Nur ein gewisser Prozentsatz machte einen Abschluss und ein noch kleinerer Teil studierte die edleren Fächer wie weltliches oder kirchliches Recht. Wer als Lehrer an einer Artistenfakultät unterrichtete und keine Pfründe hatte, musste von dem leben, was ihm die Studenten zahlten. Das reichte für den Lebensunterhalt, war aber in der Regel nicht berauschend. Deutlich besser hatten es die Inhaber von Studentenhäusern oder bepfründete Universitätslehrer. Über das gute Einkommen entschied die Pfründe. Der Vergleich hinkt, weil es im Mittelalter keine vergleichbaren Arbeitsmärkte und keine Arbeitslosigkeit im modernen Sinn gab.
Der Vergleich hinkt vor allem deswegen, weil mittelalterliche und frühneuzeitliche Universitäten keine organisierten staatlichen Einrichtungen im modernen Sinne waren, bzw, auch außerhalb der damaligen Universitäten es ja durchaus nicht unüblich war, wenig feste, monetäre Gehälter zu zahlen und Amtsträger über Pfründe oder mit dem Amt verbundene Lehen zu entlohnen und daran hängende Privilegien zu entlohnen.
Man kann aber nun wirklich nicht vom Feudalsystem des Mittelalters und der FNZ auf das Deutsche Kaiserreich um die Wende zum 20. Jahrhundert schließen.
Pauperes konnten Söhne wohlhabender Handwerker sein usw., daher ist das "arm" mit Vorsicht zu genießen.
Das ist sicherlich richtig, dieser Begriff war auslegbar.
Wir dürfen jedenfalls nicht davon ausgehen, dass jeder, der ein Lehrer war, automatisch aus einer besseren Schicht kam. Das war auch noch im alten Preußen so. Man wird in ihnen einen Teil der unteren Mittelschicht zu sehen haben, die damals weiter oben war.
Im Alten Preußen bis in die erste Hälfte des 19. jahrhunderts z.T. noch nicht mal das. Kossert erwähnt z.B. in seinem Buch "Masuren, Ostpreußens vergessener Süden", dass zumindest in den Döfern Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts in den abgelegenen Landkreisen zum Teil Leherer eingesetzt waren, die zu Teil kaum für die Tätigkeit, die sie da ausführen sollten qualifiziert waren, unter anderem, weil es wohl durchaus geübte Praxis war Lehrerstellen auch schonmal als Versorgungsposten für aus der Armee ausgeschiedene ehemalige Soldaten zu nutzen.
Natürlich gab es bis weit ins 19. Jahrhundert rein in den Städten auch diverse private Schulen, die sich rein über die Beiträge der Eltern der zu beschulenden Kinder finanzierten und es gab in dieser Zeit natürlich auch Personen, die für Kost und Logis + kleines Zubrot bei wohlhabenderen Familien den Hauslehrer für die kinder gaben, um sich am Ort selbst weiterzubilden.
Franz-Joseph Brüggemeier erwähnt in seinem Buch "Grubengold, das Zeitalter der Kohle" (ich meine im frühen 19. Jahrhundert) unter anderem einen Lehrer aus dem tecklenburger Land (ich meine Ibbenbüren) der als nebenverdienst zu seiner Lehrtätigkeit in kleinem Stil Kohle abbaute und verkaufte und dass gerade in den ländlichen Gemeinden zu einer Lehrstelle auch schonmal ein Quartier mit entsprechenden Garten gehörte, um wegen des nicht üppigen Gehalts dem Lehrer die Möglichkeit zu geben, einen Teil seiner Nahrungsmittel selbst zu erzeugen und ähnliche Dinge, ähnlich wie das bei kleinen dörflichen Pfarrstellen gehandhabt wurde, dass ist ja auch bekannt.
Aber da passiert im Laufe des 19. Jahrhunderts halt einiges. Bis auf die konfessionellen Schulen übernimmt der Staat bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts den Bildungssektor, fängt an ihn zu professionalisieren und aus Steuermitteln laufend zu bezuschussen, Personal wird verbeamtet, nach festen Besoldungsgruppen bezahlt usw.
Das ist natürlich deutlich von den vorherigen teils chaotischen Zuständen weg.
Wir kennen das ja auch von den so genannten Krautjunkern, die im Prinzip nichts anderes waren als eine gehoben-mittelständische Gruppe, die man keinesfalls durchgängig als reich bezeichnen sollte. Das mag gelegentlich so gewesen sein, der Regelfall war es nicht. Viele deutsche Geistesgrößen stammten nicht gerade aus wohlhabenden Verhältnissen. Das ist auch klar, da Jura, Theologie oder Geisteswissenschaften keine Tätigkeitsfelder sind, in denen man so viel Geld verdient wie z.B. als Unternehmer, als Regierungsbeamter, als Naturwissenschaftler, Erfinder oder Mediziner.
Du wirfst Zeiten und Dinge durcheinander.
Die als "Junker" bezeichneten ostelbischen Agrarier waren in den letzten 20-30 Jahren des Kaiserreichs nicht mehr die ökonomisch führende Schicht. Davor waren sie das, zumindest in Preußen durchaus.
Und was das weitere angeht, sowas, wie ein tatsächlich freies Unternehmertum, entsteht ja im Grunde erst mit der Einführung der Gewerbefreiheit, der Abschaffung der Zunftprivilegien, Monopolgeselslchaften, der diversen Zollgrenzen usw. Auch das ist im Prinzip etwas, was sich erst im 19. Jahrhundert vollzieht.
"Geisteswissenschaften" im modernen Sinne (Geschichts- und Sozialwissenschaften, Psychologie) entstehen auch erst in der Zeit tatsächlich erst als universitäre Disziplinen.
Natürlich gab es z.B. immer Historiographen, die von irgendwelchen Fürsten unterhalten wurden, um irgendwas über deren Regentschaft oder deren Familien zu Papier zu bringen, aber für so etwas wie Geschichte, gab es bis ins ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert, zumindest im deutschsprachigen Raum an den Universitäten gar keine Lehrstühle, so dass man das überhaupt hätte studieren und als Geisteswissenschaftlicher in Konkurrenz zu anderen Berufsfeldern hätte treten können.
de.wikipedia.org
Was es natürlich schon in der FNZ gab, dass war die Philosophie und Sprachen, aber der Begriff Philosophie
war dehnbar und darunter viel im zeitgenössischen Verständnis dann auch schonmal sowas wie "Naturphilosophie", was wir dann heute "Naturwissenschaften" nennen würde, damals aber nicht eindeutig von der Philosophie separiert war.
Der Begriff "Bildungsbürgertum" dürfte ziemlich treffend sein. Dieses Bildungsbürgertum war relativ offen, wenn man Leistung erbrachte, es war aber keineswegs dazu geeignet, großen Wohlstand zu erwirtschaften. Der soziale Einstieg in den Sektor Bildung ist einfacher als in den Bereich Wirtschaft. Für das eine benötigt man Geistesgaben für das andere Kapital und Verbindungen.
Für den Einstieg in den Sektor Bildung benötigte man damals auch Kapital um überhaupt die Ausbildung bezahlen zu können.
Und dann wäre natürlich die Frage, was man sich unter "großem Wohstand" so vorstellt. Natürlich lassen sich mit Bildung in den seltensten Fällen Reichtümer verdienen, und ein Geisteswissenschaftler wird niemals so hohe finanzielle Gewinne aus seiner Tätigkeit beziehen können, wie ein Großhändler, Stahlmagnat, Ölbaron etc. darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten.
Trotzdem waren jedenfalls überdurchschnittliche Gehälter und überdurchschnittlicher Wohlstand durchaus im Bereich des Möglichen und die meisten Menschen sind damit zufrieden.
Vielleicht sollte man eher sagen, dass es moderne Bildungsmilieus gab, zu denen ein Teil dieses Bildungsbürgertums nicht gehörten, Leute die schon arriviert waren, Nischen besetzten oder moderne Forschungsfelder erarbeiteten, also ingesamt geistig beweglicher und innovativer waren. Den Grund für Sozialneid wird man darin schon zu sehen haben. Das Klein- und Mittelbürgertum trennte Welten vom Großbürgertum. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Sohn eines Polizeiaktuars und einer Bäckerin zu dem eines Bankiers und einer Fabrikantentochter, auch dann wenn beide denselben Beruf ausüben. Sprich: Antisemitismus unter Studenten gab es 1813, 1830, 1848 genauso wie 1933.
Jetzt entfernen wir uns auch zunehmend vom Thema des Fadens.
Natürlich gab es Antijudaismus und Antisemitismus unter Studenten auch schon am Anfang des 19. Jahrhunderts, die Frage wäre aber, war Antisemitismus jetzt unbedingt ein besonders starker faktor um Personen, in diesem Fall Studenten zur NSDAP zu ziehen?
Wenn du hier Standesunterschiede zwischen den Elternhäusern der Studierenden ansprichst, spekulierst du ja im Grunde in die Richtung, dass vor allem diejenigen mit einer sozial eher angesehenen und finanziell gut darstehenden Familie im Hintergrund es als erniedrigend empfunden haben würden, auf eine Stufe mit anderen aus weniger gut situiertem Elternhaus gestellt oder gar hinter diese zurückgesetzt zu werden.
Und ich gebe dir recht, dass mag frustrierend gewesen sein.
Aber war für solche Leute, die NSDAP, die mit dem Konzept der "Volksgemeinschaft", genau die althergebrachten Standesunterschiede, auf die sich dieses Klientel potentiell etwas einbildete und die ihm wahrscheinlich sehr wichtig waren, komplett zu nivellieren versprach tatsächlich eine besonders attraktive politische Richtung?
Ich würde meinen, dass wäre dann eher typische Wählerschaft der DNVP als standesbewusster Honoratiorenpartei gewesen, die da etwas anders ausgerichtet war und zudem den Antisemitismus zum Teil ebenfalls bediente.
Die aber spielte bei der nationalsozialistischen Machtübernahme nicht unbedingt eine überragende Rolle.