Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

Es geht mir einfach darum, dass wir von etwa 40% der italienischen Bevölkerung aus der Zeit überhaupt keine schriftlichen Selbstzeugnisse haben, die zum Ausdruck bringen, wo die jeweilige Person stand.
Ok, allmählich verstehe ich, wie du das meinst - aber Kopfzerbrechen bereitet mir dabei folgendes: haben wir denn für den fraglichen Zeitraum in anderen Ländern eine umfangreichere Quellenlage, also ohne "deine" 40%? Dann hätten wir Vergleichsmaterial.
 
Ich habe noch etwas gefunden.

Giolitti warf der Regierung nach dem Krieg auch Täuschung der Bevölkerung vor. Das Londoner Abkommen sei geheim gewesen und die Regierung hatte Gründe, dies geheim zu halten. Denn der Londoner Vertrag legte Italien auch die Verpflichtung auf, auch gegen Deutschland Krieg zu führen. Der damalige Miniterpräsident Salandra sprach aber immer nur ausschließlich vom Krieg gegen Österreich zum Zwecke der Befreiung der unerlösten Gebiete. Weder Parlament noch die Öffentlichkeit noch ich selbst wußten, dass man sich in einem Krieg mit Deutschland einließ. All dies erklärt, weshalb mir man 1915 vom Londoner Vertrag nichts gesagt hat. Giolitti warf der Regierung nichts Geringeres vor den Kriegseintritt mit Hilfe einer Täuschung der italienischen Öffentlichkeit und ihrer Vertreter im Parlament durchgesetzt zu haben.
Salandra bestritt dies zwar, aber es ist doch sehr bedenklich, das diese auf den Vorwurf Giolittis auch gegen Deutschland Krieg führen zu müssen, überhaupt nicht einging. Noch am 09.Mai hatte Giolitti die Mehrheit des Parlaments hinter sich.
Er meinte, wenn man der italienischen Bevölkerung und dem Parlament reinen Wein eingeschenkt hätte, dann wäre es nicht zu den italienischen Kriegseintritt gekommen.
 
Ok, allmählich verstehe ich, wie du das meinst - aber Kopfzerbrechen bereitet mir dabei folgendes: haben wir denn für den fraglichen Zeitraum in anderen Ländern eine umfangreichere Quellenlage, also ohne "deine" 40%? Dann hätten wir Vergleichsmaterial.

Zunächst mal zum Thema "meine" 40%

"Nur Großbritannien, die Niederlande und Deutschland hatten um 1910 eine Alphabetisierungsrate von 100 Prozent erreicht, Für Frankreich lag sie bei 87 Prozent, für Belgien, das am wenigsten literarisierte unter den "entwickelten europäischen Ländern, bei 85 Prozent. Deutlich niedriger fielen die Werte für den europäischen Süden aus: 62 Prozent für Italien, 50 Prozent für Spanien nur 25 Prozent für Portugal. An der östlichen und südöstlichen Peripherie Europas sahen die Verhältnisse nicht besser aus. Es gab aber gemeinsame Tendenzen: Auf dem gesamten Kontinent fiel der Anteil männlicher wie weiblicher Analphabeten an der Gesamtbevölkerung ziemlich kontinuierlich, nirgendwo stagnierte er"

Osterhammel, Jürgen: Die Verwandlung der Welt, eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München, 2009, Sonderausgabe 2011, S.1118-1119

Osterhammel spricht von einer Alphabetisierungsrate in Italien von 62 Prozent. Mit Rücksicht darauf, dass vor allem die allmähliche tatsächliche Durchsetzung der Schulpflicht und die zunehmende Elementarschulbildung der Alphabetisierung im Besonderen der jüngeren Semester zugute kam, die aber noch keine Möglichkeit hatten sich politisch einzubringen, habe ich mir erlaubt das für die erwachsene Bevölkerung Italiens mal auf rund 60% abzurunden, auch um es anschaulicher zu gestalten.
Darauf kann man gerne auch verzichten, ob es sich nun um 40% oder 38% Analphabeten handelte, ändert am Grundgehalt meiner Aussage nichts.

Wenn man die Zahlen bei Osterhammel ernst nimmt, dann bedeutet das, dass man allein durch den Alphabetisierungsgrad in Großbritannien und Deutschland ganz andere Möglichkeiten hat, Mehrheitsmeinungen zu ermitteln, als in Italien oder Spanien.

Im Prinzip keine Unbekannten durch Analphabetismus oder an die 40% Unbekannte durch Analphabetismus in Italien oder sogar an die 50% in Spanien fällt als Unterschied zur Ermittlung von einigermaßen seriösen Ergebnissen massiv ins Gewicht.

Und an der Stelle einfach nochmal der Verweis zurück auf die deutsche Kriegsbegeisterungsdiskussion, was 1914 betrifft.
Es sind dabei bekanntermaßen sehr verschiedene Einschätzungen herausgekommen, von Studien, die das "Augusterlebnis" als Massenphänomen sahen, bis hin zu solchen, für die die Kriegsbegeisterung ein vor allem bürgerliches Projekt war und die die Gesamtbevölkerung in dieser Frage extrem gespalten sehen wollen.

Das ist eine ganz erhebliche Bandbreite und macht doch schon deutlich, wie schwer solche Rekonstruktionen bereits bei einer Bevölkerung sind, in der Analphabetismus ein absolutes Randphänomen geworden war und jedem das Auskunftsmittel der Schriftlichkeit zur Verfügung stand um seine Meinung zum Tagesgeschehen kund zu tun.


Ich frage mich da ganz einfach, wie man bei einem derart hohen Bevölkerungsanteil, der uns keine Zeugnisse hinterlassen hat, mit diesem Maß an Überzeugung davon ausgehen kann, dass dort diese oder jene Meinung vertreten worden wäre.
Woher möchte man das wissen?
Schon im Hinblick auf die deutsche Diskussion zur Kriegsbegeisterung und dem sehr bunten Strauß an Studien und Ergebnissen, die sich produziert hat, müsste doch eigentlich klar sein, dass wir uns hier in ziemlich unsicheres Terrain begeben, selbst wenn wir von einer Bevölkerung sprechen, der schriftliche Zeugnisse als Auskunftsmittel flächendeckend zur Verfügung standen.

Auch das bringt noch das Problem mit sich, dass eben bei weitem nicht jeder auch Gebrauch davon gemacht hat, was letztendlich natürlich auch Unbekannte und Unsicherheiten fabriziert.

Im Italienischen Fall allerdings, in dem an die 40% Analphabeten waren, und vom Rest der Bevölkerung ebenfalls nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Aufzeichnungen hinterlassen haben wird, von denen auch nur ein Teil die Zeit überdauert haben wird, aus einem wie großen Anteil der Bevölkerung kann man da überhaupt Stichproben gewinnen?
5% ? 10%?

Darauf läuft es doch hinaus.
Das ist ein Problem, dass wie ich es sehe auch in der deutschen Diskussion vorhanden war und ist, aber in geringerem Ausmaß.
Jetzt würde ich die Aussagekraft solcher Studien nicht insgesamt verwerfen wollen, allerdings muss dabei doch klar sein, dass je kleiner der Anteil an Schriftzeugnissen ist, die zur Verfügung stehen, im selben Maße die potentielle Abweichung wächst.
Und in diesem Sinne halte ich 40% die nicht in der Lage waren irgendetwas zu äußern durchaus für ein ernstzunehmendes Problem, was die Aussagekraft am Ende durchaus infrage stellen kann.
 
Und in diesem Sinne halte ich 40% die nicht in der Lage waren irgendetwas zu äußern durchaus für ein ernstzunehmendes Problem, was die Aussagekraft am Ende durchaus infrage stellen kann.
Streng genommen - quellenmäßig - wissen wir nichts von denen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie restlos alle einer Meinung gewesen sein könnten, ist eher gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzige diesen 40% zugeschriebene Haltung historisch eindeutig korrekt sei, ist auch eher gering.
Aber die Zahlenspielereien mit der Alphabetisierungsrate helfen mir beim Verstehen nicht weiter: 100% Alphabetisierung um 1914 im dt. Kaiserreich bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir von jedem mündigen Bürger in diesem Jahr einen unterschriebenen (amtlich oder historisch beglaubigten) Zettel mit seiner Meinung als Quelle hätten...
Oder übersehe ich da irgendwas relevantes?
 
Streng genommen - quellenmäßig - wissen wir nichts von denen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie restlos alle einer Meinung gewesen sein könnten, ist eher gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzige diesen 40% zugeschriebene Haltung historisch eindeutig korrekt sei, ist auch eher gering.

Natürlich. Aber je nachdem, was die Studien so round about ergeben z.B. 35% für Kriegseintritt, 15% indifferent 50% für Neutralität*, könnten sich die realen Verhältnisse durchaus auch auf z.B. 40% für Kriegseintritt, 40% dagegen und 20% indifferent belaufen haben.

Das dieser Anteil der Analphabeten von 40% die Gesamtaussage einer Studie kippt, je nachdem, wie knapp die Ausfällt, ist absolut realistisch, auch wenn die nicht alle einer Meinung sind.

Es kommt zusätzlich noch das Problem hinzu, dass in Darstellungen immer nur von unbedingtem "dafür" oder "dagegen" die Rede ist, aber nie von einem "dafür/dagegen unter der Bedingung das....." und auch nie von der Größe des Anteils, die dazu keine so feste Meinung hatten, was natürlich auch jede Spielraum für Zahlenakrobatik lässt.

Wertet man jeden, der sich nicht klar für den Krieg aussprach, als mal tendenziell dagegen, kann man natürlich die Zahl der Kriegsgegner hochrechnen, ordnet man jeden, der sich nicht klar dagegen Aussprach als Kriegsbeführworter ein, die der Kriegsbeführworter.


Deswegen interessieren mich die von @Turgot angeführten Einschätzungen einzelner Historiker in der Hinsicht herzlich wenig, mich interessiert vor allem die Methodik dahinter.


Aber die Zahlenspielereien mit der Alphabetisierungsrate helfen mir beim Verstehen nicht weiter: 100% Alphabetisierung um 1914 im dt. Kaiserreich bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir von jedem mündigen Bürger in diesem Jahr einen unterschriebenen (amtlich oder historisch beglaubigten) Zettel mit seiner Meinung als Quelle hätten...
Oder übersehe ich da irgendwas relevantes?

Nein, 100% Alphabetisierungsrate bedeutet nicht, dass wir von jedem schriftliche Zeugnisse hätten.
Es bedeutet aber, dass zum einen der Fundus aus dem Stichproben gewonnen werden können umfangreicher ist und zum anderen stellt es auch einen deutlich repräsentativeren Querschnitt der Bevölkerung dar.

Wer sind denn die Analphabeten in Italien? Das ist sicher nicht das Bürgertum, sondern dass sind die städtischen und im Besondern auch die agrarischen Unterschichten.
Wenn wir über das Meinungsbild aus Schriftzeugnissen heraus reden, dann reden wir in Italien vor allem über die Interessen des urbanen Bürgertums.
Wo allerdings die Masse der urbanen Unterschichen und das Agrarproletariat standen, dazu lernen wir hieraus nicht viel und dass kann das Bild massiv verzerren, je nachdem inwieweit die Kriegsbegeisterung ein Phänomen war, dass vom eher vom Bürgertum oder eher von den unteren Schichten getragen wurde.

Ferner wird man bei dem italienischen Nord-Süd-Gefälle auch eine starke Unterrepresenation des ärmeren und wesentlich konservativeren Südens rechnen dürfen, in dem die Problematik des Analphabetismus größer gewesen sein dürften und der ein deutlich krasseres Sozialgefälle und ein deutlich größeres Agrarproletariat aufwies, das im Gegensatz zu den städtischen Unterschichten des Nordens nicht in dem Maße die Möglichkeit gehabt haben wird, über Organisationen wie Arbeiterbildungsvereine die Aneignung von Schreib- und Lesefähigkeit nachzuholen.

Hinzu kommt, wenn diese Annahme stimmt, dass dann auch diejenigen Meinungen deutlich unterrepräsentiert wären, die aus Gebieten kamen, die von einem Krieg gegen die Zentralmächte mit am wenigsten Betroffen gewesen wären.
Das man in weiten Teilen des Veneto und der Lombardei von Krieg gegen Österreich überhaupt nichts hielt, ist angesichts der nähe zur potentiellen Front und auch der Vernetzung von Familienstrukturen über die Grenzen hinaus nur zu verständlich.
Sizilianer oder Bewohner der Campagna hatten diese Probleme eher nicht.
Auch was der industrialisierte Norden natürlich wirtschaftlich von ganz anderen Dingen abhängig, als der landwirtschaftliche Süden.

Ich bin der Meinung, dass das durchaus sehr relevant sein kann.









*die Zahlen sind von mir frei erfunden
 
Zuletzt bearbeitet:
Deswegen interessieren mich die von @Turgot angeführten Einschätzungen einzelner Historiker in der Hinsicht herzlich wenig, mich interessiert vor allem die Methodik dahinter.

Sehr freundlich. Woher weißt du denn, dass es sich um Einschätzungen handelt? und nicht um Erkenntnisse? Wie erklärst du die Tatsache, das der Präfekt von Neapel Salandra darüber informierte, das in seiner Provinz 90% der Bevölkerung gegen den Krieg sei?

Also liegen Melograni, Rienzi, Corsini, Vigezzi , Afflerbach und wie sie alle heißen komplett falsch?

Alberto Pansa, italienischer Botschafter in Berlin bis 1912, verurteilte den Kriegseintritt als ein Akt des Wahnsinns.

Kurz noch zu Giolitti: Bekanntermaßen hatte Italien ja am 03.Mai 1915 den nicht zu kündigenden Dreibundvertrag gekündigt. Giolitti war nunmehr endgültig klar, das Salandra und Sonnino mit Vollgas in den Krieg steuerten. Die überwältigende Solidaritätsbekundung von Parlament und Kammer spricht eine deutliche Sprache. Die Regierung sah sich gezwungen zurückzutreten. Es war der italienische König, der mit seiner Abdankung drohte, falls der Londoner Vertrag gekündigt werden sollte. Er machte sich wohl um seinen Ruf Sorgen, denn wenn die Telegramme, die italienische König an die Staatsoberhäupter veröffentlich würden, stünde er schön dumm da.


Nebenbei: Das ist schon eine verdammt hohe Quote an Analphabeten für ein Land, welches eine Großmacht sein wollte und ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal die Zeitung lesen konnte.
 
Ein Frage in die Runde.

War jemand von euch mal in einem Archiv und hat sich Originalquellen (ad fontes), auf die sich die Historiker in ihren Werken beziehen angeschaut? Oder bildet ihr eure Meinungen "nur" bezogen auf die Literatur?
 
Ich bilde mir meine Meinung anhand der Fachliteratur. Wenn möglich sehe ich mir auch die Werke, die veröffentlichen Quellen an, auf die sich die Historiker beziehen. In den Archiven war ich noch nicht.
 
Bei aller Liebe, wir sind hier nur ein Forum. Man sollte es nicht übertreiben. Das zitieren von einigen Quellen wie es hier gemacht wird, reicht für mich aus. Ich finde es gut, wenn man mit Fachliteratur arbeitet, das argumentieren völlig ohne Fachliteratur nach dem Motto: es könnte so sein, oder auch so sein... finde ich persönlich schwierig, weil es wenig Mehrwert bietet. Eine starke Meinung braucht auch eine starke Quelle. :)
 
@Shinigami

Hier ein kleiner Auszug aus Rosen Aufsatz "Italiens Neutralität und Intervention 1915 im Lichte der Schweizerischen Gesandtschaftsberichte aus Rom."

Der damalige siebenundfünfzigjährige Gesandte der Schweiz war Alfred von Planta-von Waldkirch.

"Die Stimmung der Bevölkerung, so wurde darin berichtet, sei auffallend ruhig und beinahe resigniert; die lärmende Strassenbegeisterung verschwunden; nirgends ein merklicher Enthusiasmus für die nationale Sache, die im Kriege zum Ausdruck kommen sollte. In allen Unterhaltungen mit Italienern während der letzten Tage habe man dieses Fehlen jeglicher Begeisterung registrieren können. «Cette malheureuse guerre», das sei der Grundton gewesen. Den gleichen Eindruck hätten auch Leute gehabt, die aus anderen Städten nach Rom kamen und verblüfft waren über den scheinbaren Umschwung in der öffentlichen Meinung. Er selbst, so fuhr Planta fort, halte das aber keineswegs für einen Umschwung; vielmehr erkläre er sich den Vorgang so, dass die früheren Eindrücke durch die offiziell oder offiziös inszenierten Strassenkundgebungen veranlasst wurden, während sich jetzt die öffentliche Meinung wieder bemerkbar mache, die sich in der individuellen Meinungsäusserung bekunde. Er glaube, mit Sicherheit behaupten zu dürfen, dass, trotz aller Demonstrationen und Kundgebungen des Parlaments, keinerlei Begeisterung für den Krieg bestehe, sondern bestenfalls Willensfreudigkeit aus Resignation."

Hervorhebung durch mich.


Wie stellst du dich denn zu der Tatsache, dass die Regierung Salandra im Parlament und Kammer die Mehrheit gegen sich hatte und sich genötigt sah zurückzutreten?

Und wenn ich deinen Gedanken bezüglich der hohen Quote des Analphabetentums einmal folge, an dem du festmachen möchtest, das es keine Mehrheit gegen den Krieg gegeben hatte, läßt sich natürlich auch umgekehrt behaupten, nämlich dass es keine Mehrheit für den Krieg gegeben hatte, herleiten. Denn wie sollten denn die Analphabeten sich informieren, wie verstehen, was da in Rom geschah und weshalb es geschah?
 
Sehr freundlich. Woher weißt du denn, dass es sich um Einschätzungen handelt? und nicht um Erkenntnisse? Wie erklärst du die Tatsache, das der Präfekt von Neapel Salandra darüber informierte, das in seiner Provinz 90% der Bevölkerung gegen den Krieg sei?

Was hat denn der Präfekt von Neapel Salandra seinerzeit so an Evidenzen aufgetischt? Oder hat er einfach mal irgendeine Zahl ohne jeden Nachweis herausgehauen um seine eigenen Interessen zu vertreten oder die seiner Partei oder was er für das Interesse seiner Region hielt, aber ohne das nachweisen zu können?

Also liegen Melograni, Rienzi, Corsini, Vigezzi , Afflerbach und wie sie alle heißen komplett falsch?

Das habe ich nicht behauptet.
Ich behaupte lediglich, dass durch die Rahmenbedingungen es kaum möglich sein wird, eine tatsächliche Mehrheitsmeinung festzustellen.

Alberto Pansa, italienischer Botschafter in Berlin bis 1912, verurteilte den Kriegseintritt als ein Akt des Wahnsinns.
Was aber hat jetzt die Meinung eines Diplomaten mit der Politik der Regierung und der Bevölkerung zu tun?

Kurz noch zu Giolitti: Bekanntermaßen hatte Italien ja am 03.Mai 1915 den nicht zu kündigenden Dreibundvertrag gekündigt. Giolitti war nunmehr endgültig klar, das Salandra und Sonnino mit Vollgas in den Krieg steuerten. Die überwältigende Solidaritätsbekundung von Parlament und Kammer spricht eine deutliche Sprache. Die Regierung sah sich gezwungen zurückzutreten. Es war der italienische König, der mit seiner Abdankung drohte, falls der Londoner Vertrag gekündigt werden sollte. Er machte sich wohl um seinen Ruf Sorgen, denn wenn die Telegramme, die italienische König an die Staatsoberhäupter veröffentlich würden, stünde er schön dumm da.

Oder anders gesagt, Giolitti und das Parlament hielten die Abdankung des Königs für einen größeren Skandal als den Kriegseintritt, denn ansonsten hätten sie das ja durchgezogen.
So viel zum Thema "waren strikt gegen den Krieg".

Nebenbei: Das ist schon eine verdammt hohe Quote an Analphabeten für ein Land, welches eine Großmacht sein wollte und ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal die Zeitung lesen konnte.
Och, die Quote dürfte sich derjenigen der Sowjetunion in den 1920er und 1930er Jahren recht ähnlich verhalten haben.
 
War jemand von euch mal in einem Archiv und hat sich Originalquellen (ad fontes), auf die sich die Historiker in ihren Werken beziehen angeschaut? Oder bildet ihr eure Meinungen "nur" bezogen auf die Literatur?

Einen Archivbesuch kann ich da nicht vorweisen, dass liegt für mich im Moment außerhalb meiner Möglichkeiten.

Deswegen habe ich versucht mich argumentativ auf die Methodik und die Reaktion auf Ereignisse zu stützen.


Wie genau findet man die Mehrheitsmeinung einer Gesellschaft rückwirkend heraus, in der 40% der Erwachsenen Analphabeten waren und keinerlei Schriftzeugnisse hinterlassen haben können?
Natürlich kann man Studien fabrizieren, die schriftliche Hinterlassenschaften auswerten, aber wenn man das unter diesen Bedingungen tut, ist doch völlig klar, dass man sich nur auf ein Meinungsbild stützen kann, dass allenfalls 60% der Bevölkerung repräsentiert.
Daraus kannn man sicherlich Tendenzen für das vorhandene Material ableiten und somit über die Stimmung in den Regionen mit hohem Alphabetisierungsgrad etwas sagen, aber die Tatsache, dass wir über 40% daraus überhaupt nichts wissen können, macht doch klar, dass Aussagen, was die Bevölkerung an und für sich wollte, sich daraus im Grunde nicht herleiten lassen und jeder Versuch das zu tun eine ambitionierte Vermutung sein muss, aber nicht mehr sein kann.


Die Reaktion der Bevölkerung auf die Mobilmachung und die Kriegserklärung an und für sich, spricht eine etwas andere Sprache, als die einer den Krieg strikt ablehnenden Bevölkerung.
 
Was hat denn der Präfekt von Neapel Salandra seinerzeit so an Evidenzen aufgetischt? Oder hat er einfach mal irgendeine Zahl ohne jeden Nachweis herausgehauen um seine eigenen Interessen zu vertreten oder die seiner Partei oder was er für das Interesse seiner Region hielt, aber ohne das nachweisen zu können?

Welchen Grund hast du zu der Annahme, dass der Präfekt einfach mal eben die Unwahrheit sagt? hast du hierfür eine Quelle?
Ich finde es nicht in Ordnung, wie du mit solchen Aussagen umgehst? Hättest du solche Zeilen auch geschrieben, wenn der Präfekt darüber informiert hätte, das in seinem Bezirk die Bevölkerung zu 90% dem Kriege zustimmt?

Was aber hat jetzt die Meinung eines Diplomaten mit der Politik der Regierung und der Bevölkerung zu tun?

Dieser Diplomat ist aufmerksamer Zeitzeuge in Rom jener Tage gewesen. Er hat sicher die Stimmung mitbekommen.

Das habe ich nicht behauptet.

Du ignorierst ihre Aussagen, was somit auf dasselbe hinausläuft.

Oder anders gesagt, Giolitti und das Parlament hielten die Abdankung des Königs für einen größeren Skandal als den Kriegseintritt, denn ansonsten hätten sie das ja durchgezogen.
So viel zum Thema "waren strikt gegen den Krieg".

Du hast die Frage nicht beantwortet, die da lautete, was du dazu sagst, das die Regierung die parlamentarische Mehrheit gegen sich hatte und deshalb zurückgetreten war.

Deswegen habe ich versucht mich argumentativ auf die Methodik und die Reaktion auf Ereignisse zu stützen.

Fachliteratur spielt also keine Rolle bei deiner Informationsbeschaffung und Meinungsbildung? Über Ereignisse sollte man natürlich im Bilde sein und das geht über seriöse Fachliteratur oder wie der Historiker handhabt, den Archivbesuch. Ganz ohne wird es wohl nicht gehen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Er selbst, so fuhr Planta fort, halte das aber keineswegs für einen Umschwung; vielmehr erkläre er sich den Vorgang so, dass die früheren Eindrücke durch die offiziell oder offiziös inszenierten Strassenkundgebungen veranlasst wurden, während sich jetzt die öffentliche Meinung wieder bemerkbar mache, die sich in der individuellen Meinungsäusserung bekunde.

Ja ja, er erklärte sich den Vorgang so.
Mit anderen Worten, er vermutete ins Blaue hinein.

Btw. wenn die da vorgetragene Kriegsbegeisterung nur inszeniert war, was genau hätte der Regierung Anlass dazu geben sollen die Inszenierungen abzubrechen?
Man sollte ja doch meinen, dass die Propagandamachinerie mit dem Krieg erst richtig anzulaufen beginnt und nicht auf einmal abgestellt wird, warum auch immer?

Wie stellst du dich denn zu der Tatsache, dass die Regierung Salandra im Parlament und Kammer die Mehrheit gegen sich hatte und sich genötigt sah zurückzutreten?

Wie genau sollte ich mich denn zu diesem Umstand stellen?
Ich war eigentlich der Meinung, wir führten eine Diskussion über die Meinung des italienischen Volkes, nicht über die des Parlaments.

Zumal die damaligen Parlamentarier nicht im heutigen Ausmaß in der Lage waren, regelmäßig durch die eigenen Wahlkreise zu touren und sich persönlich Stimmungsbilder abzuholen.

Und wenn ich deinen Gedanken bezüglich der hohen Quote des Analphabetentums einmal folge, an dem du festmachen möchtest, das es keine Mehrheit gegen den Krieg gegeben hatte,
Ich habe nirgendwo behauptet dass ich das Nichtvorhandensein einer Mehrheit gegen den Krieg am Analphabetismus festmachen will.
Ich habe behauptet, dass diese Analphabetenquote und die dadurch extreme Schwierigkeit nachträglich die Meinung größerer Bevölkerungsgruppen einzuholen, es nahezu, wenn nicht völlig unmöglich macht Mehrheiten zu belegen.

Das die Stimmung in der Bevölkerung auf Krieg stand oder dem Krieg jedenfalls nicht im Wege, zeigt der Umstand, dass sie so überhaupt nichts gegen den heraufziehenden Kriegseintritt unternahm.

Recht seltsam, noch im Jahr zuvor hatte sich die Ablehnung von Schritten der Regierung Giolitti noch in der "settimana rossa" entladen und zeitweise für flächendeckende Unruhen in in der Emillia-Romagna und den Marche gesorgt.
Massenproteste und Aufstandsähnliche Zustände gegen bestimmte politische Reformen zu organisieren ging also, aber ein Generalstreik gegen Mobilmachung und Krieg war nicht machbar, obwohl angeblich die weitüberwiegende Mehrheit des Landes gegen den Krieg war?
Ernsthaft?
 
Fachliteratur spielt also keine Rolle bei deiner Informationsbeschaffung

Möchtest du damit etwa den von mir oben zitierten Knipp und Osterhammel die fachliche Kompetenz absprechen?
Wenn nicht, sollte sich diese Frage von selbst beantwortet haben.

Und ansonsten an dieser Stelle nochmal:

Erkläre mir bitte, wie man eine umfassende, vernünftige Studie ohne umfassendes Material anstellen soll.
Ich möchte von dir einfach mal ganz konkret erklärt bekommen, wie das geht.

Man kann Studien nur auf Basis der Schriftzeugnisse erstellen, die man hat und wenn man von 40% der Bevölkerung keine Schriftzeugnisse hat, weil es sich um Analphabeten handelte hat man 40% Unbekannt drinn, wenn man über Meinungen der Gesamtbevölkerung etwas sagen will.
40% Unbekannte sind schlicht zu viel, wenn man Gesamtmehrheiten feststellen möchte, weil sie im Prinzip jedes Ergebnis kippen können, wenn die Auswertung der rechtlichen quellen nicht gerade ein Verhältnis von 90:10 oder sowas aufweist.

Und an dieser Stelle noch einmal:

Auf Grund der skizzierten Problematik bin ich nicht bereit Meinungsäußerungen oder Erhebungen zur Grundlage meiner Position zu machen, die mir nicht erklären können, wie man dieses Problem der nicht vorhandenen Überlieferung umgehen kann.
 
---short intermission---

Ein Frage in die Runde.

War jemand von euch mal in einem Archiv und hat sich Originalquellen (ad fontes), auf die sich die Historiker in ihren Werken beziehen angeschaut? Oder bildet ihr eure Meinungen "nur" bezogen auf die Literatur?
Gegenfrage:
...hat im Fall einer gesundheitlichen Malaise eine/r/* der Teilnehmer/innen/* hier medizinische Quellen studiert und ein medizinisches Fachstudium absolviert um sicher zu sein, dass der behandelnde Arzt auch alles richtig macht?

Wird seitens der Rezensenten eines historischen Fachbuchs stets das komplette Quellenmaterial ausgewertet?

Wie dem auch sei: ich bin "fachlich" außerhalb meines beruflichen Bereichs (der historisch wahrlich nicht weiter relevant ist!) nicht "befugt" und auch nur bestenfalls rudimentär befähigt, historische wissenschaftliche Fachliteratur "ad fontes zu überprüfen". Man liest oft hier im GF das Totschlagargument "das Fachbuch von Koryphäe XY besagt gar nichts, sondern mit welchen Argumenten (und anhand welcher Quellen) kommt XY zu dieser oder jener Beurteilung" - bon, Skepsis ist nie ganz falsch, aber die Ergebnisse von "GF-Argumentations-Quellen-Prüfungen" wird man außerhalb des GF wohl nirgendwo finden, hingegen die misstrauisch beäugte Fachliteratur schon... ;) So ganz grundlos dürfte etliches, was unter Fachliteratur läuft, diese Bezeichnung nicht erhalten haben! Und wenn ich zusammenfassende Übersichten nachlese wie z.B. Demandts Geschichte der Spätantike oder Wolframs Goten, ja Halleluja, ich brächte Jahre wenn nicht Jahrzehnte, ohne gewiß sein zu können, dass meine laienhafte "Überprüfung" was taugt...

Ich sehe keinen zureichenden Grund, der Fachliteratur a priori zu misstrauen. Natürlich ist mir klar, dass da stets alles im Fluß ist, dass Änderungen der Erkenntnisse stattfinden, weshalb es in allen Disziplinen sinnvoll ist, primär den oft kontroversen jüngsten Forschungsstand zur Kenntnis zu nehmen - andererseits finden aber radikale Neubewertungen, die alles vorangegangene restlos obsolet machen, nicht alle fünf Minuten statt. Laienhaftes Exempel: Wenskus Stammesverfassung ist nicht mehr up to date, aber auch nicht total falsch, sondern teilweise Ausgangspunkt für die Forschungen seiner Nachfolger.

Hier im Faden geht es um politische und diplomatische Angelegenheiten in Italien kurz vor und im Ersten Weltkrieg: @ursi kennst du ALLE Quellen dazu, hast sie parat und kannst folglich in der Zeit, die man als GFler so zwischen zwei Beiträgen benötigt, ein wissenschaftlich gesichertes Urteil dazu in einen Beitrag packen? ---- bitte nicht missverstehen, diese Frage ist nicht etwa böse gemeint! Ich könnte dazu nur ein paar wenig erhellende und obendrein quellenmäßig von mir nicht nachgeprüfte, sondern der sehr speziellen "Fachliteratur" meines Steckenpferds*) entnommene fortifikatorische Sachen beitragen (Aufrüstung & Ausbau der ital. Alpenforts, Armierung der ital. Festungen etc)

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*) ganz grundlos hab ich mir den Spitznamen Festungsfreak nicht zugeteilt :)
 
Welchen Grund hast du zu der Annahme, dass der Präfekt einfach mal eben die Unwahrheit sagt? hast du hierfür eine Quelle?

Den dass er als politischer Akteur möglicherweise ein Interesse daran hatte Salandra von seinem Kriegskurs abzubringen.

Welchen Grund hast du noch gleich anzunehmen, dass die behaupteten 90% auf irgendeiner Form von representativen Erhebungen basieren?
Wo sind die denn? Müssten ja irgendwo zugänglich sein. Und wie sind die zustande gekommen? Hat der Präfekt persönlich jede Hafenkneipe seiner Präfektur ausgehorcht und Strichlisten angefertigt, in die er jeden Besucher eingetragen hat?

Machen wir uns doch nichts vor. Die Methoden der modernen Demoskopie gab es noch nicht, geschweigedenn einen entsprechenden wissenschaftlichen Apparat mit entsprechendem Personal, dass sich damit beschäftigte.
Online und Telefonumfragen etc. gab es auch nicht und bei einem erhöhten Grad von Analphabeten wäre es nicht einmal möglich gewesen einfach jeden haushalt anzuschreiben und sich schriftlich Rückmeldung zu erbitten und selbst wenn man das getan hätte, hätten wäre das wahrscheinlich vielfach ignoriert worden.

Du wirst nicht umhinkommen zuzugeben, dass diese Zahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine persönliche Mutmaßung oder politische Übertreibung ist, aber nicht evidenzbasiert.

Dieser Diplomat ist aufmerksamer Zeitzeuge in Rom jener Tage gewesen. Er hat sicher die Stimmung mitbekommen.

Aufmerksamer Zeitzeuge der Ereignisse in Rom war auch der bei Knipp zitierte Dalton. Der hat allerdings ganz andere Eindrücke wiedergegeben.
Davon ab, sind wird dann wieder auf der Schiene unterwegs Schlüsse aus einzelnen subjektivenn Eindrücken und Mutmaßungen zu ziehen, was uns nicht weiter bringt.

Du ignorierst ihre Aussagen, was somit auf dasselbe hinausläuft.

Nein, ich nehme sie zur Kenntnis als das, was sie sind. Mutmaßungen, Bezug auf die Mutmaßung anderer oder Ergebnisse von Studien, die sich auf Teile des Landes oder der Bevölkerung beziehen, aber eben nur auf Teile und dass ist nicht ohne weiteres pars pro toto zu nehmen.

Du überbewertest es.

Du hast die Frage nicht beantwortet, die da lautete, was du dazu sagst, das die Regierung die parlamentarische Mehrheit gegen sich hatte und deshalb zurückgetreten war.

Doch, habe ich. Ich denke wir unterhalten uns hier über die Bevölkerung, nicht über das Parlament.

Und wie gesagt, wenn wir beim Parlament sind, dann nochmal meine Gegenfrage, warum es denn die Nummer nicht durchzog und den König gleich mit zur Abdankung zwang, wenn es doch strikt gegen den Krieg war?

Offensichtlich hielt es die Abdankung des Königs für schlimmer als den Weltkrieg, denn anders ist ja nicht zu erklären, warum das Parlament dort nicht weiter ging.
 
Ja ja, er erklärte sich den Vorgang so.
Mit anderen Worten, er vermutete ins Blaue hinein.

Und wieder eine Quelle in Bausch und Bogen abgelehnt.

Doch, habe ich. Ich denke wir unterhalten uns hier über die Bevölkerung, nicht über das Parlament.

Das Parlament vertritt doch die Bevölkerung.

Ich sehe keinen zureichenden Grund, der Fachliteratur a priori zu misstrauen.

Das möchte ich ausdrücklich unterstreichen!

@Shingami

Ich denke, wir kommen hier nicht weiter, da du alle Hinweise oder Verweise auf Fachliteratur, Zeitzeugen etc. ablehnst. Schade eigentlich.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
---short intermission---


Gegenfrage:
...hat im Fall einer gesundheitlichen Malaise eine/r/* der Teilnehmer/innen/* hier medizinische Quellen studiert und ein medizinisches Fachstudium absolviert um sicher zu sein, dass der behandelnde Arzt auch alles richtig macht?

Wird seitens der Rezensenten eines historischen Fachbuchs stets das komplette Quellenmaterial ausgewertet?

Wie dem auch sei: ich bin "fachlich" außerhalb meines beruflichen Bereichs (der historisch wahrlich nicht weiter relevant ist!) nicht "befugt" und auch nur bestenfalls rudimentär befähigt, historische wissenschaftliche Fachliteratur "ad fontes zu überprüfen". Man liest oft hier im GF das Totschlagargument "das Fachbuch von Koryphäe XY besagt gar nichts, sondern mit welchen Argumenten (und anhand welcher Quellen) kommt XY zu dieser oder jener Beurteilung" - bon, Skepsis ist nie ganz falsch, aber die Ergebnisse von "GF-Argumentations-Quellen-Prüfungen" wird man außerhalb des GF wohl nirgendwo finden, hingegen die misstrauisch beäugte Fachliteratur schon... ;) So ganz grundlos dürfte etliches, was unter Fachliteratur läuft, diese Bezeichnung nicht erhalten haben! Und wenn ich zusammenfassende Übersichten nachlese wie z.B. Demandts Geschichte der Spätantike oder Wolframs Goten, ja Halleluja, ich brächte Jahre wenn nicht Jahrzehnte, ohne gewiß sein zu können, dass meine laienhafte "Überprüfung" was taugt...

Ich sehe keinen zureichenden Grund, der Fachliteratur a priori zu misstrauen. Natürlich ist mir klar, dass da stets alles im Fluß ist, dass Änderungen der Erkenntnisse stattfinden, weshalb es in allen Disziplinen sinnvoll ist, primär den oft kontroversen jüngsten Forschungsstand zur Kenntnis zu nehmen - andererseits finden aber radikale Neubewertungen, die alles vorangegangene restlos obsolet machen, nicht alle fünf Minuten statt. Laienhaftes Exempel: Wenskus Stammesverfassung ist nicht mehr up to date, aber auch nicht total falsch, sondern teilweise Ausgangspunkt für die Forschungen seiner Nachfolger.

Hier im Faden geht es um politische und diplomatische Angelegenheiten in Italien kurz vor und im Ersten Weltkrieg: @ursi kennst du ALLE Quellen dazu, hast sie parat und kannst folglich in der Zeit, die man als GFler so zwischen zwei Beiträgen benötigt, ein wissenschaftlich gesichertes Urteil dazu in einen Beitrag packen? ---- bitte nicht missverstehen, diese Frage ist nicht etwa böse gemeint! Ich könnte dazu nur ein paar wenig erhellende und obendrein quellenmäßig von mir nicht nachgeprüfte, sondern der sehr speziellen "Fachliteratur" meines Steckenpferds*) entnommene fortifikatorische Sachen beitragen (Aufrüstung & Ausbau der ital. Alpenforts, Armierung der ital. Festungen etc)

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*) ganz grundlos hab ich mir den Spitznamen Festungsfreak nicht zugeteilt :)

Ich bin dir wohl auf den Schlips getreten.

Zu deiner Frage ob ich alle Quellen zu diesem Thema kenne - nein kenn ich nicht - ist nicht mein Forschungsgebiet - du findest auch keinen einzigen Beitrag von mir dazu. Dafür kannst du mir glauben, dass ich zu meinem aktuellen Forschungsthema die Quellenlage sehr genau kenne. Und siehe da - ich habe auch Fehler in der Fachliteratur gefunden - eben weil ich ad fontes ging.

Um was ging es mir mit meiner Zwischenfrage eigentlich. Ganz einfach man dreht sich hier im Kreis und so kommt man mit der Diskussion nicht weiter.
 
Und wieder eine Quelle in Bausch und Bogen abgelehnt.

Ich habe keine Quelle in Bausch und Bogen abgelehnt.
Ich habe nur meine Ansicht geäußert, nach der meine Skepsis nicht weniger angebracht ist, als dein blindes Vertrauen darauf und ich habe das entsprechend motiviert.

Wenn du mir erklären kannst, wie der Herr Präfekt zu diesen Zahlen gekommen sein möchte, lese ich mir das gerne an.
Wenn du selbst nicht weiß, welche Erhebungsmtehoden da zu Einsatz gekommen sein sollen, ist das blindes Vertrauen in die Äußerung eines politischen Akteurs.
Kann man ja haben. Halte ich aber für unangemessen.

Das Parlament vertritt doch die Bevölkerung.

Das ist doch nun wirklich Unfug. Du weißt genau so gut wie ich, dass die Mehrheitsverhältnisse im Parlament in einzelnen politischen Sachfragen ganz erheblich von den Meinungen der Bevölkerung in representativen Erhebungen abweichen können.

Die Mehrheitsverhältnisse des Parlaments in einer bestimmten politischen Frage (die zum Zeitpunkt der Wahl nicht mal auf der Agenda stand), als einhellige Meinung der Bevölkerung zu verkaufen trägt nicht.

Das müssen wir auch gar nicht weiter diskutieren.
 
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