Was wäre, wenn der Erste Weltkrieg nicht stattgefunden hätte?

Das Prestige war für den Status als Großmacht auch nicht zu vernachlässigen und wenn Österreich-Ungarn freiwillig den Russen seinen einzigen außenpolitischen Spielplatz überlassen hätte, wären das innenpolitisch schwer zu verkaufen gewesen. Und wie sah es dann mit den wirtschaftlichen Interessen auf dem Balkan aus? Wie sah es künftig mit den politischen Einflussmöglichkeiten aus? Wie hätten Rom und Bukarest so einen Rückzug eingeordnet?

Dann stelle ich Frage nach der Qualifikation zur Großmacht nochmal anders:

Bist du der Meinung, dass ein Mini-Imperium auf dem Balkan Österreichs Prestige irgendwie helfen konnte, wo doch jedem internationalen Beobachter klar war, dass dies lediglich ein Mini-Imperium von Deutschlands Gnaden sein konnte, weil Österreich-Ungarn dass allein gegen Russland nicht durchzusetzen vermochte und dies nur dann funktionieren konnte, wenn Berlin unterstützend wirkte?

Woher meinst du kommt der Eindurck, der sich bei den Ententemächten anscheeinend festgesetzt hatte, dass die Donaumonarchie lediglich noch eine Marionette Berlins sei?
Könnte es daran liegen, dass Österreich-Ungarn sich einen Konflikt auf dem Balkan mit Russland leistete, von dem jeder wusste, dass es den auf Dauer nicht gewinnen konnte und sich daher außenpolitisch in gewisse Abhägigkeit von seinem Partner begeben musste?

Wir wissen natürlich aus den Berliner Interna, dass man die Lage in Berlin anders einschätzte und die Donaumonarchie dadurch deutlich mehr Spielräue hatte, weil auch Deutschland den Verlust dieses Partners fürchtete.
Aber das war ja durchaus nicht die Weise, wie das außerhalb des Zweibundes gesehen wurde.

Ich würde mal provokant behaupten, dass diese Balkanpolitik Österreich-Ungarns Großmachtprestige nicht nutzte, sondern schadete, weil sie den Eindurck erweckte, dass die Donaumonarchie sich damit selbst zu einem Vasallen Berlins machte (auch wenn das obejktiv nicht so war) und dass die Donaumonarchie in Sachen Prestige wahrscheinlich besser gefahren wäre, hätte sie das bleiben lassen.
Die Vorstellung Wien sei außenpolitisch von Berlin abhängig, dürfte am Prestige Österreich-Ungarns mehr Schaden verursacht, als ein Miniatur-Imprium Nutzen gebracht haben.


Betreffend Rom und Bukarest:

Wahrscheinlich wären diese vorsichtiger geworden, wenn Österreich seine imperiale Balkanpolitik zurückgefahren hätte.
So lange Österreich die betrieb, konnten Rom und Bukarest wegen des Konflikts mit Russland davon ausgehen, für ihre Schritte, die Wien ärgerten, in St. Petersbrug Unterstützung zu finden.
Hätte Wien die Streitpunkte aus der Welt geschafft, wäre das nicht mehr unbedingt gegeben gewesen und auf sich allein gestellt hätten beide sehr viel vorsichtiger sein müssen.
 
Kleiner Exkurs zu Japan:
[...]

Ad vocem Japan:

Japan hatte beeindruckende Wachstumsraten, lag wirtschaftlich aber zwischen 1910 und 1914 noch deutlich hinter den europäischen Mächten zurück und hatte ein Rohstoffproblem.
Das ließ sich durch die Ausbeutung Koreas und später die Mandschurei einigermaßen beheben, aber das war 1910 bis 1914 noch Zukunftsmusik und musste erstmal aufgebaut werden.

Was im Fall Japans meines Erachtens nach sehr schwer wiegt, wenn man es mit den europäischen Mächten vergleichen wollte, ist, dass es in einem Konflikt mit den Großmächten, in seiner exponierten lage als Inselreich nur bedingt dazu in der Lage war die Gewässer in der Umgebung des japanischen Archipels tatsächlich zu beherrschen.
Man hatte bewiesen, dass man mit einer stümperhaft bis überheblich aggierenden russischen Marine fertig werden konnte, aber in einer maritimen Auseinandersetzung mit dem maritimen Potential Westeuropas hätten die Chancen sich selbst zu behaupten zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich eher nicht so gut gestanden.
Und was es für ein Inselreich bedeutet, wenn es seine umliegenden Gewässer nicht beherrschen/verteidigen kann.......... naja, sagen wird mal, dass ist leicht unvorteilhaft.

Japan selbst hatte bis zum russisch-japanischen Krieg Kriegsschiffe zum teil noch im Ausland bestellen müssen, weil den eigenen Werften das know-how fehlte, danach war man wohl in der Lage auch größere Kampfschiffe und Dreadnaughts grundsätzlich selbst zu bauen, allerdings wurden wohl auch bei den Dreadnaughts noch Teile im Ausland geordert.
Die Geschütze der "Settu" (Kawachi-Klasse) wurden wohl z.B. noch bei Vickers gefertigt.

Damit verfügte Japan anno 1914 gerade mal über 2 einsatzfähige moderne Großkampfschiffe, während 2 weitere im Bau waren.


Ich sage mal provokant: Gegen die Royal Navy wäre Japans Heimatgewässer damit nicht zu verteidigen gewesen.
Gegen die US-Marine auch nicht.
 
Dann stelle ich Frage nach der Qualifikation zur Großmacht nochmal anders:

Die Frage stellt sich nun wirklich nicht mehr. Es sind hinreichend Hinweise dazu gegeben worden.

Wahrscheinlich wären diese vorsichtiger geworden, wenn Österreich seine imperiale Balkanpolitik zurückgefahren hätte.
So lange Österreich die betrieb, konnten Rom und Bukarest wegen des Konflikts mit Russland davon ausgehen, für ihre Schritte, die Wien ärgerten, in St. Petersbrug Unterstützung zu finden.
Hätte Wien die Streitpunkte aus der Welt geschafft, wäre das nicht mehr unbedingt gegeben gewesen und auf sich allein gestellt hätten beide sehr viel vorsichtiger sein müssen.

Eher das Gegenteil. Wenn Österreich-Ungarn freiwillig vor Russland "kneift und klein beigibt", dann würde das deren Aspiration befeuern. Stichwort Siebenbürgen, Trentino etc.etc. Warum sollten diese "vorischtiger werden? Dafür gäbe es keine Veranlassung. Italien stand ohnehin schon ab 1908 näher bei der Triple Entente und Rümänien wurde nur durch Carol noch im Lager der Mittelmächte gehalten. Die Ungarn fuhren eine aggressvie Politik gegenüber ihrer rumänischen Minderheit, was in Bukarest überhaupt nicht gut ankam. Budapest ließ sich da auch nicht eines Besseren belehren.

Ich würde mal provokant behaupten, dass diese Balkanpolitik Österreich-Ungarns Großmachtprestige nicht nutzte, sondern schadete, weil sie den Eindurck erweckte, dass die Donaumonarchie sich damit selbst zu einem Vasallen Berlins machte (auch wenn das obejktiv nicht so war) und dass die Donaumonarchie in Sachen Prestige wahrscheinlich besser gefahren wäre, hätte sie das bleiben lassen.
Die Vorstellung Wien sei außenpolitisch von Berlin abhängig, dürfte am Prestige Österreich-Ungarns mehr Schaden verursacht, als ein Miniatur-Imprium Nutzen gebracht haben.

Da sägte doch Russland mit aller Macht dran. Wenn ein Zwergstaat wie Montenegro sich anmaßt im Zuge der bosnischen Annexionskrise öffentlich vernehmen zu lassen, man würde die Annexion erst dann anerkennen, wenn die gerechten Ansprüche des serbischen Volkes befriedigt seien, sagt das schon einiges aus. Und das aggressive serbische Agieren in der bosnischen Krise, möglich durch die Rückendeckung Russlands, hat Belgrad doch den Kamm schwellen lassen. Im Prinzip eine Folie für die Julikrise. Wie kann es angehen, das ein Zwergstaat und ein kleiner Staat sich ein dermaßen, größenwahnsinniges Auftreten in der diplomatischen Arena gegenüber einer Großmacht erlauben? Beide Staaten waren nicht Signatarmächte des Berliner Vertrages; beide hatten keine Ansprüche zu stellen, taten dies aber mit Hilfe der Großmächte. Es wurde allen Ernsten von Österreich-Ungarn verlangt, es sollte ein nicht anspruchsberechtigten Staat Kompensation gewähren und soll dies nicht mit dem Anspruchssteller aushandeln, sonder mit den Großmächten. Das ist nichts anderes als demütigend für Österreich-Ungarn und das man da langsam die Geduld verlor, war nachvollziehbar.

Die Balkankrieg waren im Endergebnis nun alles andere als ein Prestigegewinn für Österreich-Ungarn. Serbien konnte sich entspannt verdoppeln, ohne das Österreich-Ungarn eingegriffen hätte. Und Russland war wieder zur Stelle für Serbien als selbsternannter Schutzpatron; in Wahrheit ging es wohl eher gegen die Monarchie.

Die Julikrise muss hier auch nicht ausgebreitet werden. Serbien hätte nachgegeben, der Welt wäre viel Leid erspart geblieben, wenn Russland mal wieder sich nicht eindeutig auf serbischer Seite positioniert hätte.

Ein Rückzug, sich dem russischen Willen endgültig zu beugen, Serbien und Montenegro und bestimmt auch dann Rumänien freie Fahrt zu lassen, das hätte dem Prestige von Österreich-Ungarn sehr geschadet. Das wird schon in den Reaktionen der Öffentlichkeit unmittelbar nach der Annexion sehr deutlich. In dieser Region wäre der politische Einfluß auf null zurückgegangen und damit wäre auch den zweifelsohne nicht unerheblichen wirtschaftlichen Interessen der Monarchie nicht gedient gewesen. Der Panslawismus wäre auf die Überholspur gekommen. Russland hätte in Ruhe die Meerengenfrage in seinem Sinne bereinigt und dann freie Fahrt ins Mittelmeer gehabt. Stichworte sind hier Pola und Cattaro.

Nein, ich kann. deinen Ausführungen nicht zustimmen.
 
Also ist man nur Großmacht, wenn man einen Spielplatz außerhalb der eigenen Grenzen hat? Dementsprechend - entschuldige die ketzerische Frage - ist Deutschland erst duch den Erwerb von Kolonien Mitte der 1880er Jahre zu einer Großmacht geworden?
Ich würde vermuten, dass dies einer um sich greifenden Vorstellung dieser Zeit entsprach, unabhängig von realen Gegebenheiten.
 
Ich würde vermuten, dass dies einer um sich greifenden Vorstellung dieser Zeit entsprach, unabhängig von realen Gegebenheiten.
Das halte ich nicht für plausibel.

Wäre mir neu, dass Preußen nach dem Wiener Kongress oder Deutschland frisch nach der Reichsgründung 1871 aber vor der kolonialen Landnahme, auf Grund eines Mangels an Kolonien, der Status als Großmacht von irgnndwem, abgesprochen worden wäre.

Wären Kolonien eine absolute Notwendigkeit gewesen um ernst genommen zu werden, würde sich auch ein Bismarck weniger kolonialskeptisch verhalten haben und dann wäre Deutschland wahrscheinlich bereits früher zu Versuchen übergegangen Kolonien zu erwerben. Frankreich hatte man 1870/1871 klar besiegt, natürlich hätte man ihm im folgenden Friedensvertrag das eine oder andere Kolonialgebiet abnehmen können und wenn man das für die Untermauerung des eigenen Status als notwendig erachtet hätte, hätte man das wahrscheinlich auch getan.


Apropos kolonialskeptisches Verhalten.
Wenn der Besitz von Kolonien der Schlüssel für eine Anerkennung als Großmacht gewesen wäre, würde sich jetzt die Frage stellen, warum Österreich-Ungarn seinen Großmachtsstatus nicht einfach dadurch absicherte?

Ich frage deswegen, weil formal Österreich bereits 1870/1871 bis 1878 völlig ohne eigenen Spielplatz darstand.

Bis 1878 unterstanden die Donaufürstentümer inklusive Serbien (auch wenn die Dinge hier etwas komplizierter lagen, weil eine faktische Unabhängigkeit, gegeben war) offiziell noch dem Osmanischen Reich in einem entsprechenden Abhängigkeitsverhältnis.

Österreich hatte seinen italienischen Spielplatz 1867 verloren, seinen deutschen Spielplatz hatte es 1870/1871 verloren und dass auf dem Balkan in näherer Zukunft etwas gehen würde, war zu dem Zitpunkt noch nicht abzusehen.

Man sollte ja meinen, wenn es ohne abhängige Gebiete nicht ging hätten jetzt in Wien die Alarmglocken schrillen müssen und man hätte zwecks Erhalt des eigenen internationalen Ansehens als Großmacht versuchen müssen:

- Entweder einen Revanchekrieg zu versuchen und die Deutsche oder die Italienische Einigung rückgängig zu machen um hier neuerlich eine eigene Einflusszone zu etablieren. (Paris hätte bei dem Projekt wegen Elsass-Lothringen sicherlich gerne mitgezogen).
- Zu versuchen zeitnah auf Kosten des Osmanischen Reiches Gebiete auf dem Balkan in die eigene Hand zu bringen oder zumindest eine formale Oberhoheit der Donaumonarchie über diese anerkennen zu lassen. (Hier wäre man wahrscheinlich mit Russland ins Geschäft gekommen).
- Sich nach kolonialen Möglichkeiten in Übersee umzusehen. Denn der "run" auf Afrika, der hatte ja am Anfang der 1870er Jahre noch nicht begonnen. Folglich wäre es relativ einfach und verglichsweise günstig gewesen das eine oder andere Territorium in Afrika in die eigenen Hände zu bringen um über einen kolonialen Spielplatz dort den eigenen Platz am Tisch der Großmächte auf längere Zeit auch für den Fall weiterer außenpolitischer Misserfolge abzusichern.

Warum also passierte das nicht?

Warum sehen wir in den 1880er Jahren kein gesteigertes Interesse der Donaumonarchie in Afrika, obwohl nach den Misserfolgen der vergangenen 20 Jahre eine Konsolidierung der eigenen Großmachtsposition sicherlich auf der Prioritätenliste stand und der Erwerb afrikanischer Gebiete zwecks Kolonisation zunächst keine besondere Herausforderung dargestellt hätte?


Interessant ist, dass die Donaumonarchie nach dem spanisch-amerikanischen Krieg 1898 wohl die Gelegenheit hatte von Spanien dessen Kolonie "Rio de Oro" zu erwerben und auch in dieser Hinsicht verhandelte, das Abkommen dann aber am Veto des ungarischen Parlaments scheiterte, dass dagegen war.

Nun war ja die Zweischneidigkeit weiterer Balkanexpansionen hinsichtlich einer Schwächung des Osmanischen Reiches und damit einer potentiellen Stärkung der Balkanstaaten durchaus bekannt und damit hätte nochmals nahegelgen, sich überseeisch abzussichern, wenn man es denn für so wichtig gehalten hätte.
Wenn aber Kolonien und Einflussgebiete außerhalb des eigenen Territoriums für den Status als Großmacht das damals objektiv entscheidende Kriterium waren, dann hätten die Ungarn darum doch genau so wissen müssen, wie um die zunehmenden Probleme sich weiteren Einfluss am Balkan zu sichern ohne dabei das Osmanische Reich zu schwächen und unerwünschter Weise die Balkanstaaten zu stärken.
Ungarn war ja von eventuellen Territorialforderungen Serbiens und Rumäniens nicht minder, sondern eigentlich wahrscheinlich stärker bedroht, als die Österreichische Reichshälfte.
Warum verweigerte sich Budapest also der Anschaffung eines Ventils für expansive Energien Österreich-Ungarns in Übersee, wenn das doch so wichtig war und sorgte dafür, dass das einzige imperiale Spielfeld der Donaumonarchie der Balkan blieb, obwohl man genau wissen musste, dass es unmöglich sein musste hier Zugewinne zu haben ohne Gefahrenpotentiale durch die Erosion des Osmanischen Reiches herauf zu beschwören?

Die einzige Erklärung, die ich dafür sehe, ist, dass man das Ganze für so wichtig nicht hielt.

Ebenso hätte die Donaumonarchie in den 1870er Jahren die Möglichkeit gehabt einen Teil von Borneo in den eigenen Besitz zu bringen. Man verzichtete darauf.



Wenn wir einfach mal bei bei den realen Möglichkeiten bleiben, die Österreich-Ungarn in Sachen Spielplätzen außerhalb Europas hatte, ohne ins kontrafaktische zu gehen, dann besaß Österreich-Ungarn de facto eine, wenn auch bescheidene Konzession im Chinesischen Tijanjin, war damit in Ostasien/China vertreten und hätte die Möglichkeit gehabt sich Spielplätze in Westafrika und in Südostasien/Borneo zu kaufen.

Das wäre kein besonders beeindruckendes Empire gewesen und wirtschaftlich wahrscheinlich eher ein Klotz am Bein (das waren Bosnienn, die Herzegowina und die Balkanpolitik übrigens auch), wenn aber der Besitz eines Miniatur-Empires die notwendige Qualifikation für den dauerhaften Status einer Großmacht gewesen wäre, hätte die Donaumonarchie sich diesen Status relativ billig kaufen können.

Wenn also ein kleiner auswärtiger Spielplatz hingereicht hätte um als Eintrittskarte zum Club der Großmächte zu fungieren, warum erwarb man den nicht einfach da, wo es günstig unnd weitgehend risikolos war?

Wenn ein kleiner auswärtiger Spielplatz dafür hingegen nicht reichte, dann war dieser Status auch nicht durch ein Miniaturimperium im Westbalkan zu sichern und Österreich-Ungarns Außenpolitik dort wäre nicht nur gefährlich, sondern hinsichtlich der Zielsetzung auch inadäquat gewesen.

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Ich bleibe dabei:

a) Was Österreich im Westbalkan hatte, war nicht groß genug um unter den anderen Großmächten damit Eindruck zu schinden und wäre es selbst dann nicht gewesen, wenn Österreich eine dauerhafte Unterwerfung Serbiens hätte realisieren können.

b) Wenn man in der Donaumonarchie einhellig der Meinung gewesen wäre unbdingt irgendwo ein Mini-Empire haben zu müssen, weil das die Vereinsmitgliedschaft im Club der Großmächte voraussetze, hätte man sich bei Gelegenheit eines gekauft. Das man in Europa handlungs-/expansionstechnisch eingeschränkt war, war ja 1914 keine neuere Entwicklung, sondern das war seit über 40 Jahren der Fall und also hätte man über 40 Jahre Zeit gehabt sich irgendwo ein bescheidenes zweites Standbein zu beschaffen (die Gelegenheit war da) und dass möglicherweise sukkzessive etwas auszubauen.

c) Wenn irgenndwas das Ansehen der Donaumonarchie als Großmacht nachhaltig beschädigen musste, dann dass man sich in eine Rivalität mit Russland wegen des Balkans einließ, in der man allein offensichtlich keine Chance hatte und nur dann etwas erreichen konnte, wenn der "Große Bruder" in Berlin kräftig mithalf.
Das musste im übrigen Europa den Eindruck machen, dass wegen der Balkanpolitik Wien Berlin gegenüber verpflichtet sei und sich von Berlin auch nicht mehr würde lösen und eigenständig aggieren können.
Oder überspitzt gesagt: Das Wien die eigene außenpolitische Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit um der Beherrschung einiger wirtschaftlich größtenteils uninteressanter und rückständiger Gebiete im Westbalkan, an Deutschland verschachert habe.

Hätte Wien auf diese Politik, zu versuchen sich mit von Deutschland geliehenen Mitteln ein Mini-Imperium aufzubauen verzichtet und stattdessen dort vor sich hingewurstelt, wo es das aus eigener Kraft heraus konnte, oder hätte es das einfach völlig bleiben lassen, wäre es nicht in den Ruf gekommen, von berlin abhängig zu sein.
Und das hätte wahrscheinlich dem Großmachtsprestige der Donaumonarchie weit weniger geschadet.

Entscheidender als irgendwelche Positionen zu besitzen, dürfte für den Großmachtsanspruch sein, sie ohne fremde Hilfe behaupten zu können und daher nicht abhängig zu sein.
 
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Wäre mir neu, dass Preußen nach dem Wiener Kongress oder Deutschland frisch nach der Reichsgründung 1871 aber vor der kolonialen Landnahme, auf Grund eines Mangels an Kolonien, der Status als Großmacht von irgnndwem, abgesprochen worden wäre.

Die Kolonialfrage rückte erstmals 1874 in dem Fokus der deutschen Öffentlichkeit durch einen britischen-deutschen Streit um die ertragreichen Pflanzungen, die von deutschen Kaufleuten angelegt worden waren, auf den Fidschi-Inseln. Bismarck lehnte aber jeglichen Kolonialvorhaben ab. Die Engländer taten sich dort keinen großen Zwang an und annektierten das fraglich Archipel.

Die immer deutlicher erkennbaren englisch-australischen Bemühungen, nun möglichst auch noch die letzten unabhängigen Südsee-Inseln zu vereinnahmen, waren für Bismarck u.a. ein Pünktchen seine koloniale Zurückhaltung aufzugeben. Erst 1882 wurde der Deutsche Kolonialverein gegründet. Italien war in Abessinien, Frankreich in Indochchina und die Engländer in Südafrika aktiv. Ohne Frage, Kolonien entsprachen durchaus dem Zeitgeist. Für Bismarck war die Kolonialpolitik lediglich innenpolitisch motiviert. Genauso schnell wie sie begann wurde sie fast per Knopfdruck auch wieder beendet.
 
Wäre mir neu, dass Preußen nach dem Wiener Kongress oder Deutschland frisch nach der Reichsgründung 1871 aber vor der kolonialen Landnahme, auf Grund eines Mangels an Kolonien, der Status als Großmacht von irgnndwem, abgesprochen worden wäre.
Ich kann mich da ganz dunkel zu erinnern, mal gelesen zu haben, dass die Neutralität Preußens während des Krimkrieges eher "negativ" aufgenommen wurde. Die anderen Mächte fragten sich, ob Preußen überhaupt noch eine Großmacht sei.

Also scheint damals schon die Ansicht vorgeherrscht zu haben, dass es nicht ausreicht, auf dem Papier eine Großmacht zu sein, man muss außenpolitisch auch dementsprechend auftreten (und "Stärke zeigen").
 
Es hat auch einen "Moment" gedauert bis Preußen zur Friedenskonferenz 1856 in Paris eingeladen worden war.
 
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Also scheint damals schon die Ansicht vorgeherrscht zu haben, dass es nicht ausreicht, auf dem Papier eine Großmacht zu sein, man muss außenpolitisch auch dementsprechend auftreten (und "Stärke zeigen").
Das man sich diese Frage, im Kontext des Krimkrieges stellte, wird man aber auch im Kontext der 1848er Revolution und vor allem vor dem Hintergrund der Olmützer Punktation von 1850 betrachten müssen.

Die Revolution hatte die innenpolitischen Konflikte/Probleme offen gelegt und in Sachen Olmütz hatte Preußen gerade hingenommen gegenüber Österreich im Bezug auf seinen Deutschlandpolitik zu kapitulieren und einen vollständigen Rückzieher zu machen.

Die politische Niederlage in Olmütz und die damit verbundene Demütigung wäre allerdings vermeidbar gewesen, wenn man das Projekt "Erfurter Union", von Anfang an hätte bleiben lassen und möglicherweise wäre Berlin, wenn es nicht das Diktat von Olmütz hätte schlucken müssen, ernster genommen worden.

Denn in Olmütz ging es ja nicht darum dass eine gewaltätige Expansion Preußens verhindert worden wäre, sondern das Verheerende Ergebnis von Olmütz war ja, dass Preußen sich am Ende verbieten ließ bestimmte Abkommen mit seinen kleineren Nachbarn auf freiwilliger Basis einzugehen, was einem Verzicht auf die volle Souveränität über die eigene Außenpolitik gleichkam.


Eine Demütigung dieser Qualität, wäre der Verzicht auf den Versuch sich den Westbalkan zu unterwerfen aus Sicht der Donaumonarchie kaum gewesen.
 
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