Doch durchaus. Höhere Bildung beruht zu einem großen Teil auf Tradition. Es ist ja nicht damit getan, dass man eine Schule und eine Universität besucht und Zertifikate in die Hand gedrückt bekommt. Qualitätsreiche Bildung wird durch Eltern und das Milieu vermittelt, aus dem man kommt. Das ist ein ganz wesentlicher Grund, neidisch zu sein. Denn das lässt sich nicht nivellieren. Wer in Großbritannien gelebt hat, weiß, dass die Unter-, Mittelschicht und Oberschicht z.T. noch immer Kilometer trennen. Man schätzt einander nicht sehr und versucht erst gar nicht, die anderen teilhaben zu lassen, um die eigenen Werte und Vorstellungen nicht zu verwässern. Das war in Deutschland früher eher noch schlimmer. Nur weil jemand Pädagoge, Professor oder Beamter ist, bedeutet das nicht, dass man ihm seine Herkunft nicht anmerkt.
Das kann ich aus eigener Erfahrung, zumindest für die heutige Zeit so nicht bestätigen.
Natürlich gibt es irgendwo ein bürgerliches humanistisches Bildungsideal, aber das nutzt im praktischen universitären Kontext häufig eher wenig, bzw. es verschafft jetzt jedenfalls keinen uneinholbaren Vorsprung.
Die Gesellschaft der Weimarer Republik, die noch aus der Klassengesellschaft des Kaiserreichs hervorgegangen war, mag einen größeren Wert auf entsprechende Abgrenzungen gelegt haben, aber das für sich genommen dürfte kaum ein Grund dafür gewesen sein, rechtextrem zu werden.
@Mittelalterlager hatte es schon angesprochen, sozialer Neid und wirtschaftliche Not oder Angst vor wirtschaftlicher Not, sind zwei verschiedene Dinge.
Es lässt sich beobachten, dass der Zuspruch für die NSDAP vor allem mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weltwirtschaftskrise ab 1929 kam, wäre diese Zustimmung vor allem aus sozialem Neid erwachsen, hätte sie kontinuierlich von Anfang an da sein müssen.
Viele Lehrer, gerade auf dem Land waren nicht weit vom Misthaufen entfernt.
Wie das Ansehen von Lehrern auf dem Land war, dürfte von den Personen, aber auch der Struktur des Landes abgehangen haben. In Gebieten, die von relativ kleinteiliger Landwirtschaft und vielen eigenständigen Klein- und Mittelbauern geprägt war, dürften Lehrer eher einen schweren Stand gehabt haben, weil die Zukunft eines Großteils des Nachwuchses der Bevölkerung durch den eigenen Hof, der an die nächste Generation weitergegeben würde, gesichert war. Da dürfte wenig Verständnis für die Notwendigkeit oder den Sinn besonderer Bildung da gewesen sein, gleichzeitig aber bei Kleinbetrieben Arbeitskräftemangel und der Wunsch, den Nachwuchs möglichst schnell in den Betrieb einzubinden, wobei Schule und Lehrer dann eher ein Hindernis gewesen sein dürften.
Im von der Großlandwirtschaft geprägten Osten mit seinem großen Agrarproletariat, dass seinen Kindern keine gesicherten Lebensgrundlagen hinterlassen konnte und wo Aufstieg in einigermaßen gesicherte Verhältnisse nur über Abwanderung oder Bildung möglich war, dürften Lehrer einen etwas anderen Stand gehabt haben.
Und dann kommts natürlich auch noch darauf an, wen man als Lehrer gerade bekommen hat. Stellen hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen, wo nichts los war, dürften sicherlich auch nicht unbedingt das Traumziel vieler junger Lehrkräfte gewesen sein, die werden in der Regel wahrscheinlich versucht haben woanders hin zu kommen und ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass man Wert darauf legte, die wirklich guten Absolventen in den großen Schulen in den Städten zu halten und den kleinen Dorfschulen eben eher die weniger talentierten Leute zu schicken.
Ludwig Thoma hat sich darüber sehr treffend lustig gemacht. Der Nationalsozialismus hat es dem kleinen Mann erlaubt, sich als "jemand" zu fühlen, "jemand zu sein". Das schloss Akademiker nicht aus. Figuren wie Hitler hätten im Bismarck-Obrigkeitsstaat keine Karriere gemacht, schon aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse. Denn hätte man ausgelacht, nicht aus ideologischen, sondern aus sozialen Gründen.
Ich denke da überziehst du, wenn du Akademiker zum "kleinen Mann" in diesem Sinne rechnest.
Der NS und im Besonderen Hitler glänzten ja durchaus in gewissem Maße durch Verachtung für vieles aus dem intellektuellen Bereich. Natürlich hätte Hitler im Bismarck'schen Obrigkeitsstaat keine Karriere gemacht.
Das aber wiederrum wirft für mich die Frage auf, warum er und seine Bewegung auf deren Agenda eigentlich eher eine Abwertung der intellektuellen Eliten stand auf Personen, die Kandidaten dafür waren mal zu diesen Eliten zu gehören, so besonders anziehend gewirkt haben sollte?
Das sehe ich nämlich nicht.
Es wie gesagt bekannt, dass die Universitäten in der Weimarer Zeit schnell ein ziemlich rechts-nationales Pflaster wurden, aber damit ist ja durchaus, insofern das rechtsextreme Spektrum in der Zeit etwas größer war, als die Nazi-Partei nicht unbedingt gesagt, dass daraus resultiert, dass die Studierenden in überproportionalem Sinne Hitler-Anhänger gewesen wären.
Und wie gesagt, wenn du mit studentischem/akademischem Standesdünken, Abgrenzung bedürfnissen und Sozialneid argumentierst, müsstest du eigentlich eine nähe dieser Studierenden weniger zur NSDAP, als mehr zur DVP/DNVP vorraussetzen, die das wesentlich mehr bedienten, als das "Volksgemeinschafts"-Konzept der Nazis.
Ich würde auch nicht so weit vom Thema abschweifen. Grundsätzlich wird man wohl sagen können, dass es viele Akademiker nötig hatten, sich den Nationalsozialisten anzuschließen. Das wäre gewiss anders gewesen, wenn es sich um Milieus gehandelt hätte, die wirklich sozial abgesichert, selbstbewusst und vollkommen arriviert gewesen wären. Das glaube ich nicht. Denn auch das muss man bedenken. Der vermögende Student ist nicht die Regel. Ich würde auch sehr große Unterschiede ziehen zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Im Kaiserreich gab es unterentwickelte Gegenden, in denen der soziale Sprung, den du beschreibst, vielen wohl nur sehr mühsam gelang.
Wie gesagt, da müsste erstmal die besondere Nähe der Studenten zur NSDAP im Unterschied zu den anderen Rechtsparteien belegt werden, was ich für den Moment nicht so unbedingt sehe.
Ich denke auch, dass der Fokus auf die Studierenden am Ende der Weimarer Zeit das Pferd von hinten aufzäumt, weil die Universitäten ja nicht erst mit Hitler zum Hort des Nationalismus wurden, sondern das durchaus schon früher in der Weimarer Zeit einsetzte und die Gründe dafür sehe ich ganz wo anders:
1. Elitenkontinuität, dadurch, dass die Hochschullehrer, die aus dem Kaiserreich kamen vielfach im Amt blieben, also genau die Leute, die durch die Republik zum Teil an sozialem Status verloren hatten und vor allem natürlich auch tendenziell zu den Verlierern der Inflationszeit 1923 gehört haben dürften, wahrscheinlich schon deswegen unzufrieden waren. Und außerdem waren das natürlich zum Teil auch die Leute, die 4 Jahre lang versucht hatten, den Krieg intellektuell zu rechtfertigen, oder auf andere Weise direkt zu unterstützen.
2. Es ist von
@Historyben schon angesprochen worden, dass nach dem Krieg zum Teil die ehemaligen Soldaten des Weltkrieges, die nach dem Notabitur zum Militär eingezogen wurden mit an die Universitäten kamen und gerade bei der "Frontkämpfer-Generation" dürfte natürlich die nationalistische Propaganda (in den umstrittenen Gebieten im Osten wurde die ja auch weit über Kriegsende wegen der Grenziehungsproblematik fortgesetzt) sehr sehr stark internalisiert gewesen sein.
Ich denke, dass die Universitäten ein so nationalistisches Pflaster wurden, hat auch viel damit zu tun, dass ehemalige Soldaten in die Universitäten kamen, anfingen, die Studentenverbindungen deutlich mit zu prägen, während anschließend eine neue Generation an Studierenden nachrückte, die mit der Kriegspropaganda aufgewachsen war und zu diesen Leuten aufblickte und gleichzeitig die alten kaiserlichen Professoren ihre Hand darüber hielten und das laufen ließen.
Da sehe ich eher den Grund als in einer besonderen Affinität zum Nationalsozialismus, Sozialneid oder drohendes wirtschaftliches Ungemach (wenngleich das am Ende geholfen haben mag).