Der Ministerrat war lediglich ein Organ, welches Beschlüsse vorbereitete. Auf jeden Fall wollte Wien für sich nichts.
Nicht für sich, aber man wollte Serbien zu Gunsten des sich an den Dreibund annähernden Bulgariens verkleinern und das wäre selbstrendend eine Veränderung des Status Quo auf dem Balkan zu Gunsten der Zentralmächte und zu Lasten Russlands und seiner Verbündeter gewesen.
Umgekehrt wollte ja auch Russland, was den Konflikt auf dem Westbalkan angeht, nichts für sich selbst in Form von Annexionionen irgendwelcher Gebieete dort durch Russland, sondern man wollte eine Stärkung des eigenen Juniorpartners.
Ist am Ende exakt die gleiche Politik nur umgekehrt.
Raymond Poincare lautet die Antwort. Unsinn? Weshalb? Poincare hatte sein Politik umsichtig und zielstrebig ins Werk gesetzt.
Das ist keine Antwort.
Es sei denn, du wolltest postulieren, das Poincaré von Hass und Eroberungssucht so zerfrssen gewesen wäre, dass er jede strategische Vernunft in den Wind schlug.
Die französischen Milliarden für die russische Rüstung und Eisenbahn waren nutzlos, so lange Bau und Rüstung nicht abgeschlosse waren, bei der Modernisierung und verbesserung der französischen Armee fehlten sie.
Wenn auf Revanchekrieg abgeziehlt worden wäre, hätte man entweder die Mittel in die beschleunigte Aufrüstung der eigenen Armee gesteckt, statt sie den Russen zur Verfügung zu stellen oder eben gewartet, bis die Russen so weit seien würden.
Aber sie den Russen zur Verfügung zu stellen nur um dann völlig verfrüht loszuschlagen und die Ergebnisse des Einsatzes dieser Mittel nicht nutzen zu können, wäre widersinnig gewesen.
Darauf ist "Poincaré" keine befridigende Antwort.
Davon abgesehen, war Poincaré französischer Staatspräsident, nicht Diktator Frankreichs, der dessen Politik mach eigenem gutdünken widerspruchslos leeitenn konnte.
Da spielten, wie ich schonmal angemerkt habe, durchaus auch Regierungschef Viviani und die von den Sozialisten getragene Regierungskoalition, die die entscheidenden Ministerien in der Hand hatte, durchaus auch eine Rolle, insoweit sie wehr wohl in der Position waren, dass sie Poincarés aggieren stoppen könnten, wenn sie das für nötig befunden hätten.
Nun wird man ausgerechnet den Sozialisten in Frankreich allerdings kaum einen besonderen Hang zur Kriegstreiberei unterstellen können.
Die waren villeicht analog den Sozialdemokraten in Deutschland bereit einen Verteidigungskrig notfalls mitzumachen, aber sicherlich nicht einen Weltkrieg für die Glorie der konservativen Präsidenten Poincaré vom Zaun zu brechen.
Und trotzdem hatte Grey in der Julikrise dem eigenen Parlament nicht die Wahrheit gesagt. Wenigstens hinsichtlich der Marinekonvention und dann den Umstand der britischen Absprachen mit Frankreich. Der Briefwechsel zwischen Grey und Cambon wurde nur unvollständig von Grey dem Unterhaus bekanntgemacht. Die entscheidende Passage hat er weggelassen. Es muss auch nicht erwähnt werden, das Grey, aber auch Churchill, Politik am Kabinett vorbei, ohne dessen Einverständnis eingeholt zu haben, betrieben. Grey und die antideutsche Fraktion waren entschlossen sich nicht aus dem Krieg herauszuhalten; obwohl britische Interessen überhaupt nicht berührt waren.
Grey verhielt sich im Unterhaus unaufrichtig, insofern er nicht klar benannte, welche Aktien die Regierung Asquith an der Gesamtsituation hatte.
Aber für den Krieg selbst ist das doch vollkommen unbeachtlich, allenfalls ist das für den Schacher um die Verantwortung von Bedeutung.
Selbst wenn Grey in Sachen Marinekonvention und Bestandsgarantie für Frankreich klar benannt hätte, wie weit er außenpolitisch gegangen war, hätte das vielleicht dazu geführt, dass man das deutsche verhalten mit etwas anderen Augen gesehen hätte.
Das hätte aber nichts daran geändert, dass man auf einen Angriff Deutschlands in Westeuropa irgendwie reagieren musste, dass man Garantiemacht des gefährdeten Belgiens war und dass es eine von Invasionspanik getriebene öffentliche Meinung gab, die Deutschland gegenüber skeeptisch bis feindlich war und der man Rechnung tragen musste.
In dem Moment in dem deutsche Truppen tatsächlich in Luxemburg und Belgien eimarschierten hätte die öffentliche Meinung in Großbritannien sehr wahrscheinlich bei dieser Lage, jeder Regierung, die versucht hätte sich einfach nur raus zu halten, die Grundlage entzogen.
Immerhin, die britischen Kabinette hatten im Vorfeld nichts getan um hinsichtlich der deutschen Marinerüstungen die öffentliche Meinung zu beruhigen, sondern sie hatten trotz besseren Wissens um die eher geringen Sorgen der Marineexperten deswegen den naval scare dankbar zur Rechtfertigung der jeweiligen Militärbudgest instrumentalisiert.
Insofern konnte sich weder Grey, noch sonst irgendein britischer Politiker im August 1914, als es so weit war und die Deutschen marschierten vor die britische Öffentlichkeit stellen und behaupten: "Wir sind der Meinung, dass die Deutschen für Großbritannien keine Gefahr sind und der Kontinent möge seine Probleme unter sich ausmachen".
Angesichts des Umstands, dass die britische Regierierungen die Invasionspanik jahrelang hatten laufen lassen, hätte das nämlich keiner geglaubt.
Demnach hätte Paris ja 1914 gar nicht eingreifen müssen. Denn die Mittelmächte wollten nichts von Serbien. Trotzdem wurden die Russen ununterbrochen von den Franzosen ermutigt, in dem sie ihnen ihren militärischen Beistand versicherten.
Und wie verträgt sich das mit der Aussage von Jules Cambon?
Ich würde dich fragen wollen, wie verträgt sich dein Postulat, dass die französische Politik komplett von Russland abhängig gewesen wäre, damit, dass Paléologue und Poincaré St. Petersburg eine möglichst unnachgiebige Haltung anempfahlen?
In Frankreichs Interesse konnte ein Krieg vor dem Abschluss der russischen Rüstungen nicht sein, also hätten Frankreichs Vertreter wenn sie wirklich mit der realen Gefahr eines Krieges rechneten bremsen müssen, zumal der diplomatische Weg wahrscheinlich die Möglichkeit geboten hätte für Serbien das Schlimmste abzuwenden.
Wenn Russland zum Krieg entschlossen und Frankreich komplett von Russland abhängig gewsen wäre, hätten Paléologue und Poincaré Russland ja gar nicht zum sturen Beharren auf der eigenen Position raten müssen, das hätte sich ja von selbst verstanden.
Das sie sich so verhielten wie sie sich verhielten, legt 2 Dinge nahe:
1. Das sie jedenfalls der Meinung waren, die Russen könnten sie verdächtigen abzuspringen, weil sie Frankreich für so abhängig von sich nicht hielten.
Denn wenn sie nicht mit russischem Misstrauen rechneten, hätte keine Not bestanden eigenes Mitwirken mehrfach zuzusichern.
2. Das sie der Meinung waren, die Zentralmächte würden am Ende einen Rückzieher machen und den Krieg nicht riskiren, weil Deutschland und Österreich den Umsturz der europäischen Machtverhältnisse wirklich wollten ihn 1905 und folgend, als Russland geschlagen am Boden lag, ihn Jahrelang jederzeit hätten führen können.
Sie hatten aber keine Anstalten gemacht, und jedesmal, wenn Wien am balkan mit dem Säbel rasselte hatte Berlin gebremst.
Es wäre durchaus nicht abwegig gewesen auf eine Widerholung dieses Musters zu rechnen und ernsthaft daran zu glauben mit einem Kompromiss durchzukommen, wenn man nur hart blieb, immerhin kannte man Wiener und die Berliner Interna nicht.
Wie gesagt: Belgien war "nur" ein Vorwand. Tatsächlich spielte es bei der Entscheidung nicht die entscheidende Rolle.
Für die politischen Entscheidungsträger mögen andere Argumente letztendlich wichtiger gewesen sein, nur in der Öffentlichkeit spielte Belgien durchaus neben der Invasionspanik eine Rolle.
Und der Politiker, der entgegen dieser beiden Motive versucht hätte Großbritannien neutral zu halten, hätte unter diesen Umständen sehr wahrscheinlich die Unterstützung der Öffentlichkeit verloren.
Ist natürlich kontrafaktisch und ich kann es nicht beweisen, aber bei der Stimmung in der britischen Bevölkerung und dem deutschen Ausgreifen nach Belgien halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass in GB passiert wäre, was in Frankreich 1870 passiert war, wenn die Regierung einen Neutralitätskurs versucht hätte, nämlich dass die öffentliche Meinung und die Mediengewaltigen versucht hätten die Regierung in diesen Krieg zu zwingen.
Österreich-Ungarn hätte alleine mit Serbien sehr wohl fertig werden können.
Es hätte aber in der Lag sein müssen mit Serbien und Russland fertig zu werden, oder aber es hätte in der Lage sein müssen zuzuschlagen und faktisch zu schaffen, bevor die Russen reagieren konnten.
Das war es aber nicht. Es war nur zusammen mit Deutschland in der Lage etwas zu machen und das bedeutete akute Kriegsgefahr in Westeuropa, die London im Gegensatz zum Balkan nicht ignorieren konnte.