War Merseburg einst römische Exklave ?

Dann schau dir mal diese mittelalterliche Planstadt an, die ist noch ein paar Jahrzehnte älter als Aken:

Warum du immer meinst, mittelalterliche Planstädte seien eigentlich Römerlager, könnte ich nachvollziehen, wenn du dich nicht schon länger damit beschäftigt hättest. Aber wenn du dir Städte ansiehst, die tatsächlich auf römische Gründungen zurückgehen, wirst du häufig sehen, dass das Prätorium von der Kirche besetzt wurde (León ist hier z.B. eine Ausnahme) und einigermaßen stabil ist, während rundherum die Straßen ein ungeplantes Gewirr ergeben und nur die Umfassungsmauer im Stadtbild noch eingermaßen erkennbar ist. Altstädte mit einem einigermaßen geordneten Straßensystem gehen i.d.R. auf das Hoch- und Spätmittelalter zurück, so ca. ab dem 11. Jhdt.

Und wenn du dir Städte bei Römerlagern ansiehst - und zwar durchaus bei längerfristig genutzten Römerlagern und nicht bloß Marschlagern!!! - wirst du sehen, dass diese sich meist für das Römerlager gar nicht mehr interessiert haben. Etwa Haltern. Auch Xanten liegt nicht über Vetera I oder II oder der CUT und letztere muss obertägig noch erkennbar gewesen sein.
Die Situation ist doch hier eine ganz andere. Als Albrecht der Bär die Flamen ins Land holte, legten die eine Stadt an, exakt rechtwinklig und geradlinig, ohne auch nur eine Spur von den Römern zu wissen. Die Altstadt zwischen Lorf und Westtor war ohne Reste eingegangen. Von der Kirche gibt es keine Spur mehr. Ob sie auf römischen Resten lag, muss die Zukunft zeigen. Die Stadt wurde schon mehrfach fehlgedeutet. Aber ihre strategische Lage am Elbknick ist interessant. Und die Neuentdeckung bestätigt das. Leider fehlt noch eine zeitliche Zuordnung. Also noch mal: nicht die Stadt an sich, sondern ihre bedeutende Lage an der Mittelelbe, die vielleicht auch Drusus erreicht haben könnte, wäre touristisch interessant. In der Nachbarschaft an der Saale versucht man das schon in kleinem Umfang zu vermarkten (Drusus-Pfad)
 
Jetzt verstehe ich deine Argumentation vollends nicht mehr. Einerseits willst du Aken aufgrund seines Straßenbilds als römischste aller Städte an der Elbe verkaufen, andererseits gibst du zu, dass es sich um eine Planstadt aus dem 12. Jhdt. handelt? (Immerhin!)
Beides, römischste aller Städte an de Elbe und mittelalterliche Planstadt, geht nicht zusammen. Also entweder stammt das Straßenbild aus der römischen Zeit (was anhand echter römischer Gründungen leicht widerlegt ist) oder geht auf die Planstadt des späteren HochMAs zurück.
Wenn du zugibst, dass die Anlage der Stadt auf die flämischen Siedler zurückgeht, dann heißt das, dass du deine Römerhypothese ad Acta legst. Und dass alles Römische spurlos vergangen ist, ist eher unwahrscheinlich. Nichts ist so dauerhaft, wie ein Loch. Also erst einen Beleg für die Römer erbringen und dann meinetwegen phantasieren, aber nicht ohne Beleg für die Römer phantasieren.
 
Es gab und gibt doch nicht den geringsten Zweifel an der Gründungszeit der Stadt. Sie ist aber optisch (!)die römischste Stadt in Mitteldeutschland. Und die Anwesenheit von Römern auf dem Areal der Altstadt ist wohl kaum noch zu bezweifeln. Ob die untergegangene Altstadt etwas mit dem Lager zu tun hat (außer der hochwasserfreien Lage) und ob es überbaute weitere Lager gegeben hat, muss die zukünftige Forschung zeigen.
 
Halten wir also fest: es gibt keinen Beleg für die Römer in der Altstadt von Aken. Aber du wirfst Lokalpolitikern vor, dass sie aus der Tatsache, dass mittelalterliche Planstädte von der Anlage her Römerstädten her ein wenig ähneln, dass sie sich diese oberflächliche Ähnlichkeit im Tourismusmarketing nicht zu Nutze machen, sprich, du wirfst ihnen vor, dass sie bei Touristen nicht falsche Erwartungen heraufbeschwören. Verstehe ich das richtig?
 
  1. Du irrst. Seit Hermundures Entdeckung und dem messtechnischen Nachweis, dass es sich bei der Vegetationsmarke im Bereich der Altstadt nicht um moderne Versorgungsleitungen handelt, gehe ich von der Anwesenheit der Römer aus. Der Rest ist Theater, aber zur Ankurbelung des Tourismus heute überall Usus. Ein paar Kilometer südlich lag das große Urnenfeld mit reichem Importgut. Und was Vermarktung bewirken kann, zeigt ein kleines Dorf unweit davon. Weil angeblich Eike von Repgow dort geboren wurde, hat man fast alle Häuser mit großen Bildern aus dem Sachsenspiegel dekoriert. Nur mal als Beispiel.
 
Da sind wir wieder bei dem Problem von vor ein paar Tagen: Obertägig nichts römisches erkennbar, was tourismusmarketintechnisch mehr erreichen würde, als ein paar Geschichts- und Archäologie-Nerds mit einem sehr speziellen Interesse an Spuren der Römer in der Germania libera (ich kenne Archäologen, die würde das einen feuchten Dreck interessieren, für die ist alles, was nach der Bronzezeit kommt neumodischer Krimskrams). Dafür dann eine mittelalterliche Planstadt als römisch verkaufen...
 
Und was Vermarktung bewirken kann, zeigt ein kleines Dorf unweit davon. Weil angeblich Eike von Repgow dort geboren wurde, hat man fast alle Häuser mit großen Bildern aus dem Sachsenspiegel dekoriert. Nur mal als Beispiel.
Und? Wird dieses Dorf von den Touristenströmen überrannt? Teilt es das Schicksal von Dubrovnik seit der Ausstrahlung dieser komischen Fantasy-Soap Game of Thrones?
 
Das Dorf liegt am intereuropäischen Radweg R1 und ist dadurch überhaupt erst bekannt geworden. Die benachbarten Dörfer versinken geschichtslos im Dunkel. Es geht immer nur um Theater, wenn auch nur für Minderheiten. Nicht jeder mag Bauhausstil oder Gartenreich.
 
Das Dorf liegt am intereuropäischen Radweg R1 und ist dadurch überhaupt erst bekannt geworden. Die benachbarten Dörfer versinken geschichtslos im Dunkel.
Gibt es, seitdem die Fassaden mit Szenen aus dem Sachsenspiegel bepinselt wurden, einen merklichen Anstieg des Tourismus in diesem Dorf, der sich in Hotelübernachtungen oder Nahrungsmittelkonsum in Restaurants und Cafés niederschlägt und somit auch über die Gewerbesteuer das Stadtsäckel füllt?
 
So detailliert ist die Statistik leider nicht aufgeschlüsselt. Auf jeden Fall wurde das Dorf in Europa bekannt. Aber keiner weiß, wie sich die Situation nach der Aufhebung des Lockdown entwickelt. Entweder drängt dann alles ins Ausland, oder die Wiederentdeckung des Inlands bleibt aktuell. Es bleibt leider keine andere Möglichkeit, die Arbeit der haupt- und nebenamtlichen Bodendenkmalpfleger zu würdigen, als über das Präsentieren der alten Geschichte. Leider fehlt es an Akteur-Nachwuchs. Sogar unser recht einträgliches Leopoldsfest wird eingestellt, weil "Leopold" nicht mehr antritt.
 
Es gibt weitere Neufunde römischer Militaria des 3. Jh. n. Chr. aus dem Merseburger Raum - diesmal auf sächsischer Seite. Die Neufunde sind im Band des Jahres 2020 AiS 7 (Archäologie in Sachsen) verzeichnet und abgebildet. Sehr schön finde ich den Helmniet vom Typ Niederbieber (Abb. 3 Militaria) und das Ortbandfragment eines Thekenbeschlages (Abb. 4). Herausragend jedoch ist von A. Gerdts der Fund einer Gußform zur Herstellung einer "Elbefibel". Damit ist klar, dass deren Ursprung in der Merseburger Region zu suchen sind. Es scheint so, dass der strategisch wichtige Kreuzungspunkt der Antiqua Strata (Via Regia) und der Via Imperii am Zusammenfluss von Luppe und Elster von den Römern immer wieder aufgesucht wurde. Davon zeugen deren Spuren im Merseburger Land seit der julisch/claudischen Epoche.
 

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Es gibt weitere Neufunde römischer Militaria des 3. Jh. n. Chr. aus dem Merseburger Raum - diesmal auf sächsischer Seite. Die Neufunde sind im Band des Jahres 2020 AiS 7 (Archäologie in Sachsen) verzeichnet und abgebildet. Sehr schön finde ich den Helmniet vom Typ Niederbieber (Abb. 3 Militaria) und das Ortbandfragment eines Thekenbeschlages (Abb. 4). Herausragend jedoch ist von A. Gerdts der Fund einer Gußform zur Herstellung einer "Elbefibel". Damit ist klar, dass deren Ursprung in der Merseburger Region zu suchen sind. Es scheint so, dass der strategisch wichtige Kreuzungspunkt der Antiqua Strata (Via Regia) und der Via Imperii am Zusammenfluss von Luppe und Elster von den Römern immer wieder aufgesucht wurde. Davon zeugen deren Spuren im Merseburger Land seit der julisch/claudischen Epoche.

In welchem Kontext sind denn diese römischen Funde gemacht worden?

Wenn ich das richtig verstehe, sind doch Elbefibeln germanisch. Dann verstehe ich den Zusammenhang mit den römischen Funden nicht so richtig.
 
@Carolus

Elbefibeln fand man auch in den Kastellen des obergermanisch-rätischen Limes und im Noricum. Sie wurden, Stand jetzt, wahrscheinlich vorrangig von Auxiliar-Einheiten getragen. Durch die Gußform wissen wir nun "WER" diese Soldaten waren und "WOHER" diese stammten - nämlich aus Mitteldeutschland.
 
@Sepiola

was Pardela_cenicienta damit meint ist, dass die römische Importware regulär nach Mitteldeutschland gelangte und nicht wie stets vermutet als Handelsware, Raubgut oder (römischer) verlorener Privatbesitz.
 
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