Shin, Du darfst aber bei GB und USA die geographischen Verhältnisse nicht übersehen. Statt Landmacht bei GB Seemacht, bei der Insellage nur logisch, bei den USA ein anderer Kontinent, zudem sehr groß mit entsprechendem Menschen-und Industriepotential. Bei beiden Mächten ist ein großes stehendes Heer nicht zwingend notwendig, es bleibt aufgrund der Begebenheit wohl Zeit zur Mobilisierung der notwendigen Kräfte. Diese Zeit haben die kontinentaleuropäischen Mächte nicht.
Ich übersehe das nicht.
Ich komme nur nicht umhin, zu bemerken, dass die Kriterien
warum eine Macht als Großmacht angesehen würde, von Fall zu Fall offensichtlich sehr verschieden waren.
Bei den Briten, waren es die Flotte und die überseeischen Kolonien. Bei den Amerikanern war es vorwiegend die Wirtschaft, gar nicht so sehr das Militärische, denn das war kaum vorhanden. Bei Deutschland war es in den 1870er Jahren vor allem die Armee.
Bei Russland war es die Armee und der ausgedehnte Landbesitz und Einfluss in Nachbarregionen, bei Frankreich eine Mischung von allem.
Aber jeder dieser Mächte fehlte etwas:
- Die Briten hatten kein adäquates Landheer und waren in jedem innereuropäischen Konflikt deswegen auf einen Festlandverbündeten angewiesen, konten in innereuropäischen Kriesen und Kriegen also nicht eigenständig als partei aggieren, sondern waren dazu nur außerhalb Europas fähig.
Wenn der Umstand in Europäischen Auseinandersetzungen in der Regel eher Juniorpartner zu sein einen Kandidaten als Großmacht disqualifizierte, dieses Defizit teilte die Donaumonarchie mit dem Vereinigten Königreich.
Den Umstand militärisch einem oder mehrere größeren Nachbarn unterlegen zu sein, teilte es mit Frankreich.
- Den Amerikanern fehlten (in noch größerem Maße als denn Briten) überhaupt die Landstreitkräfte um außerhalb der Staaten im größeren Maße über punktuelle Interventionen hinaus aggieren zu können.
- Russland hatte Militär und Einfluss, aber keine wirtschaftliche Macht und nach dem Verkauf von Alaska auch keine überseeinsiichenn Besitzungen.
Natürlich lässt sich der asiatische Annhang Russland als eine Art nicht überseeischer Kolonie verstehen, dass trifft aber auch auf Teile des Österreichischen Balkans, vor allem Bosnien-Herzegowina zu, dass nie voll in die Donaumonarchie integriert wurde und immer einen kuriosen Sonderstatus behielt.
- Deutschland fehlten in den 1870er Jahren die Spielfelder außerhalb der eigenen Grenzen.
- Frankreich im Zeitablauf zunehmend die Fähigkeit seine eigenen Grennzen eigenständig gegenüber dem stärker werdenden deutschen Nachbarn zu sichern.
Ich sehe um ehrlich zu sein nicht
das Set an Qualitäten, dass eine Großmacht definiert hätte.
Österreich-Ungarn war territorial in Europa größer als alle anderen Großmachtarkteure, außer Russsland. Es hatte in Europa mehr Einwohner als Großbritannien und Frankreich. Es hatte leistungsfähigere Landstreitkräfte als Großbritannien und die USA.
Bei so ziemlich allen für die Politik tatsächlich beeinflusssaren Indikatioren lag Österreich-Ungarn irgendwo bei den Top 5-6 in der Welt (außer beim Thema Kolonien) und war prinzipiell, was die messbaren Indikatoren angeht deutlich stärker aufgestellt, als die selbsternannnten Großmachtskandidaten Italien und Japan.
Österreich-Ungarns tatsächliches Defizit, dass seine Handlungsfähigkeit einschränkte, war seine geographisch Lage und der Umstand an gleich zwei noch stärkere Mächte zu Grenzen.
Das tat natürlich weh, allerdings wäre diesem Defizit mit Kolonien oder abhägigen Vasallenstaaten auf dem Balkan nicht abzuhelfen gewesen.
Ein Rückzug vom Balkan hätte btw. ja auch nicht bedeuten müssen, dass Österreich-Ungarn dauerhaft ohne auswärtigen Spielplatz geblieben wäre.
Es hätte natürlich mit Russland ein Abkommen treffen können, im Fall einer Aufteilung des Osmanischen Reiches den russischen Anspruch auf die Meerengen zu unterstützen, unter der Bedingug, dass man selbst auch irgendwo mit einem Teil der Konkursmasse bedacht würde.
Dito hätte es versuchen können, den kleineren Kolonialmächten, die das wirtschaftlich zum Teil überforderte (Portugal, Belgien, Niederlande) einen Teil von deren Kolonialreich abzukaufen um dann dort einen neuen Spielplatz zu haben.
Möglicherweise wären auch die größeren Mächte irgendwann bereit gewesen sich jedenfalls von den unrentablen Teilen ihrer Imperien zu trennen.