Die entzerrte Karte des Claudios Ptolemaios

Ein Denkmal aus Stein
... wäre doch für die Zeit der Drusus-Expeditionen im feindlichen Barbaricum, ob an der Werra oder an der Elbe, höchst unplausibel.

Das Denkmal aus Stein, das zu Ehren des Drusus errichtet wurde, wurde wohlweislich links des Rheins angelegt, wo Zeit und Logistik für ein solches Bauvorhaben zur Verfügung standen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf der anderen Seite des Rheins gab es das bestimmt nicht. Man weiß hier noch nicht einmal, aus welcher Zeit und von wem diese Daten stammen. Es könnte sogar sein, dass bestimmte Orte, die Ptolemäus eingezeichnet hat zu seiner Zeit nicht mehr existierten.
In einigen Fällen kann man schon sagen, aus welcher Zeit die Nachrichten stammen; das Zeitfenster für Aliso ist ja recht klein.

Wie fand dieser Handel in Nord-Süd Richtung statt? Straßen gab es nicht, nach denen er sich richten konnte. Hat er sich dann etwa von Oppidum zu Oppidum im Süden und von Furt zu Furt im Norden bewegt?
Ptolemaios hat seine Daten für die Germania Magna jedenfalls nicht in Nord-Süd-Richtung aufgelistet (wie etwa bei den Orten längs des Rheins), sondern in vier Reihen, die von West nach Ost verlaufen. Das ist schon sehr auffällig, denn eine Anordnung nach Klimata gibt es sonst bei Ptolemaios nicht.
Kleineberg et al. S. 25 hast Du sicher gelesen:
"Ursache der Einteilung in klimata könnten vielleicht auch Vermessungen der römischen Armee gewesen sein, die von den Militärstandorten am Rhein ausgingen. Sie waren Operationsbasen für die Feldzüge der Römer in Germanien. Das südlichste klima könnte von der Donau her erfasst worden sein, wo das Vorland der Reichsgrenze einem stärkeren römischen Einfluss unterworfen war."​
 
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Kleineberg et al. S. 25 hast Du sicher gelesen:
"Ursache der Einteilung in klimata könnten vielleicht auch Vermessungen der römischen Armee gewesen sein, die von den Militärstandorten am Rhein ausgingen. Sie waren Operationsbasen für die Feldzüge der Römer in Germanien. Das südlichste klima könnte von der Donau her erfasst worden sein, wo das Vorland der Reichsgrenze einem stärkeren römischen Einfluss unterworfen war."​
Das würde auch erklären, dass ein Monument mit militärischem Bezug mit eingereiht wurde. Wenn ich eine Tabelle oder Karte aufzustellen hätte, wäre ein solches neben bekannteren (oder unbekannten) typischen Ortschaftsnamen auffällig und zumindest einer Bestätigung wert gewesen. Anders ist es beim "Lupphurdum", welches für Militär und Handel gleichermaßen interessant war.
 
Ein Denkmal aus Stein, an einem landschaftlich markanten und verkehrstechnisch bedeutendem Ort. Also beispielsweise an einer Anhöhe, einem Felsen über einem Flussübergang (im Idealfall mit Furt) oder einer Wegkreuzung.
Ich denke an Orte wie Hedemünden.
Niemand weiss, wie das Tropaium aussah. Gab es denn überhaupt so weit östlich steinerne Bauten? Mal abgesehen von dem angeblichen Fund eines Fantasten nördlich des Harzes?
 
Das Denkmal aus Stein, das zu Ehren des Drusus errichtet wurde, wurde wohlweislich links des Rheins angelegt, wo Zeit und Logistik für ein solches Bauvorhaben zur Verfügung standen.[/QUOTE]

Und warum stand in Waldgirmes ein vergoldetes Bronzepferd?
 

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Wie fand dieser Handel in Nord-Süd Richtung statt? Straßen gab es nicht, nach denen er sich richten konnte. Hat er sich dann etwa von Oppidum zu Oppidum im Süden und von Furt zu Furt im Norden bewegt?

Meine Frage betraf den Handel in Germanien, nicht seine Vermessung durch die Römer.
 
... wäre doch für die Zeit der Drusus-Expeditionen im feindlichen Barbaricum, ob an der Werra oder an der Elbe, höchst unplausibel.

Das Denkmal aus Stein, das zu Ehren des Drusus errichtet wurde, wurde wohlweislich links des Rheins angelegt, wo Zeit und Logistik für ein solches Bauvorhaben zur Verfügung standen.
Die überlieferten Umzüge der Truppen um den Eigelstein nahm Pflug zum Anlass, diese auch für das Tropaium drusi anzunehmen. Wobei, sollten solche auch dort stattgefunden haben, diese natürlich die Bekanntheit des Objekts sehr erhöht haben würden. Weit mehr, als in der Landschaft stehende Monumente.
 
Die überlieferten Umzüge der Truppen um den Eigelstein nahm Pflug zum Anlass, diese auch für das Tropaium drusi anzunehmen.
In Mainz waren zwei Legionen stationiert, die für das jährliche Spektakel aufgeboten werden konnten. Willst Du jetzt erneut eine Diskussion über Pflug und seine Hirngespinste anleiern?

Niemand weiss, wie das Tropaium aussah.
Man weiß doch, wie man sich ein Tropaium vorstellen muss, das während eines Feldzugs errichtet wurde.
Da wurde ein Mast aufgestellt, der mit Rüstung, Helm, Waffen und Schilden ausstaffiert war.
Auf der Trajanssäule sieht man, wie sich dieser auf einem Haufen weiterer derartige Beutestücke erhebt:

341px-Booty_from_the_Dacian_wars.JPG

Datei:Booty from the Dacian wars.JPG – Wikipedia

Wenn von tropaea im Plural die Rede ist, dann waren es wohl mehrere solcher Masten. (Auf Münzen sind öfters paarweise abgebildete tropaea zu sehen.)

Laut Florus bestand das Siegesmal des Drusus aus "Beutestücken und Abzeichen der Markomannen".
 
Da der Standort unbekannt ist, kann man auch nichts über die Nähe von Legionen sagen. Der Hinweis auf Beutestücke der Markomannen deutet auf dortige Auseinandersetzungen mit diesen hin. Mir leuchtet aber absolut nicht ein, dass ein Tropaion, welches ohne bauliche Hülle und nur aus Holzmasten mit Beutestücken bestand, eine solche Bedeutung haben soll. Nach ein paar Jahren blieb durch Einwirkung von Sturm und Regen davon neben verrottendem Holz nur ein großer Rosthaufen übrig. Völlig ungeeignet, um als Orientierungspunkt zu dienen.
 
Da der Standort unbekannt ist, kann man auch nichts über die Nähe von Legionen sagen.
Genau. Man kann allenfalls darüber fantasieren. Und damit genug mit Pflug.

Mir leuchtet aber absolut nicht ein, dass ein Tropaion, welches ohne bauliche Hülle und nur aus Holzmasten mit Beutestücken bestand, eine solche Bedeutung haben soll. Nach ein paar Jahren blieb durch Einwirkung von Sturm und Regen davon neben verrottendem Holz nur ein großer Rosthaufen übrig. Völlig ungeeignet, um als Orientierungspunkt zu dienen.

Damit hast Du völlig recht.

Jetzt brauchen wir nur noch die logische Schlussfolgerung daraus zu ziehen:

Das Tropaion hat allenfalls wenige Jahre lang als Orientierungspunkt gedient.
 
Gelsum /Bernstein, "Bernsteinstraße" von der Danziger Bucht bis Carnuntum: da funktionierte wohl der Handel, aber eine durchgehende Straße an die Ostsee war das nicht (Plinius)
Wie weit es von Carnuntum an die Ostseeküste war, sei erst "neulich" (zu Neros Zeiten) bekannt geworden, schreibt Plinius ums Jahr 77.
Direkte Reisen über so weite Strecken dürfte es demnach nur sporadisch gegeben haben.
 
Ich würde nicht einmal annehmen, dass das tropaion wirklich als Orientierungspunkt diente. Ptolemaios hatte schlicht eine Nachricht, die er irgendwie verwurstet hat.
Auch auf Münzen werden tropaia regelmäßig dargestellt, mit und ohne gebundene Feinde.
 
Ich würde nicht einmal annehmen, dass das tropaion wirklich als Orientierungspunkt diente. Ptolemaios hatte schlicht eine Nachricht, die er irgendwie verwurstet hat.
Auch auf Münzen werden tropaia regelmäßig dargestellt, mit und ohne gebundene Feinde.
Aber wohl kaum in Verbindung mit existierenden Ortschaften. Wir können Ptolemaios` Entscheidung nicht mehr nachvollziehen.
 
Aber wohl kaum in Verbindung mit existierenden Ortschaften.
Münzen werden wohl auch nicht zu Ptolemaios' Quellen gezählt haben. Die eine oder andere nicht-existierende Ortschaft wird ihm gleichwohl unterlaufen sein.

Andererseits wird er sich darüber im Klaren gewesen sein, dass in seinen Städtelisten nicht nur Städte enthalten waren.

Der "Kanon bedeutender Städte" enthält eine Reihe von Inseln, auf denen kaum bedeutende Städte gestanden haben. Zum Beispiel Vectis (Isle of Wight), auf der in römischer Zeit ein paar Gutshöfe standen: Isle of Wight - Wikipedia

Die "bedeutendsten Städte" Großgermaniens waren Amisia, Luppia, Eburodunum und Scandia. Bis auf den keltischen Siedlungsnamen Eburodunum (es gab mehrere Orte dieses Namens: Embrun – Wikipedia Yverdon-les-Bains – Wikipedia ) deutet kein Indiz darauf, dass es sich wirklich um Städte gehandelt hat. Mit Scandia meint Ptolemaios zweifelsfrei eine Insel, und die Namen Amisia und Luppia erinnern verdächtig an zwei den Römern wohlbekannte germanische Flüsse - Ems und Lippe.
 
Nun, bei den Entzerrungen wird immer wieder vergessen, dass Ausreißer in den vermuteten Serien stecken müssen. Einige Ungereimtheiten konnten geklärt werden, aber es war verkehrt durch den Eindruck eines Glossars dem Laien Sicherheit vorzutäuschen.

(Ganz abgesehen von den sonst durchaus vorkommenden Namensverwechslungen.)
 
Nun, bei den Entzerrungen wird immer wieder vergessen, dass Ausreißer in den vermuteten Serien stecken müssen.

Ausreißer gibt es nur, wenn ein System existiert.

Der Punkt ist: Ptolemaios hatte gar keine systematisch ermittelten Koordinaten. Was er bestenfalls hatte, waren einzelne Mitteilungen wie "Von X nach Y sind es drei Tagesreisen, und von Y bis zum Ozean sind es nochmals sieben Tagesreisen"; zu den meisten Orten hatte er nicht einmal das.
Und dann hat er die gesammelten Ortsnamen (darunter auch Phantomorte) nach Gutdünken auf eine Karte eingetragen.
 
Genau das bezweifeln eben die Autoren. Nun, nur wenn es bei den anderen Karten hinkommt und vergleichbare Fehler existieren, ist es glaubhaft. Aber mein Gehirn ist heißgelaufen.
 
Genau das bezweifeln eben die Autoren. Nun, nur wenn es bei den anderen Karten hinkommt und vergleichbare Fehler existieren, ist es glaubhaft.
Das ist ja der Punkt.

Gyula Pápay: Rezension zu: Kleineberg, Andreas; Marx, Christian; Knobloch, Eberhard; Lelgemann, Dieter: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios' "Atlas der Oikumene". Darmstadt 2010, in: H-Soz-u-Kult, 14.09.2011, <Rezension zu: A. Kleineberg u.a. (Hrsg.): Germania und die Insel Thule >.

Pápay schrieb:
Aus diesen Darlegungen geht klar hervor, warum die Verortung der antiken Koordinatenangaben in einem modernen Koordinatensystem so schwierig ist und warum die bisherigen Versuche so starke Divergenz aufweisen. Dabei werden die Schwierigkeiten durch die Annahme, dass Ptolemaios für das Gebiet Germaniens auch Karten verwendete (zum Beispiel S. 7), sogar untertrieben.
[...]
Die Lokalisierung der Orte erfolgte primär auf der Grundlage von Itinerarien, die die Ortsentfernungen beinhalteten. Diese Angaben waren unsystematisch ungenau, demzufolge lassen sich die Koordinaten von Ptolemaios keineswegs systematisch entzerren. In der vorliegenden Publikation wird trotzdem eine Methode zur systematischen Entzerrung vorgeschlagen, die sogar als „geodätisch“ bezeichnet wird (S.11).
[...]
Der Untertitel der vorliegenden Publikation ist nicht zutreffend, denn es handelt sich hier nicht um die Entschlüsselung von Oikumene-Karten, sondern um den Entschlüsselungsversuch eines Teils der ptolemäischen Koordinaten.
[...]
Die auf dem Schutzumschlag gegebene Einschätzung des Werkes steht in krassem Widerspruch zum eigentlichen Inhalt.

Die Autoren identifizieren Orte nämlich aufrund unterschiedlicher Methoden, einmal denen die sie "geodätisch" nennen (was nach Pápay ja nicht gerechtfertigt ist) und dann historisch-archäologischen Methoden. Das ist nicht immer deutlich vermerkt, nach welcher Methode sie einen Ort gerade identifiziert haben.

Zur eigentlichen Methodenkritik:
Pápay schrieb:
Wie bereits angedeutet, ist die Entzerrungsmethode selbst kritisch zu betrachten. Bei Entzerrung historischer Karten kann man mit der Methode der Georeferenzierung sehr gute Ergebnisse erzielen.[3] Sie lässt sich jedoch für die Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten außerhalb des Römischen Reiches nicht verwenden, da sie das Vorhandensein einer hinreichenden Anzahl identischer Orte oder geographischer Punkte in der historischen und in der modernen Karte voraussetzt. Die Georeferenzierung wird nicht als geodätische Methode bezeichnet, noch weniger verdient diese Bezeichnung die Methode, die zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten verwendet wurde. Es handelt sich dabei um die Ausgleichsrechnung, die in der Geodäsie zur Eliminierung von Messfehlern dient. Zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten lässt sich diese Methode so wie in der Geodäsie nicht für die Gebiete außerhalb des Römischen Reiches verwenden, da die ptolemäischen Koordinaten hier keinen Systemcharakter aufweisen.
[...]
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, wie die Ausgleichsrechnung konkret zur Ermittlung solcher Ortsgruppen verwendet wurde. Die Bemerkungen dafür sind zu lakonisch: „Die Suche nach Transformationseinheiten erfolgt kombinatorisch. Dabei werden die Orte eines Startgebietes so lange miteinander kombiniert, bis eine maximale konsistente Ortsgruppe gefunden wird.“ (S. 12) Es ist völlig rätselhaft, wie zum Beispiel in der Mitte von Germanien, wo die ptolemäischen Koordinaten mit großen Unsicherheiten behaftet sind, eine „maximale konsistente Ortsgruppe“ ermittelt werden konnte. Der vorliegenden Publikation wurde auch keine konkrete Berechnung beigefügt. Damit entzieht sich die angewendete Entzerrungsmethode jeglicher Überprüfungsmöglichkeit.
An einem Bsp. wird gezeigt, wie unsicher selbst als sicher ausgegeben Identifizierungen sind:
Pápay schrieb:
Celamantia gehört zu den ganz wenigen Orten in der Tabelle zu Germania Magna (S. 31), deren Koordinaten (18° 14’ und 47° 45’) als sicher bezeichnet wurden. Demzufolge wurde dieser Ort mit Leányvár (bei Komarno) identifiziert. Die archäologische Forschung schließt jedoch eine solche Identifizierung definitiv aus.[4] Dieses Beispiel belegt zugleich, dass die Identifizierungsresultate, zum Teil sogar diejenigen, die als sicher angegeben werden, mit Vorsicht zu betrachten sind.

Das Schlussresümmee:
Pápay schrieb:
Die vorliegende Publikation kann nicht den Anspruch erheben, die ptolemäischen Koordinaten entschlüsselt zu haben. Sie bereichert lediglich die bisherige Vielzahl der Identifizierungsvorschläge für Germanien und die Anrainergebiete.
 
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