Österreich-Ungarn unterlag inneren wie äußeren Spannungen und war zudem bemüht, seinen Status als Großmacht zu erhalten. Die Frage, ob Österreich-Ungarn auch ohne Weltkrieg auseinandergebrochen wäre, ist kontrovers diskutiert worden. Bis sich die allgemeine Situation des Landes im Verlauf des Ersten Weltkrieges dramatisch verschlechterte, strebte die Mehrheit der slawischen Bevölkerung keineswegs eine Angliederung an ein Großserbien an, vielmehr stand man mehr oder weniger loyal zur Monarchie und forderte eigentlich nur Reformen.
Außenpolitisch war Österreich-Ungarn isoliert, sogar die Politik des deutschen Bündnispartners lief den Interessen des Juniorpartners zuwider. Es existierten divergierende wirtschaftliche Interessen auf dem Balkan, Österreich-Ungarn wurde von Deutschland aus Gebieten verdrängt, die bis dato im wirtschaftlichen Einflussgebiet der Donaumonarchie gelegen hatten.
Vorab, ich finde kontrafaktische Szenarien durchaus spannend, aber sie müssten sich schon im Rahmen greifbarer alternativer Möglichkeiten befinden, wenn man sie für einigermaßen realistisch betrachten möchte.
Das allerdings wird bei einer Perspektive von mehreren Dekaden in eine alternative Zukunft ohne sich entsprechend weiterentwickelnden oder entwickelbaren Bezugsrahmen nicht zu machen sein.
Vielleicht könnte man einigermaßen plausible Einschätzung grundlegender Tendenzen für die nährer Zukunft äußer, meh aber kaum.
Zum Thema Österreich.
Ich kann um ehrlich zu sein die Fragestellung, ob Österreich-Ungarn langfristig zu erhalten gewesen wäre nicht ganz nachvollziehen, weil es bis in den Ersten Weltkrieg hinein keine wirklichen manifesten Tendenzen gab, die auf ein tatsächliches Auseinanderbrechen hingedeutet hätten.
Es gab lokale Konflikte zwischen den verschiedenen nationalen Gruppen, aber das artete eigentlich nirgendwo in Massenproteste gegen die Donaumonarchie überhaupt, oder in größere Gewalteruptionen aus.
Letzteres hatte es im 19. Jahrhundert in den italienischen Teilen der Donaumonarchie und in Ungarn gegeben, allerdings Wien beide Probleme mehr oder weniger los geworden. Das eine durch den Verlust des Großteils der italienischsprachigen Gebiete, dass Andere duch den Ausgleich von 1867.
Es hatte sich also gezeigt, dass diesen Problem grundsätzlich durch eine entsprechende konziliante Ausgleichspolitik so weit entschärfbar war, dass daraus jedenfalls keine akute Bedrohung für den Staat resultierte.
Aus Sicht der unterschiedlichen nationalen Bewegungen sollte man vielleicht vier weitere Aspekte im Auge behalten:
- Es gab in Österreich-Ungarn keine auf sich allein gestellt zahlenmäßig dominante Bevölkerungsgruppe.
Das ist in der Rezeption innerhalb des sehr stark auf den (ethnischen) Nationalstaat fixierten ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts immer als Schwäche aufgefasst worden.
Man sollte aber velleicht hintrfragen, ob es das tatsächlich war.
Hierzu ein Gedankengang:
Als 1848 im Zuge der damaligen Revolution das Frankfurter Paulskirchenparlament gewählt wurde, wurde diese Wahl in vielen nicht deutschsprachigen Gebieten boykottiert.
Und dieser Boykott wurde von denjenigen nicht deutschsprachigen Volksgruppen mitunter dahingehend Begründet, dass man zwar kein Problem damit habe im multiethnischen Österreich oder in geringerem Maße nultiethnischen Preußen zu bleiben und es durchaus erdulden könne Österreicher oder Preuße zu sein, aber in keinem Fall als marginalisiertes Anhängsel eines deutschen Nationalstaates enden wollte.
Die Österreichisch-Ungarische Monarchie hatte in ihrer Zusammensetzung den ungemeinen Vorteil, dass jede Volksgruppe, die innerhalb des Gesamtkonstrukts lebte in der Minderheit war, Minderheiten sich als nicht oder kaum vor der Majorisierung durch eine einzelne Gruppe fürchten mussten.
Das muss man für das Königreich-Ungarn einzeln betrachtet etwas relativieren, weil innerhalb dieses Raums tatsächlich die Magyaren den Ton angaben, dass wiederrum konnte allerdings für die majorisierten Gruppen durchaus Anlass sein eine engere Bindung zu Wien und zum Kaiser zu suchen um sich innerhalb des Reiches gegen die Magyaren durchzusetzen.
- Es gab ja durchaus auch Rivalitäten der verschiedenen nationalen Gruppen untereinander in bestimmten Provinzen. Die Ukrainischen Kleinbauern in Ostgalizien lagen z.B. chronisch mit den polnischen Grundbesitzern in der gleichen Provinz über Kreuz, so dass Wien in dieser Angelegenheit zum Teil eine gewisse Schiedsrichterfunktion zukam.
Bei einer Abspaltung der Provinz, wäre den beiden Parteien gleichsam auch ihr Schiedsrichter abhanden gekommen und das einzige Auskunftsmittel, was bleibt, wenn kein einigermaßen neutraler akzeptabler Schiedsrichter vorhanden ist, der schlichten kann, ist Interesssen dann eben mit Gewalt durchzuboxen.
In einigen Provinzen konnte durchaus der Gedanke sinnvoll sein, dass eine Zugehörigkeit zur Donaummonarchie, mit allen Schwächen, die sie hatte, immerhin ein Garant dafür sein konnte, dass Konflikte friedlich lösbar waren, auch wenn das Ergebnis durchaus nicht immer den eigenen Wünschen entsprach.
- Ein Teil der Provinzen, im Besonderen die Südslawischen profitierten auch durchaus wirtschaftlich von der Zugehörigkeit zur Donaumonarchie.
- Das Herauslösen der eigenen Provinz aus dem Länderkonglomerat der Donaumonarchie oder mehrerer Provinzen hätte natürlich auch die Frage außenpolitischer Probleme aufgeworfen.
Da wäre man ein Kleinstaat zwischen dem mächtigen Russland und dem mächtigen Deutschland und einem vielleicht nicht ganz so mächtigen , aber ambitonierten Italien gewesen. Deutschland wäre, wenn sich in Folge eines Zerfalls die deutschsprachigen Gebiete Österreich-Ungarns an das Deutsche Kaiserreich angeschlossen hätten, möglichrweise dadurch noch mächtiger geworden.
Nun wäre die Frage gewesen, war es unbedingt so erstrebenbswert als relativ kleiner Staat mitten im Gravitationsfeld mehrerer Großmächte mit durchaus expanisvem Charakter zu liegen.
Oder war die Zugehörigkeit zu einem größeren mulitnationalen Reich, dass diesen Druck von seinem Zuschnitt und seinen Ressourcen her besser aushalten konnte, durchaus die bessere Wahl, wenn man einigermaßen selbstbestimmt leben und nicht permanent Spielball der Großmächte sein wollte?
Wenn man das auf dem Zettel hat und viele Akteure innerhalb der jeweiligen Nationalbewegungen hatten das auf dem Zettel, konnte es durchaus Sinn machen, das eigene Heil eher in Reformen und in Kompromiss innerhalb dieses Reiches zu sehen, als in Separatismus.
Die Vorstellung, dass Österreich-Ungarn durch innere Konflikte in seiner Existenz tatsächlich bedroht gewesen wäre, halte ich für realtiv weit hergeholt.