Das katalanische Referendum 2017, Gründe und historisierende Narrative

Auf diese Passage muss ich allerdings nochmals eingehen, denn Sie ignoriert vollständig den "Process" 2010 bis 2017.
Sie ignoriert das in keiner Weise.

Aus der Ablehnung von Angeboten und an die Zentralregierung herangetragene Bitten von Seiten der Regionalregierung, die einen Gegenstand betreffen, den zu gewähren die Zentralregierung durchaus nicht verpflichtet war, resultiert nicht das Recht einseitig die Verfassung zu brechen.

Sie ignoriert die "Volksbefragung" 2014 (ein Referendum war auch damals verboten), in welcher schon einmal ein überwältigendes, freilich nicht repräsentatives Ergebnis pro Unabhängigkeit erzielt wurde.
Warum bemühte man sich also nicht um eine erneute Befragung zur erzielung eines tatsächlich repräsentativen Ergebnisses zur Verbesserung der eigenen Argumentationsgrundlage?
Fürchtete man wegen Desinteresse der Bevölkerung keines zustande zu bekommen, oder dass dabei nicht das gewünschte Ergebnis heraus käme?

Verzeihung, aber ein nicht repräsentatives Ergebnis, ist nun kein wirklich gutes Argument, wenn man jemanden überzeugen möchte.

Da könnte man schon durchaus hinterfragen, ob man überhaupt daran interssiert war, ein wirklich brauchbares Argument vorzubringen oder ob man eher daran interessiert war, dass das abgelehnt würde um einen Vorwand für die Radikalisierung der eigenen Vorgehensweise zu haben?
 
Spar dir doch solche infantilen Polemiken.
Ich habe einen Zustand beschrieben: Du antwortest nicht auf Fragen und bietest keine Gegenargumente an. Siehe das Folgende.
Du hast noch nicht mal Fragen gestellt,
Seltsam, seltsam, ich dachte, dass Sätze, die mit einem Fragezeichen enden, eine Frage darstellen.

Schon am Freitag stellte ich Dir die folgenden Fragen – Du hast sie ignoriert:
Hat die spanische Justiz allgemein gültige Gesetze auf die Separatisten angewandt?

Hat sie Tatbestandsmerkmale der Gesetze, die auf die Separatisten angewandt wurden, verkannt (also Strafen aufgrund von Gesetzen verhängt, die die Separatisten gar nicht gebrochen hatten)?

Hat sie in der Gesamtschau unüblich harte Strafen verhängt?

Bewegten sich die Strafen im kodifizierten Strafrahmen?
Gestern bat ich abermals um Beantwortung, und wurde wieder ignoriert.

Ich stellte Dir gestern auch diese Frage:
Du wiederholst diese Vorwürfe immer wieder, aber kannst Du sie auch beweisen? Ein einziges konkretes Beispiel würde mir genügen. Eine einzige Kritik des Urteils durch einen Juristen, dessen frühere Aussagen erkennen lassen, dass er die katalanische Unabhängigkeit ablehnt.
Und vorhin fragte ich Dich, wer die "unzähligen" Beobachter seien, die Du zitiert hast:
Wenn Du schon ad auctoritatem argumentierst, solltest Du wenigstens die Autorität nennen, anstatt Dich vage auf "unzählige Beobachter" zu beziehen.
Ich fragte Dich auch, welche die Fälle seien, die irgendetwas mit dem Baskenland zu tun hätten, in denen der EuGH gegen Spanien geurteilt habe:
Bevor ich mich dazu äußern kann, müsste ich erst einmal wissen, auf welche Fälle Du Dich überhaupt beziehst.
Was Du hier betreibst, nennt sich Gaslighting.

Wird witzigerweise im Internet meistens von Rechtsradikalen angewandt.
zudem ignorierst du sämtliche Gegenargumente.
Wenn Du Gegenargumente bringst, werde ich gerne darauf antworten.

Nur hast Du keine gebracht.

Du hast bisher nicht aufgezeigt, warum meine Darlegung des Sachverhalts aus juristischer Sicht falsch sein sollte, sondern antwortest nur mit persönlichen Angriffen in Gestalt solch nichtssagender Einzeiler:
Du machst auch keine Anstalten, die Dinge in der Sache zu vertiefen und wiederholst deinen reaktionär-juristischen Sermon.
Kleiner Tipp, @Stilicho: Ein Argument ad hominem ist kein Argument.

Falls Du nicht wissen solltest, was "ad hominem" bedeutet: Es bedeutet, dass Du nicht meine Argumente angreifst, sondern ganz offensichtlich der Ansicht bist, es werde als Beleg für Deine unbelegten Behauptungen genügen, mich als "reaktionär" und "rechtsgerichtet" zu beschimpfen.

Die Antwort lautet: Nein.

Es genügt nicht.

Ebenso wenig ersetzen Dein Rechtsempfinden oder Deine politische Ausrichtung den Tatsachenbeleg.
Das ist leider nur noch ermüdend.
Aber, wie kannst Du denn ermüdet sein? Wer sich auf ein solch lächerliches Diskussionsniveau begibt, wie es die folgende Frage verkörpert, der strengt sich nicht wirklich an:
Bis du eigentlich Mitglied bei Vox?
Bist Du wirklich derart verbohrt, dass dies die einzige Erklärung ist, die Dir noch einfällt?

Lieber @Stilicho, ich bin weder Spanier, noch kümmert es mich, ob Katalonien unabhängig wird oder bei Spanien verbleibt.

Falls Du es nicht gemerkt haben solltest in Deiner haarsträubenden Verblendung: Ich habe aufgezeigt, wie das Vorgehen der spanischen Justiz schlüssig zu begründen ist. Ich habe mir diese Begründung nicht einmal zu eigen gemacht, aber das ist Dir wohl entgangen.

Du tust mir leid. Erfahrungsgemäß führen Menschen, die derart vehement die Welt in Gut und Böse, Schwarz und Weiß einteilen wie Du, ein überaus anstrengendes Leben.
Diesen Willen permanent zu ignorieren und juristisch zu bekämpfen ist eines Staates, der sich demokratisch nennt, nicht würdig.
Das mag durchaus sein, ist aber ein bloßes Werturteil. In Deiner Verblendung hast Du immer noch nicht bemerkt, dass ich kein Werturteil abgab.
 
Wobei ich, anders als Du, eine Teilschuld bei den Separatisten sehe, die es darauf ankommen ließen und – wie @El Quijote, @hatl und @Shinigami es ganz richtig beschrieben – die Konfrontation suchten, anstatt den mühsamen Weg zu gehen und eine tragfähige Lösung auszuhandeln.

Vielleicht hätte Katalonien sein legales Referendum bereits gehabt, nach schottischem Vorbild, wenn man eine Verhandlungslösung angestrebt hätte. Und bevor Du nun krähst: "Da wollte niemand verhandeln!" Das kannst Du nicht wissen, Du kannst nicht in die Zukunft blicken. Auch das Amnestiegesetz der neuen spanischen Regierung galt noch vor wenigen Jahren als undenkbar.
Das halte ich für zu optimistisch.
Das Referendum ist, wie ich bereits gestern oder vorgestern schon feststellte, nur unter dem sehr unwahrscheinlichen Fall möglich, dass eine Zweidrittelmehrheit der Spanier einen verfassungsgebenden/-ändernden Kongress (das muss in den Wahlen so angekündigt sein, dass es ein verfassunsgebender oder -ändernder Kongress sein wird) wählt, der mit einer Zweidrittelmehrheit die Möglichkeit eines solchen Referendums zulässt.
Dafür wird es auf lange Sicht keine Mehrheit geben. Sprich: Im Grunde genommen können die Katalanen, wenn sie denn innerhalb der katalonischen Gesllschaft eine Mehrheit für die Separation hätten, nur verfassungsmäßig illegal agieren.
1978 stimmten ca 90 % der Katalanen in einerm Referendum für die Verfassung, in ganz Spanien waren es über 80 %.
Letztendlich sind die Ereignisse von 2017 eine historische Momentaufnahme - das ist im Prinzip der Punkt, worüber Stilicho und ich uns uneinig sind - die natürlich durch die Art und Weise, wie der Zentralstaat seine Zähne gezeigt hat (man kann im recht sein und trotzdem falsch agieren! Und das lag eben auch an der Betonköpfigkeit der politischen Führung unter Rajoy) einen Narrativ bedient hat (Zentralspanien ist faschistisch und wer für Zentralspanien ist, ist ein Faschist), solange die Stimmung aufgeheizt ist, wird das in Erinnerung bleiben und den Separationswillen anheizen. Aber - und das ist eben der Punkt: Wenn es Spanien wirtschaftlich oder militärisch schlecht geht, sind die katalanistischen Katalanen in den letzten 140 Jahren eher autonomistisch bis independentistisch gewesen, wenn es Spanien gut geht, sind sie durchaus Teil der spanischen Nation. Sie wollten im Prinzip seit dem 19. Jhdt. einen Estado de Catalunya in der República Federal de España haben und den haben sie nie bekommen, weil die Liberalen die konstitutionell gesinnten Monarchisten auf ihre Seite ziehen mussten und das ging nur, wenn sie Katalonien die Autonomie innerhalb der spanischen Republik nicht zugestanden.
 
Sie ignoriert das in keiner Weise.

Doch, denn hier geht es in erster Linie um einen politischen, nicht um einen juristischen Prozess.

Wie ist denn die Chronologie?

Im Zuge der Transcición kehrte 1977 der Exil-Präsident Josep Tardellas nach Barcelona zurück ("ja soc aqui!"). Er verhandelte mit Adolfo Suarez die Unterstützung für den spanischen Nationalstaat, mit der Zusage des Autonomiestatuts, dass 1979 dann mit klarer Mehrheit beschlossen wurde.
Ohne Tardellas Unterstützung hätte es den Staat Spanien in der heutigen Form möglicherweise nicht gegeben.

In 2006 dann einigte man sich dann nach langen Verhandlungen auf ein neues, zeitgemäßeres Statut. Angenommen per Volksabstimmung in Katalonien, im spanischen Parlament und unterschrieben von Juan Carlos.

Die oppositionelle PP klagte in der Folge vor dem Verfassungsgericht gegen dieses Statut. Hierbei wurden diverse Winkelzüge wie der Austausch von Richtern vorgenommen, es kam zu Unreglmäßgkeiten, aber 2010 wurde schließlich ein Urteil gefällt, dass wichtige Punkte des Statuts für verfassungswidrig erklärte.

Dies rief große Empörung in Katalonien hervor, unter anderem war man der Meinung, die Grundbasis der Vereinbarungen von 1977 sei nicht eingehalten worden und der Wille des Volkes Kataloniens sei ignoriert worden. Zahlreiche katalanische Gemeinden reagierten mit der Ankündigung, unter diesen Umständen die Verfassung nicht mehr anerkennen zu wollen.

Spätestens hier hätte sich eine demokratische Regierung Spaniens verpflichtet sehen müssen, eine politische Lösung des Konfliktes anzustreben.
Sei es durch eine weitere Reform des Autonomiestatuts, durch irgendeine Form der Klärung der unklaren Punkte im beschlossenen Statut, was auch immer. Man hätte auf Katalonien zugehen müssen. Man tat stattdessen genau nichts.

Noch schlimmer wurde das durch den Wahlsieg Mariano Rajoys und seiner PP 2011. Die neue Regierung lehnte jegliche Verhandlungen ab und schlug den Weg der Repression ein, unterstützt durch rechtsgerichtete Juristen.

Selbstverständlich verschärfte dies nur den Konflikt mit den Katalanen. Es folgten in den Folgejahren zahllose Initiativen Kataloniens, alle blockiert von Rajoy. Eine politische Reaktion aus Madrid gab es bis 2017 nicht, nur juristische Angriffe.

Wenn sich weiter oben in diesem Thread dann noch entblödet wird zu behaupten, es habe keine Versuche zur Verhandlungslösung seitens der Katalanen gegeben, so schlägt dass dem Fass den Boden aus. Blöder gehts nimmer.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem Moment, wo aber zu nicht rechtskonformen Mitteln gegriffen wird um das durchzusetzen, sieht das anders aus und das ist gegeben, wenn ein Regionalparlament oder eine Regionalregierung ohne verfassungsmäßige Grundlage ein Referendum über eine nicht legale Abspaltung betreibt und dann auch gleichzeitig noch bei der Bevölkerung für einen solchen Rechtsbruch wirbt.
Rein juristisch betrachtet ist das wohl richtig.

Allerdings ist mir diese Betrachtungsweise - auch wenn ich selbst Jurist bin - doch zu formaljuristisch. Die Rechts- und Verfassungsgeschichte vieler Staaten ist voll von nicht verfassungskonformen Umwälzungen.
Ein Beispiel: Ich bin kein Experte für deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte, bezweifle aber, dass die Novemberrevolution 1918 auf Reichsebene und in den deutschen Teilstaaten strikt in Einklang mit der Verfassung des Kaiserreiches durchgeführt wurde. (Falls doch, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. Zumindest in Österreich war die Gründung der Republik definitiv ein revolutionärer Akt.) Haben also jene "Reichsbürger" Recht, die die Weimarer Republik und die BRD für illegal halten? (Ja, ich weiß, dass die "Reichsbürger" eher an das Deutsche Reich von 1945 anknüpfen als an das von 1918.)
Verfassungen kommen häufig unter Bruch der Vorgängerverfassung zustande, nehmen dann aber für sich in Anspruch, legitim (und allein legitim) zu sein und ihrerseits gegen neuerliche Umwälzungen geschützt werden zu dürfen und müssen.

Kurzum: Wer eine Revolution durchführt, ist, wenn er scheitert, ein Hochverräter (der eingesperrt oder gar hingerichtet wird), wenn er Erfolg hat, ein Gründungsvater (der mit Statuen und Straßenbenennungen geehrt wird).

Verfassungen haben häufig die Eigenschaft, nur erschwert geändert werden zu können. Das hat seine Berechtigung (schließlich soll nicht jede neue Regierung einfach mal so an der Verfassung herumpfuschen können), bewirkt aber oft, dass sie auch dann kaum geändert werden können, wenn sie nicht mehr dem Willen des Volkes entsprechen.

Ein Beispiel: In Österreich erfordern Verfassungsänderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, je nach Gegenstand auch im Bundesrat (der entsprechend den Ergebnissen der Landtagswahlen beschickt wird), eine sog. "Gesamtänderung der Bundesverfassung" zusätzlich eine Volksabstimmung. Das bedeutet aber auch, dass sogar wenn eine klare Mehrheit des Wahlvolkes (z.B. 60%) eine tiefgreifende Änderung wünscht, das nicht so leicht möglich ist. Es müssten bei Nationalrats- und Landtagswahlen so viele Menschen Parteien, die die Änderung befürworten oder zumindest eine Volksabstimmung zu akzeptieren bereit sind, wählen, dass diese in beiden Parlamentskammern auf Zwei-Drittel-Mehrheiten kommen (und das zur selben Zeit).

Es sind also häufig schon auf gesamtstaatlicher Ebene kaum auf verfassungskonforme Weise Änderungen des Staatsaufbaus möglich. Umso schwieriger wird es, wenn nur ein Gliedstaat diese wünscht, aber von der Zustimmung des Gesamtstaates (auf dessen politische Willensbildung der Gliedstaat naturgemäß nur sehr begrenzt Einfluss hat) abhängig ist.

Zusammengefasst: Revolutionäre Umwälzungen sind aus juristischer Sicht abzulehnen. Ohne sie sind - wie auch die Geschichte lehrt - realistischerweise oft aber keine Veränderungen (und mögen sie noch so sehr gewünscht werden) herbeizuführen.
 
Wobei ich, anders als Du, eine Teilschuld bei den Separatisten sehe, die es darauf ankommen ließen und – wie @El Quijote, @hatl und @Shinigami es ganz richtig beschrieben – die Konfrontation suchten, anstatt den mühsamen Weg zu gehen und eine tragfähige Lösung auszuhandeln.

Vielleicht hätte Katalonien sein legales Referendum bereits gehabt, nach schottischem Vorbild, wenn man eine Verhandlungslösung angestrebt hätte. Und bevor Du nun krähst: "Da wollte niemand verhandeln!" Das kannst Du nicht wissen, Du kannst nicht in die Zukunft blicken. Auch das Amnestiegesetz der neuen spanischen Regierung galt noch vor wenigen Jahren als undenkbar.
Das Amnestiegesetz hat die neue Regierung ja nur akzeptiert, um überhaupt regieren zu können - und brachte es nur mit äußerst knapper Mehrheit durchs Parlament. Sie ging damit schon weiter als sie unter normalen Umständen vermutlich bereit gewesen wäre. Besser als jetzt, wo die Regierung von ihnen abhängig ist, könnte die Verhandlungsposition der separatistischen Parteien eigentlich gar nicht mehr sein. Ein Referendum lehnt dennoch auch die neue Regierung trotz ihrer Abhängigkeit von separatistischen katalanischen Abgeordneten ab. Insofern halte ich es für ziemlich illusionär, dass eine spanische Regierung einem Referendum zustimmen würde - von den damit verbundenen rechtlichen Problemen einmal ganz abgesehen.
Ist es aber, und wenn Du Dich auf den Kopf stellst. Wäre die Vorgehensweise der spanischen Justiz offenkundig ungesetzlich gewesen, so hätten die Separatisten längst entsprechende Erfolge vor dem EuGH einstreichen können, und die EU-Kommission hätte längst ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze eingeleitet.
Naja, in der Praxis ist es eher eine politische Entscheidung, ob die Kommission tatsächlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet.
 
@El Quijote & @Ravenik

"Optimistisch" vielleicht, aber auch unrealistisch? Mit PSOE und Vox haben Parteien quer durch das politische Spektrum Unterstützung für konsultative Volksbefragungen gezeigt. Hier könnte man ansetzen, unter der Prämisse, die direkte Demokratie in Spanien zu stärken.

Sollte ein solches Gesetz verabschiedet werden, wären thematische oder administrative Einschränkungen (d.h. was darf zur Abstimmung gestellt werden und durch wen) aufgrund der nicht vorhandenen Legislativkraft unverhältnismäßig und könnten, wenn schon nicht vom Spanischen Verfassungsgericht, dann doch zumindest vor dem EuGH gekippt werden.

Das Referendum wäre zwar nicht bindend, dafür aber verfassungsgemäß und unanfechtbar, und könnte Verhandlungen nach sich ziehen.

Mich wundert es, dass sich Junts nicht mehr am erfolgreichen Beispiel Schottlands orientiert hat. Auch Schottland blickt auf eine lange Geschichte der Entrechtung durch England zurück. Trotzdem hat die SNP eine einvernehmliche Lösung gesucht, betont, dass man England nicht als Gegner betrachtet, und mit langem Atem ein Referendum ermöglicht, das im britischen Verfassungsrecht gar nicht vorgesehen war. Und dies aus einer ungünstigeren Position als Junts heraus, denn die britische "Devolution" stellt keine Autonomie dar.

Die Schärfe der Junts-Rhetorik und die Dramatik ihres Vorgehens 2017 hätte vielleicht in einem Staat, der seinen Oppositionellen Polonium-Tee serviert, seinen Platz gehabt, aber nicht in einem Land mit einem Wert von 8,07 auf dem Demokratieindex. Realpolitisch gesprochen, wäre es weitaus klüger gewesen, nicht alle Brücken zu just den Stellen abzureißen, mit denen man hätte zusammenarbeiten müssen.

Dass die spanische Justiz auf die einseitige Sezession reagieren musste, um ihrem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, habe ich weiter oben dargelegt. Das Amnestiegesetz ist ein erster Schritt in die (politisch) richtige Richtung. Noch besser im Sinne einer Befriedung des Diskurses wäre natürlich eine rasche Begnadigung gewesen, aber eine solche war dem König angesichts der politischen Realitäten wohl nicht möglich.

Da hätte er gleich die Republik ausrufen könnten.
Naja, in der Praxis ist es eher eine politische Entscheidung, ob die Kommission tatsächlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet.
Das denke ich nicht. Dagegen spricht schon die schiere Zahl der Verfahren. Allein gegen die Bundesrepublik Deutschland sind derzeit 64 Vertragsverletzungsverfahren anhängig (!), und das, obwohl die Kommissionspräsidentin eine Deutsche und Deutschland als größter Nettobeitragszahler in der EU äußerst einflussreich ist. Dies allein sollte bereits genügen, um zu belegen, dass das Verfahren keineswegs ein stumpfes Schwert ist, das nur bei politischer Opportunität gezogen wird.

Davon abgesehen könnte gemäß Art. 259 AEUV auch jeder andere EU-Staat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien anstrengen, wenn er der Meinung ist, dass Madrid die Rechte der Katalanen verletzt.
 
Ein Beispiel: Ich bin kein Experte für deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte, bezweifle aber, dass die Novemberrevolution 1918 auf Reichsebene und in den deutschen Teilstaaten strikt in Einklang mit der Verfassung des Kaiserreiches durchgeführt wurde. (Falls doch, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. Zumindest in Österreich war die Gründung der Republik definitiv ein revolutionärer Akt.) Haben also jene "Reichsbürger" Recht, die die Weimarer Republik und die BRD für illegal halten? (Ja, ich weiß, dass die "Reichsbürger" eher an das Deutsche Reich von 1945 anknüpfen als an das von 1918.)

Bei der Novemberrevolution würde ich argumentieren wollen, dass die Ordnung aus sich selbst heraus kollabiert ist.

Sie wurde ja nicht einmal von ihren eigenen Institutionen und Organen bekämpft, sondern von diesen zum Teil mitgetragen.
Der Chef der letzten Kaiserlichen Regierung Prinz Max v. Baden erklärte den Kaiser für abgsetzt, demissionierte und übertrug die Regierungsgeschäfte der Sozialdemokratie wofür es, da Regierugen nur vom Kaiser ernannt werden konnten, keine rechtliche Grundlage gab.
Der Kaiser selbst hielt sich nicht mehr in Deutschland auf, sondern ging auf Betrieben Hindenburgs von Spa aus in die Niederlande, unternahm keinen ernsthaften Versuch die Ordnung wiederherzustellen und dankte Ende November 1918 ab.
Militärs und zivile Stellen erklärten ihre Unterstützung für die provisorische Regierung.

Damit gab es nach meiner Kenntnis keine nach der Bismarck-Verfassung legale Regierung mehr, es gab auch keinen Kaiser mehr, der eine neue legale Regierung hätte ernennen können, der legale Nachfolger Kronprinz Wilhelm ging ebenfalls in die Niederlande, und dankte am 1. Dezember 1918 ab.
Ich weiß nicht, wie es mit den übrigen Prinzen aussah, schätze aber, dass es sich damit ähnlich verhielt. Wahrscheinlich hätte die Situation in irgendeiner Form eine gesetzliche Neuregelung der Thronfolge nötig gemacht.
Gesetzlich einen neuen Kaiser zu bestimmen, hätte vermutlich einen Eingriff in die Verfassung notwendig gemacht und das wiederrum wäre verassungsmäßig ohne das Mitwirken des Kaisers und einer legalen Regierung, die beide nicht mehr vorhanden waren, nicht mehr möglich gewesen.

Hinzu kommt, dass Kriegs- und Friedensschlüsse verfassungsmäßig auch nach den Oktoberreformen der Zustimmung des Kaisers bedurften.

Für die Kommandogewalt über die Truppen war nach den Oktoberreformen zwar der Regierungsschef interessanterweise mit verantwortlich, aber selbstredend nur der legale vom Kaiser ernannte und einen solchen gab es nicht mehr.



Man könnte also argumentieren, dass, eine Rückkehr zur Verfassungsmäßigen Ordnung nicht mehr möglich war, weil diese deren Organe sich selbst auflösten und sich den Veränderung fügten.
Hätten Wilhelm II. oder der Kronprinz sich geweigert abzudanken und wären als rechtmäßge Monarchen reaktivierbar gewesen, so dass sie verfassungsmäßig neue Regierungen ernennen, Wahlen hätten anordnen können und so dass ein legaler Friedensschluss möglich gewesen wäre, hätten sich die Weimarer Politiker natürlich die Frage stellen lassen müssen, woher denn ihr Staat seine Legitimation eigentlich bezöge.
Aber angesichts dessen, dass sich das poltische System des Kaiserreichs weitgehend selbst aufgelöst hatte könnte man natürlich argumentieren, dass der Umstand, dass die alte Ordnung aufhörte zu funktionieren vorraussetzte, dass die Begründung einer neuen Ordnung nicht mehr zu vermeiden war.


Grundsätzlich ist mir aber die Problematik, auf die du hinauswillst klar.
Eine auf Revolution begründete Ordnung hat argumentativ ein Problem, wenn sie die Revolution verdammt.

Wie sieht das aber in der Spanischen Geschichte aus?

Nach Ende der Diktatur Miguel Primo de Riveras und nach der Abdankung Alfonso XIII. kam es zur Begründung der 2. Republik. Die ging durch den Bürgerkrieg faktisch unter und wurde durch das Franco-Regime ersetzt.
Inwiefern kann man aber davon sprechen, dass der Franquismus durch eine Revolution beseitigt und darauf eine neue Ordnung gegründet wordenn wäre?
Nach meiner Ansicht gar nicht, weil es keinen Umsturz gab und sich die Transformation auf gesetzlichem Weg wohl durchaus legal entwickelte.

Dann wäre allerdings die jetztige Ordnung in Spanien selbst nicht auf Rvolution gegründet worden, es sei denn, man wollte Franco gedanklich überspringen bzw. darauf abstellen, dass ja schon der nicht legel gewesen sei und daher alles was auf ihm gründete auch nicht legal sein könnte.
Diese Argumentation würde man allerdings wahrscheinlich, wenn man sich in der spanischen Gechichte gut genug auskennt, wahrscheinlich bis zu den Karthagern zurück durchdeklinieren können.

Es sind also häufig schon auf gesamtstaatlicher Ebene kaum auf verfassungskonforme Weise Änderungen des Staatsaufbaus möglich. Umso schwieriger wird es, wenn nur ein Gliedstaat diese wünscht, aber von der Zustimmung des Gesamtstaates (auf dessen politische Willensbildung der Gliedstaat naturgemäß nur sehr begrenzt Einfluss hat) abhängig ist.
Gut, aber wäre die Alternative?

Würde man Sezession grundsätzlich gestatten, wäre damit der Zustand der Unregierbarkeit gegeben, weil jede wie auch immer gestaltete Einheit innerhalb eines Staates dann auf unpopuläre Schritte der Regierung mit Abspaltung reagieren könnte und vermutlich würde.

Wenn nun Katalonien sich von Spanien abspaltete wie lange würde es wohl dauern, bis sich Regionen innerhalb Kataloniens, die eigentlich mehrheitlich lieber bei Spanien bleiben wollen oder aus nochmal anderen Gründen von Katalonien abspalten würden?
Vielleicht kommt man ja dann irgendwann in den Touristenorten an der Küste auf die Idee, dass man die eigenen Tourismus-Einnahmen ungerne mit dem Nordwesten Kataloniens teilen möchte, kann ja sein.

Würde man Änderungen des Staatsaufbaus sehr vereinfachen, hätte natürlich so ziemlich jede Regierung die Möglichkeit sich durch einen solchen Umbau dagegen zu schützen wieder abgewählt zu werden, etc.


Es ist sicherlich kritikwürdig, dass die Hürden um Dinge ändern zu können tatsächlich sehr hoch sind, mir ist aber schleierhaft, wie Stabilität und Demokratie funktionieren sollten, wären sie das nicht.

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Ich sehe im Prinzip nur eine Möglichkeit, wie man das Problem vielleicht auflösen könnte und die würde darin bestehen Verfassungen innerhalb des Verfassungsrahmens selbst und unabänderlich mit einer Laufzeit zu versehen und ihre regelmäßige Bestätigung durch Zustimmung der Bevölkerung per Plebiszit einzuholen (wobei Regelmäßigkeit natürlich nur in entsprechend großen Intervallen, z.B. vlt. alle 20 oder 30 Jahre möglich wäre) und damit ebenfalls plebiszitär die Möglichkeit zu verbinden einzelne Elemente der Verfassung umzugestalten, wobei allerdings sowohl Grundrechte, als auch die Demokratie an sich, als auch die begrenzte zeitliche Gültigkeit, bzw. die Pflicht zur Neubestätigung so zu gestalten wären, dass sie nicht so ohne weiteres eingeschränkt oder abgeschafft werden könnten.

Auf die Art könnte man möglicherweise mehr Partizipationsmöglichkeiten erreichen, Verkrustung und Reformstau etwas vorbauen, ein hinreichendes Maß an Stabilität aufrecht erhalten und die Vorstellung eines "Gesellschaftsvertrags" ein wenig mehr aus dem Bereich der bloßen Fiktion in die politische Realität holen, insofern dann jeder wenigstens ein oder zwei mal im Leben an der Gestaltung der Grundlagen der Gesellschaft tatsächlich mitwirken könnte.

Wobei ich die spanischen Verhältnisse nicht gut genug kenne um mir ein Bild davon machen zu können, ob man sowas in der Verfassung dort unter bekommen könnte.

Eine Sezession nur um dann die gleiche Probleme, die es mit der Partizipation und den Spielräumen vorher gab, gleich wieder einzufühen, erscheint mir demgegenüber nicht als besonders sinnvoll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich störe ja nur ungern die Fachsimpeleien der geschätzten Juristen.

Man darf nur nochmals vorsichtig daran erinnern, dass in einer Demokratie überraschenderweise eben nicht die Justiz die höchste Instanz ist, sondern das Volk. Und dass die Justiz dem Willen des Volkes folgen muss, und nicht umgekehrt.

Der Volkswille des katalanischen Volkes - eines Volkes von 7,5 Millionen Menschen - wird in Spanien permanent ignoriert.
Es geht in erster Linie nicht darum, ob Katalonien unabhängig wird oder nicht, sondern dass die Katalanen selbst darüber frei entscheiden.
"Catalan Som una nació. Nosaltres decidim".

Und noch mal zur Transición: Für Katalanen ist das Statut und die spanische Verfassung untrennbar miteinander verbunden. Das war der "Deal" 1977 zwischen Juarez und Taradellas: Katalonien stimmt der Verfassung zu, bekommt dafür sein Statut. Wenn Spanien entscheidet, dass das Statut nicht gilt, gilt auch die Verfassung für Katalonien nicht.
 
Man darf nur nochmals vorsichtig daran erinnern, dass in einer Demokratie überraschenderweise eben nicht die Justiz die höchste Instanz ist, sondern das Volk. Und dass die Justiz dem Willen des Volkes folgen muss, und nicht umgekehrt.
Normalerweise bin ich ja kein besonderer Fan naturrechtlicher Auffassungen, aber aus dieser Forderung würde resultieren, dass das Volk, wenn es gerade dazu geneigt wäre, dazu berechtigt sei, auf sämtlichen bestehenden Rechten, inklusive der Grundrechte von Teilen der Bevölkerung herumzutrampeln.

Das kann es nicht sein.
Zumal sich die Argumentation in den Schwanz beißt.

Du kannst nicht einerseits die grundsätzliche Gültigkeit des Rechts dadurch infragestellen, die Verfassung dem diffusen Willen einer partikularen Gruppe der Bevölkerung unterordnen zu wollen und gleichzeitig auf die tatsächlichen oder eingebildeten Rechte dieser Gruppe abstellen.

Und dass die Justiz dem Willen des Volkes folgen muss, und nicht umgekehrt.
Die Justiz hat nicht dem Willen des Volkes zu folgen, sondern der geltenden Rechtslage.

Der Volkswille des katalanischen Volkes - eines Volkes von 7,5 Millionen Menschen - wird in Spanien permanent ignoriert.
Verzeihung der Wille separatistischer Gruppen ist nicht der Wille des Volkes.

Zumal, die Behauptung, dass der Wille des Katalanischen Volkes ignoriert würde, schon ein eigenartiges Argument ist, denn es ist ja nicht so, dass Katalanen von den gesamtspanischen Parlamentswahlen ausgeschlossen wären und in Madrid keine Stimme hätten.

Es geht in erster Linie nicht darum, ob Katalonien unabhängig wird oder nicht, sondern dass die Katalanen selbst darüber frei entscheiden.
Wenn es nicht um Katalonien, sondern um die Katalanen per se ginge, steht noch immer die Begründung dafür aus, warum es eine Subsstanzielle Unabhängigkeitsbewegung nur in Katalonien, nicht im gesamtenn katalanischen Sprachgebiet gibt.

Der Anspruch einfach aus Lust und Laune darüber befinden zu wollen sich irgendwo abzuspalten, hat, wie bereits angemerkt nirgendwo eine völkerrechtliche Basis.
Wie also wollte man ein solches Sonderrecht begründen? Also außerhalb nationalistischen Wunschkonzerts abseits völkerrechtlicher Normen und warum noch gleich, wenn es außerhalb dessen nicht begründbar ist, sollte sich irgendjemand bereit finden so etwas zu unterstützen?

Wenn man in radikalstmöglicher Weise Partikularineressen vertritt, steht man eben in der Regel alleine dar.

Und noch mal zur Transición: Für Katalanen ist das Statut und die spanische Verfassung untrennbar miteinander verbunden. Das war der "Deal" 1977 zwischen Juarez und Taradellas: Katalonien stimmt der Verfassung zu, bekommt dafür sein Statut. Wenn Spanien entscheidet, dass das Statut nicht gilt, gilt auch die Verfassung für Katalonien nicht.
Und dass die Spanische Verfassung ihre gültigkeit verliere, wenn das Autonomiestatut für Katalonien verändert würde, ist in welchem Artikel der spanischen Verfassung niedergelegt?

Ich vermute mal in keinem.
Das wäre, im Übrigen auch aus katalanischer Sicht großer Schwachsinn, weil sich natürlich Vorstellungen von Autonomie und Partizipation weiterentwickeln. Heute werden in dieseer Hinsicht Forderungen und Vorstellungen erhoben, an die in den 1970er Jahren kein Mensch gedacht hätte oder die mit dem damaligen Stand der Technik und den gesellschaftlichen Grundlagen nicht möglich gewesen wäre.

Es wäre großer Unfug und nicht besonders vorausschauend, zeitaktuelle Vorstellungen von Autonomie und Partizipation in eine nicht mehr veränderbare Form zu bringen und damit künftigen Generationen ein Leben nach den Vorstellungen ihrer Urahnen aufzuzwingen.
Das wäre ein geradezu antiliberales und antiemanzipatorisches Konzept.



Davon einal abgesehen: Es war doch das katalanische Regionalparlament selbst, dass 2006 eine Reform anstrebte und einen Entwurf für ein neues Autonomiestatut einrbrachte, dass den Veränderungen seit den 1970er Jahren Rechnung trug.
Damit entfällt aber das Argument der angeblichen Unveränderlichkeit natürlich. Wer selbst eine Reform und ein neues Statut anregt und erarbeitet, kann sich nicht auf die Unverletzlichkeit tradierter Verhältnise berufen.

Ebenso wenig kann das Verfassungsgericht, wenn es angerufen wird, vermeiden auf Grund herrschender Rechtssituation und Rechtslehre dazu eine Enntscheidung zu fällen.


Mal abgesehen davon dass mich ja auch da irritiert, wie man zu der Auffassung kommt, Spanien an und für sich würde den politischen in Katalonien artikulierten Willen ignorieren, denn das neue Statut war ja vom Parlament unter anderem mit Stimmen der PSOE angenommen und vom König unterzeichnet worden.
Die Erzählung, dass sich da ganz Spanien gegen Katalonien verschworen hätte, ist völliger Quatsch.

Und da das erneuerte Statut 2006 eine parlamentarische Mehrheit erzielt hatte und nicht politisch, sondern durch das Verfassungsgericht gekippt wurde, ist auch die Argumentation Quatsch, die Abspaltung oder die Drohung damit müsse sein um Autonomieinteressen Kataloniens zu waren.

Es war klar, dass man gegen eine PP-Regierung kein Statut durchbekommen würde, dass auf die Wünsche aus Katalonien mehr zugehen würde, aber es war durchaus wahrscheinlich, dass man mit einer von der PSOE geführten Regierung in Madrid, die früher oder später wieder drann sein würde, wahrscheinlich reden könnte.
Also hätte nichts dagegen gesprochen einfach einen erneuten Entwurf einzurechen und dabei zu versuchen den Beanstandungen des Verfassungsgerichts Rechnung zu tragen oder sie zu umschiffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Justiz hat nicht dem Willen des Volkes zu folgen, sondern der geltenden Rechtslage.

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Schon mal gehört? Nein?
 
Ein Beispiel: Ich bin kein Experte für deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte, bezweifle aber, dass die Novemberrevolution 1918 […] in Einklang mit der Verfassung des Kaiserreiches durchgeführt wurde. […] Haben also jene "Reichsbürger" Recht, die die Weimarer Republik und die BRD für illegal halten?
Ich wüsste nichts von Reichsbürgern, die die Weimarer Republik für illegal halten, aber das ist ein völlig anderer Sachverhalt. Es gibt Staatsverweigerer, die sich alles Mögliche ausdenken, und es gibt Leute, die ein richtungweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1973 (BVerfGE 36, 1) missverstanden haben. Aus Sicht der damaligen deutschen Rechtsprechung besteht der 1871 unter dem Namen Deutsches Reich gegründete Staat tatsächlich fort, ist aber mangels eigener Organe nicht handlungsfähig. "Reichsbürger" schließen daraus, dass jeder in diese Lücke stoßen und seinen eigenen Staat zimmern könne, wie es ihm passt.

Sie übersehen, dass das BVerfG an gleicher Stelle ausgeführt hat, dass das Deutsche Reich als Bundesrepublik Deutschland neu organisiert worden ist. Ich erkläre dies hier ausführlich, weil es auch für den Sachverhalt dieses Fadens mittelbar von Belang ist. In der Frage des Fortbestands des DR waren Rechtslehre und Rechtsprechung tatsächlich uneins. Die Rechtsprechung hielt bis in die 1990er ganz überwiegend an der o.g. Auffassung fest, was nicht zuletzt politische Gründe hatte, die in Deutschland freilich Verfassungsrang hatten (beide deutsche Staaten beanspruchten, Gesamtdeutschland zu vertreten).

Die Rechtslehre lehnte diese Auffassung ab und hat sich durchgesetzt.
Verfassungen kommen häufig unter Bruch der Vorgängerverfassung zustande, nehmen dann aber für sich in Anspruch, legitim (und allein legitim) zu sein und ihrerseits gegen neuerliche Umwälzungen geschützt werden zu dürfen und müssen.

Kurzum: Wer eine Revolution durchführt, ist, wenn er scheitert, ein Hochverräter (der eingesperrt oder gar hingerichtet wird), wenn er Erfolg hat, ein Gründungsvater (der mit Statuen und Straßenbenennungen geehrt wird).
Dein letzter Absatz ist als politische Zustandsbeschreibung natürlich völlig richtig. Allerdings ist das Recht durchaus in der Lage, zwischen legitimem und illegitimen Verfassungsbruch zu unterscheiden. Der Kieler Rechtshistoriker Schäfer schrieb in einer Analyse zu den Revolutionen der baltischen Staaten 1990/1991:

"Eine rechtliche Revolution im Sinne einer politischen Revolution durch Recht ist logisch betrachtet nicht möglich. Recht und politische Revolution sind insofern Gegensätze. Der Gegensatz wird offenbar, wenn sich Politik und Gesellschaft stark verändern. Stellt eine Verfassung Rechtsnormen zu ihrer eigenen Ablösung bereit [, bewältigt sie] den Umbruch durch einen evolutionären Mechanismus zur Reform. Produkt der Reform ist nur evolutionäres Verfassungsrecht. Fehlen solche Rechtsnormen […], kann sie nicht auf eine politische Revolution reagieren. Sie verliert in dieser Situation ihre Geltung. Das Ende der Rechtsgeltung vollzieht sich allerdings nicht erst durch eine neue Verfassung als neues Recht, sondern bereits durch die Neuformierung der Gesellschaft und der daraus resultierenden fehlenden Durchsetzungsmöglichkeit des alten Verfassungsrechts."

(Schäfer, F.L. (2014). 'Recht und Revolution'. Journal of the University of Latvia. Law, (7), S. 49 ff.)

Geistig ist zu ergänzen, dass die Verfassung um fehlende evolutionäre Mechanismen natürlich ergänzt werden kann, wenn es dem Willen des Souveräns entspricht. Schäfer konkretisiert im Folgenden:

"Gradmesser für das antagonistische Verhältnis von Verfassungsrecht und politischer Revolution ist die Legitimation bzw. Legitimität des Verfassungsrechts. […] Je geringer die Legitimationskraft einer Verfassung ist, desto geringer sind die Chancen für eine evolutionäre Verfassungsreform, welche die Gesellschaft befriedet, desto größer aber ist die Wahrscheinlichkeit einer politischen Revolution. Eine Verfassungsevolution kann also nur dann politisch erfolgreich verlaufen, wenn die Legitimität des Verfassungsrechts in seiner Ausgangslage nicht bereits erheblich erodiert und damit die Geltung der Verfassung beeinträchtigt ist.

Ähnliches gilt für die Legitimität der Revolution und des neuen, darauf aufbauenden revolutionären Verfassungsrechts. Die Legitimität einer Revolution ist zum Zeitpunkt der Durchführung der Revolution regelmäßig am höchsten. Naturgegeben ist sie selbst in diesem Zeitpunkt aber nicht; ihr Grad hängt von der Breite der gesellschaftlichen Unterstützung ab. Nach Durchführung der Revolution kann die Legitimität wieder verfallen. So wie eine evolutionär entstandene Verfassung nicht notwendigerweise ihre dauerhafte Legitimität in sich trägt, so können sich auch eine Revolution und das revolutionäre Verfassungsrecht delegitimieren."

Im Weiteren führt er in Anlehnung an die obigen Kriterien aus, dass das Deutsche Reich 1918/1919 eine Neuorganisation erfahren habe, die sich aus der Delegitimation ihrer (alten) Verfassungsorgane und dem Verlust von deren Durchsetzungsfähigkeit ergab. Er vertritt hierbei wohl in Abweichung zu den Geschichtswissenschaften, aber übereinstimmend mit der herrschenden Rechtslehre, dass die Ereignisse nicht so sehr eine Revolution, als vielmehr ein Adelsputsch (durch Max von Baden) gewesen seien, und dass die neue Ordnung nicht die alte verdrängte, sondern in die Lücke stieß, die jene gerissen hatte.

Nun aber zu Spanien.

Es wird @Stilicho freuen, zu hören, dass sich das verfassungswidrige Unabhängigkeitsreferendum nach dem oben Gesagten als Symptom eines Delegitimierungsprozesses der spanischen Verfassung deuten lässt, mit anderen Worten, dass nach Schäfer bereits die Saat für eine künftige "rechtmäßige" Revolution im obigen Sinne keimt.

Da nun aber die staatlichen Organe und die verfassunsgemäße Ordnung in Spanien weiterhin existieren, und es also keine Lücke gibt, die die Separatisten füllen könnten (auch in Katalonien selbst nicht), stellt sich die Frage, wann eine Ordnung hinreichend delegitimiert ist, damit sie missachtet werden "darf".

Tatsächlich hat sich im internationalen Recht bereits eine Interpretationshilfe herausgebildet. Der damalige (und heutige) Stand der Lehre fand indirekt 1968 Eingang ins deutsche Grundgesetz, wo es in Art. 20 IV heißt:

"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Das zugrundeliegende Prinzip, wann ein Rechtsstaat zum Unrechtsstaat wird, wurde bereits Mitte des letzten Jahrhunderts in bemerkenswerter Einmütigkeit von der (damals erzkonservativen) und der (damals mit dem Maoismus liebäugelnden) amerikanischen und französischen Staatsphilosophie herausgearbeitet: Der Bürger wird von seiner Pflicht zur Rechtstreue entbunden, wenn ihm Recht dauerhaft verweigert wird. Weiter oben hatte ich das bereits zum Spannungsverhältnis zwischen Völkerautonomie und territorialer Integrität ausgeführt.

Was der Staatsrechtler Isensee 2013 im 'Handbuch Politische Gewalt', S. 143 ff. zum Art. 20 GG geschrieben hat, kann infolge seiner Entstehungsgeschichte auch für ein hypothetisches Recht auf Revolution gelten: "Das Widerstandsrecht reagiert nicht auf einzelne Rechtsverstöße, für die ohnehin Abhilfe besteht." Legitim sei Widerstand gegen die verfassungsmäßige Ordnung ab dem Zeitpunkt, da "alle Mittel der Normallage versagen". Ergo: "Solange Konflikte noch in zivilen Formen ausgetragen" werden können und "friedlicher Protest noch Gehör finden" kann, besteht kein Widerstandsrecht.

Diese Ausführungen dürften auf die Situation übertragbar sein, dass ein Personenkollektiv wie die Separatisten in Katalonien die verfassungsgemäße Ordnung umstößen möchten. Die Alternative wäre, dass der Verfassungsgeber selbst der Verfassung das Vertrauen entzieht – aber das wären alle Spanier, nicht nur die Katalanen. Mit anderen Worten: Aus Sicht des Rechts müssen die katalanischen Separatisten, solange ihnen der spanische Staat nicht dauerhaft Recht verweigert, sich daran festhalten lassen, dass sie einst die Verfassung, deren Bestimmungen nun gegen sie angewendet werden, selbst in Kraft gesetzt haben.
 
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Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Schon mal gehört? Nein?
@Shinigami hat Recht, Du nicht. Siehe das fett Markierte. Art. 20 II GG erklärt seine Funktionsweise bereits im Text: Das Volk übt seine Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen sowie durch die Exekutive und die Rechtsprechung aus.

Heißt: Wenn ein Gericht ein Urteil aufgrund geltenden Rechts fällt, übt das Volk damit seine Staatsgewalt aus.

Wenn die Exekutive das Urteil umsetzt, übt das Volk die Staatsgewalt aus.
Man darf nur nochmals vorsichtig daran erinnern, dass in einer Demokratie überraschenderweise eben nicht die Justiz die höchste Instanz ist, sondern das Volk. Und dass die Justiz dem Willen des Volkes folgen muss, und nicht umgekehrt.
Was Du beschreibst, nennt sich Diktatur des Proletariats: Das Volksempfinden legt fest, was Recht ist und was nicht.

Dergleichen mündet regelmäßig ins Unrecht.

In einer Demokratie geht die Staatsgewalt vom Volk aus, bis hierhin hast Du Recht. Doch muss die Justiz nicht dem "Willen des Volkes" folgen, sondern dem Gesetz. Die spanische Verfassung – wie auch die deutsche und jede andere demokratische Verfassung – weiß nur zu gut, dass ein demokratisch legitimierter Unrechtsakt Unrecht bleibt.

Wenn das Parlament entscheidet, morgen früh den Bürger Stilicho zu Robespierre zu schicken und einen Kopf kürzer zu machen, ist und bleibt dies Unrecht, und mag die Abstimmung auch mustergültig demokratisch abgelaufen sein. Deswegen setzt die Verfassung nicht nur den drei Gewalten Schranken, sondern zwingt auch das Volk, seine eigenen Gesetze zu befolgen (jedenfalls solange diese Geltung haben): Denn diese Gesetze wurden vom Volk selbst mittels seiner Vertreter erlassen. Wenn Du das nicht verstehst, sei's drum; wenn Du das ablehnst, bist Du ein politischer Extremist.

Wie funktioniert nun eine repräsentative Demokratie?

Das Volk wählt die Legislative – Vertreter, die für das Volk die Gesetzgebung übernehmen. In Deutschland ist dies der Bundestag, in Spanien die Cortes.

Das Volk wählt auch seine Exekutive, entweder per Direktwahl oder (wie in Spanien und Deutschland) mittelbar, indem die Legislative ihrerseits die Spitze der Exekutive wählt.

Doch auch die dritte Gewalt, die Judikative, ist demokratisch legitimiert. Das Volk erlässt durch seine Vertreter im Bundestag bzw. in den Cortes die Gesetze, welche die Gerichte umsetzen müssen, und übt die Aufsicht über die Rechtsprechung aus, indem die Richter des jeweiligen Verfassungsgerichts vom demokratisch gewählten Parlament (bzw. in Spanien auch der demokratisch gewählten Regierung) bestimmt werden.

Was Du hier ständig ignorierst: Auch die Justiz ist demokratisch legitimiert. In Spanien, in Deutschland, in jeder Demokratie.

Was Du auch ignorierst: Die Legislative steht nicht über der Judikative, sondern neben ihr (und neben der Exekutive).

Das ist der Grundsatz der Gewaltenteilung. Dass Exekutive, Judikative und Legislative auf einer Ebene stehen, macht einen Staat zum Rechtsstaat.
Wenn Spanien entscheidet, dass das Statut nicht gilt, gilt auch die Verfassung für Katalonien nicht.
Hat Spanien denn entschieden, dass das Statut nicht gilt? Hat Katalonien heute weniger Rechte als nach dem Autonomiestatut von 1979?
 
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Was Du beschreibst, nennt sich Diktatur des Proletariats:

Gelächter - da hat aber einer tief im reaktionären Nähkästchen gekramt.

Über allen Regelungen steht in Deutschland §20 GG. Das gilt auch für die Judikative.

Hat Spanien denn entschieden, dass das Statut nicht gilt? Hat Katalonien heute weniger Rechte als nach dem Autonomiestatut von 1979?

Du hast mitbekommen, dass es ein Statut von 2006 gibt?


Leider ergehen sich hier ein Großteil der Diskutanten in juristischen Spitzfindigkeiten.
Das wird der Situation in Katalonien, dem Empfinden der Betroffenen, der Lage in seiner Gesamtheit nicht gerecht.

Es geht um ein Versagen der Politik, der spanischen Politik, welches mit noch so vielen juristischen Scheinargumenten nicht wieder repariert werden kann. Der Katalonienkonflikt ist keine juristische Krise, sondern eine politische Krise.
 
Gelächter - da hat aber einer tief im reaktionären Nähkästchen gekramt.
Willst Du ernsthaft behaupten, dass es per se Recht sei, weil demokratisch legitimiert, wenn ein Parlament Deine Hinrichtung beschließt? Na, das ist wenigstens konsequent. In einem solchen Staat würde ich nicht leben wollen; ein Glück, dass ich nicht in einem solchen Staat lebe.

Nebenbei: Willst Du auf die vielen Dir gestellten Fragen noch mal antworten?

Oder willst Du weiterhin behaupten, Dir seien keine Fragen gestellt worden?
Über allen Regelungen steht in Deutschland §20 GG. Das gilt auch für die Judikative.
Nö.

@Shinigami hat Dich auf Deinen Irrtum hingewiesen. Ich habe Dir Art. 20 GG weiter oben erklärt. Die Judikative ist an die Gesetze gebunden. Nicht an den Volkswillen. Du kannst gerne weiterhin alternative Fakten verbreiten, wie man das heute wohl nennt; das ist Deine Sache. Du beweist damit aber nur, dass Du die grundlegende Ordnung dieses Staates nicht begriffen hast. Was die Frage aufwirft, warum Du ausgerechnet einem Staatsrechtler erklären willst, wie Staatsrecht funktioniert. Die nicht-alternativen Fakten besagen:

"Herrschaftsträger ist das Volk, Objekt der demokratischen Legitimation die von ihm ausgeübte Staatsgewalt. Die Volkssouveränität, heute europäisches Gemeingut, kann dabei nicht absolut gedacht werden. Mag das "We, the People" den pluralis majestatis des monarchischen Staates auch demokratisch umgemünzt haben, ein Absolutheitsanspruch des Souveräns verbindet sich damit nicht mehr. Verfassungsstaatliche Herrschaftslegitimation beruht auf der Trias von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Das Volk als Souverän ist rechtsstaatlich wie menschenrechtlich eingehegt und kann sich dieser Bindung, siehe Art. 79 Abs. 3, nicht entledigen. Der "Demos" meint vor allem kein homogenes Volk, sondern die Bürger in ihrer Vielfalt. Die Volks- wandelt sich zur "Bürgersouveränität" (P. Häberle), was ihrer Verabsolutierung per se entgegensteht und jeder homogenisierenden Lesart der Repräsentation einen Riegel vorschiebt. […] Im so verstandenen Sinne der heterogenen Vielfalt seiner Bürgerinnen und Bürger übt das Volk die Staatsgewalt aus: "[A]lle Staatsorgane und Amtswalter in der Summe ihrer legislativen, exekutiven und judikativen Funktionen" – in der Terminologie des BVerfG "jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter". In personell-organisatorischer Hinsicht müssen "alle Positionen, die öffentliche Gewalt ausüben", auf das Volk zurückgeführt werden können. Diese personelle Legitimation wird vermittelt durch Wahl oder Bestellung und gesichert durch Weisung und Aufsicht."

(v. Münch/Kunig/Kotzur, 7. Aufl. 2021, GG Art. 20 Rn. 111-118)

Wahrscheinlich wirst Du Kotzurs Ausführungen gleich als Juristengeschwafel ohne Relevanz diskreditieren wollen. Dumm nur, dass er nicht nur die Lehre, sondern auch die Rechtsprechung und die Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts zusammenfasst.

Und das Gesagte gilt analog auch für den spanischen Staat. Das spanische Volk übt seine Herrschaft aus, wenn und indem spanische Gerichte spanische Gesetze anwenden. Das mag Dir nicht gefallen, aber die Fakten scheren sich nicht um Deine Gefühle.
Du hast mitbekommen, dass es ein Statut von 2006 gibt?
Wieder ein Verrücken der Torpfosten.

Das Statut von 2006 ist für die Frage nicht von Belang.

Du hast behauptet, dass die spanische Verfassung für Katalonien nicht mehr gelte, da das Statut in seiner jüngsten Form (in Teilen) außer Kraft gesetzt worden und die Katalanen getäuscht worden seien. Den Katalanen sei 1978 versprochen worden: Ihr kriegt Euren Statut, Spanien kriegt seine Verfassung. Deine Behauptung verliert logischerweise jegliche Relevanz, falls die Inhalte des Statuts von 1979 weiterhin gelten. Deine Argumentation stützt sich ja gerade auf die Rechte der Katalanen, und nicht auf ein Stück Papier. Das ist eine Frage der Logik, keine Meinung.
Leider ergehen sich hier ein Großteil der Diskutanten in juristischen Spitzfindigkeiten. Das wird der Situation in Katalonien, dem Empfinden der Betroffenen, der Lage in seiner Gesamtheit nicht gerecht.
Warum "leider"? Warum kommt es darauf an, was wir hier diskutieren? Vielleicht wärst Du in einem Politikforum besser aufgehoben. Du befindest Dich in einem Forum, in dem es nicht um Politik geht, sondern um die geschichtlichen, im weiteren Sinne systemischen Hintergründe des Referendums von 2017. Warum sollte die jetzige Situation, das jetzige Empfinden dafür irgendeine Rolle spielen?

Zumal subjektives Empfinden wenig Hilfreiches verrät, außer, was jemand empfindet. Ein subjektives Empfinden kann objektiv unbegründet sein.

Die Sache der Katalanen liegt Dir offensichtlich am Herzen. Das ist Dein gutes Recht, aber bitte lerne, damit Du zu leben, dass andere Foristen eine gegenteilige oder neutrale Haltung einnehmen.
 
Das Statut von 2006 ist für die Frage nicht von Belang.
Das Statut von 2006 ist von entscheidendem Belang. Zum wiederholten Male: Mach dich doch erst mal mit den Fakten vertraut, ehe du hier rumschwadronierst.

Du hast behauptet, dass die spanische Verfassung für Katalonien nicht mehr gelte, da das Statut in seiner jüngsten Form (in Teilen) außer Kraft gesetzt worden und die Katalanen getäuscht worden seien.

Das habe ich nicht behauptet. Ich habe den Standpunkt vieler Katalanen beschrieben.
Deine Behauptung verliert logischerweise jegliche Relevanz, falls die Inhalte des Statuts von 1979 weiterhin gelten.
Das ist nicht "logischerweise", das ist Unsinn. Es geht um ein vom katalanischen Volk gemeinsam mit der Spanischen Regierung beschlossenes Statut, egal in welcher Fassung. Es geht um das Recht der Katalanen, ihr Statut auszuhandeln. Und es geht um die Negation dessen durch das Verfassungsgericht.

Warum "leider"? Warum kommt es darauf an, was wir hier diskutieren? Vielleicht wärst Du in einem Politikforum besser aufgehoben. Du befindest Dich in einem Forum, in dem es nicht um Politik geht, sondern um die geschichtlichen, im weiteren Sinne systemischen Hintergründe des Referendums von 2017. Warum sollte die jetzige Situation, das jetzige Empfinden dafür irgendeine Rolle spielen?

Richtig erkannt, wir sind in einem Geschichtsforum, nicht in einem Juristenforum. Geschichte handelt in erster Linie von Menschen, nicht von Paragraphen. Um die Interaktion zwischen Menschen, um die Entwicklung dieser, um die Beweggründe und auch um die Emotionen.

Paragraphenglauberei darfst du gerne wo anders betreiben. Gesetze sind nicht durch ein höheres Wesen erschaffene, vom Himmel gefallene Axiome, nicht mal auf Steintafeln gemeißelt. Es sind von Menschen für (oder gegen?) Menschen gemachte Bestimmungen, die das Miteinander regeln sollen. Diese Regeln sollen und müssen permanent hinterfragt und angepasst werden und sind nur ein kleiner Aspekt von zeitgeschichtlichen Entwicklungen.

Für mich steht in der Geschichte klar der Mensch im Mittelpunkt, nicht der Paragraph, alles andere ist für mich absurd.
 
Richtig erkannt, wir sind in einem Geschichtsforum, nicht in einem Juristenforum. Geschichte handelt in erster Linie von Menschen, nicht von Paragraphen. Um die Interaktion zwischen Menschen, um die Entwicklung dieser, um die Beweggründe und auch um die Emotionen.
Auch die Akteure der Vergangenheit haben sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegt.
Auch für sie galten die Gesetze des jeweils betrachteten Zeitraums, an denen sie sich zu halten hatten.
 
Das ist nicht "logischerweise", das ist Unsinn. Es geht um ein vom katalanischen Volk gemeinsam mit der Spanischen Regierung beschlossenes Statut, egal in welcher Fassung. Es geht um das Recht der Katalanen, ihr Statut auszuhandeln. Und es geht um die Negation dessen durch das Verfassungsgericht.
Das ist inhaltlich Unfug.

Das Verfassungsgericht hat nicht den Katalanen das Recht abgesprochen wegen eines Autonomiestatuts mit Madrid zu verhandeln und es hat auch den größten Teil des Status nicht beanstandet, sondern lediglich einige Artikel, die verfassungswidrig betrachtet werden.
Das kann man im einzelnen nachvollziehbar finden oder nicht, da gäbe es sicherlich viel Spielraum das zu debattieren.

Allerdings und das ist auch klar zu sehen, hat das Verfassungsgericht in den meisten Punkten den Ansichten der PP nicht entsprochen und den Löwenanteil des Stauts bestätigt und es nicht etwa in Bausch und Bogen verworfen, weil es der Ansicht gewsen wäre, dass den Katalanen Verhandlungen darüber überhaupt nicht zustünden.

Das nicht mal eben verfassungswidrige Gesetze beschlossen werden dürfen, ist an und für sich aber keine irgendwie geartete Diskriminierung der Katalanen, sondern das gilt für alle.
Wenn sich jemand einbildet, dass seine Gruppe Anspruch darauf habe sich selbst Dinge zu erlauben, die der verfassungsmäßigen Odnung widersprechen, in dem Wissen, dass dies der Fall ist, beansprucht er damit, dass seine eigene Gruppe über dem Recht stehe und das ist ein Zustand, den man gewöhnlich Diktatur nennt.


Für mich steht in der Geschichte klar der Mensch im Mittelpunkt, nicht der Paragraph, alles andere ist für mich absurd.
Damit erklärst du mal eben alles, was nicht im näheren Sinne Sozialgeschichte ist für absurd und sprichst ihm die Existenzberechtigung ab, was Diziplin der Geschichtsschreibung und Forschung angeht.

Nun muss ich dir sagen, dass ich persönlich es absurd finde, die Geschichte auf Sozialgeschichte verängen zu wollen und z.B. Disziplinen, wie Wirtschaftsgeschichte, Militärgeschichte, Ideengeschichte, Rechtsgeschichte etc. die jetzt nicht unmittelbar den Menschen in seiner Zeit in den Mittelpunkt rücken, auszuschließen.
Selbstverständlich kannst du der Meinung sein, dass das alles Unsinn wäre, aus dem nichts zu lernen und der deswegen irrelevant sei.

Allerdings dürftest du mit einer derartig, verengten und ich möchte sagen antiintellektuellen und wissenschaftsfeindlichen Auffassung hier wahrscheinlich nicht viele Anhänger finden.
 
Auch die Akteure der Vergangenheit haben sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegt.
Auch für sie galten die Gesetze des jeweils betrachteten Zeitraums, an denen sie sich zu halten hatten.

Das Recht ist aber nicht die bestimmende Determinante der Lebensrealität.

Und wie Ravenik richtig ausführte, handelt die Geschichte sehr häufig von scheinbaren oder tatsächlichen Rechtsbrüchen.
Sie wäre doch sehr öde, wenn wir uns auf die rechtlichen Aspekte der Handlungen von Rechtsbrechern wie Julius Cäsar, Martin Luther oder Mahatma Ghandi beschränken würden.
 
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