Die Wahl im November 1932 kann dort auch eine gewisse Anomalie gewesen sein, denn bei der Wahl im Juli holte die NSDAP in Mecklenburg-Schwerin noch etwa 10% mehr und hatte damit einen höheren Stimmenanteil als in der Pfalz
Bei der Wahl im Juli 32 holte die NSDAP in Mecklenburg 44,8% und in der Pfalz 43,7%.
Auch dieses Ergebnis hätte es so nicht geben dürfen, wenn der Protestantismus ein entscheidender Faktor gewesen wäre.
Wäre der Protestantismus ausschlaggebender Faktor für die Wahlentscheidung für die NSDAP gewesen, müsste die Regel gelten, je höher der Protestantenanteil einer Region, desto höher das NSDAP-Wahlergebnis.
In diesem Fall dürfte eine mehr oder minder vollständig protestantische Provinz wie Mecklenburg vom Wahlergebnis nicht nahezu gleichauf mit der Pfalz liegen, in der sicherlich meehr als ein Drittel der Bevölkerung katholisch war.
Im Übrigen, mit dem gleichen Recht mit dem du hier reklamierst die Wahl im November 1932 sei eine Ausnahme gewesen, könnte ich reklamieren, dass eher diejenige im Juli Ausnahmecharakter hatte, eine vergleichbare Zustimmung hatte die NSDAP weder in Mecklenburg, noch reichsweit jemals gehabt, so lange die Wahlen frei waren.
Die Pfalz hingegen hat im November 1932 ihr NSDAP-Wahlergebnis vom Juli mehr oder minder mit lediglich geringen Abstrichen bestätigt und zwar trotz starker katholischer Bevölkerungsteile weit über dem Reichsdurchschnitt.
Im Übrigen musst du dich auch gar nicht an Mecklenburg hochziehen, ich hatte dir eine ganze Anzahl anderer Wahlkreise genannt, die einen weit größeren Protestantenanteil aufwiesen als die Pfalz weniger stark NSDAP wählten.
Der Wahlkreis Potsadam I (Nordwest-Brandenburg ohne Berlin) war ebenfalls eine mehr oder minder vollständig protestantische Region und brachte der NSDAP bei den Wahlen im Juli 1932 38,1% und im November 34,1% der Wählerstimmen ein.
Beide Ergebnisse deutlich unter denen der gemischtkonfessionellen Pfalz.
Auch Thürigen, wo es kaum Katholiken gab (außer eben im Eichsfeld, aber das ist ähnlich wie das Ermland in Ostpreußen lediglich eine kleine konfessionelle Insel gewesen), wählte im Juli knapp schwächer NSDAP als die Pfalz, im November 1932 deutlich weniger stark.
Noch ein Ergebnis, dass nicht ins Bild passt.
Der Wahlkreis Weser-Ems, in dem es um Osnabrück und im Emsland einige Katholiken gab wählte im Juli 1932 die NSDAP mit einem Ergebnis von 38,4 %, während die Nazis im mehr oder minder vollständig Protestantischen Wahlkreis Potsdam I lediglich 38,1 % holte.
Aber wählen wir vielleicht nochmal einen anderen Ansatz als den Vergleich einzelner Wahlergebnisse, der vielleicht etwas willkürlich erscheinen mag:
Die Protestanten machten im Jahr 1925 ca 64,12% der Bevölkerung Deutschlands aus, die Katholiken 32,35% bis 1933 sank der Anteil der Protestanten auf 62,66%, der Anteil der Katholiken auf 32,46% die restlichen Punkten entfielen auf Juden und Konfessionslose.
Über den Daumen waren also etwa 1/3 der deutschen Wahlberechtigten Katholiken und die NSDAP holte reichsweit im Juli 1932 37,1% der Stimmen und im November 1932 33,1% der Stimmen.
Wenn wir annehmen dass Protestanten auf Grund ihres Protestantismus anfälliger für die Tendenz waren NSDAP zu wählen müsste mit fallendem Katholikenanteil in den Provinzen, wenn die Anzahl der Katholiken 1/3 der Bevölkerung deutlich unterschritt die Zustimmungswerte der NSDAP deutlich über den Reichsdurchschnitt hinausgeklettert sein, in Provinzen mit einem Katholikenanteil von einem Drittel oder mehr müsste sich der Zustimmungswert für die NSDAP im Reichsdurchschnitt oder darunter befunden haben.
Im Juli lag der Reichsdurchschnitt bei 37,1% bei potentiell einem Drittel katholischer Wähler.
Folgende Wahlkreise weichen deutlich von der Regel ab:
- Hamburg (nahezu vollständig Protstantisch, aber lediglich 33% NSDAP)
- Potsdam I zwar 38,1% Zustimmung für die NSDAP, aber so gut wie keine Katholiken in der Bevölkerung, wäre die Annahme zutreffend müsste das Wahlergebnis der NSDAP deutlich höher ausgefallen sein, als lediglich einen Prozentpunkt über dem Reichsdurchschnitt.
- Potsdam II mehr oder minder vollständig protestantisch 33% NSDAP
- Berlin ebenfalls nahezu vollständig protstantisch, 33,4% NSDAP
- Leipzig 36,1% NSDAP aber so gut wie keine Katholiken.
- Pfalz ein Drittel oder mehr der Bevölkerung katholisch, mit 43,7% für die NSDAP deutlich über dem Reichsdurchschnitt.
- Baden trotz katholischer Bevölkerungsmehrheit mit 36,9% nahezu im Reichsdurchschnitt der NSDAP.
- Frankren trotz eines Katholikenanteils der sicherlich jedenfalls deutlich über einem Drittel der Bevölkerung lag mehr Zustimmung für die NSDAP als im Reichsdurchschnitt.
Das sind alleine bei der Wahl im Juli 1932 nicht weniger als 8 Wahlkreise, die von der Annahme deutlich abweichen.
Kleinere Abweichungen habe ich unberücksichtigt gelassen und mir jetzt auch nicht die Mühe gemacht die genauen konfessionellen Verhältnisse etwa in Würtemberg, Weser-Ems, Westfalen-Süd oder Düsseldorf-Ost heraus zu suchen, auch möglich, dass da noch deutliche Abweichungen von der Regel zu finden wären, wenn man die genauen Zahlen ermittelt.
Schauen wir uns die Wahl im November an:
Der Reichsdurchschitt der NSDAP lag bei 33,1%. Deutliche auf den ersten Blick absehbare Abweichungen zeigten wie gehabt:
- Hamburg
- Potsdam I
- Potsdam II
- Berlin
- Leipzig
- Pfalz
- Baden
- Franken
Neue auf den ersten Blick erkennbare Abweichungen:
- Dresden-Bauzen 33,9% NSDAP, damit nahezu im Reichsdurchschnitt, aber deutlich unter einem Drittel Katholiken in der Bevölkerung.
- Merseburg 34,5% NSDAP aber ebenfalls nahezu vollständig protestantische Bevölkerung.
Kleinere Abweichungen:
- Mecklenburg das mit 37% NSDAP zwar 4 Punkte über dem Reichsdurchschitt liegt, bei einer nahezu vollständig protestantischen Bevölkerung wäre allerdings eine höhere Abweichung, sicherlich über 40% zu erwarten gewesen.
Sonstige Kadidaten für kleinere Abweichungen, die ich nicht näher überprüft habe:
Weser-Ems, Westfalen-Süd, Düsseldorf-Ost, Würtemberg, wo ich mir auch hier nicht die Mühe gemacht habe die konfessionellen Verhältnisse genauer zu überprüfen.
Das sind in diesem Wahlgang 10 ins Auge fallende nicht zur Regel passende Ergebnisse eine ins Auge fallende Abweichung im kleineren Rahmen und einige Kandidaten für mögliche weitere Abweichungen.
Das sind bei 2 Wahlgängen also nicht weniger als 18 Wahlkreisergebnisse, die so überhaupt nicht ins Bild passen.
Und das lässt sich nicht mehr als Ausnahme wegverhandeln.
Aber auch bei der Wahl im November 32 stimmten in Mecklenburg-Schwerin immerhin fast zwei Drittel der Wähler für republikfeindliche Parteien, wenn man die Stimmen der KPD noch mit dazu rechnet.
Ich sage es nochmal: Ich habe nie behauptet, dort wäre republiktreu gewählt worden und ich habe auch nie behauptet, die Protestanten wären im Schnitt Republiktreuer gewesen, als die Katholiken, dass sind völlig andere Fragen.
Wir waren bei der Frage, ob sich aus dem Protstantismus eine höhere Akzeptanz für Antisemitismus und am Ende für den Nationalsozialismus herleiten lässt.
Akzeptanz für ein gewisses Maß an Antisemitismus lässt sich an Zustimmung für die DNVP, die das vertrat ebenso in einem gewissen Maße voraussetzen wie im Fall der BVP (das Thema wurde weiter vorne angsprochen), Akzeptanz für das nationalsozialistische Vernichtungsprogramm oder Zustimmung für den NS oder Hitler lassen sich daraus nicht ableiten und aus Zustimmungswerten für die KPD schon überhaupt nicht.