Andere Wege als Terror

Was mich wirklich interessierst ist, ob nach der Revolution weniger Kinder verhungerten und verwahrlosten, als vorher.

Natürlich führte man ein Sozialwesen ein, aber was konnte das stemmen? :grübel:
 
Was mich wirklich interessierst ist, ob nach der Revolution weniger Kinder verhungerten und verwahrlosten, als vorher.

Natürlich führte man ein Sozialwesen ein, aber was konnte das stemmen?
Ich habe jedenfalls von keinen effektiveren Maßnahmen bis jetzt gelesen, als diejenigen, welche es schon unter dem Ancien Régime gab. Gerade 1794/95 stieg ja der Hunger und die Not wieder an. Darin sehe ich eine Hauptkrux der ganzen Revolution. Der König hatte ja die Sache mit der Einberufung der Generalstände sozusagen mit ins Laufen gebracht, um die Situation Frankreichs zu bessern, aber genau für die Verbesserung der sozialen und finanziellen Lage taten dann die verschiedenen revolutionären Regierungen herzlich wenig.
Natürlich muss man aber auch in die Überlegungen mit einbeziehen, dass eben seit 1792 Krieg herrschte und das einem ohnehin finanziell und wirtschaftlich angeschlagenen Land nun nicht unbedingt nützt (von dem Einbringen von Beute mal abgesehen...).
 
Das hungernde Volk hat sich also den Revolutionären in die Hände gespielt, sich als willfähriges Helferlein misbrauchen lassen, und ist letztlich vom Regen in die Traufe gekommen, nicht wahr?

Flo hat gefragt, für WEN die Schlagworte der Revolution damals eine Bedeutung hatten.
Waren sie nicht reine Worthülsen, ausgedacht um im politischen Sinne wie bei einem Wahlkampf die Massen auf die eigene Seite zu ziehen?

Die Freiheit - Welche Freiheit? Durfte man etwa freimütig seine politische Meinung äussern, in dem Wissen durch das neue Rechtswesen vor Willkür bewahrt zu werden? :grübel:

Die Gleichheit - Nun die Stände, respektive die Aristokratie gab es nicht mehr, die gesellschftlichen Unterschiede bestanden jedoch immer noch. Oder gab ein reicher Bankier seinem Sohn die Erlaubnis eine arme Seidenstickerin zu heiraten? Wo ist sie also, diese Gleichheit? :grübel:*nachtrag* War man etwa gleich, ungeachtet der Religion, die man lebte? Ich denke dabei auch an die Juden ...

Die Brüderlichkeit - Nun dazu habe ich bereits genug geschrieben.

Stellt sich für mich also insgesamt die Frage, wer ausser den reichen Bürgern im Alltag wirklich eine Verbesserung durch die Revolution erfuhr. Lebte es sich für einen armen Fischer leichter, für eine alleinstehende/verwitwete Frau mit ihren fünf Kindern, oder für eine Dienstmagd? :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Das hungernde Volk hat sich also den Revolutionären in die Hände gespielt, sich als willfähriges Helferlein misbrauchen lassen, und ist letztlich vom Regen in die Traufe gekommen, nicht wahr?

Vom hungernden Volk würde ich grundsätzlich nicht sprechen. Das mit der Not hätte ich vielleicht auch anders formulieren sollen. Es ging mir dabei ja vor allem oder nur um die Lage der Unterschicht in Paris.
Das Jahr der Missernte war ja 1788, was dann vor allem auf das Jahr 1789 fortwirkte. Eigentlich hätten sich dannach die Brotpreise wieder erholen müssen, wenn eben der Staat nicht zu solchen Mitteln wie Banknoten und dergleichen wegen der finanziellen Misere gegriffen hätte.

Grundsätzlich würde ich Dir aber zustimmen. Natürlich waren die Einflüsse, welche zur Verschlechterung der Lage beitrugen Folgeerscheinungen der Revolution wie die Verwüstungen des Bürgerkrieges. Sicherlich war es auch schwerer administrativ auf die sozialen Probleme inmitten eines Krieges zu reagieren, in welchem gerade der ländliche Raum im offenen Aufstand gegen die Revolutionsregierung in Paris (ab 1793) begriffen war und die Unregelmäßigkeiten gerade im Zuge der Zwangsmaßnahmen gegen die Rebellionen auftreten mussten.
 
Zum eigentlichen Titel des Threads "Andere Wege als Terror" passt schön eine Annahme eines Zeitgenossen der Regierung von Louis XV, nämlich des berühmten Friedrich Melchior Grimm(1723-1807):
"... diese allgemeine Müdigkeit des Christentums ..., diese Unruhe, die heimlich die Gemüter aufreizt und sie dazu treibt, die religiösen und politischen Mißbräuche anzugreifen ..., die eine nahe bevorstehende und unvermeidliche Revolution ankündigen. ... Man kann sagen, daß Frankreich der Herd dieser Revolution ist, die gegenüber den vorhergehenden wenigstens den Vorteil haben wird, daß sie ohne Blutvergießen vor sich gehen wird."

zitiert nach:
Bernard Faÿ: "Ludwig XVI. - Der Sturz in den Abgrund" Heyne Biographie, München, 1976
 
Kann man also sagen, dass die französische Revolution oder auch die jeweiligen Führer der Revolution unterschätzt oder auch verharmlost wurden?

Ich weiß jedenfalls daß man außerhalb Frankreichs die Entwicklungen entsetzt mitverfolgte, gerade auch was die Vernichtung des Königshauses anging. Die Hand nicht nur an den eigenen König zu legen ...

Frage: Was unterscheidet eine Revolution von einem Bürgerkrieg?
 
Kann man also sagen, dass die französische Revolution oder auch die jeweiligen Führer der Revolution unterschätzt oder auch verharmlost wurden?
Grimm konnte das ja wahrscheinlich nicht ahnen. Leider fand ich im entsprechenden Buch keine Angabe von wann denn das Zitat ist. Grimm stand zwar Rousseau eine Weile nahe, musste aber auch 1792 wie so viele Ausländer fliehen.

Vielleicht ist ja einem unserer hiesigen Historiker das Zitat geläufig(?).
 
Frage: Was unterscheidet eine Revolution von einem Bürgerkrieg?

Die Revolution ist der Umsturz innerhalb der Gesellschaft der unblutig oder auch blutig erfolgen kann. Bei einer blutigen Revolution kann es nun auch zum Bürgerkrieg kommen.

Somit kann der Bürgerkrieg die Ausführung oder auch Tat, der Umsetzung der Revolution sein.
 
Kann man also sagen, dass die französische Revolution oder auch die jeweiligen Führer der Revolution unterschätzt oder auch verharmlost wurden?
Das kann man pauschal nicht sagen, sondern da muß man genau unterscheiden, wann welche Äußerung getätigt wurde.

Frankreich wurde ja auch bei eher konservativen/monarchistischen Beobachtern in Europa als überaus reaktionär, unmodern und schlecht regiert angesehen.
Die erste Revolutionsphase wurde daher oft verständnisvoll bis wohlwollend kommentiert, etwa der Art "Geschieht denen völlig recht, das ist die Quittung für ihre rückständige Mißwirtschaft".

Und es war auch nicht absehbar, daß die Revolution sich später so radikalisieren würde. Im Gegenteil ist gar nicht leicht erklärbar, warum sich die Situation nach den ersten Erfolgen nicht stabilisierte. Mit der Verfassung und der Einführung einer konstitutionellen Monarchie sowie der wesentlichen Reformen war 1791 eigentlich eine ordentliche Lösung erreicht worden.
Und zwar so, daß die alten Eliten der neuen Ordnung mehrheitlich nicht mehr widersprachen und ihren Machtverlust akzeptiert hatten - das ist ja der entscheidende Punkt, daß sich eine Revolution als erfolgreich und etabliert betrachten kann.

Erst als die Nationalversammlung 1792 recht überflüssig den Krieg vom Zaun brach, geriet alles ins Rutschen und es folgten chaotische Jahre bis zum Putsch Napoleons.

Ich weiß jedenfalls daß man außerhalb Frankreichs die Entwicklungen entsetzt mitverfolgte, gerade auch was die Vernichtung des Königshauses anging. Die Hand nicht nur an den eigenen König zu legen ...
Ja, aber das bezog sich auf die spätere Entwicklung, insbesondere den "terreur".
Und so unpopulär die Hinrichtung des Königs bei Monarchisten gewesen ist - so neu war das nicht. Die Engländer hatten das ja schon 1649 gemacht, und auch sonst war es in Europa nicht ungewöhnlich, daß ein gekröntes Haupt den Kopf verlor, wenn es innenpolitisch den kürzeren zog ...
 
Ja, aber das bezog sich auf die spätere Entwicklung, insbesondere den "terreur".
Und so unpopulär die Hinrichtung des Königs bei Monarchisten gewesen ist - so neu war das nicht. Die Engländer hatten das ja schon 1649 gemacht, und auch sonst war es in Europa nicht ungewöhnlich, daß ein gekröntes Haupt den Kopf verlor, wenn es innenpolitisch den kürzeren zog ...
Vielleicht wirkte aber in Frankreich noch dieses Bewusstsein für einen Königsmord stärker mit. Casanova beschrieb ja sein Erstaunen darüber, dass die selben Franzosen, welche die Hinrichtung des "Königsmörders" Damiens angeblich bejubelten, dann 1793 scheinbar "kein" Problem damit hatten ihren König zu ermorden.
http://www.geschichtsforum.de/267152-post3.html

Also ich denke schon, dass man in Frankreich theoretisch gegenüber dem Delikt des Königsmordes durchaus sensibilisierter war. Auch war die Stellung des Königs in Frankreich eine andere als in England. Charles I. scheiterte ja damit das Parlament aufzulösen und allein zu regieren. Louis XVI hingegen war pro forma ja absolutistischer Monarch und durch den Katholizismus obendrein noch anders als Herr über seine Untertanen definiert.

(Elizabeth I. hatte ja auch eine Vertreterin des Hauses Stuart köpfen lassen. War sie damit auch eine Königsmörderin?:pfeif: Vielleicht was für einen anderen Thread.)
 
Max Gallo führt den Begriff der Brüderlichkeit unmittelbar auf das Wertesystem der Katholischen Kirche im vorrevolutionärem Frankreich zurück. ich denke das Ganze bedeutet im Grunde Sozialstaatlichkeit im Sinne der hier schon genannten Philanthrophie.
 
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