Es waldet im waldigen Wald, oder nicht?

Die Archäobotaniker sind hier gefragt. Ich sehe in der heimischen Landschaft jede Menge Hügelgräber die doch vermutlich nicht im dichten Wald sondern sichtbar und mit Sicht zum Sonnenaufgang angelegt wurden. Ich denke dass die Landschaft auch 1.500 Jahre später dann einerseits durch Bruchwälder, Sümpfe und Moore in den Niederungen, andererseits durch offene Flächen in den landwirtschaftlich gut nutzbaren Lagen und durch Fernhandelswege auf den Höhen und in Halbhanglagen geprägt war. Auf jeden Fall kein wüstes Germanien.

1. Sind Hügelgräber "Nachweise" dafür, dass die Gegend, in der sie sind, eher waldarm war? (ich bezweifle das, lasse mich aber gerne belehren)
2. 1000-2000 Jahre nach den bronzezeitlichen Hügelgräbern: total andere Flora, oder eher dieselbe? Wenn anders, dann sagen die Hügelgräber nichts über die Verhältnisse zur Römerzeit.
Hügelgräber wurden in der Regel nahe an Verkehrswegen angelegt. Nicht immer unbedingt nah an Siedlungen.
Wenn Wege nicht aufgegeben wurden, wurden bronzezeitliche Hügelgräber bis in die römische Kaiserzeit weiterverwendet. Wir haben dann häufig am Grund des Hügelgrabs (in den ursprünglichen Boden eingetieft) die überhügelte ursprüngliche bronzezeitliche Körperbestattung mit Baumsarg, manchmal dann eine Bestattung die "kurz danach" in den Grabhügel vorgenommen wurde, der Hügel wurde dann verbreitert und erhöht und dann in der Spätbronze- und Eisenzeit (bis in die RKZ) häufig Urnenbestattungen in die Hügeloberfläche.

Die Hügelgräber waren zu einer Zeit angelegt, wo es hier wesentlich wärmer und trockener war. Dann folgte eine Phase feuchten und kühleren Klimas. Die Moore wuchsen wieder und die Wasserspiegel stiegen. Ich nannte ja das Beispiel, wo nach längerer regenarmer Zeit hier in einem Sumpfgebiet in mehreren Metern Tiefe eine pfostengestützte Grube gefunden worden war, in welcher vorgeschichtliche Urnen standen.
Wenn das Holz noch erhalten war, spräche das dafür, dass es auch zur Anlage der Pfostengrube Feuchtboden war.
 
Die Pollenanalyse als Methode in der Siedlungsarchäologie ist bereits seit den 1920er Jahren von archäologisch interessierten Biologen implementiert durch Weber und Bertsch worden. Sie ist im Prinzip der Beginn der Siedlungsarchäologie (Achtung, bitte nicht Siedlungsarchäologie hier mit Kossinnas "Siedlungsarchäologischer Methode" verwechseln.)
 
Hügelgräber wurden in der Regel nahe an Verkehrswegen angelegt. Nicht immer unbedingt nah an Siedlungen.
Wenn Wege nicht aufgegeben wurden, wurden bronzezeitliche Hügelgräber bis in die römische Kaiserzeit weiterverwendet.
Das klingt für mich nachvollziehbar! Wege können durch freies und durch bewaldetes Gelände führen. Folglich ist es wahrscheinlich, dass weiter entfernt von festen Besiedlungen an (Fern)Wegen gelegene bronzezeitliche Hügelgräber (wie Iba/Ronshausen und Eisenberg) durchaus auch im Wald (evtl an lichten Stellen, Lichtungen) angelegt wurden. Mehr wollte ich zu den Hügelgräbern, die ja gar nicht so selten, sondern oftmals landschaftsprägend gewesen sein sollen, nicht wissen. Dass ihr je nach Landstrich gehäuftes Vorhandensein über die vorhandene oder nicht vorhandene Bewaldung zur Römerzeit irgendwas aussagt, kommt mir Laien abwegig vor.

Bleibt zu fragen, was die Forschung an Erkenntnis zur Bewaldung "Germaniens" mitteilt.
 
Sie sollten halt schon gesehen werden - onst hätte man sie ja irgendwo und nicht an den Handelswegen anlegen können - und deshalb nicht unbedingt im Wald liegen. Für die Bronzezeit zumindest können wir sagen, dass sie in einigermaßen gelichteten Stellen gelegen haben müssen. Aber die Bronzezeit endet eben in unseren breiten um 800 und wird von der Eisenzeit abeglöst. Inwieweit dann Gebiet X, dass um 800 entwaldet war, zur Zeitenwende immer noch waldfrei war, ist eine andere Frage. Und Wald ist eben auch nicht gleich Wald. Ein Wald, indem Schweine gehalten werden und Holz für Hausbau und kochen/heizen geschlagen wird, sieht anders aus als ein Wald, wo nur ab und an mal eine Gruppe Jäger vorbeikommt, die aber kaum in den Wald eingreift. Er sieht aber auch anders aus als wo zum kochen und heizen noch Metallurgie hinzukommt. Da ist der Wald dann nämlich irgendwann weg, weil die benötigte Holzmenge so hoch ist.
 
Für ein temporäres Marschlager, werden sich sicherlich weniger dicht bewaltete Gegenden angeboten haben, nicht nur mit Bick darauf, dass man zunächstmal ein weitgehend freies Areal benötigte, um das Lager überhaupt aurichten zu können, sondern auch dahingehend, dass ein allzudichter Wald natürlich auch potentiellen Feinden bei der Verschleierung ihrer Annäherung gewisse Vorteile verschafft.
Andererseits berichtet Tacitus auch von einem Marschlager mitten im Caesischen Wald, wo nur eine Schneise für den Lagerbau zur Verfügung stand.
 
Jetzt, zur Zeit des Baumsterbens, der Trockenheit und der großen Rodungen der Fichtenwälder, sieht die Landschaft des heimischen Siegerlandes so kahl aus wie zur Zeitenwende:
Stimmt das aber wirklich? Das würde implizieren, dass die Waldfläche zwischen Spätantike und Hochmittelalter erheblich zugenommen hätte. Denn tatsächlich erreichte Mitteleuropa erst in den 2010er Jahren wieder die Walddichte, die es vor der zweiten großen Rodungswelle ab ca. 1100 gesehen hatte. Was übrigens eine gewaltige Leistung ist, vergleicht man die Bevölkerungsdichte damals und heute.
 
Wenn man Stiche von Matthäus Merian aus dem 17. Jahrhundert mit Bildern von heute vergleicht, sieht man, dass es vor 300 Jahren sehr viel weniger Wald gab. Mit der Romantik kam es zu einer Verklärung des Waldes, die u.a. auch zu einer Aufforstung Deutschlands führte. Es etablierte sich die Forstwirtschaft gegenüber dem Raubbau, der jahrhundertelang betrieben wurde.
Das sagt jetzt erst mal gar nichts zur Bewaldung in der Eisen- oder Bronzezeit aus. Ich gebe aber Muck recht, dass es in Deutschland im Mittelalter und der Frühen Neuzeit sehr viel weniger Wald gab als heute.

Zum Vergleich Schloß Wittgenstein in einem Stich von Merian und in einem Foto aus dem Jahr 2018:
1920px-Laasphe_De_Merian_Hassiae_144.jpg

1920px-Schloss_Wittgenstein_2018.jpg
 
Da würde ich den Merian aber auch nicht überbewerten. Der wollte ja Stadtansichten liefern. Insofern war Wald eher ein schmückendes Element und sollte die Stadtansicht eben nicht in den Hintergrund rücken.
 
Da würde ich den Merian aber auch nicht überbewerten.
Das zieht sich aber durch alle Stiche Merians. Auch Hügel und Berge im Hintergrund werden im Regelfall als nicht oder kaum bewaldet dargestellt. Dass Burgen und Befestigungen nahezu baumfrei sind, kann jedoch auch darauf zurückgeführt werden, dass sie damals noch Verteidigungsaufgaben hatten.
 
Archäobotanisch gestützt für das Federbruch-Moor im Reinhardswald nördlich von Kassel sind ab der Bronzezeit (beginnend mit Hügelgräberzeit) folgende Überlegungen zu den Besiedlungsphasen in der angrenzenden westhessischen Senke mit ihren Lößböden mit Blick auf mögliche Auswirkungen für den Höhenzug des Reinhardswaldes interessant:

"Das Verlassen von genutzten Flächen oder Siedlungen könnte sich, wie bereits erwähnt, im Auf und Ab derBetula- und Corylus-Kurve abzeichnen, wobei Betula zusätzlich stärker präsent ist (STECKHAN 1961, BEHRE 1976, 1980; BEUG 2016). Beide Arten profitieren von der natürlichen Sukzession an lichten Standorten (ELLENBERG & LEUSCHNER 2010). Dabei dürfte eine Zunahme von Corylus auf intensivere Siedlungstätigkeit hindeuten, während eine Zunahme von Betula mit Phasen früher Waldregeneration bei abnehmender Siedlungsintensität korreliert. Siedlungsphasen finden sich um ca. 1050 kal. Jahre v. Chr., 650–350 kal. Jahre v. Chr. und 50–450 kal. Jahre n. Chr. In allen drei Phasen finden sich außerdem auch koprophile Fungi, die auf die Anwesenheit von Großherbivoren auf der Moorfläche hindeuten. Aus dem südlichen Reinhardswald selbst sind keine bronzezeitlichen Besiedlungsspuren bekannt. Hier existierte eine ständig bewohnte Ansiedlung erst in der vorrömischen Eisen-zeit (800–0 Jahre v. Chr.) mit der Wallanlage auf dem Ahlberg (etwa 1,3 km südwestlich des 119 Federbruchs), die wahrscheinlich ein „Herrensitz“ war (SIPPEL 2002). In diese Zeit fällt auch ein starker Rückgang des Baumpollens, dessen Beginn auf ca. 480 kal. Jahre v. Chr. datiert wurde.
Bereits ab der Bronzezeit ist der anthropogene Einfluss durch ein Holzkohlesignal sowie das Vorkommen verschiedener koprophiler Fungi unterlegt. Erstmalig tritt nun mit Plantago lanceolata eine Art auf, die als klarer Anzeiger für das Ausüben von Weidewirtschaft, Ackerbau und die damit verbundenen Brachen gilt (STECKHAN 1961, BEHRE 1976, 1980; BEUG 1994, LANG 1994). Demnach ist davon auszugehen, dass bereits zur Bronzezeit das Vieh in den Reinhardswald getrieben wurde und zu seiner Auflichtung beigetragen hat. Zwar könnten sich Plantago-Pollen auch von außerhalb des heutigen Reinhardswaldes liegenden Offenflächen im Sediment abgelagert haben. Eine Korrelation mit koprophilen Fungi und den Pollen von Urticaceae (vielleicht Urtica dioica), die auf einen lokalen Stickstoffeinfluss hindeuten dürften, unterstützt jedoch die Annahme, dass Weidevieh sich in den Waldbeständen um das Federbruch-Moor sowie auf dem Moor selbst aufgehalten hat."
(S. 118f / Hervorhebungen von mir)

https://www.tuexenia.de/publications/tuexenia/Tuexenia_2020_NS_040_0101-0130.pdf
 
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Andererseits berichtet Tacitus auch von einem Marschlager mitten im Caesischen Wald, wo nur eine Schneise für den Lagerbau zur Verfügung stand.

Ich wollte auch nicht behauptet haben, dass das nicht vorgekommen sei. Es werden sich schlicht nicht auf jeder Wegstrecke hinreichend ideale Plätze gefunden haben, so dass man hin und wieder auch mit einem Lager in einem stark bewaldeten Gebiet vorlieb genommen haben wird.
Das dürfte im Rahmen einer militärischen Expedition in ungesicherten Gebiet, aber sicherlich nicht der Zustand gewesen sein, auf den man idealerweise abzielte.
Letztlich ging es mir vor allem aber auch darum die verschiedenen Bedürfnisse für temporäre Lager in icht pazifiziertem und für ständige Lager in pazifiziertem Gebiet herauszustellen.
 
Das zieht sich aber durch alle Stiche Merians. Auch Hügel und Berge im Hintergrund werden im Regelfall als nicht oder kaum bewaldet dargestellt. Dass Burgen und Befestigungen nahezu baumfrei sind, kann jedoch auch darauf zurückgeführt werden, dass sie damals noch Verteidigungsaufgaben hatten.
Versteh mich nicht miss. Ich will nicht behaupten, dass dort überall Wald gewesen sei. Alles was ich will ist mitzuteilen, dass man auch an Bildquellen quellenkritisch herangehen muss. Merian ging es nicht um Landschaftsdarstellung, er wollte historische Stadtansichten präsentieren. Seine Wirkenszeit beginnt in der Schlussphase des 30jährigen Krieges und zeigt die Städte, wie sie vor dem Dreißigjährigen Krieg ausgesehen hatten:

Vnd ist / vor dem jetzigen leydigen Krieg / das Teutschland mit so vielen Stätten / Schlössern / Vestungen / Clöstern / Dörffern vnd Weylern erbawt / vnd mit solcher schönen Gelegenheit gezieret gewesen / daß es diß Orts keinem Lande etwas bevor geben. Welche schöne Gestalt aber so häßlich zugerichtet worden / daß / wann ein Durchreysender jetziges Teutschlandt betrachtet / vnd das vor wenig Jahren geweste dargegen hält / er / ohne Vergiessung heisser Zähren / solches nicht anschawen kan. Er erfähret / wann er anders seinen Verstandt hat / daß zu diesen letzten grewlichen Zeiten alles / was hiebevor das Teutschland vber andere Lande / vnd Königreich erhoben / berühmbt / groß vnd herrlich gemacht hat / jetzt vor vnsern Augen je mehr vnd mehr abgenommen / dahin gesuncken / vnd zu Boden gefallen / vnd vns fast nichts von der hiebevorigen Glückseeligkeit vbergelassen: sondern alles entweder allbereits hinweg genommen / oder doch gefährlich geschwächt / vnd geändert worden: Hergegen aber die Laster gewachsen / vnd höher gestiegen seyn. Vnd zweifflen ihr viel / ob Teutschland / vor dem allgemeinen Ende der Welt / sich wider erholen / vnd mit Frewden das Haupt auß dem Staub / vnd Blut / darinn es gewaltzet wird / erheben werde: sintemahl etwas recht beständig zu hoffen / noch zur Zeit kein satt Fundament / welches gottselige vnnd rechtschaffene Hertzen befestigen möchte / eygentlich erscheine. Gleichwol so müssen wir jetzt erlebte darumb nicht vnterlassen / ein jeder an seinem Orth / vnsers nunmehr elenden allgemeinen Vatterlandts voriger Glückselig- vnd Herrligkeit / vns mit danckbarem Hertzen zu erinnern / auch vnsern Nachkommen dieselbe vor Augen zu stellen / ob sie vielleicht dardurch möchten zum Eyfer erwecket werden / nach Göttlicher Ordnung / das ist / mit gottseligem vnnd tugendhafftem Wandel / was noch stehet / zu erhalten / was gefallen / wider auffzurichten / vnd was verlohren / wider zu bringen. Zu welchem Ende dann / nach dem Talent / so mir mein Himmelischer Vatter / vnd Herr / anvertrawt / vnd auff Ermahnung vnd Begehren vieler guthertzigen Liebhaber ihres Vatterlandts / Ich mir vorgenommen / mit Verleyhung Göttlicher Gnaden / die jenige Stätt vnnd Orth / durch das gantze grosse Teutschland / den Ländern nach / so ich nun lange Zeit zusammen gesamblet / vnnd hin vnd wider / theils auß sonderbahrer Freygebigkeit / theils auch mit nicht geringen Vnkosten / vnd schwerem Verlag / an mich gebracht / vnnd noch (durch Hülff guter Gönner / vnd Liebhaber der Künste / sonderlich der Teutschen Sachen / so die Gedächtnuß der alten Geschichten / nach dem Exempel anderer Völcker / gern erhalten sehen wolten) bekommen möchte / ordentlich nach vnnd nach (damit den Käuffern / vnd mir dem Verläger / es desto leichter falle / auch einem jeden frey stehe / allein sein eygentlich Vatterland / oder ein anders / nach seinem Belieben / absonderlich / oder so es ihme gefällig / ein Provintz nach der andern / bequemblicher / als wann er das Gelt auff einmahl für das gantze Werck außgeben müste / zu erkauffen / vnnd also endlich gleichsamb vnvermerckt zusammen zu bringen) hervor zu geben; Weiln die vorhin außgangene Stätt-Bücher entweder nicht ordentlich verfast seyn; oder wenig abgebildete Teutsche Orth in solchen zu finden; Theils auch bey diesem Krieg seydhero viel ein andere Gestalt bekommen / auch theils viel mehrers fortificirt worden seyn. Vnd damit ein desto grösserer Nutz davon geschöpfft werden / vnd man nicht allein die Augen / sondern auch die Ohren damit ergötzen / vnd befriedigen möchte / so habe ich einen / der Teutschen Sachen / vnd Historien Liebhabern / erbetten / GOTT zu Lob / vnnd dem Vatterland zu Ehren vnd Dienste / die Mühewaltung auff sich zu nehmen / vnd alle die Stätt vnnd Stättlein / so viel ihme noch zur Zeit wissend / vnd zu erfahren gewesen / durch das gantze Teutschland / kürtzlich / damit das Werck nicht zu groß würde / zu beschreiben / vnd auch etlich andere fürnehme / vnd sonderlich in diesem Krieg mehrers bekandt wordene Ort / Bäder vnd dergleichen / mit einzubringen / damit solches Opus vnter dem Namen nicht nur eines Stätt-Buchs / sondern einer Orth-Beschreibung / oder Topographiae, nicht zwar universalis, sondern particularis, herfür kommen / vnd etlich hundert mehr Teutsche Stätt / etc. als in denen biß daher außgangenen Stättbüchern / oder Theatris Vrbium, beschehen / allhie eingebracht werden möchten. Vnd ob woln ich biß dato nicht aller Orth / so in solcher Beschreibung eingerückt werden / Conterfäten erlangen können: So hoffe ich doch dieselbe noch mit der Zeit zu bekommen / vnd bin deß Erbietens / so dann alle Franckfurter Messen solche vmb ein billiches den Käuffern folgen zu lassen / damit sie solche auch / zu den allbereit erkaufften Exemplarien / haben / legen / oder binden lassen mögen.​

Die Stadtansichten aus dem 16. und 17. Jhdt. hat es in der Realität so nie gegeben. Die Zeichner wechselten die Standorte, um jedes als Landmarke nutzbare Bauwerk einer Stadt mit aufnehmen zu können. Man kann das gut an den Kirchen in den Städten, sofern noch erhalten, nachvollziehen. Sie stehen in einem Verhältnis zueinander, das der topologischen Realität nicht entspricht. Es gibt nicht die eine Sichtachse, sondern deren mehrere. Was man natürlich nur dann erkennt, wenn man die Städte kennt. So sind solche Darstellungen wertvolle Quellen einerseits, aber eben auch unzuverlässig andererseits.
 
In ihrem Artikel "The prehistoric and preindustrial deforestation of Europe" kommen Leute der ETH Lausanne und der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL 2009 mit einem neuen Modell, welches ab 1000 v. Chr. die überhaupt kultivierbare Fläche in Relation zur geschätzten Bevölkerungsdichte bringt und so die historische Bewaldung berechnet. Sie kommen zum Ergebnis, dass die Entwaldung in der Vergangenheit viel stärker als bisher angenommen war.

Our model predicts much greater areas of deforestation as compared to other studies, in both the recent and distant past, but our data is supported by historical observations.

Der Artikel enthält auch Karten der Walddichte Europas in verschiedenen Zeitepochen.
https://www.wsl.ch/staff/niklaus.zimmermann/papers/QuatSciRev_Kaplan_2009.pdf
 
Die Menschen der Antike und des Mittelalters hatten wenig Anlass, zusammenhängende Waldflächen zu erhalten. Man fürchtete den Wald, mied ihn, zerbrach sich den Kopf über die Schwierigkeiten, die er im täglichen Leben verursachte.

Da wäre zuerst die Landwirtschaft. Sogar Innovationen wie die Einführung der Dreifelderwirtschaft im 12. Jahrhundert minderten den Flächenbedarf des Feldbaus nur bedingt.

Pro Gebietseinheit war nur ein Bruchteil selbst desjenigen Ertrages zu erzielen, der nach Einführung moderner Düngemittel, aber vor der flächendeckenden Industrialisierung der Landwirtschaft im frühen 20. Jahrhundert möglich war. Deswegen wurde, überspitzt formuliert, jede freie Fläche für die Landwirtschaft genutzt.

Auch die Wälder selber wurden intensiv genutzt, und dies nicht nur zur Gewinnung von Bau- und Brennholz, was deren Rückgang natürlich beschleunigte. Wälder wurden durchaus auch beweidet.

Aber in Konkurrenz zu diesem Zweck stand mit der zunehmenden Besiedlung des Raumes das Problem, dass Wälder Tieren Zuflucht boten, die als "Bestien" und Nahrungskonkurrenten gefürchtet waren, etwa Wölfe.

Im Spätmittelalter sind (Glatzer Kessel) sogar Rodungen mit der Absicht nachgewiesen, Rückzugsräume für Geächtete zu zerstören. Kurz gesagt, die mannigfachen Gründe lassen @Naresuan's Karte sehr plausibel erscheinen.
 
Für Ebenen, auch Hochflächen, Flußtäler trifft die antike und mittelalterliche "Entwaldung" sicher zu - aber wie sieht es in unwegsamerem Bergland aus? Ich glaube nicht, dass Schwarzwald, Harz, Thüringer Wald etc jemals entwaldet waren (bestenfalls Täler und Zuwege zu Bergbauzentren)
 
Die Antwort auf Deine Frage dürfte stark von der betrachteten Gegend und Epoche abhängen, aber ich halte es – ohne mich auf konkrete Quellen stützen zu können – durchaus für möglich.

Eher würde ich die Hochgebirgsregionen ausschließen als die Mittelgebirge, wie Du annimmst. Tatsächlich liegen fast alle in Deutschland als unberührt geltenden Waldgebiete in den Alpen.

Umgekehrt gibt es selbst im Hochschwarzwald Ortschaften, die schon vor Jahrhunderten für ihr Glas berühmt waren, also reichlich Holz zur Verfügung haben mussten – etwa Gersbach (gut 1.100m über Null).

Mit Zugtieren und unter Zuhilfenahme von Wasserkraft konnte auch schon vor der industrialisierten Forstwirtschaft im Gebirge gut Holz geschlagen werden.

Für die Partnachklamm bei Garmisch ist verbürgt, dass auf ihr so viel Holz getriftet wurde, dass sie vor lauter Bäumen regelmäßig verstopfte.
 
nun ja,bereits in der Bronze-und Eisenzeit bestand zumindest in den "keltisch" besiedelten Gebieten erheblicher Holzbedarf-einerseits durch Metallgewinnung und andererseits durch Grossbauten wie Oppidae und grössere Siedlungen.
Allein der Holzbedarf für einen mittelgrossen Ringwall mit murus gallicus war immens und nicht zu vergessen war Holz der einzige Energieträger, der damals in ausreichender Menge zur Verfügung stand.
So war der heute völlig bewaldete Donnersberg in dieser Zeit baumlos
Bei Hunnenring, Glauberg,Altkönig, Heidetränke etc.dürfte es ähnlich gewesen sein.
 
Für das Holz gilt wie für die Steine: man schleppt es nicht bergauf, man zieht es beim Holzrücken bergab, vorzugsweise im Winter.
Sumpfwälder, Erlen- und Auwälder waren weniger gut geeignet für den Holzeinschlag. Und der Holzverbrauch war riesig.
Ich denke dass zur Zeitenwende eine intensive aber aufgelockerte Besiedlung bestand. Weniger also befestigte Dörfer wie in den unruhigeren Zeiten der Bronzezeit, stattdessen mehr Einzelgehöfte oder kleinere Dörfer, und dies sehr stark in Siedlungskammern. Schweine und Ziegen wurden von den Feldern ferngehalten, es gab ausgeprägte Waldweide. Ziegen und Schafe haben einen gewaltigen Verbiss, Schweine wurden zur Eichelmast in die Wälder geführt. Innerhalb weniger Generationen verändert dies die Struktur der Waldgebiete, die Wälder werden licht.
Entgegen der Romantik des 19. Jahrhunderts muss man sich die römischen Truppen nicht in schwarzwalddunklen Hochwäldern sondern innerhalb einer lichten Landschaft mit großen Feuchtgebieten und angrenzenden Niederungswäldern vorstellen.

Was die Neuzeit anbetrifft: es gibt viele Burgen und Warttürme die auf Sicht kommunizierten. Mir fiel dies auf bei Burg Frauenberg, Marburg und der hessischen Stadt Grünberg, also Herrschaftsgebieten der hessischen Landgrafen. Der heutige Bewuchs stört die Sichtachse, ohne Bewuchs ist Sichtverbindung.

In einem Buch über die Fernstraßen in Mittelhessen las ich sinngemäß: die Straßen wurden nicht in die Wälder geschlagen, die Wälder wurden entlang der Straßen aufgeforstet.

Zu El Quichote: ich kenne viele topographisch-perspektivisch genaue Stadtansichten des 17. Jahrhunderts. Es gibt viele Stilisierungen wie die obligaten Fuhrleute oder Bäuerinnen im Vorder- und die genau so obligaten Galgen- und Mühlenberge im Hintergrund, dennoch oftmals sehr genaue Detailbeobachtungen. Wald, vor allem geschlossener Wald, ist rar.
In Hessen gab es Rodungsinseln des 9./10. Jahrhunderts, die heute in geschlossenen Waldgebieten liegen, damals aber Ausdruck einer übernutzten Agrarlandschaft waren.
 
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Eine Forstwirtschaft entstand bereits im 14. Jhdt., was aber zunächst nichts an der Übernutzung der Wälder änderte. Der erste, der gezielt Bäume angepflanzt haben soll, um eine nachhaltige Waldwirtschaft zu betreiben, war der Nürnberger Kaufmann und Ratsherr Peter Stromer, der dies natürlich nicht uneigennützig tat. Er selbst benötigte Bauholz und Holzkohle.

Aber bereits während des Neolithikums kann man feststellen, dass die Bäume dünner wurden. Die ältesten neolithischen Häuser in unseren Breiten benötigten einen ganzen Wald aus dicken Baumstämmen (Eiche), die eng als Pfosten gesetzt wurden. Nur wenn man so alle 50 - 70 Jahre ein neues Langhaus baut, dann sind irgendwann die tausendjährigen Eichen in der Region verschwunden.... Und so mussten bereits die Menschen des Neolithikums lernen, sparsamer zu bauen, weshalb Prähistoriker davon ausgehen (und sie können das an der Menge und Breite der Pfostenlöcher teilweise auch ablesen: Die Pfostenlöcher werden schmaler und die Menge der Pfosten sparsamer - was auch zu einer leichteren Raumaufteilung in den Gebäuden führte und der Möglichkeit der Aufstallung), dass der neolithische Hausbau sich von sehr plumpen zu doch eher filigraneren Ständerbauten hin entwickelte.
 
Zu El Quichote: ich kenne viele topographisch-perspektivisch genaue Stadtansichten des 17. Jahrhunderts. Es gibt viele Stilisierungen wie die obligaten Fuhrleute oder Bäuerinnen im Vorder- und die genau so obligaten Galgen- und Mühlenberge im Hintergrund, dennoch oftmals sehr genaue Detailbeobachtungen. Wald, vor allem geschlossener Wald, ist rar.
Die genauen Detailbeobachtungen stelle ich gar nicht in Abrede. Nur, wenn du versuchst, den Standort des Zeichners (für die Vorlage des Stichs), zu suchen, wirst du feststellen, dass das nicht geht. Nicht nur, weil die Städte seit dem 19. Jahrhundert teilweise ins unermessliche gewachsen sind, sondern auch, weil es diesen einen Standort eben schlicht nicht gibt. Der Detailreichtum, der die Wiedergabe der Einzelgebäude für die Aufsicht doch relativ detailgetreu wiedergibt, bedeutet für das Gesamtbild, dass es nicht detailgetreu ist, z.B., weil es keinen Standpunkt gibt, wo man die fünf wichtigsten Gebäude der Stadt X wirklich nebeneinander sehen kann, ein oder zwei würden in der Realität immer durch andere verdeckt. Deshalb ist es schwierig, solche Bilder, wo Wald allenfalls schmückendes Beiwerk ist - und zu Recht hat jemand - ich meine, es war Muck - gesagt, dass Wald eher als bedrohlich wahrgenommen wurde - einfach als Quelle für die Bewaldung oder Nichtbewaldung heranzuziehen. Aus dieser Feststellung ist aber bitte nicht der Umkehrschluss zu ziehen, ich meinte, die Gebiete seien alle - abgesehen von einem agrarischen Gürtel um die Städte - bewaldet gewesen. Ich will nur sagen, das Stiche á la Merian dafür nicht die geeignete Quelle sind. Merian stellt ein Idealbild der Städte dar (obwohl ich zugeben muss, dass er in Stadtmauern auch hier und dort gerne mal Spuren der Vernachlässigung der Instandhaltung der Stadtmauern zeigt, vielleicht als Mahnung an die jeweiligen Stadtoberen gemeint).
 
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