont), in bairischen Ortsnamen wie Pfunzen und Pfünz ist es zu -z geworden, und zwar schon in den mittelalterlichen Belegen (Phuncina, Phunzina etc.)
Das z in Penzberg ist dagegen eine moderne Erscheinung, die sich erst nach Ausfall des Vokals zwischen -n- und -s- ereignet hat:
Im 13.-15. Jahrhundert haben wir Formen wie Ponnisperge, Ponnesperch, Pönesperch
Vom 15. bis ins 19. Jahrhundert dann Pönsperg, Pensberg
Erst im 19. Jahrhundert wurde aus Pensberg dann Penzberg.
auch hier DANKE - gute Argumente
 
Was ich mich außerdem frage: Was soll mit dem -t- in Pontes passiert sein? Im Rätoromanischen/Ladinischen bleibt das t erhalten (punt/pont), in bairischen Ortsnamen wie Pfunzen und Pfünz ist es zu -z geworden, ...

Ich hatte ja oben den Mongibello als Beispiel für einen tautologischen Namen gebracht.
Auch hier fehlt das -t-, obwohl es regulär in italienischen und sizilianischen Namen von Einzelbergen erhalten ist. Dass hier ein direkter arabischer Einfluss auf die Lautung eingewirkt haben könnte, kann man ausschließen, da sowohl im Italienischen (und Sizilianischen) als auch im Arabischen Monte (Monti < das ist der sizilianische Singular, gleichlautend mit dem ital. Plural) und Ǧabal jeweils vor dem Eigennamen steht, also muss der Zweitname des Ätna, Mon t gibello, nach der normannischen Eroberung Siziliens entstanden sein. Insofern erscheint mir der Ausfall des -t- von pontem nicht so problematisch. Andere von dir vorgebrachte Argumente könnten/dürften gegen die Herleitung von pontem schwerer wiegen.
 

In den ganzen Links finde ich keinen einzigen Beleg, ich würde das daher eher in die Kategorie "populäre Irrtümer" einordnen. Da setzt irgendjemand eine Spekulation in die Welt, und dann wird das hundertfach ungeprüft abgeschrieben. Beispiel:
Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter
momentan bin ich auf der Suche, diesem"populären Irrtum" nachzugehen.

Dabei möchte ich die Eigennamen der Flüsse, die sich ja (vielleicht als Verkehrswege) sehr viel länger erhalten einmal "aussen vor" lassen.
Ich lese gerade Gerhard Ernst, Martin-Deitrich Gleßgen, Christand Schmitt, Wolfgang Schweickar (Hrsg.) Romanische Sprachgeschichte / Histoire linguistique de la Romania. 1. Teilband 2003 und finde auf Seite 702 von Wolfgang Haubrichs (Autor)unter dem Titel "Die verlorene Romanität im deutschen Sprachraum" folgende Aussage:
8. Die östlichen Alpenromania

Im Kontext mit der inneralpinen Romania haben sich auch im baierischen Voralpenraum romanische Außenposten gehalten. In der Raetia Secunda handelt es sich zunächst um den Wallgau, 763 pagum desertum … Uualhogi "Gau der Romanen" mit dem Walchensee und die Regionen um die mit vorgermanischen Namen versehenen Kochel- und Staffelsee. Erhaltens [t] in Partenkirchen (3. Jh. Part(hano) (zum PN Parthus) in der Nähe des Bergwaldes 763 vorgerm. Scarantiae (heute Scharnitz), gegenüber ahd. [k] > [x] bei Kochel *), 11. Jh. Chochalun (zu idg. *kuk- "gekrümmt") und Schwund des romanischen intervolkalischen [v] in Pähl (Kr. Weilheim -Schongau 960/1127 Poule, 1096/1133 Boile < boville) bezeugen die Eindeutschung erst im Laufe des 7. Jh.

Im Inntal und jenseits des Inn …(meine Anmerkung: also der früheren römischen Provinz Noricum)
wobei der Autor in Verbindung mit den romanischen Sprachresten um Salzburg eine bemerkenswerte Aussage macht (S. 703 a.a.O.):
…Dagegen fehlen die frühen althochdeutschen Verschiebungen von [t] und [p] ; [k] >[x] (7. Jh.) findet sich fast nur beim überlokal bekannten Kastell Kuchl, 4. Jh. Cucullas, 8 Jh. ahd. ad Chuchil (cf. Finsterwalder 1960).

So ist mit einer begrenzten Bajuwarisierung seit dem 8. Jh. zu rechnen, doch zeigen die zahlreichen Fälle, in denen der romanische Akzent bewahrt wurde … wohl an, dass sich das Romanische der Iuvavenses bis ins 10./11. Jh. als Bauern- und Haussprache erhielt (Reiffenstein 1966).
Mir ist klar, dass sich die unter dem Schutz der mächtigen Salzburger Bischöfe stehenden Romanen östlich des Inn (der bis zum 19. Jh. die Grenze des Erzbistums Salzburg gegenüber Freising bildete) in einer anderen Lage befanden als romanische Bevölkerungsreste im Alpenvorraum zwischen München und Partenkirchen. Allerdings scheint mir die - wenn auch gestreute - Namenskontinuität von Partenkirchen bis Pähl, von Scharnitz über den Walchensee bis Kochel und Walchstatt bei Wolfratshausen eine gewisse "inselhafte, verstreute Siedlungskontinuität" bis zur bajuwarischen Besiedlung ab dem 6. Jhdt. **) nicht auszuschließen.

Dazu: v. Reitzenstein (Lexikon der bayerischen Ortsnamen; Herkunft und Bedeutung Oberbayern … ) führt das nahe gelegene "Königsdorf" (S. 139, ca. 776 - 788 als "Chunitzdorf" genannt) auf den romanischen Ortsnahmen "Comicius" zurück. Das ist also dem "Marzling bei Freising", in dem der Name "Marcellus" auftaucht, vergleichbar. Auch wenn man nicht davon ausgehen kann, dass der jeweilige Namensträger noch der romanischen Bevölkerung angehörte - eine familiäre Namenstradition ist auch hier nicht auszuschließen.
 
Zuletzt bearbeitet:


Viele provinzialrömische Bewohner verließen 488 auf Befehl des Odoaker die nördlich der Alpen liegenden römischen Provinzen. Im östlichen Rätien wie auch dem Donau-Noricum kam dieser Abzug der Romanen einer teilweisen Entvölkerung des Landes gleich, denn mit den originär–römischen Herren zogen auch deren Knechte, Mägde und Sklaven mit in die neue Heimat Italien um. Andere Teile der Herrschaftsschicht aus dem gesamten römischen Herrschaftsraum blieben im Land und vermischten sich mit der dort ansässigen Bevölkerung.
Quelle: Wikipedia


Wir haben also eine "Lücke" von (nur) etwa 100 Jahren zwischen dem Abzug des Großteils der römischen Bevölkerung und der Landnahme durch bajuwarische Siedler in der Region (s.u. **). Ist es da wirklich ausgeschlossen, dass auch im östlichen Teil der vormaligen römischen Provinz Raetia Secunda / Vindelica, also zwischen Lech und Inn, an Isar, Am(p)er und Loisach vereinzelte romanische Ansiedlungen weiter bestanden?

Festzustellen ist weiter, dass sich - wie frühbaierische Gräber belegen - nach der römischen Herrschaft keine eindeutige homogene Gesamtbevölkerung konkretisieren lässt, sondern über einem Restbestand von romanischer Bevölkerung zunehmend dominierende germanische Bevölkerungsanteile auftreten - und das alles auf einen mehr oder weniger harmonisches Zusammenleben schließen lässt.

Ich kann und möchte daher eine - wenn auch verstreute - romanische Restbevölkerung entlang der Loisach während der bzw. bis in die Merwowingerzeit n
icht ausschließen .

Eine mögliche Zäsur brachte dann der Wechsel von der Merowingischen zur Karolingischen Herrschaft, die auch das Ende des Herzogtums der Agiloflinger zur Folge hatte.

Jedenfalls wurde - relativ zeitgleich mit dem für 751 datierten Dynastiewechsel - einerseits das Gräberfeld von Sindelsdorf **) aufgegeben, andererseits erfolgten die Klostergründungen der Umgebung zur Sicherung der karolingischen Herrschaft.
Das könnte auf eine entsprechende Umsiedlung hindeuten, etwa auf die Abwanderung der ehemaligen Führungsschicht oder auf die Ansiedlung der Bevölkerung im Umfeld der Klöster, um diese besser versorgen zu können.
Soweit sich diese Umsiedlungen nur auf den Nahbereich des bisherigen Siedlungsfeldes beschränkten ist damit nicht zwingend auch eine Aufgabe der tradierten Ortsnamen verbunden.

Wir müssen uns also - was die Weiterführung tradierter romanischer Ortsbezeichnungen betrifft - auf eine Siedlungskontinuität insbesondere während der Zeit der Agilolfinger, d.h. von etwa 420 bis 790 konzentrieren.


Das ist die Zeit der "Eindeutschung" der vorgenannten (Romanische Sprachgeschichte S. 702) Ortsnamen "im Laufe des 7. Jh.".

Das ist zugleich die Zeit der deutschen oder zweiten Lautverschiebung, mit der "aus den südlichen westgermanischen Dialekten die althochdeutsche Sprache wurde" (Wikipedia).


In dieser Zeit (620 - 640) scheinen Alemannisch, Altbairisch und Langobardisch eine gemeinsame Konsonantenverschiebung "durchgemacht" zu haben. Wikipedia meint dazu
Als Columban (Missionar der Lombarden) kurz nach 600 zu den Alemannen am Bodensee kam, ließ er Fässer zerschlagen, die cupa genannt wurden (englisch cup; deutsch Kufe). …. Dies zeigt, dass zur Zeit Columbans die Verschiebung von p zu f weder im Alemannischen noch im Langobardischen stattgefunden hatte.
...
Demnach ist es also am wahrscheinlichsten, die Konsonantenverschiebung als eine gemeinsame langobardisch-bairisch-alemannische Verschiebung der Jahre 620–640 anzusehen, als die drei Stämme enge Kontakte zueinander hatte
und damit bin ich wieder bei Pons zu P(f)unzen ….

… aber jetzt muss ich erst mal Schluss machen …
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur kurz noch die Anmerkungen:
__________________________________________________________________________
*)
Der Begriff "Kochel" (Kogel) findet sich etwa auch im Murnauer Moos. Er ist hier im Übergangsgebiet zwischen oberbayerisch und allgäuerisch/schwäbisch (alemannisch) ab dem Lech auch heute noch ein (inzwischen weniger gebräuchliches) Synonym für "Bichl" (Bühl).


**) Nun aber zu den historisch "greifbaren" Ereignissen:
Der erste sichere Beleg einer baujuwarischen Besiedlung stammt von Venantius Fortunatus. Er berichtet um 576 von seiner Wallfahrt über die Alpen zum heiligen Martin von Tours im Jahre 565 und beschreibt dabei, wie er vom Inn im Land der Breonen heraufkommend die Baivaria am Lech (Liccam Baivaria/Liccam Bojoaria) durchquerte. An anderer Stelle benennt er einen Bajoarius oder Baiovarius, der bei St. Afra nahe Augsburg die Straßen nach Süden und weiter über die Alpen kontrollierte und dabei dem Reisenden „hindernd“ in den Weg treten konnte.

Venantius Fortunatus liefert mit seiner Beschreibung die erste konkrete Lokalisierung der Baiern im Raum der früheren römischen Provinz Raetia Secunda / Vindelica.

Wir können nun korrespondierend mit dieser literarischen Erwähnung relativ sicher feststellen, dass sich bereits im 6. Jhdt. frühbajuwarische Siedler am Westrand des Kochelseemoores am Fuße des Königsberges niedergelassen haben - dort, wo sich angeblich (siehe das erste Posting in diesem Thread) Reste einer Römerstraße in Richtung Klein- und Großweil finden.

1981 entdeckten Archäologen über 300 Gräber am nördlichen Ortsrand von Sindelsdorf, die von der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bis zum frühen 8. Jahrhundert belegt wurden, teilweise reich ausgestattet waren
Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Sindelsdorf, Lkr. Weilheim-Schongau, Oberbayern (ca. 6.-8. Jh.) | bavarikon
und untereinander eng verwandte Personen aufnahmen
Neue Erkenntnisse zu den Verwandtschaftverhältnissen auf frühmittelalterlichen Gräberfeldern
Das Gräberfeld von Sindelsdorf steht damit in einem Zeithorizont mit den Gräberfelder der Merowingerzeit, also der Zeit zwischen dem 5. und dem 8. Jahrhundert

(z.B. Altenerding - Kletthamer Feld, Lkr. Erding, Oberbayern (5.-8. Jh.)
...
Die Nekropole lag mit Sicherheit in unmittelbarer Nähe einer bis in die Spätantike bestehenden römischen Siedlung.
Das Gräberfeld von Altenerding, dessen Nutzung etwa 150 Jahre vor der ersten urkundlichen Erwähnung der Baiern begann, ist das größte frühmittelalterliche bzw. merowingerzeitliche Gräberfeld auf süddeutschen Boden und eines der größten Mitteleuropas.

Die Belegung des frühmittelalterlichen Gräberfeldes begann in einer Zeit, als die Provinz Raetia Prima nominell noch zum weströmischen Reich bzw. zur Diözese Italia gehörte, wohl deutlich vor 450. Dies setzt das Bestehen einer offenen Siedlung, die ohne bestimmte politische Rahmenbedingungen nicht denkbar ist, voraus. Während der zweiten Hälfte des 5. und der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bestattete hier eine Gemeinschaft, die offenbar über weitreichende Beziehungen verfügte und während der Frühphase der Merowingerzeit wohl auch durch Zuzug von verwandten Familienverbänden, auch aus Regionen, die nicht zum römischen Reich gehörten, vergrößert wurde.
Quelle: Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Altenerding und die Ethnogenese der Baiern
oder Straubing, Bajuwarenstraße - Mitte des 5. Jh. bis in die zweite Hälfe des 7. Jh.) und im Kontext zu der Annahme, dass
offenbar im Gefolge der fränkischen Unterwerfung der Älamannia Südwestdeutschlands im frühen 6. Jahrhundert große Teile der dortigen Oberschicht ins Exil gingen (oder gezwungen wurden) und in benachbarte oder weiter entfernte Gebiete auswanderten.
...
Dieser umfangreiche Exodus erreichte zweifellos auch das damals ostgotische Raetien, warnte doch bekanntlich Theoderich der Große den Frankenkönig Chlodwig I. (482-511) davor, die bereits geschlagenen Alamannen weiter zu verfolgen“.
Quelle: Max Martin, Die Gräberfelder von Straubing-Bajuwarenstraße und Straßkirchen, S. 22

Dieser frühbajuwarische "Fürstensitz" scheint also zeitgleich mit karolingischen Klostergründungen der näheren Umgebung untergegangen zu sein. Die Klostergründungen sind wohl zur Sicherung der Alpenübergänge nach Italien erfolgt.

Auf das Jahr 725 lässt sich die Gründung des Klosters Benediktbeuern durch Karl Martell datieren, dessen Klosterkirche 739 von Bonifatius geweiht wurde.
Da sich an dieser Stelle der schon seit der Keltenzeit benutzte Pfad über den Kesselberg in die Bergwelt zu den Pässen nach Süden befindet, handelt es sich um einen strategisch höchst bedeutenden Ort. Martell unterstellte den Stützpunkt „Buron“ der Verantwortung seines Vasallen Lantfried, einem hochadeligen Alemannen aus der Familie der Huosi, und stattete ihn großzügig mit Besitz und Rechten aus. Als der hl. Bonifatius um 739 die Bistümer in Bayern neu organisierte, gab er im Einvernehmen mit Karl Martell den Anstoß zur Gründung eines Benediktinerklosters in Buron und führte Lantfried als Abt ein.
Quelle: Haus der Bayerischen Geschichte - Klöster in Bayern

Kochel (740), Staffelsee / Wörth (740), Schlehdorf (763/772), - drei von mehreren Klöstern, die von den Geschwistern Waldram, Eiland und deren Schwester Gaiselwintha gegründet worden sein sollen, angeblich Verwandte Karls (Felix Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker; 2017, Nachdruck des Originals von 1889, Vierter Band4. Band S. 148)-
 
***) Die vielfach beobachtete Kontinuität römischer Siedlungen und merowingischer / agilolfingischer Reihengräber des 6./7. Jh. deutet durchaus auf romanische Bevölkerungsreste hin. So wurden 1963 in Puchheim (westlich von München) bei einer Notgrabung im Bereich einer villa rusica knapp 30 merowingische Bestattungen aufgefunden.

****) Urkundlich erstmals erwähnt wurde Sindelsdorf im Jahre 763 anlässlich der Gründung des Klosters Scharnitz durch den Huosigrafen Reginpert. Er vermachte dem Kloster mehrere Güter „in dem Ort, den man Sindolvesdorf hieß.“ Aus dieser ersten Schreibweise des Dorfnamens lässt sich ableiten, dass der Dorfgründer ein bajuwarischer Sippenältester namens Sindolf war." '(Quelle)
Kurz vor dieser ersten urkundlichen Erwähnung endeten die Bestattungen auf dem frühbaierischen Friedhof von Sindelsdorf.
Die Huosi waren eines der bayerischen Ur- und Hochadelsgeschlechter. Sie werden in der Lex Baiuvariorum, in der das alte Volksrecht des baierischen Stammesherzogtums ab 635 zusammengefasst wurde, neben den Trozza, Fagana, Hahiligga, Anniona und dem Herzogsgeschlecht der Agilolfinger ausdrücklich genannt.
...
Das Stammland der Huosi war die Gegend zwischen Lech und Isar in Oberbayern. Mit pagus Huosi ist als Adelsgau die für dieses Geschlecht zentrale Landschaft gemeint; darüber hinaus hat sich die Bezeichnung Huosigau für das weitläufige Einflussgebiet der Huosi herausgebildet.
(WIKIPEDIA) Das "Kernland" der Huosi befand sich zwischen Ilmmünster und Jesenwang/Landsberied/Grafrath nördlich des Ammersees, das angenommene Einflußgebiet reichte im Norden bis Haushausen kurz vor der Donau, im Osten über die Würm und Gauting hinaus bis etwa zur Isar, im Westen bis zur Paar und im Süden bis zum Staffelsee und bis Scharnitz.

Das ist dann wieder genau das Gebiet, in dem "ad pontes Tesseninos" zu suchen wäre … um wieder auf das ursprüngliche Thema des Threads zurück zu führen.
 
Zuletzt bearbeitet:

In den ganzen Links finde ich keinen einzigen Beleg, ich würde das daher eher in die Kategorie "populäre Irrtümer" einordnen. Da setzt irgendjemand eine Spekulation in die Welt, und dann wird das hundertfach ungeprüft abgeschrieben. …
zurück zu Kochel am See bzw. den "Köchel-" Namen (Wiesmahdköchel, Schmatzerköchel, Wehausköchel, Langer Köchel und Seinköchl sowie dem Weghauer Köchel westlich von Ohlstadt im Murnauer Moos.
Es gibt interessanter Weise bei Eschenlohe mit dem Vestbichel und dem Apfelbichel sowie nördlich von Benediktbeuern mit den (namensgebenden) Kirchbichl sowie dem Galgenbichl (im Kreuzungsbereich von St. 2063 und B 11/B 472) sowie dem "Flohbühl", dem "Langen Bühl" und dem "Schönbühl" bei Johannisberg/Penzberg zwei Bezeichnungen die gleichartige Hügelformationen benennen.
Nach Astrid van Nahl, Lennart Elmevik, (Namenwelten: Orts- und Personennamen in historischer Sicht, S. 243) lässt sich die Bezeichnung Kofel für einen felsigen Gipfel (aus röm. Cubulum) wie auch die Bezeichnung Kogel (aus röm. Cucullus - Kapuze) für eine Bergkuppe oder einen Berg mit einem runden Gipfel aus dem lateinischen ableiten.
Der Bichl oder Bühl ist dagegen wohl germanischen Ursprungs - und das frühbairische Gräberfeld bei Sindelsdort belegt auch die Anwesenheit einer solchen Führungsschicht in der Region.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Das Vorhandensein von "Kochel"-Bezeichnungen neben den "Bichl"-Namen in Verbindung mit den anderen hier im Thread genannten tradierten romanischen Namen deutet meines Erachtens darauf hin, dass noch in der Agilolfinger- /Merowinger Zeit eine romanische Restbevölkkerung im Bereich der Ammer (Pähl) wie insbesondere entlang der Loisach (Walchstatt, Kochel, Partenkirchen) vorhanden war, deren Ortsbezeichnungen dann auch von den zuwandernden Germanen übernommen wurden. Das Gebiet der ehemaligen Provinz Raetia Secunda ist schließlich Ende des 5. Jh. mit ganz Italien vom Ostgotenkönig Theoderich übernommen und 536 vom Ostgotenkönig Witigis an die Franken abgetreten worden, die mit den Agilolfingern (555 dux Garibald) eine ansässige Adelsfamilie aus frühbairischem Hochadel als Verwalter einsetzten.
Was ich mich außerdem frage: Was soll mit dem -t- in Pontes passiert sein? Im Rätoromanischen/Ladinischen bleibt das t erhalten (punt/pont), in bairischen Ortsnamen wie Pfunzen und Pfünz ist es zu -z geworden, und zwar schon in den mittelalterlichen Belegen (Phuncina, Phunzina etc.)
Das z in Penzberg ist dagegen eine moderne Erscheinung, die sich erst nach Ausfall des Vokals zwischen -n- und -s- ereignet hat:
Im 13.-15. Jahrhundert haben wir Formen wie Ponnisperge, Ponnesperch, Pönesperch
Vom 15. bis ins 19. Jahrhundert dann Pönsperg, Pensberg
Erst im 19. Jahrhundert wurde aus Pensberg dann Penzberg.
Dann kann es aber auch möglich sein, dass im Namen Poennespergh das lateinische "Pons" für eine Brücke oder "pontena" für Fähre (wie bei Leonhardspfunzen, v. Reitzenstein, a.a.O. S. 154) anklingt.

Wenn dem so wäre, dann könnte "ad pontes Tesseninos" tatsächlich bei Penzberg gelegen haben, konkret am Loisachbogen zwischen dem langen Felsrücken (Rain) im Westen und der Langau mit der Wirtsleiten im Osten der Loisach. Denn das ist die einzige Möglichkeit zwischen den Mooren (Filzen) beiderseits der Trasse und am Fuße der Alpen einen trockenen begehbaren und befahrbaren Weg zu haben. Die nächste Möglichkeit für eine solche Ost-/Westtrasse zwischen Kempten und Salzburg bietet sich dann erst wieder nördlich des Starnberger Sees bei Gauting.
In der Langau - eine kleine Nebenbemerkung - deutet zudem die Flurbezeichnung "Kreuzgang" auf sich kreuzende Wege hin, in Nord-/Süd und West-/Ostrichtung.
 
Zuletzt bearbeitet:
momentan bin ich auf der Suche, diesem"populären Irrtum" nachzugehen.
Dabei möchte ich die Eigennamen der Flüsse, die sich ja (vielleicht als Verkehrswege) sehr viel länger erhalten einmal "aussen vor" lassen.
Ich lese gerade Gerhard Ernst, Martin-Deitrich Gleßgen, Christand Schmitt, Wolfgang Schweickar (Hrsg.) Romanische Sprachgeschichte / Histoire linguistique de la Romania. 1. Teilband 2003 und finde auf Seite 702 von Wolfgang Haubrichs (Autor)unter dem Titel "Die verlorene Romanität im deutschen Sprachraum" folgende Aussage:

Ist mir bekannt. Auch, dass es gute Gründe gibt, keine vorgermanische Etymologien für Kochel- und Staffelsee zu postulieren. Siehe meine Beiträge in diesem Thread: Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Für die Behauptung, das "Ladinische" habe sich bis ins 13. Jahrhundert gehalten, sehe ich allerdings immer noch kein einziges Argument.

wobei der Autor in Verbindung mit den romanischen Sprachresten um Salzburg eine bemerkenswerte Aussage macht (S. 703 a.a.O.):
Auch das ist mir bekannt, ich habe in einer früheren Diskussion darauf hingewiesen, dass sich in der Salzburger Gegend das Romanische noch sehr lange gehalten hat:
Im Westen von Norikum (Salzburg, Osttirol) finden wir die meisten romanischen (einschließlich vorrömischen) Ortsnamen. Dort lässt sich auch eine romanischsprechende Bevölkerung noch bis ins hohe Mittelalter nachweisen.
Aber auch in der Salzburger Gegend gab es im 13. Jahrhundert keine romanischsprachige Bevölkerung mehr.
Wiesinger/Greule S. 98: "Letzte Romanen konnten sich inselhaft bis gegen die Mitte des 12. Jhs. halten in den Rückzugsorten..."

Wir haben also eine "Lücke" von (nur) etwa 100 Jahren zwischen dem Abzug des Großteils der römischen Bevölkerung und der Landnahme durch bajuwarische Siedler in der Region (s.u. **). Ist es da wirklich ausgeschlossen, dass auch im östlichen Teil der vormaligen römischen Provinz Raetia Secunda / Vindelica, also zwischen Lech und Inn, an Isar, Am(p)er und Loisach vereinzelte romanische Ansiedlungen weiter bestanden?

Ich schließe romanische Bevölkerungsreste im südlichen Oberbayern keineswegs aus. Da sprechen wir aber vom 7. , allenfalls vom 8. Jahrhundert. Wie Du sagst: Merowingerzeit.
Über das 13. oder gar 20. Jahrhundert brauchen wir nicht ernsthaft zu diskutieren.
 
Dann kann es aber auch möglich sein, dass im Namen Poennespergh das lateinische "Pons" für eine Brücke oder "pontena" für Fähre (wie bei Leonhardspfunzen, v. Reitzenstein, a.a.O. S. 154) anklingt.

Ich kann das nicht nachvollziehen. Würdest Du bitte erklären, wie pontes zu poennes werden soll? Der lateinische Nominativ Singular pons wird im Romanischen nicht mehr verwendet, und die germanisch sprechende Bevölkerung wird erst recht kein klassisches Latein beherrscht haben.
 
Ich hatte ja oben den Mongibello als Beispiel für einen tautologischen Namen gebracht.
Auch hier fehlt das -t-, obwohl es regulär in italienischen und sizilianischen Namen von Einzelbergen erhalten ist. Dass hier ein direkter arabischer Einfluss auf die Lautung eingewirkt haben könnte, kann man ausschließen, da sowohl im Italienischen (und Sizilianischen) als auch im Arabischen Monte (Monti < das ist der sizilianische Singular, gleichlautend mit dem ital. Plural) und Ǧabal jeweils vor dem Eigennamen steht, also muss der Zweitname des Ätna, Mon t gibello, nach der normannischen Eroberung Siziliens entstanden sein.

Das sieht hier doch eher nach einer ganz simplen Assimilation aus. Da muss nur der unbetonte Vokal schwinden, schon klingt "Mont-dschibello" nach "Mondschibello".
 
Ist mir bekannt. Auch, dass es gute Gründe gibt, keine vorgermanische Etymologien für Kochel- und Staffelsee zu postulieren. Siehe meine Beiträge in diesem Thread: Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter
….

Ich schließe romanische Bevölkerungsreste im südlichen Oberbayern keineswegs aus. Da sprechen wir aber vom 7. , allenfalls vom 8. Jahrhundert. Wie Du sagst: Merowingerzeit.
...
ich sehe, dass es in diesem von Dir genannten Thread schon eine heftige Diskussion gab, in der auch die Diskussion hier vorweggenommen wurde.
Dem Zitat
Der Staffelsee ist nach Greule ebenfalls gut aus dem Althochdeutschen zu erklären (ahd. staffal 'Sockel, Stufenabsatz'); "das Bestimmungswort bezieht sich auf die durch Molasserippen der Murnauer Mulde charakterisierte Landschaft, in der der Staffelsee liegt".
Die alternative romanische Erklärung (Reitzenstein) sieht als Bestimmungswort lateinisch stabulum 'Stall', rätoromanisch stavel 'Alpgebäude'. Hmmm…
möchte ich nur ergänzend die "Staffel-Almen" beidseits der Jachenau anfügen:
= Staffelalm auf halbem Weg zwischen Laich und Fall über dem Staffelgraben, der zum Sylvensteinspeicher fließt,
= Staffelalm südlich des Rabenkopf über dem Staffelbach (mit seinen Gumpen), der sich bei der Lainlalm mit dem Glasbach zur Großen Laine vereinigt und gegenüber der Kirche in die Jachen mündet
Nun wurde die Jachenau erst ab dem Zeitraum um 1185 vom Kloster Benediktbeuern aus gerodet und besiedelt. Diese Bezeichnung der Almen dürfte also auf das ahd. staffal für Sockel oder Stufenabsatz zurück zu führen sein. Das bringt uns also wohl nicht weiter - wenn man nicht doch noch einen romanischen Bevölkerungsrest unterstellen will. Darauf kommt es aber nicht an.
Die von mir genannten tradierten romanischen Ortsbezeichnungen können sich durchaus auch in einer später germanisierten Bevölkerung erhalten haben. V. Reitzenstein führt eine Reihe von Ortsnamen auf, die auf tradierte romanische (Welsch) oder slawische (Wenden, Windisch) Urformen zurück gehen und sich trotz der "Germanisierung der Bevölkerung" erhalten haben.

In dem Zusammenhang sind auch die vorhin erwähnten "Gumpen" interessant.
ahd. gumpiten wird auf ein alpines cumbeta keltischer herkunft zurückgeführt, gumpe ist entsprechend von einem alpinen, ursprünglich gall. cumba 'tal' herzuleiten, vgl. Gruber in phil. u. volkstüml. arbeiten K. Vollmöller dargebr. 327 und Meyer-Lübke 2386.
Quelle: Wörterbuchnetz
Wir haben viele Lehnwörter in unserer (gerade bairischen) Sprache und den Dialekten, "letzte Mode" war das Französische in der Zeit Napoleons (und danach). Der "Gendarm" (gesprochen "Schandarm" oder "Schande") ist nur ein Beispiel. Neue Dinge, die "unbekannt" waren, wurden mit dem fremden Namen übernommen (oder auch einer Mode folgend, wie heute die Anglizismen wie "Handy" in unserer Alltagssprache).
Ähnlich dürfte das auch in der Wanderung von Vokabeln und Wörtern (z.B. Fenster) vom romanischen in das germanische gewesen sein.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied:
Tradierte Ortsnamen wie "Köchel" oder "Kochel" (Reitzensteins Verweis auf pfälzisch erscheint mir etwas hergeholt, vielmehr könnte eine gemeinsame Wurzel zugrunde liegen) belegen eine kontinuierliche Besiedelung zumindest von kleinen Gruppen, deren Ortsbezeichnungen dann von den Zuwanderern übernommen sind.

Ich kann das nicht nachvollziehen. Würdest Du bitte erklären, wie pontes zu poennes werden soll? Der lateinische Nominativ Singular pons wird im Romanischen nicht mehr verwendet, und die germanisch sprechende Bevölkerung wird erst recht kein klassisches Latein beherrscht haben.
genau das ist das Argument. Die germanisch sprechende Bevölkerung hat die romanischen Namen übernommen und "eingedeutscht", also "zungenfähig" gemacht. Dass dabei nicht jede klassische lateinische Schreibweise übernommen sondern vom "Hörensagen" weiter gegeben wurde, sollte eigentlich verständlich sein.
Ich erinnere an den "Mondschibello" und die Vermutung, dass romanische Bevölkerungsreste im Voralpenraum (wohl ein relativ isoliertes Vulgärlatein sprechend) nicht unbedingt die 2. (deutsche) Lautverschiebung mit gemacht haben.
Und dass es Ausnahmen von den strengen Formen der Lautverschiebung gab (und gibt), ist am Beispiel von Partenkirchen hier schon belegt worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
genau das ist das Argument. Die germanisch sprechende Bevölkerung hat die romanischen Namen übernommen und "eingedeutscht", also "zungenfähig" gemacht.
Das setzt aber nicht die romanisierte Form von pons sondern die Form von pontem voraus. Das Vulgärlateinische verwendete den Akkusativ als Standardfall, das Romanische kann gar nicht anders, als lokaler Fortsetzer der Volkssprache, als das zu übernehmen.
 
Zurück
Oben