So ist es für uns heute verwunderlich, dass die Pläne für das weitere Vorgehen nach der Sicherung der Brückenköpfe so wage und so optimistisch gewesen sind.
Das ist ein interessanter Hinweis, den ich mit dem Nachschlagen eines Aufsatzes verbunden habe. Mark Milner: Stopping the Panzers - Reassessing the Role of 3rd Canadian Infantry Division in Normandy, 7-10 June 1944, JoMH 2010, S. 491.
Es geht dabei um die Frage, wie die Allierten die Situation der Landung einschätzten, wenn sich Rommels Strategie der strandnahen Positionierung der Panzerdivisionen in Masse hätte realisieren lassen. Die Fragestellung ist vielleicht auf den ersten Blick erstaunlich, gibt es doch keine Verbindung zwischen Rommels Plänen und denen der Allierten.
Die Verbindung ergibt sich durch eine andere Fragestellung: wie schätzten die Alliierten die deutsche Kräftelage im Landungsabschnitt am 6./7. Juni 1944 ein? Dazu gibt es in dem Aufsatz interessante Angaben:
1. Weekly Intelligence Review der alliierten 21st Army Group vom 28. Mai 1944 sieht die deutsche 21. Panzerdivision im Landungsabschnitt der Briten (Code: "Sword"). Die Ausrüstung der 21.PD sei "exceptional" mit 240 (!) P IV, Panther und Tiger-Panzer (!) sowie 40 Sturmgeschützen III. Summe: 260 (
doppelt so viel wie tatsächlich vorhanden)
2. 12. SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" wird im gleichen Report mit 200 Panzern der Typen IV und Panther angegeben.
-> Reports jeweils gemäß NA/WO 205/532.
Anfang Juni wird die sofortige Konfrontation mit 540 deutschen Panzern prognostiziert, die dem am 6./7. Juni landenden I. Britischen Korps gegenüberstehen würden. Das Eintreffen der "Panzerlehrdivison" wurde zusätzlich mit "D+3", also für den 9. Juni 1944 angegeben. Strandnah rechnete man also
im britischen Sektor mit ca.
750 Panzer und Sturmgeschütze
spätestens am dritten Tag. Nebenbei: als Konsequenz wurden die PaK-Stärken der britischen Verbände verdoppelt (auf 144 Stück je Division).
Wie man sieht, hielt diese Nachrichtenlage nicht von der Landung ab, sondern man traute sich zu, diese Kräfteballung (äquivalent zu 5 deutschen Panzerdivisionen) vor den Stränden zu stoppen. Zum Vergleich die deutsche Panzerlage im Ist nach Jentz II, S. 177 ff. Stand 31. Mai 1944
Gesamt im Westen (Frankreich/BelgienNiederlande, dabei sind Teile in Südfrankreich gebunden): 759 PIV, 543 Panther, 53 Tiger, Summe: 1355. Davon Normandie-nah:
21. Panzerdivision: 4 PIII, 21 PIVkurz, 96 PIVlang, 10 StuG, Summe 131
12. SS-Panzerdivision; 98 PIVlang, 66 Panther, Summe 164
Panzerlehrdivision: 101 PIVlang, 89 Panther, 3 Tiger, 9 StuG Summe 202
Die britischen Aufklärungsergebnissen entsprachen damit einem Szenario, bei dem die gesamten im Nordwesten verfügbaren deutschen Panzertruppen in kürzester Zeit gegen den britischen Sektor angesetzt werden.
Das entspricht etwa der Planung, die Rommel vorschwebte. Nachzutragen ist, dass die deutschen Totalverluste an Panzern
218 Stück vom 6. bis 8. Juni 1944 vermeldeten, eine enorme Verlustrate für 3 Tage, die selbst die Panzerschlachten bei Kursk in den Schatten stellt (Jentz II, S. 185).