Was wäre, wenn der Erste Weltkrieg nicht stattgefunden hätte?

Österreich-Ungarn unterlag inneren wie äußeren Spannungen und war zudem bemüht, seinen Status als Großmacht zu erhalten. Die Frage, ob Österreich-Ungarn auch ohne Weltkrieg auseinandergebrochen wäre, ist kontrovers diskutiert worden. Bis sich die allgemeine Situation des Landes im Verlauf des Ersten Weltkrieges dramatisch verschlechterte, strebte die Mehrheit der slawischen Bevölkerung keineswegs eine Angliederung an ein Großserbien an, vielmehr stand man mehr oder weniger loyal zur Monarchie und forderte eigentlich nur Reformen.

Außenpolitisch war Österreich-Ungarn isoliert, sogar die Politik des deutschen Bündnispartners lief den Interessen des Juniorpartners zuwider. Es existierten divergierende wirtschaftliche Interessen auf dem Balkan, Österreich-Ungarn wurde von Deutschland aus Gebieten verdrängt, die bis dato im wirtschaftlichen Einflussgebiet der Donaumonarchie gelegen hatten.

Vorab, ich finde kontrafaktische Szenarien durchaus spannend, aber sie müssten sich schon im Rahmen greifbarer alternativer Möglichkeiten befinden, wenn man sie für einigermaßen realistisch betrachten möchte.
Das allerdings wird bei einer Perspektive von mehreren Dekaden in eine alternative Zukunft ohne sich entsprechend weiterentwickelnden oder entwickelbaren Bezugsrahmen nicht zu machen sein.
Vielleicht könnte man einigermaßen plausible Einschätzung grundlegender Tendenzen für die nährer Zukunft äußer, meh aber kaum.

Zum Thema Österreich.

Ich kann um ehrlich zu sein die Fragestellung, ob Österreich-Ungarn langfristig zu erhalten gewesen wäre nicht ganz nachvollziehen, weil es bis in den Ersten Weltkrieg hinein keine wirklichen manifesten Tendenzen gab, die auf ein tatsächliches Auseinanderbrechen hingedeutet hätten.
Es gab lokale Konflikte zwischen den verschiedenen nationalen Gruppen, aber das artete eigentlich nirgendwo in Massenproteste gegen die Donaumonarchie überhaupt, oder in größere Gewalteruptionen aus.
Letzteres hatte es im 19. Jahrhundert in den italienischen Teilen der Donaumonarchie und in Ungarn gegeben, allerdings Wien beide Probleme mehr oder weniger los geworden. Das eine durch den Verlust des Großteils der italienischsprachigen Gebiete, dass Andere duch den Ausgleich von 1867.

Es hatte sich also gezeigt, dass diesen Problem grundsätzlich durch eine entsprechende konziliante Ausgleichspolitik so weit entschärfbar war, dass daraus jedenfalls keine akute Bedrohung für den Staat resultierte.
Aus Sicht der unterschiedlichen nationalen Bewegungen sollte man vielleicht vier weitere Aspekte im Auge behalten:

- Es gab in Österreich-Ungarn keine auf sich allein gestellt zahlenmäßig dominante Bevölkerungsgruppe.
Das ist in der Rezeption innerhalb des sehr stark auf den (ethnischen) Nationalstaat fixierten ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts immer als Schwäche aufgefasst worden.
Man sollte aber velleicht hintrfragen, ob es das tatsächlich war.
Hierzu ein Gedankengang:

Als 1848 im Zuge der damaligen Revolution das Frankfurter Paulskirchenparlament gewählt wurde, wurde diese Wahl in vielen nicht deutschsprachigen Gebieten boykottiert.
Und dieser Boykott wurde von denjenigen nicht deutschsprachigen Volksgruppen mitunter dahingehend Begründet, dass man zwar kein Problem damit habe im multiethnischen Österreich oder in geringerem Maße nultiethnischen Preußen zu bleiben und es durchaus erdulden könne Österreicher oder Preuße zu sein, aber in keinem Fall als marginalisiertes Anhängsel eines deutschen Nationalstaates enden wollte.

Die Österreichisch-Ungarische Monarchie hatte in ihrer Zusammensetzung den ungemeinen Vorteil, dass jede Volksgruppe, die innerhalb des Gesamtkonstrukts lebte in der Minderheit war, Minderheiten sich als nicht oder kaum vor der Majorisierung durch eine einzelne Gruppe fürchten mussten.
Das muss man für das Königreich-Ungarn einzeln betrachtet etwas relativieren, weil innerhalb dieses Raums tatsächlich die Magyaren den Ton angaben, dass wiederrum konnte allerdings für die majorisierten Gruppen durchaus Anlass sein eine engere Bindung zu Wien und zum Kaiser zu suchen um sich innerhalb des Reiches gegen die Magyaren durchzusetzen.

- Es gab ja durchaus auch Rivalitäten der verschiedenen nationalen Gruppen untereinander in bestimmten Provinzen. Die Ukrainischen Kleinbauern in Ostgalizien lagen z.B. chronisch mit den polnischen Grundbesitzern in der gleichen Provinz über Kreuz, so dass Wien in dieser Angelegenheit zum Teil eine gewisse Schiedsrichterfunktion zukam.
Bei einer Abspaltung der Provinz, wäre den beiden Parteien gleichsam auch ihr Schiedsrichter abhanden gekommen und das einzige Auskunftsmittel, was bleibt, wenn kein einigermaßen neutraler akzeptabler Schiedsrichter vorhanden ist, der schlichten kann, ist Interesssen dann eben mit Gewalt durchzuboxen.
In einigen Provinzen konnte durchaus der Gedanke sinnvoll sein, dass eine Zugehörigkeit zur Donaummonarchie, mit allen Schwächen, die sie hatte, immerhin ein Garant dafür sein konnte, dass Konflikte friedlich lösbar waren, auch wenn das Ergebnis durchaus nicht immer den eigenen Wünschen entsprach.

- Ein Teil der Provinzen, im Besonderen die Südslawischen profitierten auch durchaus wirtschaftlich von der Zugehörigkeit zur Donaumonarchie.

- Das Herauslösen der eigenen Provinz aus dem Länderkonglomerat der Donaumonarchie oder mehrerer Provinzen hätte natürlich auch die Frage außenpolitischer Probleme aufgeworfen.
Da wäre man ein Kleinstaat zwischen dem mächtigen Russland und dem mächtigen Deutschland und einem vielleicht nicht ganz so mächtigen , aber ambitonierten Italien gewesen. Deutschland wäre, wenn sich in Folge eines Zerfalls die deutschsprachigen Gebiete Österreich-Ungarns an das Deutsche Kaiserreich angeschlossen hätten, möglichrweise dadurch noch mächtiger geworden.

Nun wäre die Frage gewesen, war es unbedingt so erstrebenbswert als relativ kleiner Staat mitten im Gravitationsfeld mehrerer Großmächte mit durchaus expanisvem Charakter zu liegen.
Oder war die Zugehörigkeit zu einem größeren mulitnationalen Reich, dass diesen Druck von seinem Zuschnitt und seinen Ressourcen her besser aushalten konnte, durchaus die bessere Wahl, wenn man einigermaßen selbstbestimmt leben und nicht permanent Spielball der Großmächte sein wollte?

Wenn man das auf dem Zettel hat und viele Akteure innerhalb der jeweiligen Nationalbewegungen hatten das auf dem Zettel, konnte es durchaus Sinn machen, das eigene Heil eher in Reformen und in Kompromiss innerhalb dieses Reiches zu sehen, als in Separatismus.

Die Vorstellung, dass Österreich-Ungarn durch innere Konflikte in seiner Existenz tatsächlich bedroht gewesen wäre, halte ich für realtiv weit hergeholt.
 
Auch die Vorstellung, dass es an seinen außenpolitischen Problemen scheitern musste.
Der Konflikt mit Russland war hausgemacht und wäre wahrscheinlich zu lösen gewesen, wenn die Donaumonarchie auf eine imperiale Politik auf dem Balkan verzichtet und sich entweder mit dem Status Quo zufrieden gegeben oder anderswo ein Spielfeld gesucht hätte.
Das hätte vorrausgesetzt, Russlands Vorranganspruch auf dem Balkan anzuerkennen, was sicherlich Österreich-Ungarns Prestige geschadet hätte, aber sicher nicht existenzbedrohend gewesen wäre.

Die Probleme, die Wien/Budapest nicht so ohne weiteres aus der Welt schaffen konnte, waren die mit Italien, Serbien und Rumänien, aber die musste Österreich, was ihre militärische Schlagkraft angeht nicht fürchten, so lange sie allein waren, im Besonderen, wenn man sich durch einen Ausgleich mit St. Petersburg Russlands Wohlwollen gesichert hätte.
Ein Grundinteresse an der Erhaltung der Donaumonarchie war für die russische Seite ja bereits durch den Polnischen Teilungskonsens gegeben, wo man ähliche Interessen hatte, die polnische Nationalbewgung einzuhegen und ein unabhängiges Polen auf Kosten eigenen Territoriums zu verhindern.


Hätte Östrreich Ungarn als (europäische) Großmacht eine Zukunft haben können?

Meiner Meinung nach ja, aber nur in einer anderen Bündniskombination. In einer, ich nenne das jetzt mal provokant "Allianz der Verlierer des 19. Jahrhunderts" mit Frankreich wäre Österreich-Ungarn gegenüber seinem Partner noch einigermaßen auf Augenhöhe geweswen. In allen übrigen Kombinationen musste Österrreich-Ungarn hingegen durch die dynamischre Entwicklung der anderen Partner und ihre größeren Ressourcen zunehmend marginalisiert werden, zumal natürlich Österreichs Probleme mit Italien, Rumänien und Serbien eine Hypothek darstellten, die die Donaumonarchie in jedes Bündnis eingebracht hätte, allerdings hätte die Rivalität Österreichs gegenüber Italien ganz gut zu Frankreich gepasst, weil es ja durchaus italienische Nationalisten gab, die auch Ansprüche auf Korsika, Savoyen und Nizza anmeldeten.

Ich denke Österreich-Ungarn hätte durchaus weiterhin eine Rolle als europäische Großmacht spielen können, wenn folgende Bedingungen eingetreten wären:

- Wenn eine deutsch-russsische Verständigung (wohlwollende Neutralität einander gegenüber) beide Bündnisblöcke entwertet und damit das europäische Mächtesystem umgestoßen hätte.
- Wenn Frankreich infolgedessen einen anderen Verbündeten auf dem europäischen Festland gesucht hätte, um sich sicherheitspolitisch gegen Deutschland und gegen die Vorstellungen italienischer Nationalisten abzusicher, die vielleicht irgendwann in Rom ans Ruder kommen könnten.
- Wenn Wien Russlands Vorrang auf dem Balkan anerkannt und ein Bündnis nicht mit der Hypothek der Feindschaft Russlands belastet hätte.

Dieses Szenario ist vielleicht nicht besonders wahrscheinlich, in meinen Augen aber auch nicht undenkbar.

Wenn man in Berlin ohne Krieg zu dem Schluss gekommen wäre, dass egal, wie man sich mühte zu einem Bündnis mit Großbritannien nicht zu kommen war, hätte das im Zeitablauf russlandfreundlicheren Gruppen Auftrieb geben können.
Wäre eine solche Gruppe innerhalb des auswärtigen Amtess zu Macht gekommen und pragmatisch genug gewesen aus der Situation den Schluss zu ziehen, dass die Freundschaft Östrreichs nicht die Feindschaft Russlands wert war, dann würde ich eine solche Wende, jedenfalls den durch Deutschland bedingten Teil nicht für ausgeschlossen halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Was wäre wenn der Erste Weltkrieg nicht stattgefunden hätte?"

Dann hätte nie ein Weltkrieg stattgefunden, denn ein späterer Solcher wäre ja der Erste gewesen. :)
Hört sich albern an, ist es aber nicht gänzlich.

Henry Kissinger (Diplomacy) spricht von einer "doomsday machine" im Vorfeld des Ersten Weltkriegs.
Der technisch militärische Teil besteht darin:
Die stark gesteigerte Geschwindigkeit mit der man eine, ebenso schnell wachsende, Zerstörungskraft bewegen kann, führt dazu, dass bereits eine Mobilisierung eine Kriegserklärung ist. Eine diesem Umstand gewachsene Diplomatie existierte nicht. Dies wiederum ist auch Teil der politischen "doomsday machine"
Iwan Bloch beschreibt bereits 1898 (deutsche Übersetzung 1899) in seinem fundamentalen Werk: - Der zukünftige Krieg in seiner technischen, volkswirtschaftlichen und politischen Bedeutung - eben diesen diesen Zustand. Jede Nation die sich bedroht fühlt, ob zu Recht oder nicht, würde aufgrund der technischen Gegebenheiten geneigt sein als erste loszuschlagen.

Wäre also der Erste Weltkrieg 1914 nicht nach der Ermordung des Franz Ferdinand ausgebrochen, so wäre die "doomsday machine" immer noch präsent gewesen. Zumal sie ja seit 1911/12 durch wahrlich abenteuerliche Rüstungssteigerungen aller großen Mächte weiter an Kraft gewann.
Und hätte man das Jahr 1914 glücklich überstanden, so wäre die Dritte Friedenskonferenz, die für 1915 (vorher 1899 und 1907) angesetzt war, vielleicht eine Chance gewesen das Pulverfass zu entschärfen.
Ich würde aber eher vermuten, dass auch da der Narrentanz auf dem Vulkan weitergegangen wäre.

(..ach, so denk ich mir, wenn das Pferd ein Katze wär, man könnte die Bäume hinaufreiten.
Kann es nicht, doch unsere Gedanken können es. )
 
Die stark gesteigerte Geschwindigkeit mit der man eine, ebenso schnell wachsende, Zerstörungskraft bewegen kann, führt dazu, dass bereits eine Mobilisierung eine Kriegserklärung ist.
Das halte ich für etwas überspitzt, es kam schon auch drauf an, wer mobil machte.

Als während der Balkankriege Österreich-Ungarn mobil machte, erzeugte das eine gefährliche Krise, führte aber nicht unmittelbar in den Weltkrieg weil Österreich-Ungarn als Randakteur nicht potentiell gefährlich genug war um die anderen Großmächte zu kriegerischen Gegenmaßnahmen zu zwingen um sich selbst zu schützen.
Wahrscheinlich hätte selbst eine französische Mobilmachung nicht direkt einen Krieg ausgelöst, weil Deutschland das im Westen hätte abfangen können, wenn Russland sich ruhig verhielt.

Die beiden Akteure, die nicht vollmobil machen konnten (jjedenfalls nicht ohne durch eine andere Mobilmachung oder einen Angriff provoziert zu sein) ohne Europa in den Krieg zu stürzen waren Deutschland und Russland und das vor allem durch die Mittellage Deutschlands und den Russisch-Französischen Zweibund bedingt.

Wobei allerdings beide relativ weite Spielräume hatten, eine eigene Mobilisation hinauszuschieben.

Deutschland konnte sehr schnell mobilmachen, so dass ein Aufwachsen der Truppen im Verteidigungsfall gegen eine einzige Großmacht zu machen gewesen wäre, bevor der Gegner Gelegenheit gehabt hätte extremen Schaden anzurichten und Russland war durch sein Bündnis mit Frankreich geschützt, dass in jedem Fall einen Teil der deutschen Kräfte im Fall einer deutschen Agrression binden würde, so dass volle Stoßkraft in Richtung Russland zu entwickeln nicht möglich gewesen wäre, außerdem arbeitete man am Ausbau der strategischen Bahnen und damit der eigenen Reaktionsfähigkeit.

Außerdem musste die unterschiedliche Spurweite der Eisenbahnen Angriffsbewegungen und damit Zerstörungspotential deutlich verlangsamen.

Verderblich dürfte eher der Umstand gewesen sein, dass es die europäischen Regierungen für sinnvoll hielten Mobilmachungen als Drohgebärden einzusetzen, nicht nur um abzuschrecken, sondern um politische Ziele durchzusetzen, in Fragen, die das eigene Land nur mittelbar betrafen und dafür zu sorgen, dass das mitunter genau so verstanden wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weise darauf hin, dass dies nicht Stand der Forschung ist.
Sehr ausführlich findet sich eine Diskussion darüber hier: Liman-von-Sanders-Krise und die Dardanellen. (..Ein Versuch)

Möglicherweise hast du nicht bemerkt, das ich selbst auf den Liman-Faden hingewiesen habe.

Am 27.November wurde der Vertrag unterschrieben. Schon am 05.Dezember schloß Jagow eine Velegung der Mission nicht mehr aus.

Henry Kissinger (Diplomacy) spricht von einer "doomsday machine" im Vorfeld des Ersten Weltkriegs

Ob das Buch aus dem Jahre 1994 nun noch dem dem Stand der Forschung entspricht? Kissinger beschäftig sich gerade einmal über ganze 38 Seiten mit dem Krisen am Vorabend des Weltkrieges. Dem Weltkrieg selbst sind opulente 18 Seiten gewidmet. Da ist wohl kein. Platz für tief schürfende Analysen.

Was du interessanterweise nicht erwähnst, ist, das Kissinger den ersten Schritt in der Militärkonvention zwischen Russland und Frankreich sieht.

ls während der Balkankriege Österreich-Ungarn mobil machte, erzeugte das eine gefährliche Krise, führte aber nicht unmittelbar in den Weltkrieg weil Österreich-Ungarn als Randakteur nicht potentiell gefährlich genug war um die anderen Großmächte zu kriegerischen Gegenmaßnahmen zu zwingen um sich selbst zu schützen.

Und wie erklärst du dir dann Sasonow seinen Vorschlag vom 04.November 1912 gemeinsam mit Frankreich und England einen militärischen Präventivschlag gegen Österreich-Ungarn zu führen?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vielleicht verstehe ich dich miss, aber das ist doch genau die Denke des 19. und frühen 20. Jhdts.
Für mich liest sich das wie eine Wertung, die ich als unzeitgemäß revanchistisch bezeichnen würde.
Mir war als eindeutig revisionistisch im erwähnten Zeitraum (!) eigentlich nur die franz. Haltung bekannt (schmollen wegen 70/71) und deswegen ist mir nicht klar, was an einer sachlichen Darstellung der Diplomatie des dt. Kaiserreichs in diesem Zeitraum "revisionistisch" sein soll...
Ansonsten: die "Denke" des erwähnten Zeitraums hat u.a. Zola, Hoffmannstal, Th.&H.Mann, Fontane, Puccini, Skrjabins etc etc etc hervorgebracht, die "Denke" des 21. Jhs. ... gibt's da schon eine?...
 
Und wie erklärst du dir dann Sasonow seinen Vorschlag vom 04.November 1912 gemeinsam mit Frankreich und England einen militärischen Präventivschlag gegen Österreich-Ungarn zu führen?
Um ehrlich zu sein, sehe ich den widerspruch zu meiner Einlassung nicht.
Das in Reaktion auf die Österreichsche Mobilmachung 1912 von russischer Seite her eine kriegerische Aktion erwogen wurde, bedeutete keinen Automatismus für einen Weltkrieg.
Der wäre nur dann gegeben gewesen, wenn Frankreich und Großbritannien die Auffausung der Notwendigkeit eines Vorgehens geteilt hätten.
Das war aber nicht der Fall, weswegen es nicht zum Krieg deswegen kam.
Die Situation war sicher nicht ungefährlich, konnte aber eingehegt werden.

Ich werde dich nicht darauf hinweisen müssen, dass in den französisch-russsischen Unterhandlungen von französischer Seite her auch explizit klargestellt wurde, dass man den "casus foederis" wegen der Mobilmachung einer der Zentralmächte gegenüber Russland nicht gegeben sah, sofern es sich lediglich um eine Mobilmachung Österreich-Ungarns handelte, die sich gegen einen der Balkanstaaten richtete?

Eine bündnistechische Verpflichtung Großbritanniens im Falle der Mobilmachung einer der Zentralmächte Russland militärissch beizustehen und Krieg gegen die Zentralmächte zu führen, wie sich das aus dem französisch-russischen Zweibund ergab, existierte ja ohnehin nicht.
 
Ich werde dich nicht darauf hinweisen müssen, dass in den französisch-russsischen Unterhandlungen von französischer Seite her auch explizit klargestellt wurde, dass man den "casus foederis" wegen der Mobilmachung einer der Zentralmächte gegenüber Russland nicht gegeben sah, sofern es sich lediglich um eine Mobilmachung Österreich-Ungarns handelte, die sich gegen einen der Balkanstaaten richtete?

Du weißt schon, ich habe hier im Forum ja schon mehrfach darauf verwiesen, das Poincaré den Bündnisfall ausgeweitet hatte. Der galt jetzt auch, wenn Russland Österreich-Ungarn angreifen würde. Und es war Poincaré seine Idee, seine Initiative einen Präventivschlag gegen Österreich-Ungarn durchzuführen. Clark sprich in diesem Kontext von einer Balkanisierung der französischen Außenpolitik.

Um ehrlich zu sein, sehe ich den widerspruch zu meiner Einlassung nicht.
Das in Reaktion auf die Österreichsche Mobilmachung 1912 von russischer Seite her eine kriegerische Aktion erwogen wurde, bedeutete keinen Automatismus für einen Weltkrieg.

Wieso sprichst du von erwogen? Das war ein konkreter Vorschlag zu Aktion von Poincaré an Sasonow, dem dieser aufgegriffen hat und dann seinerseits in Paris und London anfragte, wie sich diese verhalten, wenn Russland sich gezwungen sehe, zu den Waffen zu greifen. Wenn Grey einer konkreten Festlegung, wie bei ihm üblich, nicht ausgewichen wäre, würde ich ganz stark davon ausgehen, das dann ein Krieg ausgebrochen wäre.
 
Mir wird die Debatte jetzt zu breit, ich würde lieber langfristige Tendenzen herausarbeiten.

Hierzu ein paar Anmerkungen, die Leitlinien sind meiner Meinung nah.
1. Aufgrund ihres Potentials war ein Aufstieg der Russen und der USA unvermeidlich.
2. Aufgrund ihrer Stärke u. Dynamik waren sie jeweils beide von der Bevölkerung deutlich stärker als die nächsten 2 bis 3 europäischen Mächte zusammen.
3. Man kann Österreich-Ungarn nicht ohne das deutsche Kaiserreich denken, eine Debatte, Österreich-Ungarn könnte irgendwie eine eigenständige Lösung führen ist künstlich und geht am Thema vorbei.
4. Aufgrund des Aufstiegs der Russen waren das osmanische Reich und Österreich-Ungarn unmittelbar bedroht, ein Verständigung mit Rußland wäre nur unter Opferung beider Imperien möglich gewesen.
5. Die Entente bestehend aus Frankreich und Rußland hatte so ein starke Veränderung des Machtgefüge einhergebracht, dass alle anderen Mächte hierdurch bedroht waren. Man darf nicht vergessen, dass in den ersten Entente Abmachungen auch kriegerische Planungen gegen England enthalten waren. Hieraus zwang die reine Existenz dieser Kombination alle anderen Mächte zu einer Reaktion.

Bismarcks Lösung: Bündnis mit Russland unter Opferung Österreich-Ungarns, wohlmöglich Anschluss von Österreich, Tschechien u Slowenien an Deutschland, Ungarn selbstständig und die polnisch u galizischen Teile an Rußland. Eine Lösung, die zumindest einen Zeitgewinn mitgebracht hätte.

Bedenkt man diese Leitlinien, wird klar, warum die deutsche Politik war, wie sie war. Anfang 1900 hätte Deutschland noch selbstständig Dinge ändern können, ein Abwarten brachte sie strategisch in die Zwickmühle. Ein Abwarten hätte Deutschland egal in welche Kombination immer nur zum Juniorpartner in einer Kombination mit den USA oder den Russen gemacht.
 
Zu 3. Sehe ich auch so. Rumänien, Italien und Serbien schielten alle auf das Territorium der Monarchie.

Zu 4. Der Aufstieg Russlands war von französischen Kapital abhängig. Paris machte eindeutige Vorgaben wofür das Geld ausgegeben werden sollte; diese waren militärischer Natur. Also ob Russland wirklich so schnell aufgestiegen wäre?

Zu 5: Schon Kenan nannte das Bündnis zwischen Frankreich und Russland zu Recht die unheilvolle Allianz. Richtig problematisch wurde es dann, als ein Poincaré zuerst an die Spitze der Regierung und dann kurz danach an die Spitze des Staates trat.

Bismarck hat immer in Russland die Gefahr für den europäischen Frieden gesehen. Deshalb hat er in seiner langjährigen Amtszeit auch nie den Draht nach Russland abreißen lassen. Als er dann 1890 von den unerfahrenen und großmäuligen Wilhelm II. gefeuert wurde, gewann Friedrich von Holstein als graue Eminenz im AA erheblich an Einfluss. Er war es gewesen, der die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland durchsetzte. Die Folgen sind bekannt und konnten nicht mehr "repariert" werden.
 
Du weißt schon, ich habe hier im Forum ja schon mehrfach darauf verwiesen, das Poincaré den Bündnisfall ausgeweitet hatte.
Und du weißt, dass ich dich schon mehrfach darauf hingwiesen hatte, dass deine Auffassung davon meiner Meinung nach nicht zutreffend ist und auch warum.

Der galt jetzt auch, wenn Russland Österreich-Ungarn angreifen würde. Und es war Poincaré seine Idee, seine Initiative einen Präventivschlag gegen Österreich-Ungarn durchzuführen. Clark sprich in diesem Kontext von einer Balkanisierung der französischen Außenpolitik.
Du übergehst wieder den Umstand der frannzösischen Innenpolitik, weil du dich zu sehr auf die Diplomaten und Außenminister und Regierungschefs fokussierst.

Ob diese bereit waren Krieg zu führen oder nicht, war gänzlich irrelevant, wenn es keine Möglichkeit gab, die restliche Regierung, das Parlament und vor allem die Bevölkerung für einen rieg auch tatsächlich zu mobilisieren.
Das war ein konkreter Vorschlag zu Aktion von Poincaré an Sasonow, dem dieser aufgegriffen hat und dann seinerseits in Paris und London anfragte, wie sich diese verhalten, wenn Russland sich gezwungen sehe, zu den Waffen zu greifen.
Und warum glaubst du wohl, dass Sasonow in Paris anfragen ließ und sondiren ließ wo doch die Anregung von Poincaré kam?

Offensichtlich deswegen, weil ihm klar war, dass Frankreich nicht einfach an der Seite Russlands in den Krieg, zumal in einen Angriffskrieg ziehen oder einen russischen Angriffskrieg tolerieren würde, nur weil der gegenwärtige französsische Regierungschef auf diesem Standpunkt stand.
 
1. Aufgrund ihres Potentials war ein Aufstieg der Russen und der USA unvermeidlich.
Amerika ja, Russland nein. In Russland zeigen sich spätestens mit der Revolution von 1905 ganz erhebliche gesellschaftliche Probleme deren Bewältigung auch ohne Weltkrieg kein Selbtläufer gewesen wäre.

Ich finde es ja immer hochspannend, dass Österreich-Ungarn obwohl es da seit 1867 keine größeren inneren Konflikte mehr gegeben hatte, als Akteur rückwirkend als ohne Zukunft betrachtet und abgeschrieben wird, während Russland, in dem die nationalen Minderheiten viel mehr Grund zum Aufbegehren hatten und dass 1905 seine Revolution hatte, als nachhaltig stabil betrachtet wird.
Da stimmen die Relationen nicht.

Überhaupt ist Potential keine Garantie dafür, dass das auch ausgeschöpft wird. Enormes wirtschaftliches Potential hat Russland immer gehabt. Es hat aber nie wirklich etwas daraus machen können.

2. Aufgrund ihrer Stärke u. Dynamik waren sie jeweils beide von der Bevölkerung deutlich stärker als die nächsten 2 bis 3 europäischen Mächte zusammen.

Die Bevölkerung der USA war damals deutlich kleiner, als diejenige Deutschlands und Großbritanniens zusammen.
Die USA hatten gmäß Zensus von 1910 etwas mehr als 92 millionen Einwohner.

Großbritanninen hatte im Zensus von 1911 an die 63 Millionen Einwohner (und da waren die Kolonien selbstredend nicht mitgerechnet), Deutschland ging auf die 70 Millonen Einwohner zu, zusammen hatten beide also 130 Millionen Einwohner.
Damals also noch 40 Millionen Einwohner mehr als die USA und damals hatte Deutschland auch noch relativ stark Zuwachsraten, was die Bevölkerung betrifft, das bremste sich erst nach dem 1. Weltkrig aus.

Russland war deutlich bevölkerungsreicher, aber eben auch rückständiger, so dass weder beim Militär, noch bei der Wirtschaft pro Kopf (was di Leistungsfähigkeit betrifft) Parität mit Deutschland annähernd in Sicht war.

Man kann Österreich-Ungarn nicht ohne das deutsche Kaiserreich denken
Natürlich kann man das.

eine Debatte, Österreich-Ungarn könnte irgendwie eine eigenständige Lösung führen ist künstlich und geht am Thema vorbei.
Künstlich ist eher die Vorstellung, Österreich-Ungarn sei nichts weiter als eine Art vassallenhafer Annex Deutschlands gewesen.
Die Art und Weise, wie es Wien gelang Deutschland auf die Unterstützung der eigenen Balkanpolitik gegen Russland festzulgen beweist, dass Österreich-Ungarn in gewissen Konstellationen durchaus immenses politisches Gewicht hatte.


4. Aufgrund des Aufstiegs der Russen waren das osmanische Reich und Österreich-Ungarn unmittelbar bedroht, ein Verständigung mit Rußland wäre nur unter Opferung beider Imperien möglich gewesen.
Warum genau hätte Östrreich-Ungarn bedroht sein sollen?

Das Osmanische Reich ja, weil Russland hier Territorialinteressen hatte (Meerengen), worum jeder wusste. Welche Interessen territorialer Art aber hatte es gegenüber Österreich-Ungarn, vor dem 1. Weltkrieg? Keine.

Russland war Österreichs Rivale auf dem Balkan und Östrreichs Partner in Polen und der Ukraine. Die Beziehungen zwischen den Mächten damals waren durchaus vielschichtig.

Die Entente bestehend aus Frankreich und Rußland hatte so ein starke Veränderung des Machtgefüge einhergebracht, dass alle anderen Mächte hierdurch bedroht waren.
Eigentlich nicht, eigentlich stellte die Entente so lange Großbritannien noch nicht dazu gehörte lediglich ein Gegengewicht zum Dreibund dar und wurde auch nur durch dessen Bestand überhaupt zusammengehalten.

Bündnisse sind nie kostenlos. Es sind immer Verpflichtungen gegenüber dem jeweiligen Partner.

Der Gedanke dass Russland sich weiterhin für französische Sicherheitsinteressen in die Pflicht hätte nehmen lassen, wenn das nicht notwendig gewesen wäre um einen Partner zu finden um die eigene Balkanpolitik durchzuboxen, ist abwegig.
Der französisch Russische Zweibund war nur so lange zusammen zu halten, wie für Russland der Nutzen, die daruch verursachten Kosten aufwog, was bei einem Ausgleich zwischen Russland und Österreich-Ungarn oder Deutschland nicht mehr gegeben gewesen wäre.

Bismarcks Lösung: Bündnis mit Russland unter Opferung Österreich-Ungarns, wohlmöglich Anschluss von Österreich, Tschechien u Slowenien an Deutschland, Ungarn selbstständig und die polnisch u galizischen Teile an Rußland. Eine Lösung, die zumindest einen Zeitgewinn mitgebracht hätte.
Es war ja gerade nicht seine Lösung, er scheute den Schritt sich von Österreich loszusagen und sich mit Russland zu verständigen.
Möglicherweise der größte Fehler der deutschen Außenpolitik vor dem 1. Weltkrieg.

Bedenkt man diese Leitlinien, wird klar, warum die deutsche Politik war, wie sie war. Anfang 1900 hätte Deutschland noch selbstständig Dinge ändern können, ein Abwarten brachte sie strategisch in die Zwickmühle. Ein Abwarten hätte Deutschland egal in welche Kombination immer nur zum Juniorpartner in einer Kombination mit den USA oder den Russen gemacht.
Ein Kombination mit den USA war zu diese Zeitpunkt völlig abwegig und Hinsichtlich Russland hätte man durchaus auf Augenhöhe aggieren können.
 
weil du dich zu sehr auf die Diplomaten und Außenminister und Regierungschefs fokussierst.

Das liegt wohl daran, das diese nun einmal die Außenpolitik machten und machen. Und du kannst Poincarés bedeutende Veränderung des Bündnisses und im vorliegendem Fall des sehr schwerwiegenden Vorschlags eines militärischen Präventivschlages einfach mit dem Hinweis auf die Innenpolitik. Poincaré wird wohl kaum so ein Vorschlag ventiliert haben, ohne sich seiner Sache sicher zu sein. Ansonsten würde er sich lächerlich machen und niemanden mehr ernst genommen werden. Das war bei Poincaré aber nicht der Fall.

Ob diese bereit waren Krieg zu führen oder nicht, war gänzlich irrelevant, wenn es keine Möglichkeit gab, die restliche Regierung, das Parlament und vor allem die Bevölkerung für einen rieg auch tatsächlich zu mobilisieren.

Kann mich nicht erinnern, das 1914 Sasonow und Co. ihre Bevölkerung befragt haben. Die veröffentliche Meinung ließ sich damals gut manipulieren, und wurde es auch, so bekam man die Bevölkerung schon auf die gewünschte "Linie." Und ein Krieg gegen Österreich-Ungarn wäre in Russland ohne jede Frage sehr populär gewesen. Da hätte es keines großen Engagements gebraucht. Frankreich wäre zur Stelle gewesen. Die einzige Schwierigkeit lag bei Großbritannien.

Und warum glaubst du wohl, dass Sasonow in Paris anfragen ließ und sondiren ließ wo doch die Anregung von Poincaré kam?

Die Briten hätten doch wohl sofort bei ihrem Botschafter in Paris nachgefragt, ob dort auch eine entsprechende Anfrage eingegangen sei. Nein, das hat Sasonow schon "richtig" angefasst.
Offensichtlich deswegen, weil ihm klar war, dass Frankreich nicht einfach an der Seite Russlands in den Krieg, zumal in einen Angriffskrieg ziehen oder einen russischen Angriffskrieg tolerieren würde, nur weil der gegenwärtige französsische Regierungschef auf diesem Standpunkt stand

Ganz bestimmt nicht. Du unterschätzt die Macht und Stärke von dem Präsidenten Poincaré. Er war das entscheidende Element, der ausschlaggebende Faktor in der französischen Außenpolitik. Schau dir die Besuche Poincarés in Petersburg 1912 und 1914 an. Der französische Außenminister war da nur Statist.

Du machst Poincaré viel kleiner, als er es war. Er war in Frankreich nicht klein, sonder sehr groß.
 
Die Bevölkerung der USA war damals deutlich kleiner, als diejenige Deutschlands und Großbritanniens zusammen.
Die USA hatten gmäß Zensus von 1910 etwas mehr als 92 millionen Einwohner.

Großbritanninen hatte im Zensus von 1911 an die 63 Millionen Einwohner (und da waren die Kolonien selbstredend nicht mitgerechnet), Deutschland ging auf die 70 Millonen Einwohner zu, zusammen hatten beide also 130 Millionen Einwohner.
Damals also noch 40 Millionen Einwohner mehr als die USA und damals hatte Deutschland auch noch relativ stark Zuwachsraten, was die Bevölkerung betrifft, das bremste sich erst nach dem 1. Weltkrig aus.

Russland war deutlich bevölkerungsreicher, aber eben auch rückständiger, so dass weder beim Militär, noch bei der Wirtschaft pro Kopf (was di Leistungsfähigkeit betrifft) Parität mit Deutschland annähernd in Sicht war.
Witzig, dass du dieses Thema ansprichst. Ich hatte extra für diesen Strang angefangen, mich mit Bevölkerungszahlen und -zuwächsen zu beschäftigen, um in etwa abzuschätzen, wie sich die Bevölkerung ohne Krieg entwickelt hätte.

Ich habe vor allem Zahlen für 1907:
1. Kaiserreich China: 419 Mio.
2. Britisches Empire: 391 Mio.
- Britisch-Indien: 289 Mio.
- Vereinigtes Königreich: 39 Mio.
3. Russisches Reich: 170 - 180 Mio.
- Russland (+ Ukraine + Belarus): 151 Mio.
- Polen: 17 Mio.
4. Frankreich + Kolonien: 140 Mio.
- Frankreich: 39 Mio.
5. USA + Kolonien: 96 Mio.
- USA: 87 Mio.
- Philippinen: 7 Mio.
6. Deutschland + Kolonien: 78 Mio.
- Deutschland: 67 Mio.
7. Niederlande + Kolonien: 51 Mio.
- Niederlande: 5 Mio.
- Niederländisch-Ostindien: 45 Mio.
8. Österreich-Ungarn: 50 Mio.
9. Kaiserreich Japan: 45 Mio.
- Japan: 42 Mio.
- Formosa: 3 Mio.
10. Italien + Kolonien: 35 Mio.
- Italien: 34 Mio.
11. Osmanisches Reich: 21 Mio.
12. Spanien + Kolonien: 21 Mio.
- Spanien: 20 Mio.

Rangfolge ohne Kolonien:
1. China: 419 Mio.
2. Indien: 289 Mio.
3. Russland: 170 - 180 Mio.
4. USA: 87 Mio.
5. Deutschland: 67 Mio.
6. Österreich-Ungarn: 50 Mio.
7. Japan: 45 Mio.
8. Indonesien: 45 Mio.
9. Vereinigtes Königreich: 39 Mio.
10. Frankreich: 39 Mio.

Jährliche Zuwächse 1900 - 1914 (noch nicht vollständig):
(durchschnittlich):

Italien: 378.000
Großbritannien: 453.000
Frankreich: 58.000
Deutschland: 845.000

Bis zum Kriegsbeginn ist dann Großbritannien deutlich an Frankreich vorbeigezogen (~ GB: 46 Mio. Einwohner, Frankreich: ~ 40 Mio.)
 
Das in Reaktion auf die Österreichsche Mobilmachung 1912 von russischer Seite her eine kriegerische Aktion erwogen wurde, bedeutete keinen Automatismus für einen Weltkrieg.
??Was ist denn das??
Gibt es spezielle Weltkriege auslösende Automatismen??? Davon hab ich noch nie gehört (macht nix, wir sind ja in einem was wäre wenn Spekulatius-Faden) ;)
 
Das liegt wohl daran, das diese nun einmal die Außenpolitik machten und machen.
Das mag ja sein, allerdings hatten sie weder damals noch heute die Befugnis mal eben eigenmächtig über Krieg und Frieden zu entscheiden.

Und du kannst Poincarés bedeutende Veränderung des Bündnisses und im vorliegendem Fall des sehr schwerwiegenden Vorschlags eines militärischen Präventivschlages einfach mit dem Hinweis auf die Innenpolitik.
Frankreich hatte kein Söldnerheer, dass man mal eben in Kabinettskriege hätte schicken können

In Großbritannien, wo die Armee eine Berufsarmee war und nicht aus Wehrpflichtigen bestand und durch die Seeüberlegenheit keine Gefahr bestand, dass das Bummerang-Effekt für das eigene Land haben könnte, hätte eine Regierung vielleicht ohne Rücksicht auf die Stimung im Land unpopuläre Kriege lostreten können.

In Frankreich nicht. Da mussten die Soldaten, die diesen Krieg führen sollten und die Bevölkerung, die ihre Söhne dafür abliefern sollte, schon auch davon überzeugt werden. Das wäre im Fall eines Verteidigungskrieges gegen den Erzfeind Deutschland sicher zu machen gewesen.
Die Schnapsideallerdings einen russischen Angriffskrieg gegen Österreich zu unterstützen, mit dem man eigentlich kein Problem hatte unter Gefahr damit einen Weltkrieg loszutreten, hätte wohl aum besondere Zustimmung gefunden.

Poincaré wird wohl kaum so ein Vorschlag ventiliert haben, ohne sich seiner Sache sicher zu sein.
Und der Nachweis dafür? Gibt es irgendwelche Nachweise dafür, dass Poincaré mal in der Regierung oder im Parlament sondiert hätte, ob an bereit gewesen wäre einen Angriffskrieg am anderen Ende Europas mitzutragen um damit möglicherweise den nächsten Konflit mit Deutschland anzuzetteln, während auf britische Unterstützung dann nicht zu rechnen gewesen wäre?

Kann mich nicht erinnern, das 1914 Sasonow und Co. ihre Bevölkerung befragt haben.
Ich mich aber daran, dass sich die Regierung Bethmann-Hollweg 1914 sehr darum bemühte etwaiger Aggitation gegen den Krieg und Streikmaßnahmen seitens der Sozialdemokratie vorzubauen, weil man sich durchaus darüber im Klaren war, dass Krieg zu führen war, wenn ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung strikt dagegen gewesen wäre und Gefahr bestand, dass ein Generalstreik Fabriken und Bahnen lahmlegen und Teile der Armee sich weigern würden da mit zu machen.

Die veröffentliche Meinung ließ sich damals gut manipulieren, und wurde es auch, so bekam man die Bevölkerung schon auf die gewünschte "Linie."
Das mag im Zaristischen Russland so gewesen sein, wo die Regierung die Möglichkeit hatte eine relativ scharfe Pressezensur durchzusetzen um Gegenstimmen zum Verstummen zu bringen und wo es keine in dem Sinne durchpolitisierte Offentlichkeit und Massenparteien wie in Westeuropa gab.

Aber Frankreich ist nicht Russland. Poincaré konnte nicht mal eben die sozialistischen Zeitungen und Organisationen verbieten dafür musste er aber mit wesentlich stärkeren Netzwerken in genau diesem Millieu rechnen, die gegen einen Angriffskrieg auf die Barrikaden gehen würden.

1914 Konnte die Deutsche Regierung den Kriegskurs durchsetzen, weil Russland mobilisierte und sich die Bevölkerung davon bedroht sah, die französische Regierung wiederrum deswegen, weil Deutschland mobil machte und im Westen aufmarschieren ließ, was wiederrum in Frankreich als Bedrohung empfunden werden konnte, und weil es ohnehin der Erzfeind war.
Österreich-Ungarn hielt in 1914 aber niemand in Frankreich für den Erzfeind, noch war eine Mobilisierung Österreich-Ungarns, dass überhaupt keine Grenze zu Frankreich hatte, geeignet die französische Bevölkerung in Panik wegen eines evt. bevorstehenden Überfalls zu versetzen.

Ganz bestimmt nicht. Du unterschätzt die Macht und Stärke von dem Präsidenten Poincaré.
Nein, du überschätzt diesen Faktor erheblich. Du tust regelmäßig so, als wäre Poincaré eine Art Napoléon gewesen, der Frankreich nach eigenem Gusto bei Bedarf in jeden erwünschten Krieg hätte führenn können, ohne Rücksicht auf Parlament und Bevölkerung nehmen zu müssen.
Poincaré war Frankreichs Regierungschef, nicht sein allmächtiger Diktator.
 
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Witzig, dass du dieses Thema ansprichst. Ich hatte extra für diesen Strang angefangen, mich mit Bevölkerungszahlen und -zuwächsen zu beschäftigen, um in etwa abzuschätzen, wie sich die Bevölkerung ohne Krieg entwickelt hätte.
Ich muss mich da übrigens korrigieren, ich war bei GB wegen der Bevölkerungszahl beim Ablesen in der Spalte verrutscht, deine Angabe hierzu ist natürlich richtig.

Ändert allerdings nichts am Befund, dass am Beginn des 1. Weltkriegs die USA nicht bevölkerungsreicher waren, als die zwei großten europäischen Staaten, außer Russland, sondern dass das Verhältnis zu diesem Zeitpunkt noch umgekehrt war.

Die USA wuchsen zwar noch immer rasant durch Einwanderung, allerdings gab zu dem Zeitpunkt auch bereits Stimmen in den USA, die eine Beschränkung der Zuwanderung, im Besonderen von Katholiken, Osteuropäern und Asiaten forderten.

Das die USA deutlich bevölkerungsstärker sind, als die beiden größten nichtrussischen Akteure innerhalb Europas ist eigentlich etwas, was sich erst nach dem 2. Weltkrieg ergibt.
Das Land war auf Grund seiner sehr weit entwickelten Produktionsmethoden vor dem 1. Weltkrieg bereits ein Industrietitan und das führende Industrieland der Welt (wovon allerdings außerhalb mitunter wenig zu merken war, weil der US-Ameerikanische Binnenmarkt noch in der Lage war einen Großteil des Kapitals und der Erzeugnisse aufzunehmen).
Aber eine demographische Supermacht war das um 1910 noch nicht.
 
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Ich verstehe den Strangtitel so, dass die Frage ist, was wäre passiert, wenn 1914 kein Krieg stattgefunden hätte und die Entwicklung dann 10, 15 oder 20 Jahre so weitergelaufen wäre. Genau so habe ich meine Punkte aufgeschrieben, und dies entspricht auch dem Strangtitel.
Warum jetzt hier jemand meint Dinge aus dem Jahr 1900 und 1910 zu diskutieren, verstehe ich. Das ist doch gar nicht das Thema.
Das Wachstum der USA war gigantisch und wäre auch ohne Krieg über Jahre gigantisch gewesen. Das Wachstum der Russen aber auch, ohne zwei Kriege gigantisch. Beide Staaten hätten die europäischen Staaten deutlich überragt.

Zu den Tendenzen möchte ich noch folgende Entwicklung ergänzen:
Die jeweils kleineren Bündnispartner wären jeweils immer abhängiger geworden.
Österreich-Ungarn wäre über kurz oder lang zu einem Anhängsel Deutschlands geworden, und genauso hatte Grey es auch schon mindestens ab 1908 behandelt.
Frankreich wäre in der Verbindung zu Rußland in eine totale Abhängigkeit geraten. Es wäre gar nicht mehr fähig gewesen eine eigenständige Außenpolitik zu machen. Ein starkes Rußland hätte im Jahr 1925 nur mit einer Lockerung des Bündnis drohen müssen, und Frankreich wäre gegen Deutschland völlig chancenlos gewesen.
 
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