Wohin führt uns der Periplus des Hanno?

Während deutsche Übersetzungen Hanno meist den Chretes durchfahren oder hinauffahren lassen, tun sich englische Übersetzer wesentlich schwerer mit diesem Satz.
Ich fand u.a. noch folgende Versionen:

Sailing across a great river, Khretes, we came to a lake.
Sailing up a large river called Chretes we reached a lake,
Thence, sailing by a great river whose name was Chretes, we came to a lake,.. (engl. Wikipedia, nach W.H. Schoff)
And then we came to a lake, sailing through some great river, which was named the Chretes.
Around the lake Chretes and an unnamed river...


Nebst durchfahren und hinauffahren, also auch "überqueren","hinüber fahren","vorbei segeln". Die Letzte sieht sogar im See den Chretes und nicht im Fluss. Lässt der griechische Text so viel Spielraum?
 
Ich kann das altgriech. Original der Abschrift nicht verstehen, kann nur die deutsche und englische Übersetzung nehmen, und da steht, dass der Fluß so genannt wurde:

Im griechischen Text der von Karl Müller herausgegebenen Geographi Graeci minores steht das ho onoma ('mit Namen') in eckigen Klammern.
Geographi graeci minores : Karl Müller , Philologue : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

In der ältesten Handschrift Codex Palatinus Graecus 398 steht nur Chretes (rot umrahmt, ohne ho onoma):

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Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. graec. 398 Sammelhandschrift (Konstantinopel, Ende 9. Jh.)
 
Lässt der griechische Text so viel Spielraum?

Meine Griechischkenntnisse sind extrem beschränkt, aber διαπλέω heißt wörtlich "durchsegeln". Und ποταμοῦ μεγάλου διαπλεύσαντες wäre wörtlich "einen großen Fluss durchsegelnd".

Also: "einen großen Fluss durchsegelnd, [mit Namen] Chretes"

Natürlich kann man einen Fluss 'überquerend' durchsegeln, indem man am einen Ufer ins Segelboot steigt, zum anderen Ufer segelt und dort wieder aussteigt. Aber das ist hier ganz klar nicht gemeint, Hanno war ja nicht zu Fuß unterwegs und nur zum Zweck der Flussüberquerung mal ins Boot gestiegen.

Sinngemäß kann er nur von der Meeresbucht, in der Kerne lag, den großen Fluss aufwärts gesegelt sein, bis er den See mit den drei Inseln erreichte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schaut Euch mal die vorherrschenden Windrichtungen in Westafrika an. Mit Segeln ist da nix, der Wind geht mehr oder weniger stabil von Nordosten. War ja auch kein Problem, die Jungs konnten rudern.
 
ich muss noch mal auf diesen ominösen Fluß zurückkommen, weil da was nicht verstehe: wie kamen wir in der Diskussion darauf, dass diesem Fluß der Name "Chretes" von Hanno bzw. von den Phöniziern gegeben wurde? Ich kann das altgriech. Original der Abschrift nicht verstehen, kann nur die deutsche und englische Übersetzung nehmen, und da steht, dass der Fluß so genannt wurde:
zitiert aus Hanno the Navigator (2) - Livius
Das ist ja der Punkt: Hanno kommt an entlegene Orte die schon einen Namen haben. Für Karthager und später auch die griechischen Autoren und Geographen vertraut und bekannt.
Sepiola ist mir zuvor gekommen mit dem Hinweis auf die älteste handschriftliche Überlieferung (ich meine, es wäre sogar die einzige). Ich konnte nach viel Arbeit die Stelle identifizieren, aber wirklich lesen kann ich diese Variante der griechischen Schrift nicht. Und da meine Griechischkenntnisse wahrscheinlich noch geringer sind, als die von Sepiola, fiel mir die Identifikation der Stelle recht schwer.
Sepiola hat also schon geklärt dass das ᾧ ὄνομα vom Editor nach Gutdünken eingefügt wurde und nicht Teil der Überlieferung ist.
Aber letztlich ist es egal. Auch wenn dieses ᾧ ὄνομα dort stünde, was würde das für uns bedeuten? Dass der Fluss vor Hanno schon genau so hieß? Möglich wäre es. Aber sicher?
Dekumatland fragte, wie wir darauf gekommen seien, dass der Flussname von Hanno oder den Puniern stamme. Das ist eine These, die ich (mit Fragezeichen) wiedergegeben habe. Demnach stamme der Flussname Χρέτης von ḫärät bzw. ḫoräš 'Wald'.*
Wir wissen nicht, ob die Orte bereits Namen hatten (die hatten sie bei den Einheimischen sicher!) oder ob Hanno sie so benannte. Es ist eine Unterstellung, die man in der Literatur findet, dass Hanno an Orte kam, die er aufgrund des Transsaharahandels bereits mit Namen kannte.


*Hier vorige Tage:
(es gibt Versuche den Namen mit punisch/hebräisch Chärät (‚Wald‘) zu deuten)
Allerdings habe ich einen Beitrag von mir von 2019 gefunden, wo ich diese Darstellung nicht ganz so skeptisch übernommen habe, immerhin als Bedingungssatz:
Wenn man den Flussnamen Chretes punisch erklärt, mit חֶרֶת/חֹרֶשׁ ḥärat bzw. ḥoräš, dann ist man beim Wald und das passt dann auch wieder ganz gut mit den Regenwaldgegenden im südlichen Westafrika zusammen.
 
In Hannos Bericht steht, dass die Karthager eine Einöde entlang nach Süden segelten, dann nach Osten, und "im innersten Winkel irgendeiner Bucht" eine kleine Insel fanden.
Deiner Deutung nach müssten sie weit in den Atlantik hinausgefahren sein, um die Kanaren westlich zu umfahren.
Wie soll das zusammenpassen?
Kommt drauf an wo "Von Da an..." liegt wenn sie vom Kap aus südlich segelten käme man auf die Kanaren ,sie segelten ja hauptsächlich gen Süden machten sie Unterschiede dabei?

Ist bei der Übersetzung Osten oder Östlich gemeint?

Segelten sie nicht doch SüdOst oder SüdsüdOst bzw. Ostsüd oder Ostsüdsüd?
 
ἐκεῖθεν δὲ πάλιν πρὸς ἥλιον ἀνίσχοντα ἡμέρας = "von da aber zurück zur aufgehenden Sonne des Tages".
Was eine im semitischen gebräuchliche Wendung ist. Arabisch ġaraba bzw. hebräisch 'ärav (mit 'ayn ע geschrieben, arab. ع, das arabische ġayn غ ist gewissermaßen eine Variante davon) ist 'untergehen' (der Sonne), daher die Begriffe al-Maġrib (wörtl.: der Ort des Westens) oder Algarve (< al-ġarb, der Westen), ġarūb, Sonnenuntergang, šarq - Osten, šarūq - Sonnenaufgang, šaraqa - aufgehen, hebräisch mizeraḫ 'Sonnenaufgang, Osten', zaraḫ 'aufgehen' (der Sonne).
Aber auch in anderen Sprachen hat man ja solche Wendungen, man denke nur an das lateinische Verb occidere und den Okzident.
 
Sie segelten zur aufgehenden Sonne, also nach Osten.

Übrigens ist mir oben bei meiner Übersetzung ein Fehler unterlaufen: Das "hemeras" habe ich versehentlich auf die aufgehende Sonne bezogen, es gehört aber wohl zum nachfolgenden "dromon", also: "von da aber zurück zur aufgehenden Sonne den Lauf eines Tages".
 
Die einzige Stelle (in der Nähe des Lixos)wo sie Richtung Sonne segelten und scheinbar ein "See" sich befindet ist die Lagune von Dahkla.
Nachdem sie die Lagune erreicht haben sind sie eigentlich wieder nördlich gesegelt aber dieses Detail ließ man weg weil man ja im "See" war.

DAKHLA.jpg



Dort im "Winkel" befindet sich die Dracheninsel und könnte vermutlich ,der beschreibung nach, als Kerne herhalten.

ile-du-dragon-dakhla.jpg

Bild:Oceanvagabond.com

Ps:
hebräisch mizeraḫ 'Sonnenaufgang, Osten', zaraḫ 'aufgehen' (der Sonne).
Hat das was mit Ägypten zu tun auch bekannt als Misr?oder doch mit Noahs Enkel?
 
Zuletzt bearbeitet:
hebräisch mizeraḫ 'Sonnenaufgang, Osten', zaraḫ 'aufgehen' (der Sonne).

Hat das was mit Ägypten zu tun auch bekannt als Misr?oder doch mit Noahs Enkel?
Nein.
mizeraḫ wird mit zajin ז geschrieben.
Ägypten (im Hebräischen immer im Plural) mit צ āde (neuhebräische Aussprache "tsadé"): miṣrim. Außerdem würde dann der Radikal ḫet ח‎ - entspricht arabisch ḥāʾ ح oder ḫāʾ خ fehlen

צ Ṣāde entspricht arabisch Ṣād ص - daher Agypten auch auf arabisch: miṣr مِصر
ז zajin entspricht arabisch zayn ز
Abgesehen davon läge Ägypten ja eher im Südwesten vom fraglichen Gebiet als im Osten. Also weder klanglich noch geographisch.
 
Noch eine Stelle in der Nähe des Lixos ,wo man hätte in Richtung der aufgehenden Sonne segeln können, ist die grösste Lagune an dieser Küste Khenefiss Lagune(der Wikiartikel gibt es bildlich nicht dar ,es ist aber eine sehr breite Mündung die mit einem Boot befahren werden kann)

Da hat man auch einen möglichen Chretes-Fluss südlich und die sehr hohen Berge der Kanaren als nächste Etappe .

Zum Hippo-Fluss (Senegal/Mauretanien?)ist es aber dann wieder eine längere Reise,das wird aber nicht erwähnt aber das klingt bisher am schlueßigsten.
 
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Das haben wir alles schon vor zwei Jahren diskutiert. Du musst den Text bis ins Unerkenntliche umbiegen, um zu deiner Kanareninterpretation zu kommen

1.) wir wissen nicht sicher, welcher Fluss mit Lixos gemeint ist. Dass es der Wadi Draa ist, ist nur wahrscheinlich, aber eben nicht gesichert.

2.) Die Punier fuhren vom Lixos an einer "trostlosen Wüste in Richtung Süden". Ignorierst du.

3.) Es ist dann im griechischen Text von "zwei Tagen" die Rede. Das punische Zahlzeichen für zwei war Beth. Das sieht aber dem punischen Buchstaben Nun (Zahlzeichen 50), Pe (Zahlzeichen 80) und Rosch (Zahlzeichen 200) nicht unähnlich.

In Köln gibt es die Legende von den 11.000 Jungfrauen. Die basiert auf einer Fehlinterpretation: Da wurde aus XI M V (11 martyres virgines - 11 Märtyrerjungfrauen) XI Milia (11.000) virgines (11.000 Jungfrauen).
Hier würde eben keine Fehlinterpretation zugrund liegen, sondern das fehlen eines Strichs.Wir wissen also, sie sind eine Zahl von n Tagen an einer trostlosen Wüste nach Süden gesegelt. Für n können wir 2, 50, 80 oder 200 einsetzen.

Wir haben genau einen Textzeugen, der erhalten ist, der stammt aus dem 9. nachchristlichen Jhdt.; Hannos Fahrt war um 500 v. Chr. D. h. zwischen Hannos Fahrt und unserem Textzeugen liegen 1.300 bis 1.400 Jahre Übersetzungen und Abschriften.

Der griechische Schreiber Arrian berichtet von 35 Tagen Ostfahrt Hannos. Nun, Arrian ist kein unproblematischer Autor, deshalb müssen wir auch die 35 Tage Ostfahrt nicht auf die Goldwaage legen, aber er gibt immerhin Anlass zu glauben, dass der Fahrtenbericht Hannos nicht vollständig auf uns gekommen ist.

4.) Von Kerne aus erreichte man den FLUSS Chretes. Keine Entfernungsangaben. Weiterfahrt nach der Begegnung mit aggressiven Menschen. Flusspferde und Krokodile. Die Flusspferdkarte links (rot ehem. Verbreitungsgebiete), die Krokodilkarte rechts, die ist nicht ganz korrekt, tatsächlich findet man Krokodile bis hin nach Mauretanien und Südmarokko, wo sie allerdings tagsüber vorwiegend in Höhlen bzw Erdlöchern leben.

Hippo_distribution.gif
Crocodylus_niloticus_Distribution.png


Ob Hanno eine Chance hatte, in Mauretanien Krokodile zu sehen? Flusspferde aber sicher nicht!

5.) Südfahrt von Kerne, 12 Tage. Erreichen der bewaldeten Berge (Sierra Leone?)
6.) Umsegeln der Berge, zwei Tage
7.) Fünftagesfahrt entlang der Küste. Horn des Westens (Sherbro?)
8.) Weiterfahrt ohne Angaben, bis mutmaßlich Mount Kamerun.
9.) 4+3 Tage Vorbeifahrt am Vulkangebiet (mutmaßlich Kamerun und Bioko)
10.) Begegnung mit behaarten Menschen, gorillai genannt, - vermutl. Schimpansen oder Gorillas.

Schimpansen:

Pan_%28genus%29_distribution_map.png


Gorillas:

Western_Gorilla_area.png
 
Flusspferde und Krokodile.
Wenn wir die Flüsse zu Meeresströmungen uminterpretieren und Flüsse und Seen nach Bedarf mit dem offenen Meer gleichsetzen, brauchen wir die Flusspferde und Krokodile eigentlich auch nicht wörtlich zu nehmen. Es könnte sich dabei genausogut um Seehunde und Kegelrobben gehandelt haben. Und da die Himmelsrichtungen ja auch nicht so ganz schlüssig sind und sich nach Bedarf hin- und herdrehen lassen, könnte es ja sein, dass die Karthager tatsächlich auf einer Island-Expedition waren. Die Feuerberge und Lavaströme würden dazu perfekt passen.
 
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