Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

Es wurde ein defacto in ein dejure Zustand umgewandelt.

Das ist eine sehr abenteuerliche Interpretation.
Tatsache ist, dass Wien 1878 die Besatzung und die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina zugestanden wurde, nicht die Eingliederung in den eigenen Herrschaftsbereich.
Und damit hatte ÖU ohne zweifel sein Territorium durch die Annexion von 1908 erweitert.

Ich sehe hier zwischen Wien und Rom durchaus einen wesentlichen Unterschied in der Art und Weise, Stichwort der heilige Egoismus Roms, des Umgangs mit dem Bündnispartner.
Da sehe ich nur den Unterschied, dass das Schlagwort des "Sacro Egoismo" in Italien tatsächlich geflügeltes Wort wurde. Betrieben haben das beide.

Auf welcher Grundlage ist nun Wien verpflichtet gewesen, Italien bei der Durchsetzung seiner Interessen, vor allem wenn diese den eigenen klar entgegenstehen, zu unterstützten
Dafür gab es keine Verpflichtung.
Es war eben nur im Hinblick auf das Verhältnis zu Italien nicht gut hier wieder seinen Kopf durchzusetzen, nachdem man sich bereits ein halbes Jahrzehnt vorher in Bosnien de facto vertragswidrig verhalten hatte, was die Kompensation betrifft.

Zur Informationspflicht siehe #157. Übrigens, zu dem auf die Bremse treten. Das war exakt der Grund, weshalb Rom seine Verbündeten eben nicht über den Tripoliskrieg informierte. Unmittelbar vor Eröffnung der Feindseligkeiten erhielt man Kenntnis von dem Überfall. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Der Unterschied ist nur, dass der Tripoliskrieg eine überschaubare Aktion in der kolonialen Sphäre war, während in der Julikrise mal eben ein Weltkrieg ausgeköst wurde.

Muss ich darlegen, welche Probleme dieser Weltkrieg allein im Hinblick auf die Bennstoffversorgung der italienischen Industrie bedeutete, nachdem es Italien einmal an hinreichenden Kohlevorkommen fehlten, die übrigen europäischen Exportmengen verknappten und die Preise explodierten?

Wien hatte klar angekündigt, kein serbische Territorium annektieren zu wollen.
Hatte es, nur wie glaubwürdig wirkte das auf die anderen Akteure?

Du hast wirklich eine ausgesprochene negative Meinung von den Zentralmächten.
Nein, habe ich nicht. Mir war nur auch einfach mal an einer Gegendarstellung zu deinem außerordentlich negativen Italienbild gelegen.
Immer wenn sich Österreich äußerst fragwürdig oder vertragswidrig verhalten hat, redest du das klein "de facto Zustand in einen de jure Zustand umgewandelt", wenn sich demgegenüber Italien fragwürdig oder vertragsbrüchig verhielt, dann neigest du dazu das zu skandalisieren.


Nur dass das für Wien undurchführbar war und das wußte man in Rom auch. Wie sollte man das dann bitte der eigenen Öffentlichkeit verkaufen können, das man den eigenen Verbündeten Italien mit eigenen Territorium bezahlt, damit dieser die Füße still hält.

Nachdem man sich zum Schluss ja selbst in Wien dazu durchrang dann doch darauf eingehen zu wollen, hielt man das ja offenbar nicht mehr für undurchführbar, nur hatte die Entente mittlerweile mehr geboten und damit war das Fenster zu.
Du weißt auch, dass Berlin Rom in Form von Sosnowiec und Umgebung Kompensation für die Abtretungen in Aussicht gestellt hatte, letztendlich hätte es sich also um einen Gebietstausch gehandelt, den nicht Österreich zu bezahlen gehabt hätte, sondern Russland und Serbien.
 
Das jetzt reine Spekulation. Der damalige österreichische Außenminister war halt so unfassbar dämlich im Zuge der Verlängerungsverhandlungen des Dreibundes aus freien Stücken heraus den Italienern diese Kompensationsklausel anzubieten. Und gegenüber Frankreich hätte Italien sich so ein Verhalten nicht gewagt zu erlauben.

Ach so. Die Vertragliche Grundlage als Hauptursache für die Territorialforderungen Italiens anzusehen ist Spekulation, alles dem Irredentismus zuzuschieben, obwohl die politischen Entscheidungsträger vorher nicht unbedingt als hitzköpfige Irredentisti aufgefallen waren aber nicht? ;)



Italien hatte den Dreibundvertrag durch seine Kündigung gebrochen. Diese war gar nicht möglich. Der Witz an der Sache, ist der, das es Italien gewesen war, das während des Tripoliskrieges die vorzeitige Verlängerung, die erst 1914 in Kraft trat, wünschte. Sehr vornehmes Verhalten.

Das war natürlich kein besonders vornehmes Verhalten.
Noch weniger, dass sich Italien dann nebenher noch von der Entente kaufen ließ und gegen die Staaten mit denen es gestern noch verbündet war in den Krieg zog.
Das ist sicherlich ein Verhalten, dass man mit gutem Grund aufs Schärfste verurteilen kann.

Mein Problem dabei ist nur dass sich deine Betrachtungen immer so lesen, als hätte sich das italienische Verhalten schon seit Jahren vorher auf genau diesen Punkt zubewegt.

Bis ins Frühjahr 1915 hinein verhielt sich Italien allerdings gemessen an den vertraglichen Grundlagen des Dreibunds und am historischen Kontext nicht fragwürdiger und inkorrekter als Österreich das tat.

Mir geht es nicht darum Italiens Agieren insgesamt schön zu reden, sondern darum, dass nicht mehr vertretbare Verhalten von 1915 in der Bewertung von dem zu trennen, was zuvor gelaufen war und durchaus auf Gegenseitigkeit zwischen Wien und Rom basierte.
 
Italien wollte die Adria beherrschen, es übersah hierbei komplett die Interessen der anderen Anrainerstaaten, insbesondere seines Verbündeten Österreich-Ungarn und auf dem Balkan, wo schon zwei Großmächte in Konkurrenz standen, ein entschiedenes Wörtchen mitreden. Rom war sich natürlich bewusst, "dass man in fremden Revieren wildern ging".

Die Adria beherrschen....... geht es eine Nummer kleiner?
Du hast selbst weiter oben die Problematik der langen italienischen Küstenlinien im Kriegsfall mit den Seemächten angesprochen.
Vor dem Hintergrund dieser strategischen Lage war der italienische Wunsch im Kriegsfall die Adria abriegeln zu können, um wenigstens seine östliche Küste einigermaßen schützen zu können, sicherlich nicht unverständlich.
Und durch ein paar Stützpunkte in Albanien beherrschte sicherlich niemand die Adria.

Wir können uns ja gerne mal darüber austauschen, was denn das deutsch-britische Flottenwettrüsten so für die strategische Situation Italiens bedeutete.

Apropos Rücksicht auf Anrainerstaaten am Balkan. Warum noch gleich musst aus Sicht Wiens unbedingt ein albanischer Staat her, wenn nicht um Serbien denn Zugang zur Adria zu blockieren?
Sehr rücksichtsvoll.

Italien hatte ja sogar in Oberitalien, als es keine Kompensation für Bosnien gegeben hatte, eine Teilmobilmachung durchgeführt. Ziemlich aggressiv würde ich das nennen.

Angesichts dessen, dass Österreich gerade abseits jeglicher vertraglichen Absprachen sein Territorium massiv erweiterte und Österreichs Generalstabschef Conrad v. Hötzendorf gefühlt alle 2 Wochen einen "Präventivkrieg" gegen den eigenen italienischen Verbündeten forderte, nenne ich das "vorsichtig".

1909 folgten die Abmachungen mit dem Zarenreich bezüglich des Balkan. Mit Frankreich hatte Rom sich schon einige Jahre früher verbunden. Das italienische Handeln zwischen den Bündnisblöcken war schon sehr speziell. Dem Geiste nach, war das italienische Agieren nicht mit Dreibund zu vereinbaren.
Ja, wie verwunderlich, dass Italien sich nach anderen Absprachen umsah, nachdem Österreich gerade in der Bosnischen Angelegenheit vorgeführt hatte, dass Abmachungen mit Wien unter Umständen nichts wert sind.

Als im Zuge der Balkankriege ein großes Serbien im Entstehen war, da musste man sich an Österreich anlehnen, da dieses ebenfalls ein Vordringen der Serben, welches von den Russen unterstützt wurde, an die Adria verhindern wollte. Das Ergebnis war Albanien.

Das musste es deswegen ablehnen, weil es mit der bosnischen Aktion vorher Serbien massiv vor's Schienbein getreten hatte.
Stellt sich aber die Frage, war denn die Annexion Bosniens und der Herzegowina unbedingt notwendig oder hätte man in dieser hinsicht auch andere Szenarien in Betracht ziehen können, die Ärger mit Serbien und italienische Kompensationsforderungen von vorn herein vermieden hätten?

Auch im südlichen Kleinasien prallten die Interessen Italiens auf denen Österreich-Ungarns und verschärften die Spannungen.

Das allerdings waren informelle Einfluss- und Handelsinteressen, keine veritablen Territorialkonflikte.
 
Die Deutschnationalen in Österreich-Ungarn waren sowieso gegen den Anschluss von Bosnien, sie wollten nicht noch mehr Slawen im Land haben, außerdem hätte jede Abstimmung in Bosnien Herzegowina eine serbische nationale Partei gewonnen und man wollte ja den Anschluss an Deutschland in ähnlicher Weise. Die Leute denken immer wieder die Demographie war damals wie heute, nein die Serben stellten mindestens die relative, wenn nicht sogar die absolute Mehrheit, mit einigen Muslimen die Proserbisch eingestellt war und mit vielen Muslimen die Serbien für das kleinere Übel hielten wäre es zum Anschluss Bosniens an Serbien gekommen.

1908 gewannen den serbisch nationale Parteien und schickten das Projekt bosnische Sprache fürs erste in den Mistkübel der Geschichte und tauschten die Bischöfe aus, die waren vorher Griechen, jetzt holte man sich die eigenen Leute. Die griechisch-serbische Liebe ist ein Produkt späterer Jahre, davor galten die Griechen als Kollaborateure.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Deutschnationalen in Österreich-Ungarn waren sowieso gegen den Anschluss von Bosnien, sie wollten nicht noch mehr Slawen im Land haben

Nicht nur die Deutschnationalen.
Das entsprach ja sogar der Gangart der österreichischen, wie auch der ungarischen Regierung, dass ist ja das komplett Verrückte daran.
Irgendwie sollte das Gebiet annektiert werden, andererseits wollte aber keine der beiden Reichshälften das Gebiet und damit noch mehr Slawen verwalten müssen, gleichzeitig wollte aber auch keine der beiden Regierungen, dass es der anderen Reichshälfte zugeschlagen wird um deren innenpolitisches Gewicht nicht zu erhöhen.

Und dabei heraus kann dann der Status, als wenn man so will 3. Reichshälfte unter Verwaltung des gemeinsamen Finanzministeriums.

Da man also ohnedies nicht so recht wusste, was man mit Bosnien und der Herzegowina eigentlich anfangen wollte (zumal es finanziell ohnehin ein Zuschussgebiet war), hätte man den ganzen Unsinn mit der Annexion auch bleiben lassen und statdessen einen eigenen bosnischen Staat oder eine Abtretung an Serbien ins Auge fassen können.

Das hätte viel Ärger mit den serbischen Nationalisten und italienische Kompensationsforderungen von vorn herein vemieden.
 
Das ist eine sehr abenteuerliche Interpretation.

Überhaupt nicht, da es nämlich genauso war.

Tatsache ist, dass Wien 1878 die Besatzung und die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina zugestanden wurde, nicht die Eingliederung in den eigenen Herrschaftsbereich.
Und damit hatte ÖU ohne zweifel sein Territorium durch die Annexion von 1908 erweitert.

Der Herrschaftsbereich war unverändert. Niemand hat daran gedacht, das Bosnien und die Herzegowina zurück zum Osmanischen Reich kämen. Genauso wenig wie Ägypten. Das war unter dem Stricheine Formalie, um die Würde und das Prestige des Sultans und des Osmanischen Reiches zu schonen. Bulgarien stand auch formal unter der Herrschaft des Sultans. Niemand dachte daran, diesen Vorgang wieder umzukehren. Davon abgesehen, haben sich die Pforte und der Ballhausplatz über eine entsprechende Entschädigung geeinigt.

Apropro, was ist eigentlich mit der brutalen und gewaltsamen Wegnahme von Tripolis durch Italien? Da habe ich von dir noch keinen negativen Kommentar gelesen.

Da sehe ich nur den Unterschied, dass das Schlagwort des "Sacro Egoismo" in Italien tatsächlich geflügeltes Wort wurde. Betrieben haben das beide.

Eben nicht. Ich habe dir oben ausführlich dargelegt, das Wien eben die entsprechenden Gelegenheiten 1908 oder 1911/12 nicht auf so eine üble Art und Weise ausgenutzt hatte. Im Gegenteil. Hat sich für Wien niht bezahlt gemacht.

Dafür gab es keine Verpflichtung.
Es war eben nur im Hinblick auf das Verhältnis zu Italien nicht gut hier wieder seinen Kopf durchzusetzen, nachdem man sich bereits ein halbes Jahrzehnt vorher in Bosnien de facto vertragswidrig verhalten hatte, was die Kompensation betrifft.

Gut.
Was heißt denn bitte schon wieder seinen Kopf durchsetzen?

Hatte es, nur wie glaubwürdig wirkte das auf die anderen Akteure?

Hast du Belege, das Berchtolds Aussagen von den Mächten in Frage gestellt worden war. Jedenfalls kam ja die Nagelprobe nicht zustande.

Nein, habe ich nicht. Mir war nur auch einfach mal an einer Gegendarstellung zu deinem außerordentlich negativen Italienbild gelegen.

Du drehst des Spieß um, ja. Du hast großes Verständnis für Italien. Ich habe dies aus gutem Grunde nicht. Ich habe das auch alles schon ausgeführt. Fassen wir kurz und gerafft zusammen:

Italien sucht Schutz gegenüber Frankreich bei Wien und Berlin und bekommt diesen.
Italien will später aus einem Defensivbündnis eine Erwerbsgemeinschaft machen.
Die Verbündeten wollen dies nicht und Italien geht ein Bündnis mit Frankreich ein. Sicher auch um seine Ambitionen in Nordafrika zu befriedigen. Das ließ sich nicht mit dem Geist des Dreibundes vereinbaren.
Italien will die Adria und seiner Kontrollen bringen und deshalb an der östlichen Adria aktiv werden. Das da aber schon ÖU seine Interessensphäre, lange vor Italien hatte, ist für Rom nicht relevant.
Ebenfalls will Rom auch auf dem Balkan aktiv werden, obwohl dort schon Wien und Petersburg sich dauernd kabbeln. Rom schließt nun auch noch eine Vereinbarung mit Petersburg ab. Das ist sehr fragwürdig und kein aufrichtiges Agieren.

Nachdem man sich zum Schluss ja selbst in Wien dazu durchrang dann doch darauf eingehen zu wollen, hielt man das ja offenbar nicht mehr für undurchführbar, nur hatte die Entente mittlerweile mehr geboten und damit war das Fenster zu.

Wien hatte ja keine Alternative. Auf dem orientalischen Basar konnte ÖU nur unterliegen. Es ging schließlich um eigenes Territorium; die Entente verschenkte etwas, was sie gar nicht besaß. Und Italien hatte den Vertrag in London am 26.04. 1915 unterzeichnet. Aber man verhandelte zum Schein noch mit Österreich-Ungarn weiter. Eine seriöse Politik sieht anders aus.

Du weißt auch, dass Berlin Rom in Form von Sosnowiec und Umgebung Kompensation für die Abtretungen in Aussicht gestellt hatte, letztendlich hätte es sich also um einen Gebietstausch gehandelt, den nicht Österreich zu bezahlen gehabt hätte, sondern Russland und Serbien.

Es ist niemanden verborgen geblieben, das italienische Politiker in London zu Verhandlungen sich aufhielten. Berlin sein Vorgehen verdient in diesem Punkte die gleich harte Kritik.
 
Das war natürlich kein besonders vornehmes Verhalten.
Noch weniger, dass sich Italien dann nebenher noch von der Entente kaufen ließ und gegen die Staaten mit denen es gestern noch verbündet war in den Krieg zog.
Das ist sicherlich ein Verhalten, dass man mit gutem Grund aufs Schärfste verurteilen kann.

Na, das sind wir doch endlich mal einer Meinung.
 
Ach so. Die Vertragliche Grundlage als Hauptursache für die Territorialforderungen Italiens anzusehen ist Spekulation, alles dem Irredentismus zuzuschieben, obwohl die politischen Entscheidungsträger vorher nicht unbedingt als hitzköpfige Irredentisti aufgefallen waren aber nicht? ;)

Wo habe ich denn alles den Irredentismus zugeschoben?

Schaust du bitte mal diese Ausführungen in #160 an .
 
Bis ins Frühjahr 1915 hinein verhielt sich Italien allerdings gemessen an den vertraglichen Grundlagen des Dreibunds und am historischen Kontext nicht fragwürdiger und inkorrekter als Österreich das tat.

Das ist ein wenig sehr pauschal. Österreich rüstete nicht ab 1914 zum Kriege gegen Italien. Österreich hatte keine Bündnisse mit den potenziellen Gegnern abgeschlossen. Österreich hatte nicht mal eben gegen Italien mobil gemacht. Österreich machte Italien nicht seine Interessensphären streitig.
 
Ja, macht Sinn.

Es gab ja immer wieder Hinweise, dass Österreich und dann Österreich-Ungarn sowieso Bosnien abtreten wird an Serbien, wenn Serbien weiterhin nett gesagt ein Verbündeter und böse gesagt eine Kolonie bleibt. Verbündeter unter Mihajlo Obrenovic, Kolonie unter Milan Obrenovic und Aleksander Obrenovic wurde ermordet als ihm das Spiel zu blöd wurde und der galt nicht unbedingt als der Hellste.

Naja man versuchte es Kostenneutral zu gestalten, man brauchte aber eine riesige Armee, den entgegen modernen Märchen die die dämlichen österreichischen Politiker (Entschuldigung ich bin ein Polemiker vor dem Herrn) die in Bosnien sind der Kronenzeitung dann verklickern, war Österreich vor allem bei den bosnischen Katholiken also Kroaten beliebt, die Bosniaken hassten die Österreicher und Ungarn in Bosnien genauso. Aber Österreich schickt ja schön Geld nach Bosnien und hilft mit, deswegen wird man ja nie verlangen das die Straßen von Prinz Eugen umbenannt werden, obwohl man den für 10 mal schlimmer hält (und wahrscheinlich war er es auch) als Ratko Mladic. Ich kann ja die Schriften ja im Original lesen.

Die Landfrage haben Wien und Budapest nie gelöst, der Aufgabe Bosnien irgendwie zu verwalten waren sie nicht gewachsen. Mihajlo hätte ich sogar zugetraut mit den Muslimen ein Agreement zu finden was beide Seiten akzeptieren, sollten die Muslime dazu bereit gewesen sein. In Milan und Aleksander Obrenovic hätte ich nicht soviel Vertrauen.

Aber natürlich hätten die Bosniaken da mitspielen müssen. 1867 wurde den Muslimen in Zentralserbien gesagt, Staat akzeptieren, sich als Serben definieren oder Koffer packen. Orthodoxe Christen, Juden und muslimische Roma bekamen die Staatsbürgerschaft sofort, von slawischen Muslimen verlangte man den Eid. Den hätte ich in Südafrika gegeben ich sei ein Zulu, wenn man mich in Ruhe lässt danach, aber die meisten waren so Stolz das sie als Flüchtlinge in Bosnien, dem Sandschak oder gleich in der Türkei landeten.

Leider ist die serbische und kroatische Politik sowieso extrem inkonsequent einerseits sagt man ihr seid unsere Brüder (ihr seid die reineren Serben [serbische Propaganda]), ihr kroatische Blumen (kroatische Propaganda). Aber in beiden Ländern reagieren besonders die Progressiven mit allem was mit Orient und vermeintlich islamischer Kultur (es gibt auch Christen im Orient und das Christentum ist dort entstanden, Jesus sah eher aus wie Osama bin Laden als wie ein amerikanischer Hippie). Am Ende werden die Muslime auch fallengelassen, nach den ersten Massakern an Serben im 2. Weltkrieg, waren die Rachemassaker alle an Muslimen und in muslimischen Städten Tschetniks und Partisanen gemeinsam (auch wenn das Märchen erzählt wird die Partizanen haben nicht mitgemacht), Truppe zum Schutz dieser Leute wollten die Ustascha doch nicht schicken, die kroatischen Blumen waren denen dann doch nicht so wichtig, wie die "echten" Kroaten.
 
Stellt sich aber die Frage, war denn die Annexion Bosniens und der Herzegowina unbedingt notwendig oder hätte man in dieser hinsicht auch andere Szenarien in Betracht ziehen können, die Ärger mit Serbien und italienische Kompensationsforderungen von vorn herein vermieden hätten?

Vorschlag: Mach zu 1908 einen separaten Faden auf.
 
Da man also ohnedies nicht so recht wusste, was man mit Bosnien und der Herzegowina eigentlich anfangen wollte (zumal es finanziell ohnehin ein Zuschussgebiet war), hätte man den ganzen Unsinn mit der Annexion auch bleiben lassen und statdessen einen eigenen bosnischen Staat oder eine Abtretung an Serbien ins Auge fassen können.

Das hätte viel Ärger mit den serbischen Nationalisten und italienische Kompensationsforderungen von vorn herein vemieden.

Wenn ich deine Zeilen lese, bekomme ich den Eindruck, dass du der Meinung bist, korrigieren mich bitte, wenn ich falsch liege, Österreich hätte sowohl den Serben und Italienern einfach in allen Punkten nachgeben sollen und alles wäre gut gewesen.;)

Bosnien und die Herzegowina waren aus militärischen Gründen nicht unwichtig.
 
Überhaupt nicht, da es nämlich genauso war.

Der Herrschaftsbereich war unverändert.
Der Territorialbestand der Donaumonarchie hatte sich sehr wohl verändert.

Apropro, was ist eigentlich mit der brutalen und gewaltsamen Wegnahme von Tripolis durch Italien? Da habe ich von dir noch keinen negativen Kommentar gelesen.

Genau so wenig hast du von mir einen negativen Kommentar über den Umstand gelesen, in welcher Form 3 Jahrzehnte lang mit Bosnien verfahren worden war.
Du schreibt ja dankenswerter Weise schon selbst, dass niemand an eine Rückgabe an das Osmanischen Reich dachte, obwohl es formal zum Osmanischen Reich gehörte.
Entsprechend "freiwillig" dann auch die entgültige Abtretung dieses Gebiets.

Das ist ein bisschen so, als würde jemand im bewaffneten Zustand eine dir gehörende immobilie besetzten, sich dort häuslich einrichten, diese in wie auch immer gearteter Form umgestalten und dich mit diesem Zustand so lange entnerven, bis du dann bereit bist, das gegen eine lächerliche Abfindung hinzunehmen und abzutreten.

Ein solches Geschäft hätte vor keinem Recht auf diesem Planeten Bestand.

Auch das habe ich bislang nicht thematisiert.
Es hat letztenendes mit der Thematik nichts zu tun, da spielt nur das Kompensationsthema eine Rolle und das hatte ich im Hinblick auf Rhodos und die ägäischen Inseln durchaus angesprochen.

Die Wegnahme von Tripolis hatte ich hier nicht näher thematisiert, weil das definitiv außereuropäische Gebiete waren (was bei Rhodos und dem Dodekanes gemessen an den damaligen Europavorstellungen Auslegungssache wäre) und mir nicht klar ist, inwiefern Kolonien dem Kompensationsartikel unterfielen, jedenfalls hat sich im Zug der deutschen Aneignung Tsingtaus, Nordkameruns und der diversen pazifischen Inseln wohl keiner der Partner darauf berufen.


Ich muss gleich leider erstmal los, werde auf den Rest später aber noch eingehen. :)
 
Der Territorialbestand der Donaumonarchie hatte sich sehr wohl verändert.

Inwiefern?

Genau so wenig hast du von mir einen negativen Kommentar über den Umstand gelesen, in welcher Form 3 Jahrzehnte lang mit Bosnien verfahren worden war.

Du machst schon wieder ein neues Thema auf.

Das ist ein bisschen so, als würde jemand im bewaffneten Zustand eine dir gehörende immobilie besetzten, sich dort häuslich einrichten, diese in wie auch immer gearteter Form umgestalten und dich mit diesem Zustand so lange entnerven, bis du dann bereit bist, das gegen eine lächerliche Abfindung hinzunehmen und abzutreten.

Nette Metapher.:) Nur passt diese nicht so ganz. Konstantinopel hatte den formal zugestimmt. Ich habe übrigens oben ein paar Beispiele für diese imperialistische Praxis erwähnt gehabt.

Die Wegnahme von Tripolis hatte ich hier nicht näher thematisiert, weil das definitiv außereuropäische Gebiete waren (was bei Rhodos und dem Dodekanes gemessen an den damaligen Europavorstellungen Auslegungssache wäre) und mir nicht klar ist, inwiefern Kolonien dem Kompensationsartikel unterfielen, jedenfalls hat sich im Zug der deutschen Aneignung Tsingtaus, Nordkameruns und der diversen pazifischen Inseln wohl keiner der Partner darauf berufen.

Ja, das ist vollkommen korrekt; es sind außereuropäische Gebiete. Das ändert doch aber letzten Endes an der Sache rein gar nichts. Du hebst ausschließlich auf die italienische Kompensation ab.

Am 04.September 1908, also kurz vor der Annexion, traf sich Aehrenthal in Salzburg mit dem italienischen Außenminister Tittoni. Tittoni erkannte den Anspruch der Monarchie auf Bosnien und der Herzegowina an Die Gespräche verliefen in einer freundlichen Atmosphäre. Tittoni machte keinen Anspruch für Italien auf Kompensation geltend. Dies wäre hierfür aber genau der richtige Zeitpunkt gewesen.
 
Noch ganz kurz hierzu:

Hast du Belege, das Berchtolds Aussagen von den Mächten in Frage gestellt worden war. Jedenfalls kam ja die Nagelprobe nicht zustande.

Vergegenwärtigen wir uns doch einfach mal den Zustand der K.u.K.-Monarchie am Jahresende 1914:

- Hunderttausende Bürger der beiden Länder sind entweder gefallen, verstümmelt oder mindestens ernsthaft verletzt oder befinden sich außerhalb des Landes in Kriegsgefangenschaft.
- Die Armee ist im Hinblick auf ihre Materialverluste in Teilen ziemlich ruiniert.
- Galizien ist in weiten Teilen vom Krieg verwüstet und geplündert.
- Die Staatsfinanzen sind mehr oder minder am Ende, die Inlandsverschuldung steigt.
- Die gesamte zivile Industrie hängt mehr oder weniger in den Seilen, weil wegen der benötigten Kriegsproduktion und der Blockade der Entente keine Rohstoffe oder nur noch zu extrem hohen Preisen zu erhalten sind.
- Außenhandelsmöglichkeiten und Außenhandelsbilanz leiden ganz erheblich unter der Blockade
- Zudem sind wegen des Kriegsausbrauchs im Sommer und der Notwendigkeit die Soldaten aus dem Ernteurlaub schnellstmöglich zurück zu beordern Teile der Ernte verkommen.

In einem Wort:

- Verlauste an Menschen und Materal: katastrophal
- Volkswirtschaftlicher Schaden: katastrophal
- Erwartbare Folgen für weite Teile der Bevölkerung: katastrophal


Meinst du allen ernstes, dass sich in ganz Europa irgendein Staatsmann gefunden hätte, der unter diesen Umständen hätte annehmen können, dass die österreichische Regierung im Falle eines Sieges in der Lage gewesen wäre, auf jegliche präsentable territoriale Beute zu verzichten ohne Gefahr zu laufen von der eigenen Bevölkerung gelyncht zu werden?
Machen wir uns doch nichts vor. Reparationen konnte man sicherlich fordern, gleichzeitig musste aber klar sein, dass ein Land wie Serbien die ohnehin niemals würde zahlen können und bei allen anderen beteiligten Länder musste man ob der Kosten, die dieser Krieg verursachte damit rechnen, dass diese jedenfalls nicht sofort und im gewünschten Umfang würde zahlen können.

Die Hinterbliebenen der Gefallenen und die Angehörigen der Invaliden würden aber sofort Unterstützung brauchen nicht irgendwann und die kriegsbedingte Inlandsverschuldung wollte auch beglichen, die zivile Wirtschaft für ihre Verluste entschädigt werden.
Ist doch unter diesen Umständen vollkommen klar, was auf die Regierungen in Wien und Budapest zugekommen wäre, hätte die Donaumonarchie diesen Krieg überstanden, irgendwas hätte man der Bevölkerung schon präsentieren müssen.

Davon ab, ist ja denn beim gemeinsamen Ministerrat am 7. Januar 1916 die Frage hinsichtlich Annexionen durchaus thematisiert worden.
Entsprechende interne Überlegungen wird es entsprechend vorher auch bereits gegeben haben und nicht erst, seit Italien aus dem Dreibund ausgestiegen war.
 
- Hunderttausende Bürger der beiden Länder sind entweder gefallen, verstümmelt oder mindestens ernsthaft verletzt oder befinden sich außerhalb des Landes in Kriegsgefangenschaft.

Das war entsetzlich; ganz ohne jede Frage. Am Ende des Krieges hatten alle Teilnehmer entsetzliche Verluste zu beklagen und Leid in den eigenen Reihen zu lindern.

Die Armee ist im Hinblick auf ihre Materialverluste in Teilen ziemlich ruiniert.

Die Armee hat sich aber erstaunlicherweise noch ein paar Jahr gehalten und gar nicht so schlecht geschlagen; vor allem gegen Italien.

Die Staatsfinanzen sind mehr oder minder am Ende, die Inlandsverschuldung steigt.


Galizien ist in weiten Teilen vom Krieg verwüstet und geplündert.

Ja. Ebenso wie Frankreich und später Russland solche bitteren Zustände zu beklagen hatten.

Die Staatsfinanzen sind mehr oder minder am Ende, die Inlandsverschuldung steigt.

Stimmt. Die Triple Entente hing dafür an den Tropf der USA. Diese Möglichkeit war Wien und Berlin versperrt.
 
Was sagst du zu #175, das Tittoni keine Kompensation bei dem Treffen mit Aehrenthal verlangt hatte?

Die gesamte zivile Industrie hängt mehr oder weniger in den Seilen, weil wegen der benötigten Kriegsproduktion und der Blockade der Entente keine Rohstoffe oder nur noch zu extrem hohen Preisen zu erhalten sind.

Auch korrekt. Aber wie ausgeführt. Österreich hielt sich und mit dem Sieg gegen Rumänien verbesserte sich die Situation wieder. Dadurch wurde die Fortführung des Krieges möglich.

- Zudem sind wegen des Kriegsausbrauchs im Sommer und der Notwendigkeit die Soldaten aus dem Ernteurlaub schnellstmöglich zurück zu beordern Teile der Ernte verkommen.

Der Ernteurlaub war teilweise doch ein Witz. Genügend Ernteuraluber wurden in den Kneipen oder sonst wo angetroffen, aber nicht beim Einholen der Ernte.

Meinst du allen ernstes, dass sich in ganz Europa irgendein Staatsmann gefunden hätte, der unter diesen Umständen hätte annehmen können, dass die österreichische Regierung im Falle eines Sieges in der Lage gewesen wäre, auf jegliche präsentable territoriale Beute zu verzichten ohne Gefahr zu laufen von der eigenen Bevölkerung gelyncht zu werden?

Du spielst auf Serbien an. Es gab ja schließlich die Möglichkeit der Reparation. Übrigens galt das auch für die anderen Nationen.

Jetzt kommt eine neue Problematik ins Spiel: Versailles und Saint-Germain bzw. Trianon 1919.

Die Hinterbliebenen der Gefallenen und die Angehörigen der Invaliden würden aber sofort Unterstützung brauchen nicht irgendwann und die kriegsbedingte Inlandsverschuldung wollte auch beglichen, die zivile Wirtschaft für ihre Verluste entschädigt werden.
Ist doch unter diesen Umständen vollkommen klar, was auf die Regierungen in Wien und Budapest zugekommen wäre, hätte die Donaumonarchie diesen Krieg überstanden, irgendwas hätte man der Bevölkerung schon präsentieren müssen.

Das gilt auch für diesen sensiblen Themenkomplex. Du meinst, das man sich an Serbien schadlos gehalten hätte. Aber was sollte Österreich-Ungarn mit noch mehr Serben in der Monarchie? Und Ungarn war ohnehin strikt dagegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Turgot.

1804 hätten sich Serbien mit Bosnien sowieso angeschlossen und nach Miodrag Zec ist es sowieso ein Mythos das die Serben die Donaumonarchie gestürzt haben, den man in Serbien und Wien glaubt, dabei seien die Ungarn und Magyarisierung und die Unfähigkeit in Bosnien der Grund für Princips Attentat gewesen. Ich sehe keinen Grund warum Österreich-Ungarn wenn sie Kompromisse eingegangen wären, auch nicht Serbien hätten Schlucken wollen.

Seit dem das Osmanische Reich seine Fähigkeit zum effektiven regieren verloren hat, haben die Serben sich doch immer Österreich anschließen wollen.

Miodrag Zec - Mađari će razvaliti Evropu! - YouTube

Die Ungarn wollten Österreich und Österreich-Ungarn nicht, die Serben waren dem Kaiser bis zum Schluss fast treu, man muss die Interpretation ja nicht teilen, aber sie hat was. Zec ist kein Historiker, aber Ökonom historisch interessiert, der Ökonomie als Teil der Geschichte sieht, Theorien müssen sich in der Geschichte beweisen.

Als Austroserbe in Wien fühle ich mich ja sehr wohl.
 
Seit dem das Osmanische Reich seine Fähigkeit zum effektiven regieren verloren hat, haben die Serben sich doch immer Österreich anschließen wollen.

Bis zur Ermordung von König Alexander und seiner Gattin Draga im Jahre 1903. Dann orientierte sich Belgrad auf Petersburg um.


Diese Politik der Magyarisierung verursachte schon hinreichend Probleme mit Rumänien und Budapest war da trotzig und uneinsichtig.

Ich sehe keinen Grund warum Österreich-Ungarn wenn sie Kompromisse eingegangen wären, auch nicht Serbien hätten Schlucken wollen.

Letzten Endes können wir diese Frage nicht schlüssig beantworten.:)
 
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