Die haben nicht ihre Unabhängigkeit verloren, sondern althergebrachte Rechte.Daraus kann man schließen, dass die katalanische Sichtweise, 1716 die Unabhängigkeit verloren zu haben, nicht aus der Luft gegriffen ist.
Ich zitiere mal Bernecker, dem ich mich ausdrücklich nicht anschließe, es geht nur darum, wie viele unterscheidliche Sichtweise man auf den diskutierten Sachverhalt haben kann:
Die zwischen 1707 und 1716 erlassenen neuen Grundgesetzte (Decretos de Nueva Planata) eliminierten die aus dem MIttelater stammenden politischen Sonderverfassungen Kataloniens und Aragoniens, führten kastilisches Verwaltungsrecht ein, bewirkten eine politische Geleichstellung aller Landesteile - nur die loyal gebliebenen Regionen Navarra und Baskenland durften ihre Sonderrechte beibehalten - und stärkten somit die Madrider Zentralgewalt. Erst jetzt kann man von einer Durchsetzung des absoluten EInheitsstates in Spanien sprechen.
Seit 1703 wurde das spanische Militär- und Finanzwesen nach französischem Vorbild reformiert. [...] Zu den wichtigsten Maßnahmen zählte die Übertragung des kastilischen Abgabensystems auf die Reiche der Krone von Aragonien. Damit sollte die seit langem geforderte Steuergerechtigkeit hergestellt werden. Aragonien hatte sich an den gemeinschaftlichen Ausgaben ebenso wie Kastilien zu beteiligen. Diese Maßnahme hatte nicht unerheblich dazu beigetragen, dass sich Aragonien im Krieg auf die Seite des habsburgischen Gegenprätendenten Karl schlug.
[...]
...die Cortes von Kastilien übernahmen die Ständevertretung für die Gesamtmonarchie, ihre Rechte wurden jedoch zugleich weiter eingeschränkt [EQ: also kein Alleinstellungsmerkmal der Länder der aragonesische Krone]....
[...]
.... um einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen, hob man die Binnenzölle auf, zur Belebung der Industrie solten bevorzugte fábricas reales dienen.
Im Bildungsbereich wurden bedeutende Akademien gegründet: 1714 die Königliche Akademie der Sprache [...] Vor allem die Sprachakademie trug - in Verbindung mit Unterdrückung anderer Sprachen (Galicisch, Katalanisch) als Amts- und Unterrichtssprachen - zur Durchsetzung des Kastilischen als Nationalsprache bei.
Vor +/- 20 Jahren habe ich mal in Spanischer Sprachwissenschaft eine Referat gehalten über die Frage nach dem Namen des Spanischen, Kastilisch oder Spanisch (ich bin in Lateinamerika da sich widersprechenden Aussagen begegnet, die Argentinier sagten: "Wir sprechen [i[castellano[/i], español ist die Varietät, die die Spanier sprechen!"; die Venezolaner sagten: "Wir sprechen [i[español[/i], castellano ist der Dialekt ais Zentralspanien!")Dies als "historisierend" abzutun, da Katalonien sowieso schon immer ein Teil Spaniens gewesen sei, ist eine typische Geschichtsklitterung Madrids.
Ich bin im Rahmen der Vorbereitung auf das Referat über die Diss. von Jörn Diedrichs gestolpert: Español - castellano. Die Namen des Spanischen, Freiburg 1992. In diesem Buch wurden mehrere katalanische Autoren des 16. Jhdts. ff. aufgeführt, die dem Kastilischen die Qualität des "Spanischen" aberkennen wollten und stattdessen dafür plädierten, dass das Katalanische das eigentliche Spanisch sei.
Und selbst das nur bedingt, weil seit 1479/1507/1516 im Prinzip der Monarch derselbe war.Natürlich ist sie das, weil sie die Unabhängigkeit einer katalanischen Nation in die Vormoderne zurückimaginiert.
Die katalanische Nation in ihrer Gesamtheit, wie man sie modern definieren würde, war damals aber nicht unabhängig. Unabhängig waren die Katalanischen Stände., die diese Nation de facto beherrschten.
Die Vorstellung in der Vormoderne sei da irgendjemand, der nicht zu den herrschenden Adelskreisen gehörte "unabhängig" gewesen, ist abstrus.
Genau wie die Vorstellung deren Vorherrschaft zu einer für die gesatme Nation besseren Vergangenheit verklären zu wollen.
Was die katalanische Nation angeht, verlor diese nicht 1716 ihre Unabhängigkeit, sondern sie geriet von einem Abhängigkeitsverhältnis in ein anderes.
Warum die unterschiedlichen Jahreszahlen? 1479 übernahm Fernando die Krone in Aragón und der war seit 1475 Konsortenkönig in Kastilien. Isabel und Fernando unterschieden zwar zwischen ihren Herrschaften, aber weniger in den Vernatwortlichkeiten. Nach Isabels Tod 1504 kam es zum Interregnum in Kastilien, wobei Philipp und Johanna/Felipe und Juana nicht vor 1506 nach Spanien kamen, Philipp starb noch 1506 und Johanna (deshalb auch die Wahnsinnige) zog monatelang mit dem Sarg durch Spanien, ihr Vater strengte ihre Entmündigung an und war dann ab 1507 wieder Regent auch von Kastilien. 1516, nach seinem Tod erbte dann der von seinen Eltern ijn Brüssel bei seiner Tante zurückgelassene Karl den Thron seines aragonesischen Großvaters (und lernte seinen jüngeren, in Spanien geborenen Bruder Fernando kennen, der als Ferdinand ihn als deutscher König und Kaiser beerbte un (wenn man so will) die österreichische Linie der Habsburger begründete). Warum er dann gleich auch König von Kastilien wurde - seine Mutter lebte ja noch und war auch nominell noch Königin, auch wenn sie in Tordesillas in einer Burg gefangen saß - weiß ich gar nicht. Ab 1519 war Karl dann auch deutscher König und schließlich ab 1530 dann auch Kaiser.
Karl soll seine Mutter einmal in Tordesillas besucht haben... naja, was will man als Mutter erwarten, wenn man seinen sechsjärigen Sohn zurücklässt?