Das katalanische Referendum 2017, Gründe und historisierende Narrative

Dass Katalanen für den bloßen Gebrauch ihrer Sprache der Tod gedroht hätte, oder dass sogar katalanische Wörter auf Grabsteinen, Denkmälern und in Kirchen bilderstürmerisch entfernt worden wären, davon höre ich zum ersten Mal.

Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

Ich versuche es mal hier mit:


Rafael Aracil, Joan Oliver and Antoni Segura considered that until 1951, the persecution of the language was "total". In some places students had to denounce fellow students who spoke Catalan. During this period, the Catalan language was also prohibited on tombstones.
 
Ich lasse mal einen bekannte "Spanier" zu Wort kommen (zitiert nach Wikipedia).
Das ist schon mal ein Anhalt für eine starke Unterdrückung der katalanischen Sprache und Identität, aber nicht für ein vollumfängliches Verbot, oder gar für Todesgefahr bei Verwendung der Sprache im öffentlichen Raum. Carreras schildert hier seine Wahrnehmung der Repression, nur indirekt die Akte der Repression selbst.

Die Wikipedia schreibt zur Katalanischen Sprache:
In den Anfangsjahren der Diktatur wurde das Katalanische von staatlicher Seite unterdrückt. Viele Ortsnamen im katalanischen Sprachgebiet wurden hispanisiert, auch viele Personennamen wurden ins Spanische übertragen. Erst zu Beginn der 1960er Jahre wurde der katalanischen Sprache zögerlich, zuerst im kirchlichen Bereich, wieder Raum gegeben. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Kloster Montserrat, in dem auch während der Franco-Diktatur die Messen auf Katalanisch gefeiert wurden, sodass es zum Symbol des Katalanentums aufstieg. Nach Francos Tod 1975 dauerte es drei Jahre, bis alle Beschränkungen fielen. In den Jahrzehnten der Unterdrückung hatte das Katalanische viel Rückhalt verloren. Zudem hatte das wohlhabende Katalonien viele Spanier aus anderen Landesteilen angezogen, deren Mehrheit nicht oder nur zögerlich bereit war, Katalanisch zu lernen.

Der katalanische Artikel, übersetzt mittels Google Translate:
Während der Franco-Zeit (1939-1975) war Katalanisch Gegenstand brutaler Aggression und wurde auf den Gebrauch in der Familie beschränkt. Spanisch wurde zur einzigen Unterrichts-, Verwaltungs- und Mediensprache.

Zum Exodus der Kulturschaffenden heißt es:

Andere Intellektuelle blieben jedoch in Katalonien und weigerten sich, endgültig mit der indigenen Sprache und Kultur zu brechen. Dies war der Fall bei denen, die sich für das interne Exil entschieden, das heißt, im Untergrund zu operieren. Es wurden literarische Treffen, kulturelle Treffen, Dichterlesungen, katalanische Kulturkurse usw. organisiert. mit dem Ziel, junge Menschen zu erreichen und so neue Schriftsteller auszubilden, die einen Bruch mit der katalanischen Kultur und Sprache vermeiden können. Alle diese Veranstaltungen fanden jedoch privat und vor einem kleinen und ausgewählten Publikum statt. Es wurden auch mehrere wichtige Zeitschriften veröffentlicht, darunter Poesia (1944–1945), Ariel (1946–1951) und Dau al Set (1948–1955). Die erste, von Palau und Fabre geschaffene, hatte einen avantgardistischen Charakter, da sie neben der Verpflichtung zur Sprache auch eine klare poetische Verpflichtung hatte.

Eine solche Untergrundkultur war unter Mussolini ab den späten 1920ern nicht mehr möglich.

Es folgt der Abschnitt, den Du zwischenzeitlich eingefügt hast:

Im Gegensatz [zu den Auswirkungen der Migration] wurde während des größten Teils der Franco-Diktatur der völlige Ausschluss der katalanischen Sprache aus dem Bildungssystem gefördert (sie wurde in den Familienbereich verbannt), wobei in einigen Fällen Methoden angewendet wurden, wie dass Studenten selbst katalanisch sprechende Studenten mit einer Kugel denunzieren mussten. Auch wurde die katalanische Sprache in der Nachkriegszeit von Grabsteinen verbannt. Bis 1951 hielten Rafael Aracil, Joan Oliver und Antoni Segura die Verfolgung der Sprache für „total“.

Demnach fand das Verbot auf Grabsteinen tatsächlich statt, und wurde im Spätfranquismus wieder aufgehoben. Von der Vandalisierung von Kirchen und Kulturgütern, einem bis in die Privatsphäre wirksam durchgesetzten Verbot der geschriebenen Sprache oder gar Todesstrafen für "subversiven" Sprachgebrauch steht da jedoch nichts.
 
Zur mangelnden Aufarbeitung der Franco-Diktatur in Spanien:

Der letzte Präsident Kataloniens während des Bürgerkrieges, LLuís Companys i Jover, musste 1939 ins französische Exil gehen, wurde dort von den deutschen Besatzern verhaftet, nach Spanien ausgeliefert und nach einem Schnellgerichtsverfahren am 15.10.1940 auf dem Montjuiz erschossen.

In den 90-er Jahren entschuldigten sich Helmut Kohl und Francois Mitterand öffentlich für die Auslieferung. Der deutsche Staat zahlte als Entschädigung seiner Witwe Carme Ballester sogar kurz vor ihrem Tod eine Rente - der spanische Staat verweigerte diese.

Nach jahrelangen Bemühungen und immer wieder neuen Anträgen dauerte es bis zum 30.7.2024 (!), bis der spanische Staat (unter der Regierung Sanchez) das Urteil gegen Companys aufhob und anerkannte, dass er aus politischen Gründen hingerichtet wurde.

 
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OT
Die meisten im Ausland geborenen permanenten Einwohner Spaniens sind Marokkaner, gefolgt von Rumänen (die meist im Landwirtschaftssektor oder Dienstleistungssektor tätig sind). Danach kommen die ganzen hispanoamerikanischen Länder, die aber ja eh Spanisch sprechen. Auch die Chinesen bilden in Spanien eine relativ große Gruppe mit etwa 200.000 EW; Deutsche, oft Rentner oder Erben, sind mit ungefähr 160.000 eine zwar große EW-Gruppe, aber eben nicht die größte.
Fast alle 24-h-Supermärkte werden von Chinesen betrieben. Eigentlich sind das eher Tante-Emma-Läden, wo man Snacks, Alkohol und Zigaretten erwerben kann, aber auch Dinge, die man ad hoc braucht, wenn man vergessen hat, einzukaufen.
 
Katalanisch.
Kann das überhaupt wer?
Ich hab’s mal angefangen zu lernen, musste dann aber leider bald wegen meiner neuen Arbeitsstelle abbrechen. Rezeptives Verstehen gelingt mir ganz gut (wenn man Spanisch und Französisch oder Italienisch kann, dann ist Katalanisch rezeptiv verständlich), aber für produktives Ausdrücken, dazu fehlt mir die Grundlage.
 
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