Besserer Start für die Menschheit?

Ich weiß nicht, ob das heute noch state of the art ist, aber als ich vor 24 Jahren im Einführungsseminar in die germanistische Sprachwissenschaft ist, verkaufte die Professorin den aufrechten Gang für die anatomisch notwendige Voraussetzung, um a) das Gehirn und b) den Stimmapparat zu entwickeln, mit dem wir A) unsere Werkzeuge und B) unsere Sprache ersinnen.

Klingt vernünftig (mit meinem Null-Fachwissen in diesem Bereich, kann man da ja kaum mehr sagen).

Meine Abschweifung mit dem "aufrechten Gang", wäre aber nur als (wahrscheinlich nicht besonders geschickt formulierte) Aufforderung zu verstehen gewesen, diskussionsmäßig nicht gleich in die Tiefen der Evolution abzutauchen.
 
Eine andere, entscheidende Technik bei der Menschwerdung wäre die Nutzung des Feuers.
Ja, das war tatsächlich ein großer Sprung nach vorn. Warum? Weil man, erstens, einen Teil der Verdauung nach draußen verlagert hatte, was Ressourcen frei machte für andere Tätigkeiten, denn Rohkost ist schwer verdaulich und bindet demzufolge Energie; einen Teil dieser Energie lieferte nun das Feuer. Und zweitens konnte man eiweißhaltige Nahrung (Fleisch) leichter verdauen, was auch die Ressourcen des Körpers für andere Aufgaben frei machte, weil man nicht mehr den ganzen Tag nach Nahrung suchen musste. Mit anderen Worten: Die Menschen hatten mehr Zeit für sich, sprich für Denken/Müßiggang/Spiel/Fantasieren.
 
Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären?
Woher willst Du wissen ob nicht demokratisches Abstimmungsverhalten das "große Ding" war vor dem Werkzeug?
Immerhin gibt es ja demokratische Entscheidungsfindungen im Tierreich (z.B. Pferde, Rothirsche, Elefantinnen, Schwäne und Bienen) ist also keine so neue Erfindung.
Mathematische Biologie: Der Oberaffe
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Das mit dem Feuer und der Ernährung sehen einige noch wichtiger. Die menschliche Verdauung brauche das Feuer. Ich bin kein Biologe.

Aber wenn das stimmt, sind die ersten Erfindungen notwendigerweise eine Voraussetzung der Menschwerdung und damit nicht austauschbar.

Aber auch, wenn das nicht gilt, wissen wir gar nicht, was die erste Erfindung war. Insofern ist ein alternativgeschichtliches Gedankenexperiment nicht möglich.

Und jenseits von Ideologien wissen wir nicht um die soziale und politische Organisation in früher Zeit. Der Strukturalismus in der Ethnologie kombiniert mit anderen Strömungen hat erkannt, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt und mindestens bis zum jeweils aktuellen Beginn der Verwendung des Logos statt des Mythos zur Reflexion, die Menschheit zwischen bestimmten Organisationsmodellen in jeweils aktuellen Ausprägungen wechselt. Der Kommunismus gehört nicht dazu. Demokratie auch nicht. Entsprechende Äußerungen gehören nur zum Thema Verfälschung von Wissenschaft für Förderung oder aus politisch-ideologischen Gründen.

Die genannten Möglichkeiten werden als die dem Menschen eigentümliche Lösungen gesehen. Bei Vulkaniern, Klingonen oder Enten würden diese anders aussehen. Wenn diese Verhaltensweisen aber zum Menschen gehören, müssen sie zumindest nah am Anfang stehen. Doch werden wir dies mangels Quellen nie prüfen können und damit nie wissen, ob sie schon am Anfang standen.

Wenn etwa Eigentum erst ab einem bestimmten Zeitpunkt nachweisbar ist, heißt es nicht, dass es das zuvor nicht gab. Für die Einführung der Unterscheidung von Eigentum und Besitz unter Augustus hingegen gibt es genügend Quellen, sagen die Rechtshistoriker.
 
Immerhin gibt es ja demokratische Entscheidungsfindungen im Tierreich (z.B. Pferde, Rothirsche, Elefantinnen, Schwäne und Bienen) ist also keine so neue Erfindung.
Mathematische Biologie: Der Oberaffe
Ob das wirklich "demokratische" Entscheidungen sind? Das ist doch ein sehr offener Demokratiebegriff, der dort gepflegt wird. Ich war am Wochenende spazieren, fünf Rehe standen hinter einer Hecke. Es kam eine Lücke in der Hecke, eines der fünf Rehe bemerkte mich und sprang panisch weg. Die anderen vier Rehe hinterher. Während Reh 1 am weitesten sprang, schauten sich Rehe 2 bis 5 nach einigen Sätzen erst einmal um, wovor sie denn überhaupt weggesprungen waren. Tiere reagieren auf dynamische Prozesse, weil das ihr Überleben sichert. Das als "Demokratie" zu bezeichnen, ist weit hergeholt.
 
Ich meine auch, dass "demokratische Entscheidungen" eine bewusste Entscheidung voraussetzen, dass sich also die Entscheidenden bewusst für eine von mehreren Alternativen entscheiden.
 
Die gemeinsam jagenden Wölfe oder Löwinnen müssen sich schon darüber abstimmen, wer was bei der Jagd macht, weil sie auch während der Jagd auf unvorhergesehene Ereignisse in adäquater Weise reagieren müssen.

Auch Schimpansen führen regelrechte Kriege gegen benachbarte Gruppe von Schimpansen, die bis zur völligen Vernichtung der Männchen bzw. der Übernahme der Weibchen des Gegners gehen – siehe Schimpansenkrieg.

Es geht um Ressourcen und Grenzen, was auch uns nicht fremd ist. Insofern sind bestimmte tierische Verhaltensweisen schon mit menschlichen vergleichbar.
 
Die gemeinsam jagenden Wölfe oder Löwinnen müssen sich schon darüber abstimmen, wer was bei der Jagd macht, weil sie auch während der Jagd auf unvorhergesehene Ereignisse in adäquater Weise reagieren müssen.
Sich über einen Sachverhalt abstimmen ist noch keine Demokratie. Abgesehen davon sind die Jagdopfer meist Tiere, die sich entweder abseits der schützenden Herde befinden oder aber schwach sind, also meist unerfahrene Jungtiere oder auch kranke Tiere. Es ist gewissermaßen das Opfer, welches die Entscheidung vorgibt.

Auch Schimpansen führen regelrechte Kriege gegen benachbarte Gruppe von Schimpansen, die bis zur völligen Vernichtung der Männchen bzw. der Übernahme der Weibchen des Gegners gehen – siehe Schimpansenkrieg.
Und die eng verwandten Bonobos verhalten sich ganz anders. Wenn es zwischen zwei Bonobogruppen zu einem Konflikt kommt ziehen sich die Affen unter Gekreische in den Wald zurück, dann nähern sich die Weibchen vorsichtig dem Schauplatz und bieten sich zum Sex an und allmählich kommen die Männchen nach und wenig Minuten später gibt es ein Gerangel weil jeder mit jeder und jedem...
 
Ja, @El Quijote, das mit den Bonobos ist wahr, aber Menschen, die für make love not war waren oder sind, wurden und werden als ahnungslose Pazifisten beschimpft. Was auch wahr ist, denn Pazifisten verkennen die menschliche Natur, die mehr der der Schimpansen ähnelt als der von Bonobos. Leider.
 
Ob das wirklich "demokratische" Entscheidungen sind? Das ist doch ein sehr offener Demokratiebegriff, der dort gepflegt wird.

Bienen jedenfalls sind tatsächlich „lupenreine Demokraten“ mit einem komplexen aber offenen System der Gewinnung und Verbreitung von Informationen. Aus diesen entsteht eine mehrheitliche Entscheidung Aller. Das ereignet sich bei der Staatengründung, dem Schwärmen. Ähnliche Abstimmungen finden im kleineren Maßstab bei der Nahrungssuche statt.
Die benutzte Sprache ist der Tanz.*
Die Tatsache, dass sie eine Königin haben, macht sie indes nicht zur Konstitutionellen Monarchie.
Denn deren Königin benimmt sich doch sehr viel anders als etwa Elisabeth II.
:D:D


*Ob das ohne Grammatik geht? Können Tänze überhaupt Grammatik haben?
 
Wenn etwa Eigentum erst ab einem bestimmten Zeitpunkt nachweisbar ist, heißt es nicht, dass es das zuvor nicht gab. Für die Einführung der Unterscheidung von Eigentum und Besitz unter Augustus hingegen gibt es genügend Quellen, sagen die Rechtshistoriker.

Mit der Argumentation bin ich nicht so ganz einverstanden, weil allein die Tatsache, dass es Privateigentum gab, für eine Gesellschaft ja nicht konstituierend ist.
Eigentum an und für sich gab und gibt es (mit Rücksicht auf Nordkorea), ja sogar im Realsozialismus, im begrenzten Maße und wenn auch nur in denjenigen des eigenen Gemüsebets oder des eigenen Werkzeugschranks, auch privates Eigentum an Arbeits/Produktionsmitteln.
Die Frage ist weniger ob solche Konzepte bekannt waren oder nicht, sondern viel mehr ob sie für die einzelnen Gesellschaften eine herausragende Rolle spielten oder nicht.

Nimmt man ältere Gesellschaftstypen, wie etwa solche, die als "Palastwirtschaften" angesprochen werden, sind zumindest aus früherer Zeit Gesellschaftsmodelle belegt, in denen Privatbesitz an Produktionsmitteln offenbar eine deutlich geringere Rolle spielte, als uns das heute geläufig ist:

Palastwirtschaft – Wikipedia

Ob man dass dann einen "Urkommunismus" nennen möchte sei dann mal dahin gestellt. Davon über Jahrtausende irgendwelche Kontinuitäten zu Zentralverwaltungswirtschaften in ausgewachsenen Industeriestaaten zu ziehen, wie der Artikel das wünscht, halte ich auch nichts.
Im Bezug darauf, welchen Stellenwert Privateigentum aber in früheren Abschnitten der Menschheitsgeschichte möglicherweise hatte, würde ich derlei Beispiele nicht unbedingt ignorieren wollen.
 
Da liest du Dinge in das Beispiel, die damit nicht gesagt sind. Es ist lediglich ein Beispiel dafür, dass es ohne aussagekräftigen Quellen nicht geht.

Es geht hier um Bestandteile einer Gesellschaft. Und schon seit wann es Eigentum gibt ist nun einmal unbekannt. Das wird auch nicht anders, wenn du mit den Begriff in neue Assoziationen einsetzt, zu denen ich mich nicht äußerte.

Lies dich vielleicht mal zum Thema ein. "Ältere Gesellschaftstypen" gilt heute als ein äußerst diskriminierender Begriff in einer Liga mit "primitive Gesellschaft" und "Primitive". So schrieb die Ethnologie in Zeiten des Kolonialismus. Ich habe ausdrücklich andere Sichtweisen bemüht.
 
Die Schwierigkeit der Definition für frühe Zeiten ist nicht mein Thema. Aber die Meinungen interessieren mich auch.

(Im Grunde wollte ich nur betonen, dass die Entwicklung keine monotone Richtung verfolgt und es mehr Werte gibt als auf und ab. Aber natürlich gäbe es viel mehr zu sagen und zu diskutieren. Aber das ist gesundheitlich noch zuviel für mich.)
 
Da liest du Dinge in das Beispiel, die damit nicht gesagt sind. Es ist lediglich ein Beispiel dafür, dass es ohne aussagekräftigen Quellen nicht geht.

Es geht hier um Bestandteile einer Gesellschaft. Und schon seit wann es Eigentum gibt ist nun einmal unbekannt. Das wird auch nicht anders, wenn du mit den Begriff in neue Assoziationen einsetzt, zu denen ich mich nicht äußerte.

Wie gesagt, da bin ich etwas anderer Auffassung.
Wann etwas erfunden wird, das ist die eine Sache. Wann etwas in dem Maße für eine Gesellschaft tatsächlich eine Relevanz besitzt, die man in irgendeiner Form "konstituierend" nennen könnte, ist demgegenüber eine ganz andere Frage.
Und von dem her wäre zu diskutieren, ob die Frage, wann das Eigentum aufkaum, denn entwicklungstechnisch überhaupt eine Relevanz besitzt.

Denn das wiederrum unterstellt eigentlich implizit dass das Aufkommen des Eigentums an und für sich bereits automatisch zu Gesellschaftsformen führte, in denen es eine gesamtgesellschaftlich maßgebliche Rolle spielte.

Ich würde meinen, bedeutsam ist wesentlich eher, wann das Eigentum, sei es gemeinschaftlicher oder privater Natur zu einer Einrichtung wurde, die sich durchsetzte.
Und wenn wir auch über die Erfindung des Eigentums nichts sagen können, so können wir doch möglicherweise darüber etwas sagen. Vielleicht nur über Teilbereiche aber es wäre ein Ansatz.

Sich einfach nur darauf zu kaprizieren, wann irgendetwas erfunden worden ist mMn ein relativ fruchtloser, rein ideengeschichtlicher Ansatz, der mangels Bezug zur materiellen Wirklichkeit einer Geselslchaft doch häufiger mal den Blick auf die Entwicklung eher verstellt.

Die Dampfkraft an und für sich ist der Menschheit spätestens seit der griechischen Antike bekannt. Relevant für die Ausprägung ihrer Gesellschaften wurde sie erst 1700 Jahre später.

Lies dich vielleicht mal zum Thema ein. "Ältere Gesellschaftstypen" gilt heute als ein äußerst diskriminierender Begriff in einer Liga mit "primitive Gesellschaft" und "Primitive". So schrieb die Ethnologie in Zeiten des Kolonialismus. Ich habe ausdrücklich andere Sichtweisen bemüht.

Vielleicht liest du dich selbst mal ein?

Man könnte darüber verhandeln, ob dieser Begriff in irgendeiner Form diskriminierend wäre, wenn ich diesen Begriff auf heute existierende Gesellschaften angewandt hätte um sie in irgendeiner Form abzuwerten.
Habe ich aber nicht.

Ich habe über Gesellschaftstypen geschrieben, die vor mehreren 1.000 Jahren existiert haben. Und in diesem Zusammenhang ist der Begriff "älter" keine Abwertung in irgendeiner Form, sondern schlicht eine Tatsache, die dem Umstand der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen Tribut zollt.

Man könnte das natürlich auch "bronzezeitlich" nennen, würde dann aber auf Grund der Ausdehnung dieses Gesellschaftstyps von der Ägäis bis in den persischen Raum hinein vor der Problematik der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen stehen, denn wie sollte man das für ein so ausgedehntes Gebiet zeitlich einigermaßen sauber eingrenzen?
Deswegen habe ich mich auf "ältere Gesellschaftstypen" kapriziert, was in diesem Kontext (erkennbar) nichts anderes zu bedeuten hat, als im weiteren Sinne "voreisenzeitlich".
 
Denn das wiederrum unterstellt eigentlich implizit dass das Aufkommen des Eigentums an und für sich bereits automatisch zu Gesellschaftsformen führte, in denen es eine gesamtgesellschaftlich maßgebliche Rolle spielte.
Es tät mich immer noch interessieren was "Eigentum" ist.
Wenn ich mir jetzt mühsam einen trefflichen Faustkeil zurecht klopfe, und den dann behalten will und kann, ist das schon Eigentum?
Oder wenn ein Vogelpaar sein Nest baut und verteidigt; Eigentum?
Oder ist Eigentum ein Besitz der von einer Gemeinschaft, womöglich formell, anerkannt wird?
 
Es tät mich immer noch interessieren was "Eigentum" ist.
Wenn ich mir jetzt mühsam einen trefflichen Faustkeil zurecht klopfe, und den dann behalten will und kann, ist das schon Eigentum?
Oder wenn ein Vogelpaar sein Nest baut und verteidigt; Eigentum?
Oder ist Eigentum ein Besitz der von einer Gemeinschaft, womöglich formell, anerkannt wird?

Ich würde sagen Eigentum ist dann Eigentum, wenn der Inhaber völlig frei darüber verfügen kann, was die Möglichkeit es auf eigene Rechnung zu verkaufen oder zu vererben einschließt, ohne dass die Gesellschaft dagegen irgendwelche Einwände erhebt.
Jedenfalls was das Privateigentum betrifft.
 
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